Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

Aber, wir dürfen nie nachlassen. Der Appell geht an jeden Einzelnen. Er geht an die Eltern, Verantwortung für sich und für ihre Kinder zu übernehmen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Schlussworte haben die Fraktionen der CDU und der FDP sowie die Fraktion DIE LINKE. Hierfür sind insgesamt fünf Minuten vorgesehen. Meine Damen und Herren, Sie haben sich dazu abgestimmt. Zunächst spricht Frau Jonas; sie hat zweieinhalb Minuten Redezeit. Wir werden das hier nicht stoppen.

(Anja Jonas, FDP: Ich bemühe mich!)

Wir halten dann aber an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die vielen Beiträge der Kolleginnen und Kollegen, die dazu beigetragen haben, das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen.

Es ist die Entscheidungskompetenz der Eltern, die die Fürsorge für die Kinder haben, deshalb liegt auch dort der klare Unterschied zwischen Ihrem Antrag, liebe Kollegen von den LINKEN, und unserem. Wir stellen die Kinder in den Fokus und sagen ganz klar: Zwang mag in der Tradition ein Mittel gewesen sein. Wir distanzieren uns von vornherein davon, zu sagen, Zwang ist der einzige Weg, sondern setzen auf Prävention, um erst einmal all diese Möglichkeiten auszuschöpfen.

Die Partner, die uns in den nächsten Wochen und Monaten in der Diskussion begleiten werden, sind klar genannt: Kinderärzte, Institutionen, die Träger der Kitas, der Horte, der Schulen werden Gesprächspartner sein. Wir müssen mit dem Lehrpersonal, gerade in den Grundschulen – auch da ist der Grund angesprochen worden – sprechen. Die Ärztekammer ist ebenfalls als Partner immer an unserer Seite. Sachsen ist vorbildlich, Sachsen muss vorbildlich bleiben. Wir haben die Verantwortung für unsere Bürgerinnen und Bürger, für die Kinder, die selbst nicht entscheiden können, und gerade deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag, weil er den Zwang nur als letztes Mittel nach einer langen Zeit sieht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank,

Frau Jonas. – Nun Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Appelle allein reichen ganz offensichtlich nicht, und ich sage Ihnen deutlich – deshalb auch unser Antrag –: Ich glaube, es bedarf keiner weiteren Prüfung mehr. Es ist lange genug geprüft worden, und wir könnten entscheiden, wenn wir es denn wollen. Ich sage Ihnen auch: Die Impfpflicht – ich hatte es in der Zwischenfrage vorhin formuliert – bezieht sich selbstverständlich nicht auf ein abstraktes Wesen, sondern sie entspricht den Empfehlungen, wie sie Wissenschaftler in der Ständigen Impfkommission gegeben haben. Das ist unser Ansatzpunkt. Es ist

also ganz bewusst keine allgemeine Impfpflicht für alles und jedes gemeint.

Ich sage Ihnen noch eines – da Frau Jonas jetzt von Zwang sprach –: Ja, auch wir achten das Prinzip der körperlichen Unversehrtheit sehr hoch. Aber hier geht es um ein tiefes ethisch-philosophisches Problem, auf das ich Sie aufmerksam machen muss. Körperliche Unversehrtheit heißt auch, dass es nicht nur um die individuelle körperliche Unversehrtheit gehen kann, wenn damit die körperliche Unversehrtheit anderer gefährdet wird, und das ist das Problem, bei dem es eine Güterabwägung geben muss.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Das könnten Sie natürlich auch im allgemeinen Freiheitsbegriff – so unterschiedlich Sie ihn auch immer definieren mögen – nachlesen. – So viel zum Thema Weiterbildung.

Wir haben keinen einzigen Punkt des CDU/FDP-Antrages gefunden, dem wir ablehnend gegenüberstehen könnten. Ja, das ist alles richtig, was Sie dort schreiben. Aber es reicht eben nicht aus, deshalb werden wir uns bei diesem Antrag nur der Stimme enthalten – ganz im Unterschied zu Ihren Praktiken, meine Damen und Herren von der Koalition: dass Sie bei solch einer Geschäftslage unsere Anträge prinzipiell ablehnen. So weit gehen wir nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Pellmann. – Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Drucksache 5/13063. Es handelt sich um den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP. Wer ihm zustimmen möchte, hebt bitte die Hand. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist diesem Antrag mehrheitlich entsprochen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 5/12690, Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Enthaltungen? – Hierzu gibt es keine Enthaltungen, Stimmen dafür, aber mehrheitlich Stimmen dagegen. Damit ist die Drucksache nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Sachseninitiative für eine notwendige Weiterentwicklung der europäischen

Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer Europäischen Sozialunion

Drucksache 5/12991, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Soll ich kurz unterbrechen, meine Damen und Herren?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Sehr gut!)

Ich danke Ihnen. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Gebhardt. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In ihrer Koalitionsvereinbarung haben sich CDU und SPD auf Bundesebene im Abschnitt „Europa“ schon in einer der Überschriften zu einem lobenswerten Grundsatz bekannt. Ich darf ihn zitieren: „Soziale Dimension stärken“. Wie schön für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von CDU und SPD hier im Sächsischen Landtag, dass Sie dank unserem Antrag schon einen Tag nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages in Berlin die Chance haben, Ihren ersten sächsischen Beitrag zur Verwirklichung zu leisten.

Unser Antrag lautet: „Sachseninitiative für eine notwendige Weiterentwicklung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer europäischen Sozialunion“. Bevor nun die wirtschaftsliberalen Hardliner der letzten schwarz-gelben Koalition Deutschlands in ihre gewohnten Beißreflexe verfallen, möchte ich Sie gleich beruhigen: Wir möchten Ihnen nicht mit einem Manifest unserer schönen Wünsche kommen und auf die Nerven gehen, sondern wir berufen uns auf die EU-Kommission. Das passiert ja nun auch nicht alle Tage, steht doch diese Kommission in der Öffentlichkeit im Verdacht, sich mehr der Zwangskrümmung von Gurken und Bananen zu widmen als den tatsächlichen Fragen unserer Zeit. Jedoch ist das ja nicht ganz der Realität entsprechend, auch wenn die Euro-Skeptiker von FDP bis AfD einseitig am Bild dieses bürokratischen Monstrums arbeiten.

Tatsächlich gibt es eine Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben Ihnen diese Mitteilung an unseren Antrag anhängen lassen, damit Sie es selbst nachlesen können. In dieser Mitteilung geht es um nicht weniger als um flächendeckende soziale Standards, die durchgesetzt werden sollen, damit die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in Sicherheit leben können. Die Europäische Union gibt auch gleich klare Kriterien für die Erfolgsmessung vor:

Erstens: Die Arbeitslosenquote – dort hat Sachsen wie Ostdeutschland noch einiges zu tun, vor allem auch bei älteren und Langzeitarbeitslosen.

Zweitens: Die Jugendarbeitslosigkeit – nun ja, dieses Problem hat Sachsen ja zwei Jahrzehnte lang durch massenhafte Auswanderung, vor allem nach Westdeutschland und ins deutschsprachige Ausland, gelöst. Zugleich haben wir hier die älteste Bevölkerung aller Bundesländer.

Das Haushaltsbruttorealeinkommen wird als drittes Kriterium genannt. In Sachsen haben wir Niedriglohn und niedrige Kaufkraft. Dies ist typisch für Sachsen, weil die CDU-geführte Staatsregierung genau das als vermeintlichen Standortvorteil missverstanden hat. Die Folgen sind also zunehmender Fachkräftemangel und zu niedrige Produktivität der Wirtschaft.

Die Armutsgefährdungsquote ist der vierte Punkt. Auch hierbei ist Sachsen in Deutschland überdurchschnittlich – im negativen Sinne. Die soziale Ungleichheit ist in Sachsen sogar eine doppelte: eine krasse soziale und regionale Ungleichheit, beispielsweise zwischen einer wachsenden Landeshauptstadt und den ausblutenden Regionen abseits der Metropolen.

Die soziale Schieflage innerhalb der EU spiegelt sich also in Sachsen wider. Insofern sollte sich gerade die bei uns noch regierende konservative Politik vom Weckruf der Europäischen Kommission angesprochen fühlen.

(Beifall bei den LINKEN)

Es kann und wird Sachsen nur gutgehen, wenn es Europa gutgeht. Natürlich ist auch die EU-Kommission nicht deshalb sozialpolitisch so mitteilsam geworden, weil dort der Sozialismus ausgebrochen ist, wie es sich wahrscheinlich Herr Zastrow in seinem Schwarz-weiß-Denken vorstellt, sondern die EU-Kommission hat schlicht die Realität zur Kenntnis genommen. Mit Schaufensterpolitik, einem Sondergipfel zur Jugendarbeitslosigkeit, kommt man nicht weiter. Die EU braucht mehr soziale Substanz.

Das gilt übrigens auch für Deutschland und Sachsen. All unsere wirtschaftspolitischen Erfolge nützen uns nämlich langfristig nichts, wenn sie auf sozial tönernen Füßen stehen und uns dann die Welt um die Ohren fliegt, auf deren Kosten wir diese Erfolge erzielt haben. Ob wir wollen oder nicht: Gesetze ohne Sanktionen sind wohl zu relativer Wirkungslosigkeit verdammt. Es ist nicht so, dass in der EU das Soziale keine Rolle spielt. Es wurde von Anfang an aber immer irgendwie mitgedacht, aber viel zu unverbindlich.

Wir haben Sanktionen für alles Mögliche, zum Beispiel für fehlende Haushaltsdisziplin oder bei jedem Hartz-IVEmpfänger. Nur: Unsoziale, teilweise asoziale Politik bleibt straflos, wie wir es gestern im Plenarsaal im Zusammenhang mit den ehemaligen Verantwortlichen der Landesbank erfahren haben.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

Auf europäischer Ebene erleben wir seit Jahren ein schauderhaftes Spektakel von dreistelligen Milliardenrisiken für die Allgemeinheit, damit die Banken und ihre überbezahlten Manager trotz abenteuerlicher Fehlspekulationen ihre soziale Hängematte auf königlichem Niveau garantiert bekommen. Dafür sehen dann die Jugendlichen in Griechenland und in Spanien alt aus und ergreifen verzweifelt die Flucht auf dem Arbeitsmarkt in bessergestellte Länder. So geht weder sächsisch noch europäisch.

Nach dem Eurobarometer vom August 2013, einer EUweiten Meinungsumfrage, haben drei Viertel der Menschen in Europa die Bekämpfung sozialer Ungleichheit als absolute Priorität benannt. Interessanterweise fühlen sich zwei Drittel aller Befragten nicht nur national, sondern auch mehr oder weniger europäisch. Die Menschen in Sachsen und in Europa wissen, dass es kein

Zurück zu einer nationalen Lösung gibt – bis zur FDP und der AfD hat sich diese Wahrheit leider noch nicht herumgesprochen, von der NPD will ich gar nicht erst reden.

In dem schon erwähnten Eurobarometer kann man nachlesen, dass es nach Ansicht der EU-Bürger zuallererst immer noch um die soziale Stabilität in der EU gehen muss und nicht um die Rettung von Banken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Bedürfnisse und Prioritäten der Menschen in Europa müssen von uns Politikerinnen und Politikern ernst genommen werden, auch um Parteien wie der NPD und der AfD die Grundlage ihrer Politik zu entziehen.

Es gibt noch eine Parallele zwischen Sachsen und Europa: Die überwiegende Mehrheit der Menschen will den gesetzlichen Mindestlohn, und zwar einen richtigen gesetzlichen Mindestlohn, und den jetzt. Eigentlich müsste es ein fraktionsübergreifendes Interesse an einer vertieften Behandlung dieses Antrages in den Ausschüssen geben. Das ist dann die Nagelprobe für die Europafähigkeit des Sächsischen Landtags. Neben dem historischen Friedensprojekt muss die soziale Dimension als weiterer Stützpfeiler einer lebendigen europäischen Idee gestärkt werden.