Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

wachung ist nicht zu rechtfertigen, passt aber in das allgemeine Bild des Misstrauens, dem mit noch mehr Überwachung entgegengewirkt werden soll. Ich bin davon überzeugt, dass durch die hohen Standards in der Abfallwirtschaft Sachsens keinerlei Gefährdungen der Umwelt zu befürchten sind und eine umfangreiche Aufklärung der aufgetretenen Fälle durch das SMUL und die Justiz stattgefunden hat bzw. stattfinden wird.

Herr Hippold, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein. Ich möchte meinen Beitrag noch zu Ende bringen. Ich habe nur noch einen Satz, dann kann Herr Lichdi gern im Rahmen seiner Redezeit dazu Stellung nehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In diesem Sinne empfehle ich dem Sächsischen Landtag, die Drucksache 5/970 abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als nächste Rednerin ist Frau Roth gemeldet. Sie spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hippold, es hilft uns nicht weiter, wenn Sie die Problematik bagatellisieren und mit dem Totschlagargument Gefährdung von Arbeitsplätzen die Probleme und die Fakten kleinreden, die wir als Linksfraktion und auch die GRÜNEN in der vergangenen Legislaturperiode – Sie haben es ja selbst aufgezählt – schon mehrfach benannt haben.

Fakt ist nun einmal, dass es schwarze Schafe in der Abfallbranche gibt, auch Entsorgungsfachbetriebe, die illegal Abfall, auch Sonderabfall verbuddeln oder verbrennen und damit horrende Gewinne erzielen und dadurch auch für ein schlechtes Image der Abfallwirtschaft sorgen. Fakt ist auch das Unvermögen der zuständigen Behörden, und zwar wegen fehlendem Fachpersonal, also der zu konsequenter Überwachung. In der Amtssprache heißt das: „Es besteht ein offensichtliches Vollzugsdefizit des nationalen und europäischen Rechtes.“

Ich möchte Ihnen dazu sagen, dass die unsägliche Verwaltungsreform von 2008 diese Situation noch dramatisch verschlechtert hat.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Fakten sind auch behördliche Unterlassungen und Fehler bei der Ablagerung, unseriöse Praktiken bei Verfahren zur Anlagengenehmigung und nur sehr zögerliche, häppchenweise Information der Öffentlichkeit und eben auch des Landtages.

Meine Damen und Herren! Ich möchte für die Linksfraktion sechs Punkte benennen, die diese Situation in der Abfallwirtschaft in Sachsen ändern können und sollen.

Erstens. Wir leben im 21. Jahrhundert, meine Damen und Herren, und sollten endlich begreifen, auch Sie, Herr Günther, und auch danach handeln, dass Abfall ein Wertstoff ist, eine wertvolle Ressource. Aber unser Zeitgeist ist noch vom alten Denken des 19. Jahrhunderts bestimmt. Abfall ist etwas Schmutziges, Lästiges, das man schnell entsorgen und sich dessen entledigen muss nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Dieses Denken, meine Damen und Herren, ist die Wurzel allen Übels. Deshalb ist ein Umdenken notwendig – Abfall ist wertvoll, Abfall ist ein Rohstoff!

Zweitens. Den Kriminellen, den Verschiebern müssen wir den Müll zum Verbuddeln und zum Verbrennen wegnehmen. Wir müssen also die Quellen verstopfen, die diese kriminellen Machenschaften begünstigen, und das geht durch Vermeiden, Wiederverwerten und Recyceln. Kluge Abfallwirtschaft ist die Aufgabe der Zeit, die Aufgabe der Zukunft. Ressourcenwirtschaft ist allemal dem ausgeklügeltsten Überwachungssystem überlegen; denn – das wissen Sie genauso gut wie ich – jedes Überwachungssystem ist auszutricksen, wenn man es nur will.

Drittens. Wir fordern die Pflicht zur Kooperation von Unternehmen, Behörden und Bürgerinnen und Bürgern, denn eine Verbesserung der Information und Kooperation führt automatisch zu einer Beschleunigung der Antragsbearbeitung und zur Akzeptanz der einzelnen Maßnahmen. Eine offensive Öffentlichkeitsinformation über Abfallströme sehen wir zum Beispiel darin, dass man alle Entsorgungsschritte ins Internet einstellen sollte – vom Entstehen des Abfalls über seine Erfassung, seinen Transport, die Behandlung, bis hin zur Ablagerung. Was ganz wichtig ist – das haben wir schon in der 4. Legislaturperiode etliche Male beantragt –: Hinweisen aus der Bevölkerung über den Verdacht illegaler Ablagerung oder die Verwendung in technischen Bauten muss unverzüglich – wirklich unverzüglich! – nachgegangen werden.

Viertens. Wir fordern klare öffentliche Strukturen und Richtlinien für den Vollzug der Überwachung der Entsorgung von Abfällen, wie es zum Beispiel in SachsenAnhalt der Fall ist. Damit wird die Überwachung optimiert und die Abstimmung und Zusammenarbeit der zuständigen Behörden intensiviert. Die zuständigen Behörden sind die unteren Abfall- und Immissionsschutzbehörden, die Landesdirektionen – hier vor allem die Landesdirektion Dresden –, die für die Notifizierungen zuständig sind; nicht zu vergessen das Oberbergamt, das für die Genehmigung der bergrechtlichen Betriebspläne bei der Verfüllung von Tagebauen und Abgrabungen mit mineralischen Abfällen zuständig ist.

Beim Oberbergamt sehen wir eine große Grauzone. Es agiert häufig wie der Staat im Staate, und ich frage mich: Begünstigt das die illegale Müllverkippung?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ich frage mich das auch!)

Zu Recht, Herr Dr. Hahn.

Fünftens. Untersuchungen in Brandenburg und SachsenAnhalt haben bewiesen: Es liegt eine hohe Tatbeteiligung von zertifizierten Entsorgungsfachbetrieben vor. Die Zertifikate werden also zur Taterleichterung missbraucht. Das darf nicht sein. Voraussetzung dafür, dass das zukünftig verhindert wird, sind gleich hohe Qualitätsanforderungen bei der Vergabe der Zertifikate und bei illegaler Tätigkeit sofortiger Entzug der Entsorgungsfachbetriebszertifikate.

Sechstens. Das ist eine Forderung, die eigentlich in einem demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein müsste: die konsequente Ahndung rechtswidrigen kriminellen Handelns. Wir haben es hier mit Wirtschaftskriminalität, teilweise mit Korruption, mit hohen volkswirtschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Schäden zu tun.

Fazit: Die Fraktion DIE LINKE unterstützt die Forderung nach einer Abfallfachregierungserklärung. Außer einem Bericht zur Überwachung der Abfallströme und des Aufdeckens der Ursachen und Ahndungen krimineller Machenschaften im Abfallbereich verlangen wir einen ministeriellen Blick in die Zukunft. Wir wollen wissen: Wo sieht der Minister die Alternativen zum Verscharren und zum Verbrennen? Wie stellt sich der Minister eine nachhaltige energieeffiziente Ressourcenpolitik vor, die intelligente zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft? Wie wird die Abfallwirtschaft in Sachsen zur Wertstoffwirtschaft umgestaltet? Welche langfristigen Unterstützungen wird die öffentliche Hand den kleinen und mittelständischen Recyclingfirmen gewähren? Wie werden regionale Wertstoffwirtschaftskreisläufe und der Recyclingmarkt gemäß § 37 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gefördert?

DIE LINKE verlangt, dass die Staatsregierung erklärt, wie sie die Praktiken des illegalen Verbuddelns ahnden und beenden und durch eine konsequente Förderung der Ressourcenwirtschaft im Freistaat Sachsen beantworten will.

In diesem Sinne werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin ist Frau Dr. Deicke gemeldet für die SPD-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzuschicken: Die Fachregierungserklärung zu aktuellen Abfallproblemen – man könnte auch sagen: Abfallskandalen – in Sachsen, wie sie der vorliegende Antrag der GRÜNEN fordert, findet unsere ausdrückliche Zustimmung. Dass es hier immer wieder aufs Neue Grund zur Nachfrage gibt,

zeigen auch die vielen Kleinen Anfragen, die in der Vergangenheit zu diesem Themenkomplex gestellt wurden, sowie die Aktivitäten einiger Bürgerinitiativen, ohne die so mancher Stein gar nicht ins Rollen gekommen wäre.

Dabei geht es nicht zuletzt darum, inwieweit sogar kriminelle Machenschaften im Abfallbereich in Sachsen um sich greifen und wie diesen Einhalt geboten werden kann. Hier kann die Fachregierungserklärung dazu dienen, Licht ins Dunkel zu bringen. Auf die einzelnen Vorgänge, was alles wie legal oder illegal gelaufen ist, möchte ich nicht detailliert eingehen; das ist schon im Einzelnen gesagt worden. Dazu stehen Behauptungen bzw. Vermutungen, aber auch weitere Fragen im Raum, die es zu klären gilt.

Auch reden wir hier und heute nicht zum ersten Mal über solche Themen wie Müllimporte oder Brände in Abfallrecyclinganlagen.

Ein wichtiger Punkt, kriminelles Verhalten aufzudecken, ist die abfallrechtliche Überwachung. Wie effektiv ist diese in Sachsen? Die Erkenntnis, dass das Abfallüberwachungssystem nicht optimal funktionieren kann, solange die Abfallbegleitscheine in Papierform zunächst einfach nur abgelegt werden, ist nicht neu. Eine Mengenbestimmung und zeitnahe Überwachung der Abfallströme ist so kaum möglich. Bei einer solchen Praxis kann jedenfalls nicht davon gesprochen werden, dass Abfallströme angemessen überwacht und kontrolliert werden können.

Dies hat der Gesetzgeber erkannt und bereits im Jahr 2007 mit dem Gesetz zur Vereinfachung der abfallrechtlichen Überwachung reagiert. Dieses Gesetz regelt die Einführung der elektronischen Kommunikationstechnik für die Abfallnachweisführung. Der dafür eingeräumte Übergangszeitraum endet am 1. April dieses Jahres. Deshalb stellt sich natürlich ganz aktuell die Frage: Wie hat sich Sachsen darauf vorbereitet, diese elektronische Abfallnachweisführung bis zu diesem Termin fristgemäß umzusetzen?

Meine Damen und Herren, liegt es nun womöglich zusätzlich an der personellen Ausstattung der Behörden, dass nicht ausreichend kontrolliert werden kann? Bei der Verwaltungsreform wurde für den Umweltbereich, der fast ein Drittel des Personals ausgemacht hat, grundsätzlich eine Aufteilung des Personals auf der Grundlage der Bevölkerungszahl vorgenommen. Wenn dies zu gravierenden Verzerrungen im Verhältnis vom Überwachungspersonal zur Zahl der zu überwachenden Anlagen geführt haben sollte, muss dies im Nachhinein entsprechend korrigiert werden.

Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Abfallbereich, sondern für den gesamten Umweltbereich. Da insbesondere nordsächsische Firmen in der Kritik stehen, müssten Sie, Herr Staatsminister Kupfer, ein gesteigertes Interesse nicht nur an der Aufklärung der genannten Vorwürfe, sondern auch daran haben, die Verantwortlichen zu benennen und zur Rechenschaft zu ziehen sowie Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorgaben zu gewährleisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wir fahren mit der allgemeinen Aussprache fort. Frau Jonas für die FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Werte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN! Sie wollen ernsthaft Herrn Staatsminister Kupfer auffordern, zu einem Thema Stellung zu nehmen, zu dem bereits so viel Papier gedruckt worden ist. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, wie die geforderte Fachregierungserklärung auch nur eine einzige zusätzliche Information liefern soll.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ihre Rede, Herr Lichdi, hat zu einem besseren Verständnis nicht beitragen können, wieso eine Fachregierungserklärung wirklich notwendig ist. Ja, Aufklärung ist wichtig, aber überlassen wir diese Aufgaben doch denen, die dafür ausgebildet und in unserem Rechtsstaat vorgesehen sind,

(Beifall bei der FDP – Lachen und Oh-Rufe bei der Linksfraktion)

nämlich den Ermittlungsbehörden! Das schließt natürlich Ihre Forderung nach Überwachung und entsprechender Kontrolle ein. Kontrolle ist gut, Kontrolle ist wichtig, natürlich ohne Austricksmöglichkeiten, worauf Frau Roth hingewiesen hat.

Allerdings muss man Ihnen zugute halten, dass Ihre Fragestellung in den zahlreichen Kleinen Anfragen gewisse kriminologische Züge aufweist, kombiniert mit einem unerschöpflichen Engagement. Dafür meine Hochachtung. Die Staatsregierung hat Ihnen nach meinem Ermessen auf alle Fragen gründlich und detailgetreu geantwortet und dazu ausgiebig Stellung genommen. Das Ziel Ihres Antrags wird mir deshalb nicht ganz klar. Bitte schieben Sie das nicht auf fehlende Auffassungsgabe oder mangelnde Lesekompetenz. Ich habe mich wirklich bemüht. Ich würde Sie bitten, den Eindruck zu zerstreuen – Sie werden sicher dann darauf eingehen –, dass es darum geht, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und deswegen dieses Thema mit Ihren Visionen darzustellen.

Sollten die detailreichen Ermittlungsergebnisse, die Sie lang und breit in der Begründung Ihres Antrages dargelegt haben, tatsächlich zutreffen, dann werden Polizei und Staatsanwalt dem auch gewissenhaft nachgehen, denn Wirtschaftskriminalität wird auch von uns keineswegs geduldet. Uns liegt die Sicherheit der sächsischen Bürgerinnen und Bürger genauso am Herzen wie Ihnen, aber im Gegensatz zu Ihnen glaubt meine Fraktion an die Institutionen des Freistaates.

Deshalb werden wir im Vertrauen auf Aufsichts- und Ermittlungsbehörden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bitte gestatten Sie mir aber noch folgende Anmerkung. Sind Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, eigentlich mal der Frage nachgegangen, was mit dem vielen Papier (Müll), den Sie mit Ihren zahlreichen Anfragen produzieren, passiert? Auf welcher Deponie landen diese? Haben Sie nicht manchmal schlaflose Nächte, wenn Sie sich durch den Kopf gehen lassen, dass durch Ihre in etwa 100 parlamentarischen Initiativen zu diesem Thema in der letzten Legislaturperiode, die jeweils einen Umfang von fünf Seiten hatten – und dabei wissen wir, dass es meist mehr als fünf Seiten sind –, ein Exemplar für jeden der 134 Abgeordneten der letzten Legislaturperiode, circa 67 000 Blatt Papier gleich 365 Kilogramm Papier verbraucht wurden? Ich glaube, das sind schon zwei ganz große Bäume. Ich könnte an Ihrer Stelle nicht ruhig schlafen, und das liegt nicht an den unlösbaren Problemen mit den Deponien. Da vertraue ich auf unsere Ministerien.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)