Protokoll der Sitzung vom 16.10.2013

(Beifall bei der FDP)

Ich will zugeben: Wir können uns auch Besseres vorstellen, als Braunkohle nur zu verbrennen. Wenn wir über das Thema „Stoffliche Nutzung“ sprechen, gibt es nicht nur in der Forschung ziemliche Fortschritte, sondern wir wissen, dass zum Beispiel mit der Umwandlung von Braunkohle und Gas gerade für die chemische Industrie wichtige Grundstoffe geschaffen werden können, die uns vielleicht auch weniger importabhängig machen. Aber es geht nur Stück für Stück, meine Damen und Herren.

Jetzt kommen wir einmal zu dem spannenden Punkt, nämlich zur Frage der Kosten: Warum laufen uns im Moment die Energiekosten davon? Die EEG-Umlage ist gerade wieder angestiegen. Sie wird weiter und weiter steigen. Die Braunkohle dämpft die Stromkosten; denn sie ist eben nicht übersubventioniert, wie Solar- oder Windenergie. Und da wird eben nicht produziert auf Teufel komm raus, sondern es wird produziert, was gebraucht wird. Das ist der entscheidende Unterschied. Die Braunkohle muss sich im Wettbewerb behaupten, Solar- und Windkraft werden übersubventioniert. Das ist Planwirtschaft, und wo die Planwirtschaft hinführt, sehen wir: zu steigenden Kosten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es kann doch nicht angehen, dass wir bei der Erzeugung erneuerbarer Energien Anreize schaffen, die bedeuten: Ich kann so viel produzieren, wie ich will, um den Bedarf muss ich mich gar nicht kümmern, übrigens auch nicht um die Vermarktung.

(Widerspruch des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Dieses Prinzip, Herr Lichdi, wird von besserverdienenden Grünen natürlich begrüßt. Einige wenige bekommen garantierte Gewinne, alle anderen bekommen garantierte Kosten. Das ist nicht unser Ansatz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun weiß ich ja, dass Sie immer auf die Industriestromausnahmen eingehen. Die machen übrigens nur einen Cent bei der EEG-Umlage aus. Raten Sie mal, welcher Anteil, wenn man die Strommenge betrachtet, unter RotGrün von diesem einen Cent durch Ausnahmen geschaffen wurde. Ich sage es Ihnen gern: Es sind 96 % dieses einen Cents, die unter Ausnahmen auf Ihre rot-grüne Bundesregierung zurückgehen. Übrigens gehören dazu auch Verkehrsbetriebe, die ja wohl nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Wir müssen uns nicht wundern, dass die energieintensive Industrie seit 2010 in Deutschland massiv weniger investiert.

Schauen wir uns weltweit um: In den USA beträgt der Gaspreis ein Fünftel des deutschen Gaspreises. Warum wird denn die Kohlefaser für den neuen BMW i3 in den USA produziert und nicht hier? Weil unsere Energiepreise nicht wettbewerbsfähig sind, meine Damen und Herren. Warum haben wir in Frankreich Investitionen in Stahl

werken? Weil dort der Industriestrom 40 % günstiger ist als bei uns.

Wir als FDP wollen Industriearbeitsplätze im Gegensatz zu Ihnen nicht aus dem Land treiben. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir, dass Strompreise nicht zur sozialen Frage werden. Deswegen lehnen wir die Dämonisierung der Braunkohle ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Das war Herr Herbst für die FDP-Fraktion. Jetzt sehe ich eine Kurzintervention an Mikrofon 1. Bitte, Frau Dr. Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Herbst! Ich dachte, wir hatten die Sache mit der chemischen Verwertung von Kohle schon klargestellt, und dass ich Ihnen gesagt hatte, dass es Braunkohlen gibt, die nicht chemisch verwertbar sind, unter anderem die aus Nochten.

Was ich eigentlich an Ihrem Redebeitrag stark kritisiere, ist die wiederholte Verzerrung von Subventionsfreiheit für die Braunkohle. Sie haben sicher die Nachricht mitbekommen, dass Herr Oettinger die Subventionsberichte für die Energieträger türkt. Dass er Atomkraft und die Braunkohlesubventionierung aus seinem Bericht streicht, ist schon ein Skandal, aber dass Sie negieren, dass wir in Deutschland noch Gesetzesgrundlagen haben, indem wir Feldes- und Förderabgaben für Braunkohle nach dem Einigungsvertrag nicht erheben und dass wir im Landtag beschlossen haben, die Wasserentnahmeabgabe für die Braunkohlenkraftwerke und für die Sümpfung dieser Tagebaue auszusetzen, finde ich noch skandalöser. Ich muss schon sagen, der Rechnungshof hat zu Recht diese Kritik jetzt aufgegriffen und uns gesagt, wir verzichten hier gemeinsam auf Einnahmen für unseren Landeshaushalt.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention von Frau Dr. Pinka und jetzt kommt die Reaktion von Herrn Herbst.

Geschätzte Kollegin! Erstens wissen Sie doch ganz genau, dass an der durch den Einigungsvertrag beschlossenen Befreiung von der Förderabgabe rechtlich nichts zu rütteln ist. Alle Tagebaue, die zum damaligen Zeitpunkt als Abbaugebiet festgestellt wurden, sind befreit. Das kann man jetzt wild wie Herr Lichdi hochrechnen und behaupten, man würde da Millionen einnehmen. Es gibt rechtlich dafür keine Grundlage, meine Damen und Herren. Das ist einfach so. Nehmen Sie das bitte mal zur Kenntnis.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn Sie zweitens sagen, die Subvention bei Kernkraftwerken, die Sie auch gern ansprechen, ist aus Ihrer Sicht falsch, dann ist sie bei Windkraft nicht besser, meine

Damen und Herren. Subventionen sind Subventionen. Ich hätte gern eine Rückkehr zum Energiemarkt, der sich im Wettbewerb behaupten muss und keinen Wettlauf um staatliche Subventionen, die die Verbraucher in diesem Land bezahlen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Um noch einmal zum Thema chemische Verwertung zu kommen. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass wir beispielsweise in zehn Jahren keinen Prozess finden, der die verschiedenen Arten von Kohle verwertet? Das ist Ihr Glaube, dass Dinge, die in der Vergangenheit nicht gingen, auch in Zukunft nicht gehen werden. Wir glauben an die Innovationskraft von Forschung und dass wir Möglichkeiten finden werden. Sie sehen das Pilotprojekt an der TU Freiberg, wo gerade die Braunkohlevergasung in einem industriellen Verfahren erprobt wird. Ich glaube, dass wir in zehn Jahren noch ganz andere Stoffe aus Kohle produzieren werden. Deshalb macht das Sinn.

Im Übrigen ist es auch aus Umweltgründen wichtig, dass wir die Braunkohle aus Nochten und Reichwalde mixen, weil nur durch den Mix der optimale Brennwert und ein möglichst niedriger CO2-Ausstoß erreicht werden. Die Kohle aus Reichwalde allein hätte aufgrund der Zusammensetzung einen schlechteren CO2-Wert bei der Verbrennung. Das wäre allemal noch schlechter für die Umwelt.

(Beifall bei der FDP)

Wir gehen weiter in der Rednerrunde. Das Wort ergreift jetzt Herr Lichdi für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Herbst hat wohl noch nicht mitbekommen, dass am 22. September die Bundestagswahlen stattgefunden haben, und er hat auch das Thema der Debatte nicht mitbekommen. Er hat in ein paar Nebensätzen die Gründe verschleiert, um die es hier geht. Hier geht es nicht um eine allgemeine Debatte, wie die Energiepolitik bzw. EEG-Umlage gestaltet ist, sondern hier geht es darum, dass die Staatsregierung vor der Frage steht, ob sie zustimmen will, dass über 1 000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Darum geht es, um nichts anderes. Sie müssen sich konkret dieser Frage stellen.

Meine Vorrednerin Frau Kagelmann hat zu Recht die Domowina angesprochen. Sie wissen vielleicht, wenn Sie sich mit der Geschichte der Lausitz befasst haben, wie viele Dörfer, wie viel Heimat – Herr Flath – vernichtet worden sind.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Nicht nur in der Lausitz!)

Nicht nur in der Lausitz. Es waren über 70 Dörfer in 100 Jahren. Inklusive dem Südraum von Leipzig wurden Zehntausende Menschen vertrieben. Dieser Frage müssen Sie sich stellen. Sie können das nicht einfach mit einer

allgemeinen energiepolitischen Debatte wegreden mit den alten Schützengräben, in die sich Herr Herbst und Herr von Breitenbuch hineinbegeben.

Ich fordere Sie auf, stellen Sie sich dieser Verantwortung, schauen Sie den Menschen ins Gesicht und sagen Sie es ihnen. Ich setze noch einen drauf. Zu DDR-Zeiten gab es keine Alternative, da ging es wirklich darum, friere ich im Winter oder friere ich nicht im Winter, läuft die Industrie oder läuft die Industrie nicht. Die DDR hatte keine Alternative zur Braunkohle. Der Freistaat Sachsen hat eine Alternative. Seit über zehn Jahren haben wir die Alternative und deswegen ist es allein eine Frage des politischen Willens und nicht der wirtschaftlichen Überlebensnotwendigkeit wie zu DDR-Zeiten, ob wir hier weitere Tagebaue aufschließen oder nicht. Sie kennen doch die Zahl, wenigstens die, die sich damit beschäftigt haben – die FDP gehört sicher nicht dazu –, dass das Gutachten, das die Abbaggerung befürwortet, auf das sich wahrscheinlich die Staatsregierung stützen wird, davon ausgeht, dass Kohle bis zum Jahre 2067 zur Verfügung zu stehen hat.

Meine Damen und Herren, wo leben Sie? Glauben Sie allen Ernstes, dass im Jahre 2067 in Deutschland noch Braunkohleverstromung stattfindet? Gehen Sie nach Hause und schauen Sie in den Spiegel und fragen Sie sich, ob Sie das jenseits aller politischen Debatten ernsthaft glauben. Das ist lachhaft, das wird nicht stattfinden. Wir wissen, die vorhandenen aufgeschlossenen Tagebaue reichen aber locker bis 2045.

Ich sage Ihnen, bis zum Jahre 2030/35 wird in Sachsen kein einziges Braunkohlekraftwerk mehr laufen und zwar schlicht und ergreifend aus ökonomischen Gründen. Ich weiß, Sie reden das weg, was Vattenfall macht. Warum hat sich die CEZ wieder von der Mibrag zurückgezogen? Warum wohl? Weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Sie wollen die letzten Subventionen der Vattenfall AG zuschustern, einem schwedischen Staatskonzern – so viel zur Marktwirtschaft –, damit die Braut hübsch gemacht wird für den Verkauf.

Es ist doch völlig offensichtlich, dass Vattenfall sich innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre aus der Lausitz zurückziehen wird. Es geht nur darum, dass Sie die Braut hübsch machen, dass Vattenfall hier noch etwas erlösen kann, wenn es sich aus den Braunkohlegebieten Ostdeutschlands zurückzieht. Was Sie machen, ist ein Verbrechen an den Menschen vor Ort. Sie streuen ihnen Sand in die Augen, indem Sie sagen, die Braunkohleindustrie wird ihre wirtschaftliche Zukunft sichern. Das ist nicht der Fall und das wissen Sie.

Die Redezeit ist abgelaufen.

In dieser Situation über tausend Menschen zu vertreiben ist ein Verbrechen. Schämen Sie sich!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Das war Herr Lichdi für die Fraktion GRÜNE. Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen. Die NPD-Fraktion hat keine Redezeit mehr. Wir können in eine zweite Runde eintreten. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Gebhardt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Breitenbuch hat die große Frage gestellt: Was tun wir? Ich habe mir die Frage gestellt, was zu tun ist, um Sie zu überzeugen oder Sie davon abzuhalten, etwas zu tun, wovon ich sehr überrascht bin, dass Sie es tun.

Sie kämpfen für einen Staatsbetrieb. Ich freue mich sehr darüber. Das ist zwar ein schwedischer, aber vielleicht können wir das gemeinsam ändern. Sie kämpfen darum, dass es eine Planungsgarantie bis zum Jahr 2067 gibt, und stellen sich dann hier hin, Herr Herbst, und schimpfen über Planwirtschaft. Bis 2067 machen Sie jetzt eine Planung fest. Da frage ich tatsächlich, wieso eigentlich eine konservative CDU und eine neoliberale FDP an diesen Dingen festhalten. Diese Frage stelle ich mir. Was treibt Sie also dazu, gegen Ihre Überzeugung zu handeln?

Ich bin auf eine Antwort gekommen. Es geht um 2 500 Arbeitsplätze. Das ist legitim. Das finde ich auch anständig. Da sind wir uns wahrscheinlich auch alle einig. Worum geht es aber sonst? Geht es um Innovation? – Nein.

Ich finde, Bergbau ist etwas Gutes. Seit 800 Jahren gibt es hier bei uns in der Region, vor allem auch dort, wo ich herkomme, im Erzgebirge, Bergbau. Der Bergbau hat Sachsen zu einem Land der Erfinder gemacht – richtig. Ja, es gibt manchmal auch Erfindungen, die gar nicht geplant waren. Statt Gold wurde Porzellan erfunden, aus weißer Erde, die in der Nähe von Aue gefunden wurde. Das Silber machte die Herrscherinnen und Herrscher hier in diesem Land reich, aber es trug auch dazu bei, dass der Mittelstand seinen Lebensstandard verbessern konnte. Heute sind es seltene Erden, die wir abbauen. Wir haben sie manchmal in der Hosentasche, nämlich im Smartphone, mit dem wir über Himmel und Erde uns ständig und überall unsinniger- oder sinnigerweise informieren lassen können. Diese Innovation wäre ohne Bergbau nicht denkbar.

Aber jetzt frage ich mich: Wo ist bei diesem Bergbau, den Sie weiter betreiben wollen, die Innovation? Da können Sie auch weiter mit der Trommel durch die Gegend rennen und Informationen austauschen, weil dieser Bergbau, den Sie vorantreiben, weder innovativ noch gestaltend ist. Er ist technologisch von gestern. Sie halten an etwas fest, was vollkommen gegen Ihre eigene sonstige Überzeugung ist.

Da stellt sich der Umweltminister hier hin und erzählt uns etwas über Nachhaltigkeit, erzählt uns etwas von

Carlowitz. Wo ist denn die Nachhaltigkeit, die Sie uns gerade hier vortragen? Sie wollen 1 500 Menschen vertreiben und Dörfer abbaggern dafür, dass wir Kohle verbrennen, indem wir sie verstromen.

Es gibt tatsächlich eine Alternative. Sie ist nicht Import oder Export, sondern sie ist etwas, was Sie ablehnen, nämlich Strom, der jetzt auch schon aus der Steckdose kommt, nämlich von Wind- und Solarenergie. Ob Sie das wollen oder nicht, er kommt aus der Steckdose, Herr Herbst, also auch Kohlestrom, auch wenn Sie das noch so oft anders betonen. Sie fördern also etwas mit vielen Subventionen, was trotz vieler Privilegien wirtschaftlich auch in der Perspektive unsinnig ist.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Braunkohle ist keine Brückentechnologie, sondern es ist ein Auslaufmodell. Dieses Auslaufmodell können wir doch nicht weiter vor uns hertreiben. Wir sollten unsere gemeinsame Energie, die wir hier sehr oft aufbringen, vielleicht nun endlich einmal in eine Debatte über Speicherkapazitäten stecken, damit nicht irgendwann das Licht ausgeht. Wir brauchen den Erfindergeist, der notwendig ist, in die Technologie zu investieren, die die Zukunft dieses Landes ausmacht, nämlich Speichertechnologie für erneuerbare Energien. Braunkohle gehört nicht dazu.

(Beifall bei den LINKEN)