Meine Damen und Herren, die deutsche Haushaltspolitik wurde im vergangenen Jahrzehnt durch zwei hochdramatische Ereignisse geprägt: die Banken- und Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 und die seit dem Mai 2010 immer weiter eskalierende Eurokrise. Diese beiden Ereignisse haben deutlich gemacht, dass die Verschuldungsgefahr nicht mehr unbedingt in einem unmäßigen und unvernünftigen Ausgabeverhalten der öffentlichen Hand besteht, sondern dass wirklich dramatische Verschuldungspotenziale über Zahlungsverpflichtungen
Diese dramatischen historischen Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts haben überhaupt keinen Eingang in die Formulierung der Schuldenbremse gefunden, die heute hier debattiert wird. Deswegen ist die NPD-Fraktion der Auffassung, dass eine Schuldenbremse, die sich im Kern darauf beschränkt, Grenzen der Kreditaufnahme innerhalb der öffentlichen Haushalte zu bestimmen, den Erfordernissen unserer durch zunehmende Globalisierungskrisen geprägten Zeit schlicht und einfach nicht gerecht wird und auch nicht über die bereits im Jahr 2009 vom Landtag beschlossene Regelung der Sächsischen Haushaltsordnung hinausgeht.
Die Verschuldungsgefahr – auch für den sächsischen Staatshaushalt – ist sehr real. Wirksam bekämpft werden kann sie aber nur durch zwei zusätzliche Maßnahmen zu der heute zu beschließenden Schuldenbremse, nämlich einerseits durch die konsequente Rückkehr zur Nichtbeistandsklausel innerhalb der Europäischen Währungsunion, die die europäischen Staatshaushalte endlich wieder trennt, andererseits – das hat die Kollegin Hermenau dankenswerterweise schon gesagt – durch die Einführung einer Schuldenbremse für Banken, die es den Banken durch die Einführung härterer Eigenkapitalvorschriften unmöglich macht, ganze Staats- und Volkswirtschaften
Die Verabschiedung dieser Schuldenbremse in ihrer heutigen Form hingegen ist – so hat es die Kollegin EvaMaria Stange jüngst nach ihrem Interview treffend ausgedrückt – eine konstruierte Notwendigkeit, die von CDU und FDP aus rein populistischem Kalkül ins Plenum getragen wird.
Der hier von CDU, FDP, SPD und GRÜNEN vorgelegte Verfassungsänderungsentwurf belässt es bei der isolierten Betrachtung des Einzelsymptoms einer potenziell zu hohen Kreditaufnahme innerhalb der öffentlichen Haushalte, was nach Auffassung der NPD-Fraktion definitiv viel zu wenig ist. Es besteht die Gefahr, dass mit der Verankerung von Schuldenbremsen im Grundgesetz und den Landesverfassungen den Bürgern im Lande die Illusion einer für alle zukünftig soliden Haushaltspolitik vorgegaukelt wird, während hinter den Kulissen just zur gleichen Zeit auf europäischer Ebene – wie wir das gerade erleben – die größte Schuldenvergemeinschaftung der jüngeren Geschichte stattfindet.
Schranken gegen eine zu hohe Neuverschuldung, der sicherlich auch eine gewisse disziplinierende Wirkung auf künftige Regierungen entfaltet, natürlich zu begrüßen – das hat mein Kollege Dr. Müller auch schon gesagt –, denn er ist eine grundsätzlich richtige Maßnahme. Aus diesem Grunde wird sich heute wohl eine Mehrheit der Mitglieder der NPD-Fraktion der Stimme enthalten.
Für die NPD-Fraktion war das am Ende der zweiten Rednerrunde Herr Schimmer. – Wir treten jetzt in eine dritte Rednerrunde ein. Das Wort ergreift für die CDU-Fraktion Herr Kollege Michel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu jedem Neujahrsempfang hat unser Landtagspräsident Matthias Rößler, der bekanntlich ein Befürworter des Neuverschuldungsverbots ist, uns immer wieder gemahnt, das Projekt anzugehen. Jedes Mal konnte man in ablehnende, erstaunte und auch entschlossene Gesichter schauen. Heute aber ist der Tag der Entscheidung.
Ich sage Folgendes: Heute können wir etwas Historisches schaffen. Sowohl der Bund als auch die Bundesländer Hessen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg haben zwar das Neuverschuldungsverbot im Grundgesetz bzw. in der jeweiligen Landesverfassung verankert, doch in allen Fällen beginnt sie erst ab dem Jahr 2020 wirksam zu werden. Wenn die vorgeschlagene Verfassungsänderung heute die notwendige Stimmenzahl von 88 Stimmen erreicht, wäre der Freistaat Sachsen das erste Bundesland in Deutschland,
welches zum 1. Januar 2014 ein aktives Neuverschuldungsverbot verfassungsrechtlich verankert hat. Das nenne ich wahrhaft historisch.
Wir haben das Datum nicht aus Rekordsucht gewählt, sondern aus Überzeugung. Die Staatsverschuldung ist ein Übel. Sie ist Betrug an der Zukunft eines Landes. Je eher man dem eine verfassungsrechtliche Hürde vorschieben kann, desto besser. Dass wir ein formelles Datum gewählt haben, nämlich den Beginn eines Haushaltsjahres, ist eine technische Formsache. Es passt aber eigentlich dazu.
Wenn ich heute um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf bitte, stütze ich mich auf verschiedene Argumente. Verlassen Sie sich zum einen auf den historischen Erfahrungsschatz der Menschheit. Schon 300 Jahre vor Christus gab Philemon seinen Mitmenschen Folgendes mit auf den Weg: „Erbitte dir Gesundheit, dann Wohlergehen, ein frohes Herz und niemandes Schuldner zu sein.“ Nun könnte natürlich ein schlauer Mensch daherkommen und Folgendes entgegenhalten: Philemon meinte nicht den Staat, sondern die Privatperson. Was aber berechtigt den Staat, anders zu handeln, als er es von Privatpersonen verlangt? Ich sage Ihnen: nichts. Das Gegenteil ist der Fall: Der Staat trägt Verantwortung für das Ganze. Er muss Vorbild sein und darf nicht über seine Verhältnisse leben.
Cicero stellte schon etwa 50 vor Christus Folgendes fest: „Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden, die Bürger sollten mehr arbeiten, anstatt sich auf die Gaben der Regierung zu verlassen.“ Cicero hatte dabei schon die öffentlichen Schulden im Blick. Er kannte ebenfalls die Antwort auf neue Schulden: Das sind stets Steuererhöhungen. Ich frage mich manchmal Folgendes: Was hätte er wohl gesagt, wenn er die Staatsschuldenkrise unserer Zeit auch nur geahnt hätte?
Um mit Hartmut Perschau zu sprechen, zitiere ich ihn wie folgt: „Kredite wirken wie Drogen. Die Dosen erhöhen sich. Die Wirkung lässt nach. Man kommt schwer davon los und die Entziehungskur ist sehr schmerzlich.“ Genau eine solche Entziehungskur möchten wir den Sachsen ersparen, indem wir gar nicht erst von der Droge Neuverschuldung abhängig werden.
Denken Sie nur an Griechenland. Heute können Sie in der Zeitung lesen, dass es eine Steuererhöhung für Mittelklasse-Pkws geben soll. Sie können ebenso in der Zeitung lesen, dass es Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, teilweise bis auf die Hälfte des Ausgangslohns, geben soll. Die Investitionsquote in Griechenland geht gegen null. Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit sind auf höchstem Niveau. Das Vertrauen in den Staat ist total erschüttert. Die Jugend verlässt scharenweise das Land.
Das alles sind nur einige Beispiele für Auswirkungen defizitärer Staatsfinanzen. Dem kann nur mit einem geordneten System der Staatsfinanzen entgegengewirkt werden. Deshalb haben die vier Unterzeichnerfraktionen den Gesetzentwurf eingebracht, um das Kreditaufnahmeverbot in Artikel 85 zu verankern. Ausdrücklich wird in
der Begründung klargestellt, dass damit auch die Staatsbetriebe einbezogen sind. Die einbringenden Fraktionen haben die Kreditaufnahmefälle geregelt und fordern einen Tilgungsplan. Die einbringenden Fraktionen haben auch mit der Unterschrift klargestellt, dass die kommunalen Rechte aus Artikel 85 sowie 87 unberührt bleiben. Gleichzeitig stellen wir aber auch klar, dass das Gesetz keine Rückwirkungen entfaltet, ebenso wie im Gesetz eine Grenze der Ausgleichspflicht für das Handeln des Freistaates gezogen wird. Im Übrigen verweise ich ausdrücklich auf meine Einlassung bei der Einbringung. Ich muss deshalb an dieser Stelle nicht weiter im Detail auf die Regelungen eingehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen wurde mir an verschiedenen Stellen immer wieder klar, dass es schon eine Leistung ist, wenn aus der Mitte des Parlaments eine solche Verfassungsänderung entwickelt wird. Wir haben bis zuletzt politisches Fingerhakeln erleben können, auch heute noch. Mancher Sachverständige hat sich redlich bemüht, das eine Prozent Auslegungsspielraum mit zweckgesteuerten Auslegungen noch ausweiten zu wollen.
Ich nehme es den kommunalen Spitzenverbänden nicht übel, wenn sie in der Rolle als Sachverständiger bei einer Frage zur staatlichen Finanzverfassung stark befangen sind. Herr Kollege Bartl, es ist auch für mich schon menschlich verständlich, wenn Sie jetzt noch einmal die Anhörung bemühen, um gegebenenfalls Argumente für einige Zweifler in Ihrer Fraktion finden zu wollen, gegebenenfalls der Direktive aus Berlin nachzukommen. Wenn wir ehrlich sind, sollten ab heute die politischen Spielchen aufhören. Heute ist letztendlich der Tag der Entscheidung. Danach haben wir hoffentlich eine geänderte Verfassung.
Wir haben einen Gesetzentwurf mit materiellen Texten und Begründungen. Der Gesetzestext wurde nach der Anhörung nachgebessert. Wir haben natürlich nur das nachgebessert, was der gemeinsame Wille des Verfassungsgebers, ich sage einmal der gemeinsame Wille der vier einbringenden Fraktionen, war. Dafür steht auch die Unterschrift der vier Fraktionen unter dem Gesetzentwurf und seiner Begründung. Das war es dann auch. Man kann noch so viele Protokollerklärungen und Erklärungen zum Abstimmungsverhalten abgeben. Es wird nicht zum verbrieften Willen des Gesetzgebers durch die Einreicher werden. Alles Weitere ist eben eine Einzelmeinung von Leuten, welche sich nicht oder an einer Stelle nicht durchsetzen konnten. Deshalb wurde ihr Anliegen auch ausdrücklich nicht Bestandteil der Drucksache. In diesem Fall gilt das unterschriebene Wort.
Meine Damen und Herren! Wir können stolz sein. Besonders stolz können wir auf den neuen Artikel 95 Abs. 7 der neuen Verfassung sein. Die Verankerung des Pensionsvorsorgefonds in der Verfassung ist eine weitsichtige Entscheidung. Gerade die Pensionslasten werden noch manchem Bundesland arg zusetzen.
Als weiteres Argument für eine Zustimmung zur Verfassungsänderung benenne ich ausdrücklich die Notwendigkeit zur Bändigung politischen Wunschdenkens. Das gilt für alle Parteien, also auch für meine.
Mit der Verankerung des Neuverschuldungsverbots legen wir Politiker uns selbst Fesseln an. Schon David Hume hat um 1750 erkannt: „Ein Minister ist stark versucht, Schulden zu machen, denn das ermöglicht ihm, während seiner Regierung eine gute Figur zu machen, ohne die Menschen mit Steuern zu überlasten oder sofort Aufschreie gegen seine Person hervorzurufen. Die Praxis der Verschuldung wird daher in jeder Regierung fast unfehlbar missbraucht.“
Schlimm genug ist es, dass sich die Politik selbst binden muss. Doch mit dieser Verfassungsänderung geben wir der Zukunft Sachsens einen verfassungsrechtlichen Finanzrahmen. Dieser zeigt eine klare Stopplinie auf. Mit dem Neuverschuldungsverbot machen wir den Freistaat Sachsen wieder ein Stück zukunftsfester. Besonders sorgen wir verfassungsrechtlich für Stabilität und schließen Notmaßnahmen à la Griechenland aus. Das nenne ich wahrhaft sozial.
Wie hat Friedrich der Große schon gesagt: „Eine reiche Regierung kann und muss den Untertanen helfen. Eine verschuldete Regierung kann niemandem beistehen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seien Sie sozial. Stimmen Sie der Verfassungsänderung zu und sorgen Sie damit für Stabilität im Freistaat. Schaffen Sie heute etwas Historisches. Machen Sie mit einem Ja in der namentlichen Abstimmung den Freistaat zum ersten Bundesland mit einem aktiven Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und danke noch viel mehr für Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.
Kollege Michel eröffnete diese dritte Runde und sprach für die CDU-Fraktion. – Als Nächstes ist die SPD noch einmal an der Reihe. Jetzt ergreift das Wort Herr Kollege Panter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal vielen Dank für die sehr präzise Betonung meines Namens. Ich möchte aber auch dem Kollegen Bartl danken, weil mein Name noch nie so oft in kurzer Folge hier im Plenum erwähnt worden ist.
Vielen Dank dafür. Im Übrigen möchte ich sagen: Ich bin vor 18 Jahren nach Sachsen gekommen, im Jahr 1995. Heute fühle ich mich von einem eingeborenen Sachsen quasi mit dem „Pander“ adoptiert. Danke schön.
Wenn wir beim Dank sind, möchte ich mich, bevor ich zu inhaltlichen Punkten komme, bedanken. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Fraktionsvorsitzenden bedanken, die mit viel Geduld die Verhandlungsgruppe begleitet haben; möchte mich aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen persönlich bedanken, die in der Verhandlungsgruppe dabei waren. Das sind von der CDU Kollege Michel und Kollege Schiemann, von der FDP Kollege Schmalfuß und Kollege Biesok, von den GRÜNEN Kollegin Hermenau und Kollegin Jähnigen und auch Kollege Lichdi, der bis Oktober dabei war, meinem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Martin Dulig, von der LINKEN die Kollegen Bartl und Scheel. Vielen Dank.
Ich möchte etwas nicht vergessen, das bisher noch keine Erwähnung fand: Wir hatten zahlreiche parlamentarische Berater dabei, die uns immer hilfreich zur Seite standen und ohne die wir das wahrscheinlich nicht so gut hinbekommen hätten. Ich denke, auch hier ist ein Dank sehr angebracht.
Jetzt aber noch einmal zum Kollegen Bartl, weil er mir eine Vorlage für einen Punkt gab, den ich gern noch einmal klarstellen würde, und zwar zum Thema „Konjunkturkredit und den Mechanismus“. Ich möchte mich ganz an Kollegen Michel halten, der eben sagte, dass es um den Wortlaut geht, um den Verfassungswortlaut und auch die Begründung. Ich denke, das kann man gut nutzen.
Wir haben ein Versäumnis in dieser Verfassungsänderung vorliegen, und zwar, wenn es um das Thema Konjunkturkredit geht, weil wir dabei sehr großen Konsens hatten. Ich möchte vielleicht kurz noch einmal Artikel 95 Abs. 4 neu zitieren. Dort steht: „Bei einer von den durchschnittlichen Steuereinnahmen der vorangegangenen vier Jahre (Normallage) um mindestens drei vom Hundert abweichenden konjunkturellen Entwicklung kann von Abs. 2“ – also dem Neuverschuldungsverbot – „abgewichen werden.“
Weil wir uns so sehr einig waren, haben wir in der Begründung dazu nichts konkret geschrieben, was die Normallage definiert. Das muss vielleicht noch einmal gesondert nachgeholt werden. Ich möchte hier auch deutlich sagen: Wir waren uns einig, dass die Bezugsgröße, die wir nutzen möchten, Steuern und steuerinduzierte Einnahmen sind, bereinigt um Steuerrechtsänderungen. Bei diesen Steuern und steuerinduzierten Einnahmen, die gegebenenfalls bereinigt werden, wird ein Vierjahresdurchschnitt bei den Ist-Zahlen gebildet. Diese werden mit der aktuellen Steuerschätzung, sei es Mai oder November eines jeden Jahres, verglichen. So soll der Mechanismus funktionieren. So hätte er auch in der Vergangenheit schon funktioniert.
Darüber hinaus möchte ich noch etwas zum Thema „Verwaltungsvorschriften“ sagen. Es ging hier gerade schon heiß her. In unserer Verhandlungsgruppe war es
Konsens, dass wir keine kostenrelevanten Übertragungen bzw. Standardveränderungen zuungunsten der Kommunen sehen, die ohne Ermächtigung durchgesetzt oder aufgrund eines Gesetzes, also Rechtsverordnung, überhaupt denkbar sind. Deshalb sind Verhaltensvorschriften von dieser Regelung nicht explizit umfasst – das ist richtig –, aber genau deshalb, weil wir nicht sehen können, wo erhebliche Kostenwirkungen für die Kommunen dadurch entfaltet werden, wenn es kein Gesetz oder eine Rechtsverordnung gibt. Darüber haben wir uns zur Genüge ausgetauscht.