So ist es, Herr Präsident. – Kollege Schreiber, ich will Ihnen das gern nachsehen. Sie sind erst seit 2009 Mitglied des Sächsischen Landtages. Insofern konnten Sie nicht wirklich Auskunft geben über das, was 2004 bis 2009 hier in einer Großen Koalition verhandelt worden ist.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie zumindest den Mut aufgebracht hätten, hier die Wahrheit zu benennen und nicht das, was Sie vielleicht gern herauslesen möchten. Denn im Gegensatz zu dem, was Sie hier gerade kundgetan haben, war die Entwicklung bei der Frage des kostenlosen Vorschuljahres und der Frage der Absenkung des Betreuungsschlüssels eine vollkommen andere. Ich kann das deshalb sagen, weil ich an den Verhandlungen teilweise beteiligt war.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir in dem entscheidenden Koalitionsausschuss genau bei der Frage der Entlastung der Kommunen zwei Dinge besprochen haben. Das eine war: Wir haben den politischen Willen geäußert, dass wir das tun müssen, um ein kostenloses Vorschuljahr einzuführen. Auf der anderen Seite haben wir gesagt, wir müssen etwas für die Erzieherinnen tun und dafür brauchen wir Landesmittel. Das, was wir gerechnet haben, war in Summe ein Millionenbetrag, der es notwendig macht, in die Fraktionen zu gehen und dafür Mehrheiten zu finden.
Wir haben uns darauf verständigt, dass wir für die SPDFraktion das Thema kostenloses Vorschuljahr besetzen, und die CDU mit dem damaligen Vorsitzenden Herrn Hähle hat das Gleiche getan, was die Senkung des KitaSchlüssels betraf.
In der CDU-Fraktion hat es aufgrund des Widerstandes der kommunalen Spitzenverbände – es ging um die Kofinanzierung – am Ende nicht dafür gereicht, dass man sich durchringen konnte, die angesetzten rund
25 Millionen Euro zu erhöhen, damit es zur Absenkung des Kita-Schlüssels kommt. Das ist die Wahrheit und nichts anderes, und das muss man hier auch aussprechen dürfen.
Zu den Vorgängen von 2007 – ich saß nicht am Verhandlungstisch; keine Frage – muss man ganz deutlich sagen: Da hat wahrscheinlich jeder sein eigenes Empfinden.
Doch, doch, doch. Ich weiß nur, dass wir im Jahr 2010 beim Doppelhaushalt 2011/2012 ein kostenloses Vorschuljahr zurückgenommen haben. Das hatte dann schon einen Wert von 38 Millionen Euro und nicht nur von 25 Millionen Euro. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Protest kommunaler Spitzenverbände hin, Protest her – am Ende sitzt hier der Gesetzgeber.
Ich rede von allen. Wenn man das politisch will, dann sollte man es aus meiner Sicht auch tun. Dann hätten Sie 2007 genauso darauf bestehen können, dass solch ein Paket in Gänze durchgezogen wird. Fakt ist doch eines:
Herr Brangs, die kommunalen Spitzenverbände stellen sich auch im Jahr 2012 hin und sagen: Wir wollen das
nicht. Die Frage ist, wenn man es politisch will, dann muss man es auch tun. Sie haben es nicht getan, und deshalb ist es unredlich, sich hier hinzustellen und zu sagen: Die CDU ist dafür verantwortlich, dass alles so ist, wie es ist.
(Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Ich habe das Kopfnicken gesehen von einigen Kollegen; das reicht mir! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wir fahren fort in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Klepsch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts wachsender Altersarmut, falscher Energiepolitik und einer Betreuungsquote von 80 bis 96 % in den sächsischen Kindertageseinrichtungen sollte man eigentlich meinen, es sei gar nicht notwendig, alle zwei bis drei Monate das Thema Kita-Pauschale und Betreuungsschlüssel hier im Landtag zu diskutieren. Wir wissen: Im bundesweiten Vergleich steht Sachsen hinsichtlich des Betreuungsangebotes gar nicht schlecht da.
Nun war es der Wunsch von Thomas Jurk, persönlich zu diesem Thema zu sprechen. Das ist ihm nicht abzusprechen. Gerade weil die schwarz-gelbe Koalition an dieser Stelle eben unbelehrbar ist und weil dem quantitativen Krippenplatzausbau auch in Sachsen für die unter Dreijährigen jenseits diverser Modellprojekte, die abgeschlossen wurden und deren Ergebnisse verpufft sind, keine Debatte über die Qualität der Kindertagesbetreuung in Sachsen folgt, ist es aus meiner Sicht richtig, dass die SPD dieses Thema erneut zum Gegenstand der Diskussion macht.
Lieber Patrick Schreiber, ich darf daran erinnern: Der Krippenausbau wurde ja nicht nur von irgendwelchen linken Spinnern oder Sozialpolitikern gefordert, sondern es war ganz klar auch die deutsche Wirtschaft, die vor fünf bis zehn Jahren dies eingefordert hat, damit Frauen dem Arbeitsmarkt schneller wieder zur Verfügung stehen. Wenn das eine Gesellschaft so konsensual beschließt wie der Bundestag damals, dann muss man selbstverständlich auch die Kosten tragen. Wir als LINKE haben dafür entsprechend andere Steuermodelle.
Zurück zur Landespolitik. Seit zwei Jahren liegt nun die Evaluation zur Umsetzung des Bildungsplanes vor. Passiert ist nichts – bis auf ein 5-Millionen-EuroTrostpflaster im aktuellen Doppelhaushalt für die Kitas mit besonderen Herausforderungen.
Frau Kurth, ich weiß, es war bestimmt schwer zu erkämpfen, und Sie werden stolz darauf sein. Aber es muss auch gestattet sein, in Anbetracht der Aufgaben, die im KitaBereich vor uns stehen, die 5 Millionen Euro als Trostpflaster zu bezeichnen.
Herr Schreiber, die Absicherung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung erfolgt ja auch und gerade in Sachsen auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher und derjenigen Kinder, die gerade eine besondere Zuwendung brauchen, weil sie ein schwieriges soziales Umfeld haben oder weil sie mit einer Behinderung leben. Hier besteht noch viel Nachholbedarf, was auch die Überführung von Integrations-Kitas und heilpädagogischen Gruppen in die Regel-Kita betrifft.
Ein deutlicher Unterschied zum Schulbereich, in dem es in den vergangenen Monaten und Jahren zahlreiche Streiks gab, ist, dass Lehrkräfte an Schulen mittels Streik und Schulschließung für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen können. Das ist aber den pädagogischen Fachkräften in den Kitas verwehrt. Das ist unmöglich. Die können nämlich nicht einfach zumachen und die kleinen Kinder nach Hause schicken oder in einer Notbetreuung unterbringen, sondern die müssen da sein. Und so fährt die Staatsregierung das Kita-System auf Verschleiß. Langzeiterkrankungen und Frühverrentung der pädagogischen Fachkräfte sind die Folge.
Da Sie sich gerade über das kostenfreie Vorschuljahr aufgeregt haben, Herr Schreiber: Die Koalition hat es zurückgenommen, und da wäre es doch das Mindeste gewesen zu sagen: Wir geben die 35 bis 40 Millionen Euro wenigstens für mehr Personal aus und kompensieren damit nicht den Aufwuchs in der Betreuungs
Inanspruchnahme, weil es einfach mehr Kinder gibt. Das muss man der Ehrlichkeit halber auch dazusagen.
Ich will nun noch auf einige Punkte des SPD-Antrages eingehen. Den unterstützen wir in seiner Grundaussage. Allerdings: Ein trägerübergreifendes Unterstützungssystem zur Fort- und Weiterbildung sowie zum fachlichen Austausch, wie in Punkt 6 gefordert, muss aus meiner Sicht nicht erst neu entwickelt werden. Wir haben mit dem Landesjugendamt bereits eine Einrichtung, die, wenn sie mit den entsprechenden Ressourcen und der ministeriellen Unterstützung ausgestattet wäre, in der Lage wäre, genau das zu leisten. Die richtige Frage bzw. Forderung an dieser Stelle ist also, wie die vorhandenen Strukturen und Fachämter gestärkt werden können: Wie können wir das Landesjugendamt stärken, um auch den Qualitätsausbau zu leisten?
Des Weiteren gibt es einen Mangel an Fachberatung auf der kommunalen Ebene. Es hat ganz klar finanzielle Gründe, dass die Kommunen sagen: So viel Fachberatung wie notwendig wäre, wie uns der Freistaat in seinen Fachempfehlungen empfiehlt, können wir uns nicht leisten.
Ich darf ein Beispiel benennen: Vor einigen Tagen fand in Meißen eine Fachtagung zum Thema Impulse für die Arbeit im Hort statt. Es waren 200 Erzieherinnen auf der Fachtagung des Landesjugendamtes anwesend. Weitere 50 wären gern gekommen, mussten jedoch weggeschickt
werden, weil der Saal voll war. Daran sieht man, dass der Bedarf riesig ist und hier tatsächlich Ausbaubedarf besteht.
Vor einigen Wochen, am 13. August, wagte sich nun der Städte- und Gemeindetag hervor und forderte mutig die Erhöhung der Kita-Landespauschale, um nur die gestiegenen Betriebskosten auffangen zu können. Das Ärgerliche daran ist: Da ist von einer besseren Fachkraft-KindRelation, von mehr Fachberatung oder Inklusion in der Kita nicht einmal die Rede. Da geht es wirklich nur um die schlichten Betriebskosten. An der Betreuungssituation selbst würde sich nichts ändern.
Die Erhöhung der Landespauschale auf 2 050 Euro tragen wir mit. Aber, wie gesagt, damit ist ein besserer Betreuungsschlüssel noch nicht finanziert. Ein kleines Manko an diesem Antrag – das sei mir gestattet – ist tatsächlich: Es wird keine Aussage dazu getroffen – auch in der Begründung nicht –, mit welchen Mehrkosten wir bei dem angestrebten Betreuungsschlüssel zu rechnen haben.
Ja, aber die CDU ist ja nicht Antragsteller, sondern die SPD. Also das ging jetzt in Richtung der Einreicher.
Zum Fachlichen, zum Inhalt ist, glaube ich, jetzt alles gesagt. Wir haben das Thema auch schon rauf- und runterdiskutiert.
Vielleicht noch zum Schluss einige persönliche Worte: Auch wenn Thomas Jurk in wenigen Wochen nicht mehr Mitglied des Landtags sein wird, ist es, glaube ich, unsere Aufgabe hier als Abgeordnete im Sächsischen Landtag, die Staatsregierung weiterhin zu ermahnen und weiterhin für eine höhere Landespauschale und für bessere Betreuungsbedingungen zu kämpfen.
Zum Schluss auch im Namen der Fraktion DIE LINKE: Lieber Thomas Jurk, alles Gute und viel Kraft für neue Aufgaben in Berlin! Die nächste junge Generation in Sachsen wird es danken.