Protokoll der Sitzung vom 19.09.2013

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion; Herr Abg. Homann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Freiwilligendienste in unserer Gesellschaft sind ein wichtiger Beitrag, um den sozialen Kitt in dieser Gesellschaft zu halten.

Wir erleben es in vielen Teilbereichen – in Politik, Kultur, Ökologie, Sport, Pflege und Bildung –, wie sich junge Menschen Tag für Tag – und inzwischen nicht nur diese, sondern verschiedene Altersschichten – für unsere Gesellschaft engagieren, wie sie sozialen Zusammenhalt organisieren und wie sie das gleichzeitig für sich als Bildungsangebot, als Lern- und Orientierungsdienst nutzen.

Deshalb gilt auch von der SPD-Fraktion allen FSJlerinnen und FSJlern, allen FÖJlerinnen und FÖJlern, allen Bufdis, den Anleitern, den Einsatzstellen und den ihnen zugeteilten Fachverbänden der ausdrückliche Dank – vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Annekatrin Klepsch, DIE LINKE)

Schon allein deshalb macht es Sinn, sich mit der Situation der Freiwilligendienste in Sachsen zu beschäftigen, und eine Große Anfrage dazu ist sicherlich angemessen.

Mit den Antworten auf die Große Anfrage liegt augenscheinlich eine umfassende Antwort vor – aber das ist nur augenscheinlich. Vielmehr hat man den Eindruck, als ob es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Verbot gegeben hätte, in mehr als einem Satz die Fragen der LINKEN zu beantworten. Interessant ist deshalb weniger das, was alles in der Beantwortung der Großen Anfrage drin steht, als das, was dort nicht drin steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte dazu zwei Beispiele ausführen. Wie die aktuelle Statistik zeigt, zählte das Bundesamt für Familie und Zivilgesellschaft 2013 in seiner Statistik 14 877 Bundesfreiwillige im erwerbsfähigen Alter zwischen 27 und 65 Jahren. Den Rekord dabei – nämlich über 80 % der erwerbsfähigen Bufdis – hat Sachsen; das heißt, 80 % aller Bufdis in Sachsen sind zwischen 27 und 65 Jahren.

Eine aktuelle Studie des Zentrums für soziale Investitionen und Innovationen bescheinigt, dass viele der Bufdis den Dienst als eine Alternative zu der Erwerbsarbeit oder dem Ein-Euro-Job sehen. Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend;

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

denn wir müssen zur Kenntnis nehmen: Freiwilligendienste sind weder Ausfallbürgen noch Lückenbüßer für sozialstaatliche Aufgaben.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und Beifall der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Die Freiwilligendienste sind Lern- und Orientierungsdienste, und dieses Profil muss gestärkt werden. Freiwilligendienste sind Bildungsdienste, und das müssen sie auch bleiben. Angesichts der Zahlen ist es umso schlimmer, dass es offenbar immer mehr Leute gibt, die mangels Alternativen und mangels Perspektiven auf einen Bundesfreiwilligendienst zurückgreifen.

In Sachsen hat es noch einen ganz besonderen Grund: Die mangelnde Alternative ist nämlich, dass in Sachsen von Schwarz-Gelb der soziale Arbeitsmarkt komplett abgeschafft wurde. Da gibt es in fast allen anderen Bundesländern andere Möglichkeiten, und hier landen leider viele im Bundesfreiwilligendienst.

Hinsichtlich der Bildungsdienste habe ich auch so meine Zweifel, inwiefern die aktuelle Politik im Bereich der FSJ- und der FÖJ-Stellen – in diesem Fall der FÖJ-Stellen – in Sachsen wirklich bis zum Ende gedacht sind. Einige Einsatzstellen des FÖJ berichten mir, dass sich der Eigenanteil der Einsatzstellen zu Beginn des FÖJ-Jahres verdreifacht hat. Mussten bisher 50 Euro für einen FÖJler durch die Einsatzstelle getragen werden, so sind es nun 150 Euro. Ich befürchte, dass damit die eine oder andere Einsatzstelle über kurz oder lang aufgeben wird; denn 1 800 Euro pro Jahr pro Stelle zu erwirtschaften wird viele an den Rand ihrer Finanzierungsmöglichkeiten bringen.

Meine Damen und Herren, die Lernmöglichkeiten müssen bei den Freiwilligendiensten im Vordergrund stehen; dazu bedarf es einer großen Vielfalt der Trägerinnen und der Einsatzstellen. Es muss in Zukunft auch kleineren Einsatzstellen, sofern sie über das pädagogische Know-how verfügen, möglich sein, Freiwillige zu beschäftigen. Das ist vor dem Hintergrund einer Erhöhung um 200 % schwieriger geworden.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen. Viele Freiwillige, die ich im letzten Jahr kennengelernt habe,

sind für ihre Freiwilligendienste aus ihrer Heimatstadt weggegangen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Beispielsweise wird das FSJ Politik vorrangig in größeren Städten angeboten. Deshalb müssen viele Menschen aus dem ländlichen Raum ihre Heimat verlassen. Das monatlich gezahlte Taschengeld in Höhe von etwa 200 Euro ist nicht ausreichend, wenn man den Freiwilligendienst nicht von zu Hause aus gestaltet. Deshalb sind nicht wenige Freiwillige darauf angewiesen, zusätzlich Grundsicherung für Arbeitssuchende zu beantragen, da die bezahlten Geldleistungen nicht ausreichen. Richtig ist: Ein Freiwilligendienst muss ein Freiwilligendienst bleiben. Aber ich halte es doch für unanständig, diese zum Dank zu Aufstockern zu machen.

Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat sich in der Landschaft der Freiwilligendienste viel bewegt, insbesondere nach Aussetzung des Wehr- und des Zivildienstes. Die Freiwilligendienste sind so vielfältig wie noch nie; das ist gut. Doch mit Blick auf die Antworten auf die 142 Fragen der Linksfraktion bleiben einige Probleme offen. Daher werden wir die Freiwilligendienste in Sachsen weiter thematisieren müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Jetzt für die FDPFraktion Frau Abg. Schütz. Bitte, Frau Schütz, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede die Gelegenheit nutzen, mich bei Frau Staatsministerin Clauß – stellvertretend für ihr Haus – für die ausführliche Beantwortung und das Zusammentragen der vielfältigen Daten und Fakten zu dieser Großen Anfrage zu den Freiwilligendiensten in Sachsen zu bedanken.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen!)

Die Antwort gibt einen Überblick über eine Erfolgsgeschichte, über erfolgreiche vier Jahre. Es zeigt sich, wie viele Menschen sich mit hohem Engagement einem Freiwilligendienst widmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erinnern wir uns: Unter der schwarz-gelben Bundesregierung wurde die Wehrpflicht ausgesetzt und damit auch der verpflichtende Zivildienst abgeschafft. Dennoch war uns bewusst, dass sich weiterhin viele junge Menschen engagieren, das heißt, eine Zeit lang sozial tätig sein wollen. Die Einrichtung des Bundesfreiwilligendienstes war deshalb nur eine logische Schlussfolgerung. Herr Homann, der Bundesfreiwilligendienst ist eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit – Sie haben das nicht richtig dargestellt –, die in keinem Fall mit dem Aufstockerbereich im Zusammenhang steht.

Schon bei der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes war es uns wichtig, dass das Angebot zum freiwilligen Engagement für alle Altersklassen geöffnet wird. Es sind nicht nur junge Menschen, sondern auch viele Menschen der mittleren und der älteren Generation, die sich gern engagieren möchten. Deshalb ist der Bundesfreiwilligendienst nicht als Jugendfreiwilligendienst, sondern als Freiwilligendienst für jedermann eingerichtet worden. Es ist ein Freiwilligendienst der Generationen.

Ich bin froh darüber, dass viele junge Menschen das Angebot annehmen. Aber auch viele ältere Menschen haben quasi Besitz davon ergriffen; sie verfügen über wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen aus dem eigenen Berufs- und Familienleben und möchten diese gern weitergeben bzw. teilen. Dieses Kapital, das wir in unserer Gesellschaft haben, auf diese Art und Weise zu nutzen ist, so denke ich, ein großer Gewinn für unsere Gesellschaft.

Die mittlere Generation kann ebenso im Bundesfreiwilligendienst aktiv sein, etwa um Erfahrungen zu sammeln, um sich noch einmal neu zu orientieren oder um sich auf einen Berufswechsel vorzubereiten.

Die bisher vorliegenden Daten zeigen: In der Altersgruppe der 27- bis 50-Jährigen wird der Bundesfreiwilligendienst rege genutzt. Etwa 20 % aller Bundesfreiwilligendienst Leistenden gehören zu dieser Altersgruppe. Für die Einsatzstellen sind die vielen Freiwilligen eindeutig ein großer Gewinn; sie bringen auch frischen Wind in die Strukturen.

Natürlich ist uns bewusst, dass das nicht immer reibungslos vor sich geht. Aber die bisherigen Erfahrungen zeigen: Hauptamtlich, ehrenamtlich und freiwillig Tätige ergänzen sich sehr gut. Wichtig ist, dass das Engagement denjenigen zugutekommt, um die es eigentlich geht: Es geht um Kinder und Jugendliche in Kindertageseinrichtungen und Schulen, um Menschen in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen und um Menschen mit Behinderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Freiwilligendienst im Freistaat Sachsen macht unsere Gesellschaft reicher und menschlicher. Da schon verschiedene Freiwillige Soziale Jahre aufgezählt worden sind, etwa das Freiwillige Ökologische Jahr, möchte ich nicht vergessen, auch auf das Freiwillige Europäische Jahr und das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege – es wird in meiner Heimatstadt angeboten – hinzuweisen. Es hat übrigens einen wichtigen Anteil, wenn es um die Berufsorientierung geht.

Allen Beteiligten möchte ich für ihre Arbeit und für ihr Engagement herzlich danken.

(Beifall bei der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Besonders erfreut bin ich darüber, dass der Bundesfreiwilligendienst gerade in Sachsen so gut angenommen wird. Im August dieses Jahres waren allein im Freistaat 4 638 Freiwillige im Einsatz. Das sind fast 13 % aller in

Deutschland Bundesfreiwilligendienst Leistenden. Damit stehen wir – es ist gesagt worden – nach NordrheinWestfalen an zweiter Stelle im Bundesvergleich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Initiative der Koalition aus CDU und FDP ist das Freiwillige Soziale Jahr Pädagogik für unsere sächsischen Kindertageseinrichtungen und Schulen eingerichtet worden. Das Interesse ist groß; Patrick Schreiber ist darauf eingegangen. 68 Jugendliche haben sich auf die 40 vorhandenen Plätze beworben. Das zeigt: Unsere Schulen und Kindertageseinrichtungen sind attraktiv. Es wird aber auch deutlich, dass junge Menschen sich für diesen Beruf interessieren und in diesen hineinschnuppern wollen, gerade nach der Zeit, in der sie die Schule von der anderen Seite, von der Schulbank aus, kennengelernt haben.

Ich kann es zum Schluss meiner Rede nur wiederholen: Der Freiwilligendienst ist eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Er ist in Sachsen eine Erfolgsgeschichte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Meine Damen und Herren! Jetzt spricht Frau Abg. Herrmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort, Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich meiner Vorrednerin anschließen: Auch ich bin der Meinung, dass die verschiedenen Formen des Freiwilligendienstes in Sachsen eine Erfolgsgeschichte sind. Ich schließe mich genauso dem Dank an die Einsatzstellen, an die Träger und an die Freiwilligen an, die in Sachsen bzw. bundesweit einen Freiwilligendienst leisten und mit ihrem Engagement dazu beitragen, dass an verschiedenen Stellen die Menschen „berührt“ werden; so will ich es einmal nennen.

Ich sehe durchaus, dass vor allen Dingen Frau Staatsministerin Clauß die Freiwilligendienste – wie ehrenamtliches Engagement überhaupt – ein großes Anliegen sind. Frau Staatsministerin Clauß verdeutlicht auch in der Öffentlichkeit immer wieder, dass das Ehrenamt unsere Gesellschaft bereichert.

Ich möchte die Große Anfrage und die Debatte darüber unter drei Gesichtspunkten beleuchten. Klar ist – Frau Klepsch ist darauf eingegangen –, dass sich seit den 1960er Jahren ganz verschiedene Formen von Freiwilligendiensten entwickelt haben – ich möchte nicht von „Flickenteppich“ sprechen –, die unterschiedliche Voraussetzungen haben und unterschiedlich finanziert werden. Das ist sicherlich etwas undurchsichtig, und es kommt auch zu Verwerfungen und zu – zumindest empfundenen – Ungerechtigkeiten.

Wie kann man damit umgehen, vor allen Dingen, wenn man Freiwilligendienste für junge und auch für ältere Menschen attraktiv machen will? Man muss zuerst dafür sorgen, dass Freiwilligendienste zugänglich sind. Dazu

gehört eine Öffentlichkeitsarbeit, die das, was Freiwilligendienste leisten können, und auch die verschiedenen Dienstformen transparent darstellt.

Die Große Anfrage wäre eine Gelegenheit gewesen, eine gewisse Sortierung in die Freiwilligendienste zu bringen und eine entsprechende Öffentlichkeit herzustellen. Das ist nicht wirklich gelungen. Auch ich bin der Meinung, dass die Große Anfrage schlecht beantwortet worden ist. Ich verstehe das vor allem deshalb nicht, weil das eine Chance gewesen wäre. Wie gesagt, auch ich schätze durchaus das Engagement.

Ich glaube, dass sich das Staatsministerium die Chance vergeben hat, nicht sich zu rechtfertigen, sondern durchaus das Potenzial von Freiwilligendiensten darzustellen.

Wir haben im Jahr 2012 auf Antrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 5/8588 darüber diskutiert, wie man Schulen und Kindertageseinrichtungen stärker für Freiwilligendienste öffnen könnte. Das war der Beginn der Überlegungen, das FSJ Pädagogik einzuführen. Wir haben damals gemeinsam festgelegt, dass es bis zum Ende des Jahres 2012 einen Bericht geben sollte.

(Marko Schiemann, CDU: Haben CDU und FDP!)