Ich frage mich, auf welche Regelung vom Bund die Damen und Herren Ärzte und Krankenkassenvertreter des Landesausschusses warten. Präziser kann man es nicht mehr fassen.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, wollen wir unserer Ministerin den Rücken stärken; denn sie hat nach § 90 SGB V die Rechtsaufsicht über den Landesausschuss. Diese Rechtsaufsicht erlaubt ihr keinen Eingriff in
das Selbstverwaltungsrecht, also in die Sachentscheidung dieses Ausschusses. Das – und das betone ich sehr – ist von uns auch nicht gewollt. Ihre Aufsicht bezieht sich auf die Geschäftsführung, die Aufgabenerfüllung des Ausschusses. Die Aufgabe des Landesausschusses ist ganz klar geregelt. Er hat auf der Grundlage der Bedarfsplanungsrichtlinie einen Bedarfsplan zur vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und der jeweiligen Entwicklung anzupassen. Der Landesausschuss kann sich nicht die Paragrafen der Richtlinie aussuchen und nur das umsetzen, was ihm in den Kram passt. Hier ist das Eingreifen der Ministerin gefordert, denn die Bedarfsplanung soll im Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden erfolgen.
Wenn die Maßnahmen gegen den drohenden und zum Teil schon vorhandenen Ärztemangel greifen sollen – und davon gibt es einige –, müssen die Möglichkeiten der Bedarfsplanung auf jeden Fall ausgereizt werden. Denn nur, wenn ein Bedarf ausgewiesen ist, können sich Ärzte niederlassen.
Es ist aus einem weiteren Grund wichtig, die Möglichkeiten, die die Bedarfsplanungsrichtlinie bietet, auszureizen. Am 01.01. dieses Jahres trat die zweite Stufe der Honorarreform für Ärzte in Kraft. Nachdem 2009 der Punktwert zur Abrechnung der ärztlichen Leistung bundesweit und kasseneinheitlich auf 3,5 Cent festgelegt wurde, drohen den Ärzten ab 2010 schon wieder Abschläge; denn ab jetzt will man die unterschiedliche Verteilung der Ärzte zwischen Großstädten und ländlichem Raum über gestaffelte Honorare in den Griff bekommen. So muss ein Arzt, der in einem überversorgten Gebiet tätig ist, nach einer Übergangszeit mit bereits jährlich steigenden Abschlägen schließlich Abschläge von mindestens 7 % beim Punktwert hinnehmen. Ich habe es einmal ausgerechnet. Für eine Durchschnittspraxis eines Hausarztes mit einem Regelleistungsvolumen von rund 1,45 Millionen Punkten im Quartal bedeutet das rund 3 500 Euro Mindereinnahmen.
Dieses Regelleistungsvolumen sind ca. 50 000 Euro für drei Monate. Davon müssen sie alles bezahlen: die Miete, die Versicherung, ihre eigene Krankenversicherung, ihre Angestellten und ihre Investitionen.
Noch einige Worte zum Antrag der Linken und den Punkten 2 und 3 unseres Beschlussantrages. DIE LINKE möchte die bis zum 31.12. von den Krankenkassen finanzierten Investitionspauschalen zur Praxisübernahme oder Neugründung in unterversorgten Planungsbereichen durch 50 000 Euro vom Land ersetzen. Das ist vom Ansatz her nach unserer Auffassung durchaus überlegenswert. Doch – da teilen wir GRÜNEN durchaus die Auffassung der Staatsregierung – sollte zuvor die Effektivität der bestehenden Förderprogramme erst belegt werden.
Damit bin ich beim zweiten Punkt unseres Antrages: Evaluation der bisher erfolgten Maßnahmen. Wir können
erst über die finanzielle Förderung der Niederlassungen in unterversorgten Planungsbereichen durch den Freistaat entscheiden, wenn wir wissen, wie die am 31.12. ausgelaufene Förderung der Kassen wirklich gegriffen hat. Ich kann an dieser Stelle nur anmerken, dass zum Beispiel im Raum Erlangen/Nürnberg bis zu 250 000 Euro von Ärzten auf den Tisch gelegt werden, um eine bestehende Praxis zu übernehmen. Ich glaube nicht, dass dies nur daran liegt, dass die Ärzte nicht darüber informiert sind, dass sie bei uns unter Umständen für eine Praxisübernahme 60 000 Euro bekommen könnten. Es ist wohl ganz einfach auch eine Wirtschaftlichkeitsrechnung, die da aufgemacht wird, was bedeutet, dass wir vielleicht mit dem Mittel Investitionspauschale hier gar nicht weiterkommen können.
Deshalb, bevor wir über neue Maßnahmen gegen den Ärztemangel diskutieren, müssen wir die bisherigen Maßnahmen auf den Prüfstand stellen. Meine Damen und Herren! Auch wenn ich davon ausgehe, dass wir das Problem Ärztemangel in Sachsen ohne grundlegende Reformen auf Bundesebene nicht wirklich lösen können, sollten wir jede Möglichkeit nutzen, um die medizinische Versorgung in Sachsen zu verbessern.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der ärztlichen Versorgung ist für uns sowie für die Staatsregierung kein neues Thema. Wir haben es auch im Koalitionsvertrag an sehr prädestinierter Stelle und sehr ausführlich dargestellt, weil es für uns ein besonders wichtiges Thema ist. Wir haben nicht nur vor, in dieser Wahlperiode Initiativen zu ergreifen. Wir haben es auch nicht nur in der letzten Wahlperiode gemacht, sondern ich erinnere daran, dass auch schon in der vorhergehenden Wahlperiode, also vor 2004, die Staatsministerin aktiv geworden ist und Frau Orosz damals als erste Landesministerin dieses Thema aufgegriffen hat. Sachsen ist hier an führender Stelle. Vielen Dank auch, dass die GRÜNEN dies so anerkennen und es noch einmal so deutlich in Richtung Linkspartei gesagt haben.
Die ärztliche Versorgung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Allerdings muss man noch einmal deutlich sagen, auch in Richtung Linkspartei, dass der Staat nicht für alles zuständig ist. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung, das hat ja zumindest Frau Lauterbach zitiert. Aber Sie haben das Wort „Delegation“ vielleicht falsch verstanden.
Was heißt delegieren? Wenn Sie als Delegierte zu einem Parteitag fahren, entscheiden Sie dort, was passiert. Das heißt nicht, dass die anderen 1 000 Mitglieder, die Sie vertreten, auch dorthin fahren und das mit entscheiden. Es wird nicht gemeinschaftlich gemacht, sondern Sie han
deln für diese 1 000 Leute. Das ist das Prinzip Delegation. Deswegen ist es falsch, wenn Sie sagen, wenn man etwas delegiert, macht man es gemeinschaftlich. Nein, dann macht es derjenige, zu dem es hindelegiert worden ist, und das ist die Kassenärztliche Vereinigung, die ärztliche Selbstverwaltung.
Ich sage auch das ganz deutlich: dass die Ärzte das so wollen. Ich höre nur wenige, die sagen, das müsse doch alles einmal der Staat machen, weil „wir Ärzte“ das so schlecht können. Die sagen doch: Sei etwas vorsichtig mit der Einmischung, wir bemühen uns kräftig. Das ist das, was ich von der Ärzteseite höre.
Herr Krauß, zum Problem Delegierung. Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn die Institution, an die der Staat etwas delegiert, sich dazu auf Dauer oder partiell nicht ausreichend in der Lage sieht, es zu verwirklichen oder es im Sinne der Delegierung umzusetzen, dann der Staat zu handeln hat, dass er entweder jemand anderes damit beauftragt oder zumindest jene, an die er es delegiert hat, entsprechend kontrolliert und gegebenenfalls auf Änderung drängt?
Da stimme ich Ihnen zu, Herr Pellmann. Ich höre nur nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Das höre ich von ihr nicht.
Entschuldigung, wenn sie die Aufgaben nicht mehr wahrnehmen würde, würde sie uns das auch so deutlich zu erkennen geben. Das ist keine Frage. Die Maßstäbe verschärfen sich. Deswegen haben wir auch gesagt, dass es unsere Aufgabe ist mitzuhelfen. Das ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch Aufgabe der Krankenkassen, Krankenhäuser und aller anderen Akteure, die für diesen Bereich zuständig sind.
Ich möchte kurz auf den Antrag der GRÜNEN eingehen. Ich glaube, dass auch dort die Zuständigkeiten verkannt werden. Sie fordern als GRÜNE-Fraktion, dass das Ministerium beim Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen darauf hinwirken soll, dass sie etwas tun sollen. Sie haben selbst gesagt, Frau Giegengack, dass das SMS gar nicht weisungsberechtigt ist, sondern nur die Rechtsaufsicht hat. Das heißt, wenn es nur die Rechtsaufsicht hat, dass es ihm auch nicht reinreden kann. Sie können ihm keine Anweisungen geben, und deswegen können wir diesem Antrag leider nicht zustimmen.
Ich habe den Eindruck, dass die Ärzte und Krankenkassen in Sachsen von uns keinen Nachhilfeunterricht nötig haben. Sie sind schon sehr engagiert, und wir sollten sie in ihrem Bemühen entsprechend unterstützen, so wie wir
Ich will daran erinnern, dass zum Beispiel die Ärzteschaft das Netzwerk „Ärzte für Sachsen“ auf den Weg gebracht hat, was ja bei der Sächsischen Landesärztekammer angebunden ist, in dem es darum geht, junge Menschen für die Tätigkeit als Arzt zu interessieren, wo die Kassenärztliche Vereinigung, das Sozialministerium und weitere Akteure mit dabei sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich darauf eingehen, was bei uns im Freistaat bereits gelaufen ist: Investzuschüsse. Wenn sich ein Arzt in einer unterversorgten Region niederlässt, wird er von uns im Freistaat Sachsen wie ein kleines oder mittelständisches Unternehmen behandelt. Er kann, wenn er es beantragt, einen Zuschuss bekommen, den er nicht zurückzahlen muss. Das sind bis zu 200 000 Euro pro geschaffenen Arbeitsplatz. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt nicht nur für Hausärzte, wie es die Linken in ihrem Antrag fordern, sondern auch für Kinder- oder Nervenärzte, die sich in einer unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Region niederlassen.
Ja, wir haben natürlich bereits unterversorgte Regionen oder solche, die von Unterversorgung bedroht sind.
Wenn wir über Geld sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann hat es mich diesmal gefreut. Meist ist es ja eigentlich so, dass DIE LINKE etwas fordert, als ob man im Schlaraffenland leben würde und das Geld nur so rauswerfen könnte.
Deswegen hat es mich gefreut, dass ich Sie dieses Mal – es wird mir wahrscheinlich nicht vergönnt sein, dass das noch einmal in meinem Leben passiert – mit einer Summe überbieten kann. Also nicht nur 50 000 Euro bekommt ein Hausarzt, sondern schon jetzt bekommt er bis zu 200 000 Euro für einen neu geschaffenen Arbeitsplatz – Sie wissen vielleicht, dass eine Arztpraxis nicht nur aus einem Arbeitsplatz besteht, sondern es sind meistens mehrere –, die er bekommen kann, wenn er eine Hausarztpraxis in einer unterversorgten Region einbringt. Die Wirklichkeit, Herr Kollege Pellmann, ist schöner, als von den Linken erträumt.
Da ich uns beide von den Träumen erlösen will, Herr Krauß, hätte ich gern eine Frage von Ihnen beantwortet: Wie viele, in unserem Falle Ärzte, haben dieses Programm des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit bisher in Anspruch genommen, wenn Sie behaupten, dass es so toll ist? Wie viele Ärzte waren das und wie viel wird im Durchschnitt von den jeweiligen Behörden an die Ärzte ausgereicht?
Wir können Ihre Frage gern einmal an die SAB weitergeben. Ich bin dort leider nicht Mitarbeiter und kann insofern jetzt nicht darauf eingehen.
Der Antrag ist jedenfalls erfüllt, die Möglichkeiten gibt es. Die Frage, die Frau Giegengack gestellt hat, ist natürlich auch berechtigt: Liegt das nur am Geld, sind die Einkünfte der Ärzte vielleicht zu niedrig? Sie haben selbst eine Antwort gegeben. So große Mangelerscheinungen gibt es bei Ärzten nun auch wieder nicht, dass es nur am Geld liegt, dass man sich deshalb in einer unterversorgten Region niederlässt, sondern das Problemfeld ist weit größer. Es gibt viel mehr Fragen, die sich Ärzte stellen, wenn es darum geht, in welcher Region sie sich niederlassen.
Ich möchte auf eine zweite Maßnahme eingehen, die uns wichtig ist: die schon laufende Anwerbung ausländischer Ärzte. Die Ministerin wird nächste Woche wieder nach Wien fahren, sie war auch schon dort. Wir haben einige Ärzte aus Wien, ungefähr 80 aus Österreich, wobei es darum geht, diese Ärzte, die in Österreich nicht die Möglichkeit haben, als Turnusarzt zu arbeiten, weil sie es nicht schaffen, ihre Arztausbildung zum Abschluss zu bringen, zum Beispiel über Stellenbörsen zu vermitteln. Diese Ärzte kommen nach Sachsen, beenden ihre Ausbildung, und wenn wir Glück haben, bleiben sie hier.
Der dritte Punkt: die Stipendien für Medizinstudenten. 50 Studenten pro Jahr können mit zwischen 300 und 600 Euro pro Monat gefördert werden. Sie gehen eine Verpflichtung ein, nämlich dass sie während ihres Studiums die Hausarzttätigkeit in einer Patenschaftspraxis kennenlernen und sich danach mindestens vier Jahre in einer unterversorgten Region niederlassen.
Ich glaube, wir sollten noch mehr junge Menschen dafür gewinnen, Medizin zu studieren. Deshalb haben wir auch im Koalitionsvertrag einige Punkte aufgeführt. Wir wollen die zentrale Vergabe von Studienplätzen in der Medizin abschaffen, wir wollen keinen Numerus clausus. Wir wünschen uns, dass die Universitäten eigene Auswahlverfahren entwickeln und dass die Allgemeinmedizin bei der universitären Ausbildung einen höheren Stellenwert einnimmt.
Die Koalition wird sich also weiter mit einbringen – zusammen mit der ärztlichen Selbstverwaltung, zusammen mit den Ärzten, zusammen mit den Krankenkassen und den weiteren Akteuren. Wir werden an diesem Thema dranbleiben. Für uns ist es ein Schwerpunkt und wir bitten Sie, uns dabei zu unterstützen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt zwar immer mehr praktizierende Ärzte in Deutschland und auch in Sachsen, und trotzdem reden wir seit Jahren über Ärztemangel. Das liegt zum einen daran, dass sich diese meistens in Ballungszentren konzentrieren und wir im ländlichen Raum Nachfolge- und Versorgungsprobleme haben, mittlerweile aber auch schon in größeren Gemeinden und Kommunen in einzelnen Facharztbereichen einen Mangel feststellen. Das Problem ist alles andere als neu – darin stimme ich Alexander Krauß und Frau Giegengack zu. Im Jahr 2002 beispielsweise wurde hier bereits über Maßnahmen gegen Ärztemangel gesprochen, und damals war die Rede von der Öffnung von Krankenhäusern, von medizinischen Versorgungszentren und von integrierter Versorgung. All das ist mittlerweile Wirklichkeit, es ist umgesetzt; und dennoch sind die Probleme nicht gelöst.