Protokoll der Sitzung vom 16.10.2013

da ein solcher nicht wirklich Rechtssicherheit gibt.

Aber nun zu den konkreten Fakten. Am 20. September 2013 überraschten uns Frau Staatsministerin Kurth und Herr Staatsminister Kupfer mit einer Ankündigung der Wende zum Erhalt der Schulen im ländlichen Raum. Die Pressekonferenz selbst, die an diesem Tag stattfand, stellte lediglich fest, dass „geprüft und empfohlen“ werde, dass es aber keine mögliche Wende gebe. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hatte wirklich gehofft, dass die Staatsregierung mit einem Gesetzentwurf vor die Presse geht und diesen dort vorstellt. Das war nicht der Fall. Somit haben wir wieder keine verlässlichen Aussagen sowohl durch CDU und FDP als auch durch die Staatsregierung für Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer. Es ist wieder nur Schall und Rauch.

Damit dies nicht passiert – es hat auch funktioniert, zumindest im ersten Schritt –, hat meine Fraktion zu diesem Thema umgehend einen Gesetzentwurf sowie einen Antrag erarbeitet. Natürlich brauchen wir für die Bearbeitung dieses Gesetzentwurfs noch einige Monate. Das wissen Sie alle, das muss ich Ihnen nicht erläutern. Deshalb auch noch aus unserer Fraktion ein entsprechender Antrag, um den Erhalt der Schulen im ländlichen Raum entsprechend zu gestalten.

Wenn Sie sich die Antragsnummern anschauen, dann stellen Sie fest, dass die Kollegen der FDP – Herr Zastrow, glaube ich, oder auch nicht; schauen wir mal – einige Passagen aus unserem Antrag übernommen haben.

(Torsten Herbst, FDP: Was?)

Wenn es dem Ziel nützt, dann ist es in Ordnung.

(Torsten Herbst, FDP: Abgeschrieben? Träumen kann man ja!)

Ja, schauen Sie sich das mal in Ruhe an.

Doch der CDU geht es nicht um den Erhalt der Schulen im ländlichen Raum, sondern darum – Zitat CDUGeneralsekretär Kretschmer –: „Um im Vorfeld der

Bundestagswahlen bei der Landbevölkerung noch mal richtig zu punkten, habe ich heftigen Druck gemacht, um das Thema vor dem Wahlsonntag zu platzieren.“

(Patrick Schreiber, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Das ist kein Quatsch, das ist sein Zitat.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das ist Ihr Generalsekretär!)

Wenn es Ihnen wirklich um den Erhalt der Schulen im ländlichen Raum gehen würde, dann hätten Sie mindestens seit 2007 die Möglichkeit, einen entsprechenden Gesetzentwurf über das Kultusministerium ins Parlament einzubringen – sowohl Sie als Fraktionen als auch die Staatsregierung. Sie hatten nicht nur die Möglichkeit, sondern es ist auch noch zwingend geboten, dies zu tun.

Was Ihre Versprechen und Ihre Moratorien, die Sie bisher ausgesprochen haben, wirklich wert sind, möchte ich Ihnen hier aufzeigen. Einige Zahlen: Im März 2007 teilten Sie, Herr Flath – ich bin sehr froh, dass Sie heute da sind –, als damaliger Kultusminister mit: –

(Steffen Flath, CDU: Ich bin immer da! – Heiterkeit des Abg. Steffen Flath, CDU)

Stimmt, korrekt.

Das Schulnetz ist stabil. 2007, ich wiederhole es. Die demografische Katastrophe im Schulbereich ist überstanden. Sicherheit für die verbleibenden Schulen bedeutet jetzt eine Kurswende. Frau Kurth, entweder Sie haben das abgeschrieben oder abschreiben lassen; denn es ist die gleiche Formulierung, die Sie jetzt, 2013, ebenfalls verwandt haben.

(Patrick Schreiber, CDU: Quatsch, das sind vier Wörter aneinandergereiht!)

Herr Flath stellte fest: „Was jetzt noch zu tun ist, müssen die Landkreise und kreisfreien Städte entscheiden, ich nicht mehr. Die Schulen sollen sich endlich ohne Unruhe von außen auf ihre inhaltliche Arbeit im Unterricht konzentrieren können.“

Wir waren damals wirklich begeistert, Herr Flath, als Sie das sagten. Im Vorfeld der Wahlen 2009 haben dann auch keine weiteren Schulschließungen stattgefunden. Aber – nun komme ich zu meinen Zahlen – auch nach dem Schulschließungsmoratorium; wir haben es

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: So viel zur Wahrheit, Herr Bläsner!)

im Verlaufe der Haushaltsdebatte schon gehört – es war nicht der letzte, sondern der vorletzte Haushalt, Herr Bienst, es ist schon etwas länger her – nach dem Jahr 2010, als dieses Moratorium als Antrag in das Plenum eingebracht worden ist, ging es mit Ankündigungen von Mitwirkungsentzügen sowie Schulschließungen

(Patrick Schreiber, CDU: Konkret!)

Ich möchte Ihnen die Zahlen konkret benennen: Im Schuljahr 2010/2011 wurden durch das sächsische Kultusministerium Verfahren der Mitwirkung – das ist natürlich immer ein Verfahren – zur Absicht von Schulschließungen für 19 Mittel- und 22 Grundschulen eingeleitet.

(Zuruf des Abg. Lothar Bienst, CDU)

Wenn Du eine Frage hast, geh ans Mikro!

Im Schuljahr 2011/2012 wurden Verfahren an neun Grund- und vier Mittelschulen eingeleitet. Die Schließungen der Mittelschulen in Bad Elster, Seifhennersdorf und Kreischa waren sehr, sehr dicht dran. Viele von Ihnen werden sich noch daran erinnern, dass wir im Landtag sehr intensiv über diese Schulen diskutiert haben, und Kreischa hat sich ja dann noch selbst gerettet.

Frau Falken, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber natürlich.

Herr Bienst, bitte.

Sehr geehrte Kollegin Falken, geben Sie mir recht, dass Mitwirkungsentzüge nicht unbedingt Schulschließungen bedeuten? Ja oder nein?

Ich habe mich in meinen Ausführungen darauf bezogen und gesagt: Mitwirkungsentzüge werden mit dem Ziel der Schulschließungen ausgesprochen.

(Patrick Schreiber, CDU:... bringen Schulschließungen weiter, haben Sie gesagt!)

Sonst brauchen Sie doch die Mitwirkungsentzüge überhaupt nicht auszusprechen. Sie können doch jederzeit Sondergenehmigungen erteilen. Das Beispiel Seifhennersdorf kann ich Ihnen heute nicht ersparen.

(Lothar Bienst, CDU: Das ist etwas anderes!)

Das ist überhaupt kein anderer Fall. Das ist eine Mittelschule, die zu dem Zeitraum noch geschlossen wurde oder bei der für einzelne Klassen die Mitwirkungen entzogen worden sind, obwohl dort 28 Schülerinnen und Schüler angemeldet waren.

(Patrick Schreiber, CDU: 38!)

38. Wenn man gefragt hat – ich habe dies im Kultusministerium getan –, warum die Verfahren dann überhaupt noch eröffnet worden sind – nach dem Schulschließungsmoratorium und nach den Zusagen von Herrn Flath schon seit 2007 hätten doch die Mitwirkungsentzüge überhaupt nicht mehr ausgesprochen werden müssen –, dann war die Antwort aus dem Kultusministerium ganz eindeutig: Da wir ein Schulgesetz haben, müssen wir uns in der Verwaltung selbstverständlich an das Schulgesetz halten und nicht an irgendetwas anderes; denn Gesetze stehen ganz klar über einem Moratorium.

Das heißt, im laufenden Schuljahr, in dem wieder einmal Wahlen anstehen, können wir sicher davon ausgehen, dass es keine weiteren Mitwirkungsentzüge geben wird – oder vielleicht doch; denn sicher sind wir uns nicht. Die Staatsministerin Frau Kurth hat bereits mitgeteilt, dass es möglicherweise von der Anzahl der Anmeldungen her an 33 Grundschulen sowie einigen Mittelschulen ernsthafte Probleme gibt. Ich hoffe und wünsche mir, dass derartige Mitwirkungsentzüge, auch zum Verfahren, nicht ausgesprochen werden – und nicht nur, weil es ein Wahljahr ist.

Es hilft uns in diesem Hohen Haus überhaupt nicht, dass die Novellierung des Schulgesetzes einfach noch einmal verschoben wird. Ich hatte es vorhin kurz angedeutet. Wir verlieren wieder mindestens zwei Jahre, bezogen auf die Rechtssicherheit für Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger. In diesem Jahr passiert – zumindest nach den Aussagen, die wir bisher gehört haben – nichts mehr und im nächsten Schuljahr weiß man es nicht genau. Selbst wenn man gleich beginnen würde, braucht man mindestens ein halbes Jahr. Das heißt, es kann erst im Jahr darauf etwas passieren. Es entsteht ein Zeitverlust, der so nicht tragbar ist.

Der Erhalt der Schulen im ländlichen Raum ist in unser aller Interesse. Ich bin sehr froh, dass wir dazu inzwischen einer Meinung sind. Es geht aber nicht nur darum, zu erklären, dass es so ist, sondern die entscheidende Frage ist: Was wird die Staatsregierung einleiten, um diese Maßnahmen auch wirklich umzusetzen? Es geht mir um die personelle und die materielle Sicherstellung dessen, was heute gefordert wird. Dazu gehört für uns auch – wir haben das im Ausschuss ausgiebig diskutiert –, dass Maßnahmen eingeleitet werden, damit sich junge Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen des ländlichen Raums einstellen lassen. Dazu braucht es klare Ansagen.

Jetzt noch einige konkrete Worte zu Ihrem vorliegenden Antrag. Wenn Sie das Moratorium von 2010 weiterführen wollen und in Ihrem Antrag dazu keine konkreten Aussagen treffen, dann muss ich daraus schlussfolgern, dass an Grundschulen zukünftig mindestens 20 Schüler pro Klasse existieren müssen, damit diese Klassen erhalten bleiben können. So steht es im alten Moratorium für die Mittelschulen. Wenn Sie das jetzt auf die – –

(Patrick Schreiber, CDU: Das ist aber jetzt ein bisschen Haarspalterei! – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Aber hallo, es steht nicht drin! – Wie oft habe ich von Ihnen schon Materialien gesehen, in denen Sie genau das Gegenteil von dem gemacht haben, was Sie eigentlich machen wollten. Sie konterkarieren sich jetzt selbst mit diesem Antrag, weil Sie damit weit über dem Schulgesetz bleiben würden. Das sollten Sie sich vielleicht noch einmal anschauen. Insofern können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Christian Piwarz, CDU: Es gibt ein Schulgesetz, das dem gegenübersteht!)

Zum pädagogischen Konzept. Frau Staatsministerin, klar kann man im Parlament auch dem Staatsminister bzw. der Regierung Aufgaben stellen. Das machen wir alle und das ist auch gar keine Frage. Trotzdem verwunderte es mich schon, dass Sie das in Ihren Antrag alles noch einmal hineingeschrieben haben. Das können Sie machen; bitte schön, gar keine Frage. Nur frage ich mich zunehmend, Frau Staatsministerin Kurth, wieso Sie sich das alles gefallen lassen. Pädagogische Konzepte für den jahrgangsübergreifenden Unterricht gibt es bereits. Sie werden im Freistaat Sachsen an staatlichen Schulen praktiziert. Diese laufen bereits und müssen nur übertragen werden. Dafür muss man keine neuen Konzepte entwickeln.

(Christian Piwarz, CDU: Aber nicht flächendeckend! – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Die Schulträger bzw. die Schulen zu informieren halte ich für selbstverständlich. Ich habe gehört, dass Herr Kupfer bereits an allen betroffenen Grundschulen bzw. Mittelschulen seines Wahlkreises gewesen ist und den Schulleitern mitgeteilt hat, dass alles so bleibt und die Schulen erhalten werden. Die Bezahlung der Schulleiter und deren Eingruppierung haben Sie leider nicht mit angesprochen. Das wäre gut gewesen, denn diesbezüglich haben diese sich an mich gewandt.

Eine umfassende Novellierung des Schulgesetzes ist zwingend notwendig. Darüber sind wir uns einig. Aber wenn es eine solche Herzenssache ist, Schulen im ländlichen Raum zu erhalten, dann sollten Sie den Schritt gehen und eine Novellierung des Schulgesetzes auf den Tisch legen. Wir werden darüber beim Änderungsantrag der SPD noch einmal sprechen.