Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie gesagt, wir können heute leider nur noch einen Nachruf halten. Deshalb möchte ich jetzt mit der Würdigung des Verstorbenen beginnen. Dabei soll man ja nichts Schlechtes sagen und das wird mir auch nicht schwerfallen.
Wir haben weit über 5 000 Stellen in Sachsen geschaffen. Also mehr als jede dritte Stelle, die in der Bundesrepublik über den Kommunal-Kombi entstanden ist, gibt es bei uns in Sachsen. Das ist ein Verdienst des Landes, übrigens nicht nur der SPD; denn in der vorigen Wahlperiode war die CDU bekanntermaßen der große Koalitionspartner der SPD. Durch eine gesunde Finanzpolitik haben wir es geschafft, 46 Millionen Euro Landesmittel zur Verfügung stellen zu können. Wir als Freistaat Sachsen gaben einen der höchsten Zuschüsse aller Länder für dieses Projekt. Wenn man vergleicht, wie viel die Kommunen, nach denen der Kommunal-Kombi benannt ist, geben – 11 Millionen Euro –, dann sieht man, dass der Freistaat sehr wohl in großem Maße in die Verantwortung gegangen ist.
Sowohl in der Koalition als auch in der Öffentlichkeit haben wir die Diskussion: Ist der öffentliche Beschäftigungssektor nötig oder ist er es nicht? Diese Diskussion haben wir auch in unserer Fraktion. Dazu kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ich denke, wir sind einer Meinung, wenn wir sagen, dass die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt in den Industriebetrieben die besten sind. Deshalb haben wir eine recht ordentliche Investitionsförderung bei uns im Freistaat Sachsen. Wir wollen, dass Unternehmen wachsen und dass dort Jobs entstehen. Ich denke, dabei sind wir in Sachsen sehr gut aufgestellt.
Wir sagen auch, dass man einen Zuschuss zahlt, wenn Arbeitslose eine Arbeit aufnehmen wollen, damit sie in die neue Tätigkeit hineinkommen. Ich würde das mitunter sogar noch länger zahlen in Form eines Kombilohnmodells. Man gewährt Lohnzuschüsse, damit Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen und dort ein sicheres
Auskommen haben. Aber es gibt viele Menschen – dafür kennen wir genügend Beispiele –, die lange Zeit arbeitslos sind und die beispielsweise 15 Jahre aus dem Job heraus sind. Bei denen wissen wir, dass es ihnen nicht mehr gelingt, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wenn jemand, der 15 Jahre arbeitslos ist, seine Bewerbung absendet, dann ist das die erste Bewerbung, die der Arbeitgeber aussortiert und sagt: Entschuldigung, den brauche ich zum Bewerbungsgespräch gar nicht einzuladen.
Es gibt Menschen mit Vermittlungshemmnissen, die vielleicht manchmal nicht so flink sind, um am Fließband zu arbeiten. Sie sind vielleicht krank und deshalb mit Einschränkungen versehen. Ich denke, wir alle kennen solche Menschen, die sich aber redlich darum bemühen, die tatkräftig sind und einen Job, eine Arbeit haben wollen. Für jene war der Kommunal-Kombi wie geschaffen. Er war eine tolle Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen.
Jeder von uns kennt die Beispiele aus dem Wahlkreis, dass jemand auf dem Sportplatz arbeitet, sich um den Rasen kümmert, die Jugendmannschaft beim Fußballverein trainiert und vielleicht Hausmeister im Tierheim ist. In Leipzig fährt man in der Straßenbahn mit und verhindert damit Vandalismus. Dort gibt es die blau-gelben Engel – so heißen sie in Leipzig –, die den Müll aufsammeln. Ich habe jetzt ein wenig Angst, dass sie die Farbe blau-gelb abgeben, wenn sie hören, wie die FDP hier in Sachsen agiert hat.
Das sind zusätzliche Arbeitsverhältnisse. Im Antragsverfahren wird natürlich geprüft, ob einem Unternehmen ein Job weggenommen wird. Ich möchte nicht, dass Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängt werden. Darin sind wir einer Meinung, denn dazu sind diese zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse nicht gedacht.
Wenn wir über den öffentlichen Bereich der Beschäftigung reden, möchte ich daran erinnern, dass wir mit den Werkstätten für behinderte Menschen einen Arbeitsmarkt geschaffen haben. Dabei wissen wir, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht so leicht die Möglichkeit haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Deshalb haben wir geschützte Bereiche der Beschäftigung.
Kollege Pellmann, wir wollen jetzt nicht über Spitzfindigkeiten reden. Das ist ein Bereich, in dem die Gesetze der Produktivität in gewisser Weise außer Kraft gesetzt worden sind. Man sagt, auch wenn der Mensch weniger produktiv ist als jemand, der auf einem normalen Industriearbeitsplatz angestellt ist, dass er dennoch die Möglichkeit hat, tätig zu werden, und der Staat das auch unterstützt. Wir haben das auch in anderen Bereichen durch Lohnkostenzuschüsse. Aber wir haben dort einen
extra Bereich geschaffen, weil wir wissen, selbst wenn wir den behinderten Menschen ein halbes Jahr anlernen, wird er es nicht schaffen, auf dem ersten Arbeitsmarkt in vielen Bereichen konkurrenzfähig zu den anderen zu sein.
Ich beende nur den einen Satz. – Deswegen ist es sehr sinnvoll, auch in anderen Bereichen darüber nachzudenken, einen öffentlichen Beschäftigungssektor zu haben, in dem Menschen, die zum Beispiel krank oder lange Zeit arbeitslos sind und bei denen wir wissen, sie schaffen es nicht mehr zurück auf den ersten Arbeitsmarkt, dauerhaft die Möglichkeit haben, dort beschäftigt zu werden.
Ich möchte Sie fragen, wie viele Werkstätten für Menschen mit Behinderung Sie persönlich schon besichtigt haben und ob Ihnen bekannt ist, dass dort nach ganz normalen Maßstäben der Industrie produziert wird.
Ich war schon in verschiedenen Werkstätten für Behinderte und habe selbst für solche Träger gearbeitet. Wir müssen etwas differenzieren. Das können wir jetzt nicht machen, weil wir keinen Antrag über Werkstätten für behinderte Menschen haben. Klar ist, dass sie natürlich ihre Produkte auf den Markt bringen müssen. Selbstverständlich gibt es Zuschüsse, die dazu führen, dass eine Werkstatt für behinderte Menschen sich im Wettbewerb bewegen kann. Das möchte ich jetzt nicht vertiefen, weil wir momentan ein anderes Thema behandeln und nicht über Werkstätten für behinderte Menschen reden.
Herr Krauß, Entschuldigung, ich wollte keinen Disput mit Ihnen auf dem Flur; denn das macht man nicht. Vielen Dank für die Fragemöglichkeit.
Ich möchte Sie um die Beantwortung meiner Frage bitten. Können Sie mir zustimmen, dass wir viel mehr Mittel einsetzen müssten, um sogenannte Integrationsprojekte für behinderte und nicht behinderte Menschen zu schaffen
da gibt es viel zu wenige –, weil nämlich im Unterschied zu den Behindertenwerkstätten dort nicht nur ein Taschengeld für die Betroffenen zu verdienen ist, sondern weil dort reguläre Arbeitsverträge nach Tarif gelten würden? Meinen Sie – –
Da stimme ich Ihnen zu, doch ich möchte jetzt gern wieder auf das Thema zurückkommen, über das wir eigentlich reden, nämlich über den Kommunal-Kombi. Meine Grundaussage war, dass wir einen öffentlichen Beschäftigungssektor brauchen. Das halte ich für sinnvoll. Klar ist aber auch, dass das nicht in erster Linie Aufgabe der Länder ist. Dafür ist der Bund zuständig, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit. Natürlich sollten wir uns an der Diskussion beteiligen, aber auch aufpassen, dass wir hier nicht nur als Land in der Verantwortung sind, sondern dass es in erster Linie Aufgabe des Bundes ist. Klar muss sein, dass dies eine ganze Stange Geld kostet. Ich sage aber auf der anderen Seite auch, dass Arbeitslosigkeit eine ganze Stange Geld kostet.
Man muss jetzt einmal die gesamtgesellschaftlichen Kosten gegenüberstellen. Wir geben für einen Arbeitslosen pro Jahr im Durchschnitt 18 000 Euro aus. Ich glaube, man sollte einmal dagegenrechnen, was passiert, wenn man nicht die Arbeitslosigkeit finanziert, sondern die Arbeit. Ich denke, dass man dann zumindest mit dem gleichen Geld auch eine ganze Menge erreichen kann. Mir ist es lieber, jemanden zu finanzieren, der den Fußballrasen pflegt, statt denjenigen, der mit der Bierflasche vorm Fernseher sitzt. Deswegen ist es sinnvoller, in Arbeit zu investieren als in Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen. Das Bundesprogramm ist 2009 definitiv ausgelaufen, jedenfalls können keine neuen Anträge mehr zum Kommunal-Kombi gestellt werden. Selbst wenn wir den SPD-Antrag annehmen würden, käme kein Antragsteller mehr zu einem Zuschuss. Der Zug ist abgefahren. Wir werden die Evaluierung sicherlich abwarten und sehen, was dabei herausgekommen ist. Aber die Anträge von SPD und GRÜNEN helfen uns leider nicht weiter. Deswegen werden wir sie ablehnen.
Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. Ich bitte nun die Linksfraktion, das Wort zu nehmen. Es spricht Herr Abg. Kind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von den demokratischen Parteien! Herr Krauß, ich möchte meine Hochachtung für den ersten Teil Ihres Beitrages aussprechen.
Nur die Stringenz hat mir gefehlt, denn konsequent wäre gewesen, dass Sie empfohlen hätten, dem Antrag zuzustimmen. Der erste Teil hörte sich so an. Ich war ganz hoffnungsfroh.
Jetzt zu meinem Beitrag. Ich denke, wenn wir hier über den Kommunal-Kombi und über das in meinen Augen sinnlose und vorzeitige Abbrechen sprechen, müssen wir noch einmal kurz zurückblicken. Warum brauchen wir den Kommunal-Kombi und warum müssen wir uns in diesem Bereich besonders engagieren? Ich habe gestern darauf hingewiesen, dass wir nach wie vor in Deutschland und in Sachsen, in Sachsen ganz speziell, ein strukturelles Arbeitslosenproblem haben. Der Sockelbetrag der nicht Vermittelten und nicht in den Arbeitsmarkt zurückgekommenen Personen ist nach wie vor sehr hoch, 186 000. Ich habe diese Zahl gestern genannt.
Vor diesem Hintergrund ist es einfach nötig, dass wir uns weiterhin mit einem besonderen Programm in diesem Themenbereich bewegen und dort etwas anbieten. Hier ist die Staatsregierung gefordert. Herr Minister Morlok hat nur eine Chance, seinen Fehler zu heilen: wenn er ein besseres Programm auflegen würde, als es der Kommunal-Kombi war. Auch an diesem gibt es sicher Dinge zu kritisieren. Wir haben das bei seiner Einführung damals reichlich getan. Wenn er ein besseres Programm in der Hinterhand hat, dann ist der Fehler zu heilen. Nur allein der Glaube daran fehlt mir.
Vor diesem Hintergrund werden sich die Probleme nicht verringern. Wir sind im 20. Jahr nach der Wende in der Situation, dass sich aufgrund der hohen strukturellen Arbeitslosigkeit erste Generationen fortsetzen, in denen ganze Familien in Transfersystemen waren. Daraus entwickeln sich soziale Probleme für die nachfolgende Generation. Das ist nachweisbar. Diesen Umstand hatten wir in den neuen Bundesländern bis jetzt noch nicht. In diese Phase treten wir gerade ein.
Wenn wir das manifestieren wollen, dann müssen wir so weitermachen und Förderprogramme in diesem Bereich streichen. Wenn wir daran etwas ändern wollen, um die Spätfolgen nicht ausufern zu lassen, dann müssen wir Förderprogramme in diesem Bereich einsetzen. Das ist einfach eine zivilisatorische Pflicht einer Demokratie.
Es geht nicht darum, in dem Bereich Anreizsysteme zu schaffen, um die Leute zur Arbeit zu bewegen. Es geht darum, Mängel der Gesellschaft und Probleme, die der Arbeitsmarkt hervorgebracht hat, für die der Einzelne in aller Regel keine Schuld trägt, durch die Gesellschaft zu heilen und Angebote zu bringen, um den Arbeitsmarkt so zu entwickeln, dass dieser selbst getragen wird. Es ist einfach eine Umkehrung von Ursache und Wirkung
notwendig, und Sie von den Regierungsfraktionen müssen versuchen zu begreifen, dass das das Problem ist.
Ich habe, wie ich habe es gestern schon sagte, bei der ARGE als Fallmanager gearbeitet. Das sind die Fälle, in denen besonders hoher Förderbedarf besteht und besondere Vermittlungshemmnisse festgestellt wurden. Ich habe 140 Teilnehmer betreut. Wenn Sie sich an Ihre eigenen Gesetze im Hartz-Bereich erinnern: Es sollten 75 pro Fallmanager sein. Über dieses Missverhältnis spricht niemand mehr. Von diesen 140 kann ich Ihnen einen oder zwei nennen, bei denen es wirklich von der Motivation her schwierig war, dass sie wieder in die Arbeit wollten. Alle anderen mit den schwierigen Bedingungen waren willens, Arbeit anzunehmen, wenn sie da wäre, oder sie gingen ungefördert auf den ersten Arbeitsmarkt. Das wollen wir einmal klarstellen.
Wir wollen auch klarstellen, wo die Ursachen der Arbeitslosigkeit liegen. Ich kann mich an keine Pressemitteilung erinnern, nach der Arbeitslose oder arbeitende Arbeitnehmer aus ihren Betrieben geflüchtet sind, weil sie die Arbeit nicht machen wollten. In aller Regel ist die Ursache, dass die Arbeitgeber die Arbeitnehmer entlassen und diese dann arbeitslos sind, unverschuldet. Wenn Sie mir eine Pressemitteilung zeigen, dass die Arbeitnehmer vor der Arbeit weggerannt sind, dann wäre ich Ihnen dankbar und würde noch einmal umdenken.
Zum Verlauf des Projektes Kommunal-Kombi muss ich die SPD etwas in die Pflicht nehmen. Ich habe die Initiative in der ARGE im 1. Halbjahr 2009 selbst miterlebt. Es muss doch jetzt möglich sein, die Träger noch einmal richtig zu informieren und zu animieren, auch in der unklaren Situation, was mit dem Vermittlungsbudget, was mit der Entgeltvariante in der AGH wird. Fragen gibt es zur Entgeltvariante mit Mehraufwandsentschädigung: Was ist der Kommunal-Kombi, was setzt man wie ein? Warum war es notwendig, im Jahre 2009 diese Initiative zu machen, warum war die Initiative 2008 nicht genauso stark, dass das Programm von Anfang an noch besser hätte anlaufen können?