Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Die Redezeit geht zu Ende.

Mehr kann ich in der Redezeit nicht bringen. Wir sollten auf unsere Rhetorik achten. Abschottungspolitik funktioniert nicht mehr.

Die Redezeit geht zu Ende.

Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge – diese Teilung können wir nicht vornehmen. Wir haben Verantwortung und können das hier im Land deutlich zeigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Eine Kurzintervention an Mikrofon 7. Bitte, Herr Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Sicht der NPD muss ich die eine oder andere zahlenbasierende Aussage machen zu der erwartungsgemäßen Asylantentümelei der Frau Herrmann.

Wir haben es wieder gehört, dass es den GRÜNEN längst nicht mehr darum geht, wirklich politisch Verfolgten hier Asyl zu gewähren, sondern es geht den GRÜNEN mittlerweile darum, eine schrankenlose Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme in die Wege zu leiten. Das sagte vor Kurzem übrigens auch im ARD-Morgenmagazin die frisch gewählte Bundestagsfraktionsvorsitzende GöringEckardt. Es geht nicht mehr darum, politisch Verfolgten zu helfen, sondern aus verschiedensten Interessensgründen einer schrankenlosen Armutseinwanderung den Weg zu ebnen. Dass das die NPD ablehnt, ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Ich möchte einige Zahlen nennen. Im letzten Jahr haben in Deutschland nach Angaben des Bundesinnenministeriums 65 000 Menschen Asyl beantragt. Laut Angaben des BMI betrug die Anerkennungsquote 1,2 %. Das sind keine NPD-Zahlen, sondern das sind die Zahlen des Bundesinnenministeriums. Von 65 000 Antragstellern wurde 740 bescheinigt, dass sie im Sinne des Artikels 16 a asylberechtigt sind. Weitere 27 % der Asylantragsteller haben einen vorübergehenden Abschiebeschutz anerkannt

bekommen. 50 % bekamen ihre Asylanträge abgelehnt, werden aber natürlich in Deutschland geduldet. Der Rest hat aus eigenen Einsichtsgründen den Asylantrag – wir

reden hier wohlgemerkt von einer offiziellen Asylanerkennungsquote von 1,2 % – zurückgezogen.

(Zuruf des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Und da stellen sich die GRÜNEN hier hin und sprechen von „Ausgrenzung“ und fordern, dass der deutsche Sozialstaat für alle Armutsflüchtlinge der ganzen Welt geöffnet wird! Das ist inländerfeindlich

(Andreas Storr, NPD: Das ist Wahnsinn!)

und das macht zumindest die NPD nicht mit.

(Beifall bei der NPD)

Frau Herrmann, möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren?

(Jürgen Gansel, NPD: Eine offizielle Anerkennungsquote von 1,2 %!)

Wir gehen weiter in der Rednerreihenfolge. Nach der einbringenden Fraktion GRÜNE spricht für die CDUFraktion Herr Kollege Hartmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schwierigkeit mit dem Thema ist, dass es nicht schwarz oder weiß ist, sondern es ist grau. Insoweit gibt es Wahrheiten und es gibt Herausforderungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss.

Zu Beginn möchte ich einige Zahlen nennen: Deutschland hat im Jahr 2012 77 500 Flüchtlinge, Asylbewerber aufgenommen. 77 500 sind 23 % der in der Europäischen Union registrierten Flüchtlinge. Zum Vergleich: Italien hat eine Quote von 5 %. Wenn man sich die Gesamtzahlen anschaut, dann hat Deutschland den höchsten Anteil, gefolgt von Frankreich mit 18 %, Schweden mit 13 % und dem Vereinigten Königreich mit 8 %. Die fünf Länder umfassen rund 70 % aller Flüchtlinge, Asylbewerber in Europa.

Aus meiner Sicht nimmt Deutschland damit eine führende Rolle ein, und das zu Recht. Wir übernehmen damit eine entsprechende Verantwortung innerhalb Deutschlands.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Herrmann?

Herr Präsident, ich gestatte.

Bitte.

Herr Präsident! Herr Kollege, Sie haben am Anfang gesagt, es sei nicht nur schwarz und weiß, sondern es sei grau. Auch diese Zahlen sind ja nur die eine Seite. Sehen Sie es auch so, dass man sie anders interpretieren kann? Man kann ja auch andere Zahlen nennen, nämlich dann, wenn man sagt, wie viele Flüchtlinge auf 1 000 Einwohner kommen. Da ist Deutschland nicht so weit vorn. Richtig ist: Deutschland stellt sich der Verantwortung. Sehen Sie es auch so, dass wir gerade

jetzt die Flüchtlingspolitik überdenken müssen und dass das auch für Dublin II gilt?

Frau Herrmann, ich denke, dass wir in Europa grundsätzlich den Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen bewerten müssen. Das ist eine Gesamtdiskussion.

Zu Ihren Zahlen: Da ist es nicht ganz so. Wenn man sich die Statistik anschaut, kann man für das Jahr 2012 konstatieren, dass Deutschland 949 Asylbewerber auf 1 Million Einwohner aufgenommen hat. Ich mache das wieder am Vergleich zu Italien fest: Italien hat 256 Asylbewerber pro 1 Million Einwohner aufgenommen. Also auch real auf Einwohner bezogen hat Deutschland eine deutlich höhere Verantwortungsquote übernommen. Das muss man klarstellen. Selbstverständlich ist: Wir sind eines der wirtschaftlich stärksten Länder Europas, insoweit ist das auch richtig.

Es ist auch richtig, sich mit dem Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik intensiv auseinanderzusetzen. Auch die CDU steht ganz klar dazu, dass wir aus flüchtlingsrechtlichen oder humanitären Gründen jeden, der Hilfe und Unterstützung hier in Deutschland braucht, aufnehmen. Das steht überhaupt nicht in Abrede.

Die Frage ist vielmehr: Wie gehen wir mit Menschen um, die aus ihrer Sicht durchaus verständlich Wohlstandsteilhabe haben wollen? Da sage ich ganz deutlich: Hier müssen wir bewertend eingreifen. Das wird uns nicht gelingen. Wir können es uns nicht leisten, dass jeder, der aus wirtschaftlichen, eigenen verständlichen Gründen hier in Deutschland Aufnahme finden will, hier auch eine Zuflucht bekommt. Das hält auch das stärkste Wirtschaftssystem nicht durch. Wir haben eine Verantwortung bezüglich des Spagats einer Asyl- und Flüchtlingspolitik auf der einen Seite und den eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten und unserer eigenen Gesellschaft auf der anderen Seite. Dazu stehen wir, und zwar für die eigene Gesellschaft und den sie bedingenden Rahmen. Deswegen habe ich auch gesagt: Diese Diskussion ist nicht schwarz und nicht weiß, sondern sie ist grau. Wir reden darüber, wie wir insgesamt einen Einklang zwischen den berechtigten Verantwortungsbereichen und der Umsetzung finden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn wir das zur Grundlage nehmen – ich bitte noch einmal festzustellen, dass Deutschland innerhalb der Europäischen Union diesbezüglich seine Verantwortung wahrnimmt, ich will hier nicht noch anmerken, dass wir insbesondere zur Entlastung von Malta uns auf das Kontingent von 5 000 Syriern verständigt haben, die wir außerhalb jeglicher Berechnungsgrundlagen aufgenommen haben, was auch, denke ich, eine vernünftige Entscheidung war –, müssen wir auch konstatieren, dass gegenüber 2008, als Deutschland 28 000 Flüchtlinge und Asylsuchende aufgenommen hat, Deutschland in diesem Jahr über 100 000 Flüchtlinge und Asylsuchende aufnehmen wird. Das sind veränderte Rahmenbedingungen, über

die wir hier sprechen. Das sehen wir insbesondere in der Länge der Anerkennungsverfahren, die mittlerweile im Durchschnitt über neun Monate dauern – was natürlich viel zu lange ist, um sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft zu klaren Entscheidungen zu kommen.

Hier müssen wir nachbessern, damit diese Verfahren möglichst schnell umgesetzt werden. In Sachsen selbst sind wir in das Gesamtasylverfahrensrecht eingebunden. Nach dem Königsteiner Schlüssel bekommt Sachsen ein entsprechendes Kontingent, um in seiner Gesellschaft diese Verantwortung zu tragen. Wir müssen miteinander die Diskussion führen, wie wir mit den hierherkommenden Flüchtlingen und Asylbewerbern umgehen. Da ist es durchaus berechtigt zu hinterfragen, ob eine Erstaufnahmeeinrichtung eine dezentralere Struktur benötigt. Da ist es durchaus berechtigt zu hinterfragen, wie man Familien und die Trennung von Männern und Frauen definiert und wie man mit unterschiedlichen Nationalitäten umgeht. Das alles ist eine in der Sache berechtigte Diskussion. Ich glaube, dass das Sächsische Staatsministerium des Innern und insbesondere auch Staatsminister Ulbig in den letzten Jahren deutlich gemacht haben, sehr verantwortungsvoll mit diesem Thema umzugehen, und zwar immer im Ausgleich zwischen den bestehenden Interessen.

Noch einmal: Diese Diskussion ist nicht schwarz und weiß. Es gibt nicht gut und böse, sondern es ist eine graue Diskussion, bei der es um den Ausgleich von Verantwortlichkeiten geht.

Ich möchte auch deutlich sagen, dass eine pauschale Diskussion, bei der gesagt wird „Wir wollen mehr Flüchtlinge, wir wollen mehr Aufnahme“, der völlig falsche Weg für eine verantwortungsvolle Zuwanderungs- und Integrationspolitik ist; denn Sie verkennen an der Stelle ganz deutlich, dass man auf dieser Reise auch die Menschen in diesem Land mitnehmen muss. Man muss die Ängste, Sorgen und Nöte der Bevölkerung abbauen. Das setzt auch die Kommunen und Landkreise vor eine besondere Verantwortung, auch wenn es um Standortentscheidungen geht. Sie können Standortentscheidungen im Diskussionsprozess unter Bewertung von Rahmenbedingungen fällen oder Sie setzen die Menschen in die Mitte der Stadt und schauen, was passiert. Diesen Abwägungsprozess müssen wir miteinander gestalten.

Meine Redezeit geht zu Ende. Wir sind gern bereit, über Details zu reden. Wir stellen uns der Verantwortung. Im Grundsatz bleibt es aber beim Regelwerk. Der Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und einer verantwortungsvollen Flüchtlings- und Asylpolitik sind für uns der Gradmesser. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die zweite Runde.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Hartmann sprach für die CDU-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Klinger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist beschämend, dass nach 20 Jahren, nach 20 000 Toten – nach Angaben von Pro Aysl – im Mittelmeer

(Zuruf von der NPD: Genau! Schäm‘ dich!)

erst ein solch großes Unglück passieren muss, bei dem über 300 Menschen auf einen Schlag sterben, ehe etwas passiert, ehe wir anfangen, uns darüber zu verständigen.

(Zuruf von der NPD: Du bist schuld!)

Keine Woche nach der Tragödie von Lampedusa haben sich die EU-Innenminister getroffen und beschlossen, keine Änderung der katastrophalen Flüchtlingspolitik vorzunehmen. Dafür war auch der Druck Deutschlands verantwortlich. Das wird dazu führen, dass es noch mehr Tote an den EU-Außengrenzen und noch mehr Leid für diejenigen gibt, die es aufs Festland schaffen.

Die Debatte trägt den Titel „Humanität heißt Verantwortung übernehmen – Sachsen braucht eine neue Flüchtlingspolitik“. Dem stimmen wir als LINKE zu, und wir sagen ganz konkret: Diese neue Flüchtlingspolitik muss auf vier Ebenen stattfinden bzw. dort durchgeführt werden, und zwar in Sachsen selbst, auf der nationalen Ebene – in Deutschland –, auf der europäischen Ebene und in den Herkunftsländern.

Lassen Sie mich mit den Herkunftsländern beginnen: Es wird viel davon gesprochen, die Lebensstandards in den Heimatländern der Flüchtlinge zu verbessern, um Anreize zu vermindern, dass Menschen hierherkommen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir dort keine zynischen und keine illusorischen Debatten führen. Natürlich brauchen wir langfristig eine andere Handels- und Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung von Armut, Krieg und Unterentwicklung weltweit. Aber schauen wir uns doch einmal an, woher die Flüchtlinge kommen: Sie kommen zum Beispiel aus Staaten wie Eritrea, wo eine Diktatur herrscht. Wie wollen wir dort konkret Unterstützung anbieten? Wie wollen wir in einem zerfallenen Staat wie Somalia konkrete Unterstützung und eine Verbesserung so weit erreichen, dass die Menschen nicht mehr hierherkommen? Wie wollen wir das in einem Staat wie Mali tun, um nur einige zu nennen?

Ganz wichtig ist dabei auch: Deutschland ist immer noch Waffenexporteur. Ich habe heute früh ein Bild von einem Schild der Flüchtlinge am Brandenburger Tor gesehen. Auf dem stand zu lesen: „Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten. Schluss mit Waffenexporten, um auch Flüchtlingsströme zu bekämpfen!“

(Beifall bei den LINKEN)

Was können wir in Sachsen konkret tun? Wir gestalten hier, in den Kommunen, im Land die konkreten Bedingungen für die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen. Aber wir haben immer noch eine Residenzpflicht als eines der letzten Bundesländer, zusammen mit Brandenburg. Wir haben immer noch eine zentrale Unterbringung in Heimen – das ist von der