Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Martin Gillo, CDU)

Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Aussprache fort. Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Abg. Fritzsche. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Homann, ich glaube, gegenüber der Ministerin haben Sie sich im Ton ein bisschen vergriffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Ausführungen einige Worte zum Hintergrund des vorliegenden Antrages. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgelegten Programms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ existiert ein Programmbaustein unter der Überschrift „Förderung und Unterstützung qualitätsorientierter Beratungsleistungen in den landesweiten Beratungsnetzwerken“.

Seit dem 1. Januar 2011 werden unter diesem Dach die beiden Bundesprogramme „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ und „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ zusammengeführt und fortgeführt. Es zielt darauf ab, ziviles Engagement, demokratisches Verhalten und den Einsatz für Vielfalt und Toleranz zu fördern. Hierfür stehen vonseiten des Bundes bis zum Jahr 2014 jährlich pro Land 24 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung. Der Förderrichtlinie kann man entnehmen, dass in jedem Förderjahr bis zu 250 000 Euro an Bundesmitteln für diese Beratungsnetzwerke zur Verfügung stehen.

Im Freistaat Sachsen wird das Beratungsnetzwerk Sachsen aus diesem Bundestopf gefördert und ergänzt um einen sehr ordentlichen Landeszuschuss, der deutlich über dem in der Förderrichtlinie vorgegebenen Mindestzuschuss von 20 % liegt. Auch das sollte erwähnt werden.

Erst im Juli wurde mit Veröffentlichung der Leitlinien zu diesem Programmbaustein die Fortschreibung für das Jahr 2014 amtlich, denn – das wurde bereits erwähnt – das Programm sollte zum Jahresende 2013 auslaufen und wurde daher auch nicht im aktuell laufenden Doppelhaushalt 2013/2014 abgebildet.

Die Leitlinie trägt den Titel „Leitlinie zum Programmbereich Version 2.0 vom 02.07.2013 – Fortschreibung für das Jahr 2014“. Sie umfasst 19 Seiten, und erst zu dem Zeitpunkt, wenn die Leitlinie auf dem Tisch liegt, kann man sicher sein, was darin steht und wie eine entsprechende Kofinanzierung aussehen muss.

Seit September – Herr Kollege Jennerjahn hat darauf hingewiesen – steht die Frage der Kofinanzierung ganz besonders im parlamentarischen Raum. Sie hatten damals in der 83. Plenarsitzung im September eine mündliche

Anfrage gestellt. Diese wurde von Herrn Staatsminister Kupfer in Vertretung beantwortet, und dabei wurde über die laufenden Bemühungen berichtet. Ich glaube, Sie haben auch von der Ministerin das deutliche Signal vernommen, was auch an das Beratungsnetzwerk ausgesandt wurde, dass die Finanzierung für das Jahr 2014 gesichert ist. Es haben auch zwischenzeitlich noch intensive Gespräche stattgefunden. Nach meinen Informationen ist es tatsächlich so, dass die Finanzierung steht.

Ihr vorliegender Antrag geht aber wesentlich über das Jahr 2014 hinaus. Es ist grundsätzlich festzustellen, dass im Freistaat Sachsen, insbesondere über das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen – für Demokratie und Toleranz“ hinaus, vielfältige Projekte auf kommunaler Ebene auch mit einer Trägervielfalt gefördert werden.

Die Stärkung der Demokratie und die Bekämpfung von Extremismus sind dabei zentrale Anliegen. Die Bandbreite der Projekte ist sehr groß. Alle eint, dass sie sich der Demokratieerziehung und der Förderung von Toleranz widmen. Im Kern steht dabei – das ist auch richtig – das entschiedene Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle aber auch jene, welche sich ganz ohne konkreten Auftrag und ohne zusätzliche Förderung der Extremismusvorsorge und damit der Demokratieerziehung im Freistaat Sachsen widmen. Ich denke dabei an die freiwilligen Feuerwehren, an die Kirchgemeinden, an die Sportvereine – an all jene,

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Für die es zum ehrenamtlichen Engagement einfach dazugehört, aufeinander zu achten und entschieden für Demokratie und Toleranz einzustehen. Auch dafür bin ich außerordentlich dankbar.

(Beifall bei der CDU – Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Fritzsche, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Er gestattet keine.

Ihr Antrag greift nun eine Initiative heraus und will diese im Vorgriff auf die Haushaltsverhandlungen über den Doppelhaushalt 2015/2016 festschreiben – dies ohne Kenntnis der genauen Rahmenbedingungen, welche uns vonseiten des Bundes für diese Projekte in Zukunft gesetzt werden. Der heute bekannt gewordene Koalitionsvertrag auf Bundesebene lässt Positives erwarten, aber wir wissen auch, dass dort noch einige Hürden zu überwinden sind, bis er unter Dach und Fach ist.

Der Koalitionsvertrag – das möchte ich der Vollständigkeit halber, da ich darauf hingewiesen habe, hier zitieren – schreibt fest: „Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum sogenannten Nationalsozialisti

schen Untergrund, NSU, hat parteiübergreifend zahlreiche Reformvorschläge für die Bereiche Polizei, Justiz und Verfassungsschutz zur parlamentarischen Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste sowie zur Zukunft der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus

erarbeitet. Soweit die Bundesebene betroffen ist, machen wir uns diese Empfehlung zu eigen und werden sie zügig umsetzen. Soweit die Länder betroffen sind, werden wir im Dialog mit ihnen Wege für die Umsetzung dieser Empfehlungen erarbeiten, etwa bei der einheitlichen Verfahrensführung der Staatsanwaltschaften.“

Etwas weiter heißt es: „Die Möglichkeiten für Opferbetreuung und Beratung stärken wir.“

Ich glaube, hiervon geht ein positives Signal in Richtung der Beratungsleistung aus, aber ich denke, wir sollten abwarten, wie die konkreten Rahmenbedingungen ausgestaltet werden, und erst dann eine Entscheidung treffen, in welcher Form hier weiter vorangeschritten werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Vielen Dank, Herr Fritzsche. – Herr Jennerjahn, Sie wünschen?

Ich würde gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Fritzsche, Sie haben gerade auf die ehrenamtlich tätigen freiwilligen Feuerwehren, Kirchgemeinden, Sportvereine usw. abgestellt. Natürlich ist das ein sehr lobenswertes, dankenswertes Engagement, das es zu würdigen gilt. Aber Ihnen müsste eigentlich auch bekannt sein, dass diese Träger immer wieder mit viel Engagement nicht nur die Arbeit machen, sondern auch darauf angewiesen sind, von Expertinnen und Experten beraten zu werden.

Und jetzt – oh Wunder, oh Wunder! – greifen genau diese Strukturen liebend gern auf die Arbeit der mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus zurück. Wenn man sich mit Vertretern dieser Vereine unterhält, bekommt man immer wieder gesagt, dass es erschreckend sei, dass für die mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus keine klare Förderperspektive existiere.

Sie können nicht das eine hochhalten und bei dem anderen sagen, dass es uns egal ist. Das funktioniert einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die Kurzintervention des Abg. Jennerjahn. – Herr Fritzsche, Sie möchten erwidern.

Ja, nur ganz kurz. Mir war es besonders wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, damit wir hier nicht in Verdacht geraten, die Debatte inhaltlich zu verkürzen. Ich glaube, gerade das, was im präventiven Bereich durch die vielen Ehrenamtlichen in der Freiwilligen Feuerwehr, in den Sportvereinen und in den Kirchgemeinden geleistet wird, gehört zu einer vollständige Debatte dazu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es geht in der Aussprache weiter. Für die FDPFraktion spricht Herr Abg. Biesok. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede ausdrücklich klarstellen: Die Demokratienetzwerke leisten mit ihren Opferberatungsstellen, mit ihren mobilen Beratern und bei der Fortbildung von anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen einen sehr wertvollen Beitrag, wenn es darum geht, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entschieden zu bekämpfen.

(Beifall bei der FDP)

Die Vorfälle in den letzten Tagen an vielen Orten in Sachsen führen uns deutlich vor Augen, dass es noch ein weiter Weg hin zu einem wirklich toleranten Sachsen ist. Was mich an Ihrem Antrag aber stört, ist, dass der Eindruck erweckt wird, RAA Sachsen und das Kulturbüro seien die beiden einzigen Vereine, die in diesem Bereich sinnvolle Arbeit leisten würden. Das ist nämlich nicht der Fall.

Mit keinem Wort wird erwähnt, dass noch viele andere Träger aktiv sind.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Zuhören! – Miro Jennerjahn, GRÜNE: Sie haben nichts verstanden!)

Ich denke, es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – Herr Fritzsche hat es hervorgehoben – mit sehr vielen Institutionen, die dort mitwirken müssen, damit es auch eine wirkliche Durchdringung in der Gesellschaft findet. Meines Erachtens kommt das in Ihrem Antrag viel zu wenig zum Ausdruck.

Wir begrüßen es, dass es noch die schwarz-gelbe Bundesregierung gewesen ist, die das Programm „Toleranz fördern, Kompetenz stärken!“ über das Programmende 2013 hinaus auf das Jahr 2014 ausgedehnt hat. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erwähnt ausdrücklich den hohen Standard in der Beratungsarbeit der Netzwerke.

Dies ist meines Erachtens eine klare Förderperspektive für die Projekte und keine bloße Willensbekundung, wie es in der Begründung zu Ihrem Antrag heißt. Eine entsprechende Initiative der Staatsregierung gegenüber dem

Bund, wie Sie es im letzten Teil Ihres Antrags fordern, erübrigt sich deshalb.

Die von Ihnen kritisierte fehlende Kofinanzierung wurde schon ausführlich erörtert. Das Programm war befristet, und es ist jetzt weitergeführt worden. Ich habe hier aus keiner Äußerung entnommen, dass die Staatsregierung beabsichtigt, die Kofinanzierung einzustellen, sondern man muss nach dem Auslaufen des Programmes entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten finden.

Ich bin mir sehr sicher, dass die Staatsregierung das auch machen wird. Was ich allerdings ablehne, ist, dass man heute schon einen Vorgriff auf den nächsten Doppelhaushalt machen will. Bereits heute zu beschließen, dass in einem erheblichen Umfang ganz bestimmte Vereine und Vereinigungen gefördert werden sollen, ist ein Vorgriff auf das nächste Parlament, und das sollten wir heute nicht beschließen.

Meines Erachtens sollten wir sehr vorsichtig sein, wenn es darum geht, eine institutionelle Förderung für Vereine zu finden. Diese Vereine müssen flexibel auf neue Anforderungen reagieren. Sie müssen auf neue Strukturen reagieren können und sie müssen regelmäßig dahin gehend überprüft werden, ob das, was sie als Arbeit leisten, tatsächlich noch den wirklichen Bedarfen entspricht. Deshalb spreche ich mich hier gegen eine institutionelle Förderung aus, und ich denke, eine Projektförderung ist auch weiterhin der richtige Weg.

Bei der Begründung Ihres Antrags ist mir noch eines aufgefallen: Als Argumentationshilfe für die Schaffung einer dauerhaften Finanzierungsperspektive für die beiden Träger stützen Sie sich auf ein Gutachten vom Februar 2013. Autoren dieses Gutachtens sind neben den Professoren Battis und Grigoleit auch Frau Dr. Franziska Drohsel. Ich darf Sie an dieser Stelle daran erinnern: Sie war bis zum Jahr 2010 Bundesvorsitzende der Jusos. Für Aufsehen sorgte sie damals unter anderem mit ihrer Mitgliedschaft in der Roten Hilfe, wonach für sie das wichtigste politische Ziel die Überwindung des Kapitalismus sei.