Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die globalisierte Welt ist eine Welt voller Freiheiten und Chancen vor allem für uns in Deutschland und in Sachsen; denn wir profitieren unter anderem vom Freihandel und von offenen Märkten. Hunderttausende Jobs allein sind in Deutschland vom globalen Markt abhängig, und wir sind in der Regel diejenigen, die im globalen Wettbewerb die guten Jobs abbekommen.

Über Gewerbe- und Einkommensteuern werden so wichtige Beiträge für unser Gemeinwesen geliefert. Das ist Globalisierung heute.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine Klippschulweisheit!)

Aber aus Freiheit folgt auch Verantwortung. Wir dürfen nicht wegsehen vor der Not auf der Welt. Natürlich ist unsere erste Aufgabe, unsere klare Priorität, Hilfe vor Ort zu organisieren – und zwar dann, wenn sie gebraucht wird. Dazu haben wir großartige Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel das THW oder das Rote Kreuz, die wichtige Arbeit vor Ort leisten.

Aber wir dürfen uns auch nicht vor unserer Verantwortung drücken bei Naturkatastrophen oder Bürgerkriegen, bei denen Situationen entstehen, in denen Menschen flüchten müssen. Sie tun dies als Allererstes ins Nachbarland – es flüchten bei Weitem nicht alle nach Europa –; aber auch wir müssen manchmal unsere Verantwortung wahrnehmen und diesen Menschen helfen, indem wir ihnen ein Obdach, eine neue Heimat bieten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir nehmen diese Verantwortung im Rahmen unserer Möglichkeiten wahr. Durchschnittlich suchten in den vergangenen Jahren zwischen 2 000 und 3 000 Flüchtende pro Jahr in Sachsen Zuflucht. Die Mehrheit ist in ihre Heimatländer zurückgekehrt.

(Jürgen Gansel, NPD: Aha?!)

Eine Vielzahl von internationalen Konflikten lässt diese Zahl in den vergangenen Jahren steigen – und, ja, in diesem Jahr sind es inzwischen über 5 300.

Wenn man diese Zahl aber einmal in Relation setzt und die sächsische Bevölkerung mit vier Millionen Bürgerinnen und Bürgern als Maßstab nimmt, dann ist das ein

Anteil von 0,1375 %. Es ist absolut fahrlässig, bei solchen Zahlen Angst vor Überfremdung zu schüren. Nein, wir sind auf diese Menschen vorbereitet; wir sind dazu in der Lage, diesen Menschen hier eine sichere Zuflucht zu bieten.

Wenn man das Ganze bildlich darstellt, dann bedeutet das: Wenn man ein Maßband mit einem Meter hat – also 1 000 Millimetern –, dann würde ein einziger Millimeter dazukommen. Wer an dieser Stelle vor Überfremdung warnt, wie es in der Debatte leider zurzeit des Öfteren vorkommt, der schürt unnötige Angst.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Trotz der geringen Zahl erleben wir bei einem Teil der Sächsinnen und Sachsen Skepsis – auch das gehört zur Wahrheit dazu. Sie haben Angst, und aus dieser Angst entspringt das Bedürfnis nach Information; sie wollen besser informiert werden – genauso, wie sie beim Straßenbau oder bei Hochwasserschutzmaßnahmen besser informiert werden wollen –, und ich finde, der Anspruch, ihre Ängste ernst zu nehmen, ist berechtigt.

Wir wollen Ängste ernst nehmen und abbauen und wir wollen Konzepte zur menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen in Sachsen entwickeln und notwendige Rahmenbedingungen für soziale Betreuung und Sprachunterricht schaffen. Das halten wir für eine wichtige Lehre aus den aktuellen Diskussionen. Wir setzen dabei auf die Klugheit von vielen. Wir glauben, es gibt in Sachsen genügend Partner, die uns dabei helfen können, in diesen Fragen besser zu werden.

(Jürgen Gansel, NPD: Mit Steuergeldern – ohne Moos nichts los!)

Und wir glauben an dieser Stelle an das Prinzip eines möglichen Konsenses.

Wir schlagen deshalb mit diesem Antrag dem Hohen Haus vor, einen runden Tisch „Humanitäre Flüchtlingspolitik Sachsen“ zu gründen,

(Alexander Delle, NPD: Warum denn das? – Stefan Brangs, SPD: Seid ihr jetzt wach geworden, oder was?)

indem wir verschiedene kompetente Partner in dieser Gesellschaft zusammenführen wollen. Zu den kompetenten Partnern gehören die Mitglieder der NPD-Fraktion nicht.

Wir möchten gern, dass es einen runden Tisch gibt mit dem SMI, dem SMS, dem Ausländerbeauftragten, einem Vertreter der Landräte, der Bürgermeister(innen), aber,

ganz wichtig, auch des Sächsischen Flüchtlingsrates, den Betroffenen. Die Erfahrungen aus der Liga wollen wir genauso mitnehmen wie die der Wohnungsverbände und der Wohnungswirtschaft.

Wir wollen also eine bessere Politik, um daraus diese noch besser kommunizieren zu können und dadurch mehr Akzeptanz bei den Menschen in Sachsen zu schaffen.

Wir haben in Sachsen jedes Jahr eine Auswanderung von 20 000 bis 30 000 Menschen. Wer da erzählt, dass eine Zuwanderung für einen voraussichtlich vorübergehenden Zeitraum von 2 000 bis 3 000 Menschen nicht zu verkraften ist, der setzt auf Hass.

Meine Erfahrung ist: Ich bin mir sicher: Weltoffenheit ist ein wichtiger Wert für die Sachsen. Lasst uns dieser Weltoffenheit Rechnung tragen und dieser Weltoffenheit an einem solchen runden Tisch für eine humanitäre Flüchtlingspolitik Ausdruck verleihen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Hartmann, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Da fehlt der Basketball!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion, der uns heute vorliegt, ist in einigen Teilen durchaus zu unterschreiben; zu anderen Teilen haben wir ein differenzierteres Bild.

Herr Gansel, in Ihre Richtung: Vielleicht hätte sich ein Blick vor Ort gelohnt. Vielleicht hätte es sich gelohnt, auf den Balkan zu fahren. Dann hätten Sie es nicht nur im Fernsehen verfolgen müssen. Aber es macht sich für Sie bedeutend leichter, wenn Sie die Augen verschließen, in überholten Geschichtsbüchern blättern und dann Ihre Geschichten erzählen. Aber das muss ja nicht Bestandteil einer ernsten Debatte in diesem Hohen Hause sein.

(Jürgen Gansel, NPD: Ich hätte dann aber mit denen nicht Basketball gespielt!)

Der vorliegende Antrag enthält im ersten Beschlusspunkt durchaus ein Bekenntnis, das auch von der CDU-Fraktion jederzeit zu unterschreiben ist. Auch wir stehen dafür, dass Menschen aus Kriegsgebieten aus humanitären Gründen Aufnahme und Schutz in unserem Land und zeitweise, bis zur Klärung der Situation vor Ort, hier eine sichere Heimat finden.

(Jürgen Gansel, NPD: Aber Deutschland kann nicht das Weltsozialamt sein! Darum geht es!)

Daraus entsteht zwangsläufig die Frage: Was können wir an Unterstützung vor Ort leisten? Die entscheidende Frage lautet: Wer trägt die Verantwortung?

Eines ist ganz klar: Es kann in der Frage des Asylverfahrens, der Unterstützung der Menschen hier und auch vor

Ort, keine rein sächsische Lösung geben. Wir brauchen hierzu die Unterstützung aller 16 Bundesländer. Vor allen Dingen brauchen wir – das ist mit Blick auf Dublin II durchaus ein ernst zu nehmender Punkt – eine gesamteuropäische Antwort auf diese Situation.

Wenn dem so ist, dann werden wir eine Diskussion über die Frage hinaus führen müssen: Wie können wir unseren Beitrag in Deutschland, aber auch in der Europäischen Union definieren, um die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern?

Aber zurück nach Sachsen und zu der Frage eines runden Tisches: Der Ansatz ist durchaus nachvollziehbar; die Frage ist, ob er als Lösungsansatz ausreichend ist. Auch hinsichtlich der Zielsetzung sehen wir es etwas differenzierter.

Wir werden uns über die Art der Unterbringung verständigen müssen: dezentral oder zentral? Es geht um über 2 000 Wohneinheiten. Sollen Familien zentral oder dezentral untergebracht werden? Wir müssen über Konzepte reden, damit die Landkreise und kreisfreien Städte entsprechend planen können.

Wir müssen auch die Begrifflichkeiten klarer trennen: Geht es um Integration oder um Flüchtlingspolitik? Das ist ein sehr komplexes Thema.

(Andreas Storr, NPD: Genau – so komplex, dass man dazu gar keine Position mehr hat!)

Deswegen rege ich im Namen meiner Fraktion an, diesen Antrag zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. Dort können wir uns – zumindest der größere Teil dieses Hohen Hauses – ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, wie wir die drei entscheidenden Komponenten zusammenfügen können: Erstens ist zu klären, wie unsere Gesellschaft unterstützend mit Flüchtlingen umgehen kann, wie wir unsere Gesellschaft vorbereiten können und was wir unserer Gesellschaft zumuten können. Zweitens ist zu betonen, dass wir Verantwortung für Menschen tragen, die in einer Notsituation Hilfe brauchen; ich brauche nur an unsere eigene Geschichte zu erinnern. Die dritte entscheidende Frage lautet, wie wir unseren Beitrag für eine gesamteuropäische Verantwortung besser wahrnehmen können.

Insofern bitte ich darum, dass das Hohe Haus diesem Antrag folgt und eine Überweisung an den Innenausschuss vornimmt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Für die Linksfraktion Frau Abg. Köditz, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Jetzt kommt die Stalin-Orgel der Überfremdung! – Widerspruch von den LINKEN)

Herr Gansel, würden Sie sich bitte mäßigen? Sonst muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Parlament werden Reden häufig mit Dankesbekundungen angereichert. Ich möchte im Namen der LINKEN gleich mit einem Dank – wahrscheinlich sogar mit zweien – beginnen.

Unser erster Dank geht an die SPD-Fraktion, dass sie diesen Antrag geschrieben, eingereicht und auf die heutige Tagesordnung gesetzt hat.