Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Frau Schütz, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der LINKEN suggeriert, in Sachsen läge die Pflege vollkommen brach. Das ist nicht nur falsch, sondern eine Frechheit, sich hier im Landtag so vorzustellen. Ich darf Ihnen sagen, sehr verehrte Damen und Herren, das ganze Gegenteil ist der Fall. In Sachsen wurden in den vergangenen Jahren nach dem Pflegeversicherungsgesetz Investitionen in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro getätigt, um unter anderem den Rückstand, der sich nach der Wende gezeigt hat, aufzuholen.

Frau Lauterbach, ich kann es Ihnen nicht ersparen, auch Ihnen Nachhilfe zu geben. Die Pflegeversicherung ist keine Vollkaskoversicherung. Sie soll einen Teil der Pflege im Alter absichern, aber nicht so, wie Sie es hier darstellen.

Was den Antrag der LINKEN weiter angeht, so sind wesentliche Inhalte des Antrages entweder außerhalb des Kompetenzbereiches des Freistaates oder die Forderungen wurden bereits auf den entsprechenden politischen Ebenen umgesetzt.

(Dr. Dieter Pellmann, DIE LINKE: Was denn konkret?)

Ich komme gleich dazu, Herr Pellmann.

Die Qualität der sächsischen Pflege wird eben nicht nur im sogenannten Pflege-TÜV, sondern in Sachsen auch seit

Dezember 2012 mit der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Berufsausübung von Pflegekräften sichergestellt. Die Verordnung regelt unter anderem die Erhebung und die daraus resultierende Feststellung des Pflegebedarfs durch Fachkräfte. Sie regelt Angebote zur Beratung, Anleitung und Unterstützung von Pflegebedürftigen und den sie versorgenden Bezugspersonen. Sie gewährleistet eben nicht nur die Sicherung, sondern ebenso auch die Entwicklung der Qualität der Pflege.

Es wird im Übrigen zukünftig zunehmend darum gehen, eine ganz wichtige Sache auch von der Bundesebene umzusetzen, nämlich die Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses für Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung auf Kranken- und Altenpflegeberufe. Damit wird es den Pflegekräften ermöglicht, bisher ärztlich instruierte Aufgaben der Heilkunde zu übernehmen. Das bedeutet nicht nur die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung durch Entlastung, die da gegeben wird, sondern auch gleichzeitig eine Aufwertung und damit Verbesserung der Qualität in der Pflege durch die daran Beteiligten.

Kommen wir doch noch einmal zu den beiden Anträgen zurück. Für die Analyse und Situationsprüfung zeichnet das Statistische Landesamt verantwortlich, das hierfür bereits detaillierte Berichte erstellt hat. Zudem sind für die Prognosen und Bedarfsanalysen, wie sie in den Anträgen gefordert werden, wiederum die Landkreise zuständig und – wie Sie auch aus der Stellungnahme der Staatsregierung erlesen konnten – sind diese Altenhilfepläne in den Landkreisen und kreisfreien Städten vorliegend bzw. in Erarbeitung. Deshalb bedarf es auch aus den Anträgen heraus keiner weiteren Diskussion.

Die Sicherung des Fachkräfteangebotes ergibt sich nicht nur aus den von der Staatsregierung vorgelegten Zahlen. Das ist ganz klar und das erleben Sie, sehr geehrte Damen und Herren, sicherlich auch immer wieder in Gesprächen, dass offene und freie Stellen vorhanden sind. Aber es geht nicht nur um die Stellenbesetzung, sondern auch um Ausbildung. Da ist in Sachsen zu verzeichnen, dass im Augenblick zwischen den neuen Auszubildenden und dem angemeldeten Bedarf auch keine übermäßige Diskrepanz besteht. An dieser Stelle von Pflegenotstand zu sprechen verunsichert nur die Menschen und verkennt noch dazu die Tatsachen. Das ist nicht möglich.

Mit dem vorgelegten und zur Diskussion gestellten Papier – Frau Ministerin, herzlichen Dank dafür – „Pro Pflege Sachsen“ sind wesentliche Punkte aufgegriffen worden, die schon länger in der Diskussion sind und denen sich auch die Pflegekassen nicht verstellen werden, im Gegenteil, sie sehen es als dringend notwendig an, mit den Geldern ihrer Versicherten qualitativ hochwertige Leistungen zu bezahlen und gleichzeitig mit Zahlern, Leistungserbringern und ihrer Funktion als Verwalter sehr sorgsam umzugehen.

Neben diesem Papier gab es in der vergangenen Woche auch eine ganz wesentliche Entscheidung im EU

Parlament, eine Forderung, der wir in Deutschland besondere Bedeutung beigemessen haben: die – Sie haben es gehört – Akademisierung in den Pflegeberufen. Nur nach zwölfjähriger Schulausbildung sollte der Weg frei sein, in diese Ausbildungsberufe zu gehen. Das ist zum Glück mit starker Einbringung der damaligen Bundesregierung noch verhindert worden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es wird weiterhin in Deutschland an der zehnjährigen Schulpflicht festgehalten. Wir ermöglichen es weiterhin Mittelschülern und letztlich auch Hauptschülern, in die Pflegeberufe zu gehen. Das ist das Erreichen eines wichtigen Zieles in diesem Bereich. Wir werden also keine zukünftigen Hürden an dieser Stelle aufbauen.

Aufgrund dessen, dass es im Augenblick keinen Mangel gibt, erübrigt sich auch diese Forderung nach einem Ausgleichsbeitrag nach dem § 25 Altenpflegegesetz. Im Gegenteil, ich glaube, wir müssen überlegen, wie wir in der Ausbildung schauen, warum junge Leute, die Umschulung machen, überhaupt noch Geld mitbringen müssen, um diesen Beruf zu erlernen. Hier gilt es umzudenken und gleichzeitig auch weiterhin zu fragen, warum verschiedene Berufe im Pflegebereich bisher noch nicht in einem dualen Ausbildungsbetrieb angeboten werden.

Die von der SPD immer wieder geforderten Pflegestützpunkte – –

(Dagmar Neukirch, SPD: Wir haben keine Pflegestützpunkte im Antrag!)

Im Augenblick nicht, ich warte auf den nächsten Antrag, Frau Neukirch, in dem das noch mal aufgewärmt wird.

Ich möchte noch sagen, dass wir mit den vor Ort installierten Pflegenetzen in Sachsen sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Dort können Angehörigen und Pflegebedürftigen Informationen und Beratungen im Zusammenwirken von Kommunen, Pflegeanbietern, Pflegekassen, Medizinischem Dienst der Pflegekassen, Ärzteschaft und den betroffenen Organisationen geboten werden.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung werden wir im Freistaat nicht umhinkommen, auch ganz neue Konzepte zu durchdenken. Die Förderrichtlinie über die Ruhestandsalltagsbegleiter ergänzt das bestehende Angebot und steht praktisch schon Pate für ein neues System, denn es wird auch in Sachsen wesentlich davon abhängen, wie Senioren für Senioren in der Gesellschaft zukünftig mit tätig werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Beispiele verdeutlichen zahlreiche Konzepte, um die Qualität der Pflege zu sichern. Dazu gehört auch das in meinen Augen innovative Programm für Ruheständler.

Mit Anträgen, sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion und der SPD-Fraktion, werden Menschen eher verunsichert und wir kommen bei den verschiedenen

wichtigen Fragen keinen Schritt voran. Wir werden daher Ihre Anträge ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Pellmann, Sie möchten eine Kurzintervention vorbringen.

Herr Präsident, Sie haben das gut erkannt.

Frau Schütz, Ihr letzter Satz hat mich noch einmal aufgerüttelt, wir würden Leute verunsichern. Ich habe vor nunmehr fast 15 Jahren vorn gestanden und darüber gesprochen, dass wir auf einen Ärztemangel zusteuern. Da wurde mir von der Seite Verunsicherung vorgeworfen, ich würde die Leute in die Irre führen. Was ich mir so alles anhören durfte...

Ich sage Ihnen Folgendes: Wir verunsichern nicht, sondern sagen die Realität, so wie sie ist. Ich weise daher Ihre Äußerung dazu zurück. In keinem unserer Anträge steht oder könnten Sie herauslesen, dass wir sagen, in Sachsen läge bereits die Pflege brach. Das stimmt so nicht. Wir haben immer und zu jeder Zeit deutlich gemacht, wir bedanken uns bei all denen, die pflegen – ob stationär oder ambulant –, und nicht anders.

Was wir allerdings gesagt haben: Wir erwarten, wenn es in Sachsen so weitergeht, wie all jene, die das heute bereits als gegeben voraussagen – was wir nicht tun –, einen Pflegenotstand. Wir haben ihn Gott sei Dank noch nicht.

Wenn Sie dann unsere verschiedenen Punkte abgearbeitet haben, sage ich Ihnen: Natürlich brauchen wir eine Analyse. Die muss die Staatsregierung liefern. Da nützen allein die statistischen Fakten aus Kamenz nichts. Analyse heißt Tiefgang und nicht nur Zahlen.

Ich sage noch eines:

Herr Pellmann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja, das ist dann der letzte Gedanke, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis.

Wir brauchen – ob Sie wollen oder nicht – ein Landespflegegesetz und keine Verweigerung.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Schütz, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten?

Natürlich, ich gebe doch immer gern Nachhilfe. Sehr geehrter Herr Pellmann, wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben, dieser Verantwortung hat sich die Staatsregierung in der Vergangenheit weitgehend entzogen oder sie den weitgehend unkontrollierten Marktkräften überlassen, ja, natürlich, dann ist das genau das, was ich in meiner Rede gesagt habe. Sie scheinen

hier Tatsachen darstellen zu wollen, die so nicht stimmen, die es so nicht gibt. Im Gegenteil. Durch die Zulassung von weiteren ambulanten Diensten können wir erst einmal sicherstellen, dass tatsächlich alle Ansprüche aus der Pflegebedürftigkeit auch befriedigt werden können. Diese Situation ist doch einfach wahrzunehmen und ernst zu nehmen, so wie sie im Freistaat tatsächlich ist und nicht so, wie Sie den Teufel immer an die Wand malen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Herrmann für die GRÜNEN als nächste Rednerin. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde der Sächsische Altenhilfepreis vergeben, und zwar zum dritten Mal. Frau Dietzschold ist darauf eingegangen. Heute werden Pflegekräfte vor dem Landtag demonstrieren, ein Aktionsbündnis, das sich für die Zukunft der Pflege einsetzt. Es stellt sich natürlich die Frage, wie das zusammenpasst.

Aus allen Fraktionen sitzen Mitglieder im Beirat des Sächsischen Altenhilfepreises, und gestern haben wir die Preise an Preisträger vergeben, die tatsächlich preiswürdig sind. Dieses Jahr stand die stationäre Einrichtung im Fokus, und wir haben in Sachsen stationäre Einrichtungen, die eine hervorragende Pflege machen, mit sehr viel Kreativität, mit sehr viel Engagement der Mitarbeiter. Das ist natürlich lobenswert, und wir bedanken uns auch bei denen.

(Beifall bei der FDP)

Andererseits wurde auch bei der Preisvergabe ganz deutlich, auf welcher Grundlage die Konzepte der Einrichtungen, die ausgezeichnet worden sind, basieren. Das ist ein unwahrscheinliches Engagement, eine hohe Motivation der Pflegekräfte, die immer wieder in ihrer Einrichtung nach Wegen suchen, besondere Konzepte umzusetzen und Pflege so zu gestalten, dass die Menschen tatsächlich auch Teilhabe haben. Das war ja auch die Überschrift: Teilhabe auch im öffentlichen Raum, Gemeinschaft in der Einrichtung. Was ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen diese Motivation und dieses Engagement aufbringen?

Voraussetzung ist natürlich, dass diese Menschen wertgeschätzt werden, dass Pflegekräfte wertgeschätzt werden von uns und der Gesellschaft. Das drückt sich unter anderem auch in der Bezahlung aus. Tarif ist das Mindeste, was man verlangen kann. Wenn dann Ängste geäußert werden, dass eine Tarifbindung nicht unbedingt dazu führt, dass das auch bei den Pflegekräften ankommt, dann ist der KSV im Spiel, über den wir gerade gesprochen haben. Wenn wir Tarif bezahlen wollen, muss natürlich der KSV den Tarif auch in den Verhandlungen abbilden, sodass am Ende die Einrichtungen auch tatsächlich den Tarif bezahlen.

Wir haben das Engagement gestern gesehen und sehen auch, dass wir uns als Gesellschaft zum Thema Pflege

positionieren müssen. Wenn wir immer sagen, dass wir eine demografische Entwicklung haben und diese der Grund dafür sei, dass wir uns mehr engagieren müssen, dann ist das nur eine Seite der Medaille und nicht die entscheidende. Die entscheidende Seite der Medaille ist, dass Menschen Ansprüche haben, dass wir darauf Wert legen müssen, dass die Würde auch im Alter und bei Pflegebedarf gewahrt ist und dass Menschen natürlich selbst bestimmen können, wo sie und wie sie ambulant oder stationär gepflegt werden wollen, von der Familie – natürlich im Gespräch mit der Familie – oder in einer Einrichtung mit einem bestimmten Konzept. Diese Vielfalt zu gewährleisten, das ist unsere Aufgabe. Um das im Freistaat tatsächlich umzusetzen, braucht man ein Konzept.