Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich beziehe mich auf den Redebeitrag von Herrn Biesok, denn er klang gerade etwas angesäuert und hat sich dagegen verwahrt, dass wir versucht haben, deutlich zu machen, aus welchen Gründen wir nicht zustimmen können, und was wir glauben, was Sie mit diesem Gesetz intendieren.
Es ist aber ganz normale parlamentarische Praxis und deswegen war ich schon ein wenig überrascht über den Redebeitrag von Herrn Hartmann, auf den ich mich hier nicht beziehen darf, dass er von der Tonalität so war, als ob wir hier Majestätsbeleidigung betreiben würden – einfach nur deswegen, weil wir feststellen, dass wir anderer Meinung sind als Sie, und weil wir deutlich machen wollen, dass Ihre Abwägung, die Sie vorgenommen haben, nicht unserer Abwägung entspricht.
Ich glaube, das ist ganz normales parlamentarisches Prozedere – im Gegenteil, es ist sogar notwendig, damit die Bürgerinnen und Bürger feststellen und verstehen können, wer wofür steht.
Ich möchte gern darauf reagieren. – Wenn wir uns beide einig sind, dass es eine Abwägung ist, dann ist das auch kein Thema. Ich hatte es in Ihrem Redebeitrag so verstanden, dass Sie bei einem Eingriff in ein Grundrecht sagen, dass es nicht in Ordnung ist, es abzuwägen; dass Sie diese Möglichkeit grundsätzlich kritisiert haben. Wenn ich Sie diesbezüglich falsch verstanden habe, dann ist es gut, dass wir es hier noch einmal geklärt haben.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Biesok, Sie haben die von mir vorgetragene Auffassung, dass manche sogenannten Bestandsdaten durchaus in den Kernbereich oder den Bereich von Vertrauensverhältnissen hineinreichen und alles andere als
Darauf möchte ich eingehen und Sie darauf hinweisen, dass unser Sachverständiger Herr Starostik, der diese Meinung vorgetragen hat, nicht nur der Prozessvertreter war, der 2012 das Urteil in Karlsruhe erstritten hat, sondern der auch das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung erfolgreich erstritten hat. Das ist durchaus ein grundstürzendes Urteil gewesen.
Es ist vielleicht interessant zu wissen – Herr Bartl hat darauf hingewiesen –, dass die Verfassungsbeschwerde, die 2012 zu dem Bundesverfassungsgerichtsurteil geführt hat, 2005 schon eingereicht wurde. Damals hatten wir eine völlig andere technologische Entwicklung darüber, was Handys, was Smartphones alles können. Das ist mit der heutigen Zeit nicht mehr vergleichbar.
Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2012 im Grunde über den Stand von 2005 geurteilt, weil es damals nicht vorgetragen war, gar nicht vorgetragen sein konnte. Deshalb habe ich auch die Andeutung gemacht, dass ich die Ausurteilung durch Karlsruhe, das die Bestandsdaten als reine Registerdaten betrachtet, einfach nicht für haltbar erachte. Ich bin relativ sicher, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt auf diese neuerliche Bestandsdaten-Verfassungsbeschwerde einen strengeren, einen anderen Maßstab anlegen wird. Das ist jetzt schon absehbar.
Deswegen müssen wir als sächsischer Gesetzgeber darauf eingehen und deswegen, Herr Biesok, bin ich zuversichtlich, dass eine erneute verfassungsrechtliche Prüfung – sei es in Sachsen, sei es auf Bundesebene – durchaus andere Ergebnisse zeitigen wird. Es ging mir darum, in einer fachlichen Debatte darauf hinzuweisen, Herr Kollege.
Herr Biesok, möchten Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall. In der Rednerreihenfolge wäre jetzt die Linksfraktion die nächste? – Das Wort wird nicht gewünscht. Dann frage ich die SPD, ob das Wort noch einmal gewünscht wird. – Die GRÜNEN? – Die NPD? – Auch nicht.
Wenn jetzt keine Fraktion mehr sprechen möchte, dann bitte ich die Staatsregierung. Herr Minister Ulbig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aus der Sicht der Staatsregierung begrüßen wir diesen Gesetzentwurf. Ich möchte sagen: Er wirkt wie ein Patch bei Computersoftware: Wenn Risiken im Computersystem auftreten, dann müssen diese auch geschlossen werden. Genau das macht dieses Gesetz. Denn nach dem Auslaufen der eingeräumten Übergangsfrist des Bundesverfassungsgerichts wird eine Ermächtigungsgrundlage für entsprechendes polizeiliches Handeln fehlen und der Polizei wäre ein wichtiges Hilfsmittel zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages – nämlich Gefah
ren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren – aus der Hand genommen. Das muss man sich immer wieder bewusst machen und das ist von den Rednern der Koalitionsfraktionen vorgetragen worden.
Deshalb möchte ich mich insbesondere bei diesen für die Arbeit bedanken, aber ich möchte gleichzeitig den Dank auch an den Datenschutzbeauftragten richten. Ich habe während dieser Diskussion ein sehr konstruktives Miteinander wahrgenommen und – anders, als es hier teilweise dargestellt worden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren – dieser Entwurf ist für mich ein deutlicher Beleg dafür, dass Datenschutz und Sicherheit kein Entwederoder, sondern wirklich ein Sowohl-als-auch sein können.
Selbst wenn es immer wieder diskutiert wird, bekommt die Polizei keine weiteren Eingriffsbefugnisse, sondern es wird eine konkrete Ausgestaltung der Normen und damit eine Beschränkung der Möglichkeiten vorgenommen. Es wird deutlich bei dem Thema Bestandsdatenauskunft. Es geht hier nicht darum, dass Polizei oder Verfassungsschutz nach den neuen Regelungen auf mehr Daten zugreifen können sollen als nach dem alten Recht, sondern – das hat Herr Biesok gerade sehr schön ausdifferenziert vorgetragen – es sind teilweise neben dem klar geregelten Verfahren deutlich höhere Hürden eingestellt worden.
Neu zum Beispiel ist die Pflicht, die Betroffenen zu informieren, sobald die polizeiliche Anfrage zur
Bestandsdatenauskunft vorliegt. Die Bestandsdatenabfragen können nur noch von den Leitern der jeweiligen Polizeibehörden oder einem dazu von ihnen bestellten Mitarbeiter ausgehen. Bezüglich der Richter- bzw. G10Kommissionsvorbehalte ist hier schon gesprochen worden.
Trotz alledem gibt es Fälle, in denen derartige Abfragen nötig sind; aber zum Beispiel bei PIN und PUK immer nur dort, um auf die Inhalte der Geräte zuzugreifen, wenn die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme des Gerätes vorliegen. Es muss klar sein – Herr Hartmann hat es vorhin ausgeführt –, dass sich ein Teil unseres Lebens in Richtung Internet bzw. soziale Medien verlagert hat. Dort muss die Polizei in der Lage sein, Gefahrenabwehr zu leisten, wenn es um Drohungen, Suizid oder Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit geht.
Von Herrn Bartl ist es angesprochen worden: Gibt es denn Fälle, wo man nach dem Juni 2013 hätte etwas nicht mehr machen können, was man bis zum Juni 2013 noch gekonnt hat? Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel vom Juni dieses Jahres vorstellen. Ein 17-jähriges Mädchen wurde vermisst. Das Sorgerecht wurde wegen mangelnder elterlicher Sorge durch das örtliche Jugendamt wahrgenommen. Sie litt an einer Magersuchterkrankung, wurde im Elternhaus in der Vergangenheit sexuell missbraucht und körperlich misshandelt. Aus diesem Grunde wohnte sie unter Duldung des Jugendamtes bei einer nicht mit ihr verwandten Frau. Diese hatte die Jugendliche am Morgen im Bad ihrer Wohnung aufgefunden. Nach Hinzuziehung medizinischer Hilfe wehrte sie sich gegen die Untersu
chung und lief davon. Durch Hinweisgeber wurde jetzt bekannt, dass nach der Flucht Eintragungen der Vermissten in ihrem Facebook-Profil und Eintragungen von Facebook-Freunden in deren Pinnwand auftauchten. Die Polizei wurde eingeschaltet, um den Aufenthaltsort der Vermissten zu ermitteln. Sie konnte den Aufenthaltsort der Jugendlichen über Eintragungen im Facebook-Profil – und jetzt kommt‘s – durch Auskunftsersuchen bei den Telekommunikationsanbietern innerhalb von knapp drei Stunden ermitteln. Das war bis zum Juni noch möglich. Nach dem Juni dieses Jahres wäre ein vergleichbarer Fall nicht mehr möglich gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zum zweiten Regelungsgegenstand, nämlich der Übersichtsbildübertragung, möchte ich noch kurz ein paar Worte anschließen. Ja, die Polizei ist in solchen Bereichen auf technische Hilfsmittel angewiesen, um schnell auf Gefahren und Lageänderungen reagieren zu können. Dazu zählt auch die Bildübertragung bei Versammlungen und Veranstaltungen. Es geht um die Echtzeit-Bildübertragung in ein Lagezentrum, keine Speicherung, keine Identifizierung. Es geht um große und unübersichtliche Versammlungen, damit Polizeieinsätze sinnvoll gesteuert werden können. Bis dahin bestand übrigens Einigkeit.
Herr Bartl, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute im Plenum vorgetragen haben, was Sie beim Versammlungsgesetz aus Ihrer Perspektive stört, ich möchte es aber aus meiner Sicht beschreiben und deutlich machen: Eine Gefahr für die Demonstrationsfreiheit kann ich nicht erkennen, denn es dient ja im Gegenteil zum Schutz der Versammlungsteilnehmer, und der Polizei soll doch die Möglichkeit eingeräumt sein. Wir haben solche Fälle gehabt, dass Konflikte, Gefahren und Notfälle bekannt sind und entsprechend reagiert werden kann. Nur so kann sie ihren Auftrag effektiv erfüllen. Das stellt diese neue Regelung sicher. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, empfiehlt die Staatsregierung, diesem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der CDU- und der FDP-Fraktion auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 5/13311. Wir behandeln zunächst die Änderungsanträge und stimmen dann artikelweise ab. Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich beginne mit dem Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 5/13354 und bitte Herrn Lichdi um Einbringung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um einen Änderungsantrag zur zentralen Vorschrift in § 42. Wir haben ihm eine klarstellende Überschrift gegeben. Es geht für uns um sogenannte identifizierende
Bestandsdaten, und das ist weniger als das, was die Koalition hier meint. Wir wollen insbesondere nur Namen und Vornamen beauskunften und das bei einer wesentlich höheren Gefahrenschwelle, nämlich bei einer hohen Wahrscheinlichkeit der Gefahr für Leib, Leben und Freiheit.
Meine Damen und Herren von der Koalition, die Fälle, die Sie so wortreich beschrieben haben – Suizid, Amok, sonstige Gefahren –, sind natürlich von unserem Gesetzentwurf auch umfasst. Das kritisieren wir nicht, im Gegensatz zu anderen Oppositionsfraktionen. Wir kritisieren die Weite, die es ermöglicht, die Bestandsdatenabfrage zu einer polizeilichen Standardmaßnahme zu machen.
Wir knüpfen es an eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung, die sogenannte Ultima-Ratio-Klausel, und wir streichen ganz bewusst den Zugriff auf Zugangscodes, nämlich PIN und PUK. Ein besonderes Anliegen war uns die Stärkung des Richtervorbehalts. Sie berufen sich ja auf den Richtervorbehalt als rechtsstaatliches Korrektiv zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen, allerdings wissen wir nicht erst seit dem 19. Februar 2011, dass der Richtervorbehalt in der Praxis ins Leere läuft, weil der Richter, der die Maßnahme anordnet, in den Vollzug nicht mehr eingebunden ist.
Deswegen schlagen wir vor, dass der Richter, der die Bestandsdatenabfrage anordnet, auch für die Benachrichtigung zuständig sein soll. Dann hat er ein Interesse daran genau zu prüfen, weil er sich Arbeit erspart und die Bestandsdatenabfrage nicht zulässt.
Es ist uns noch eine andere Stelle wichtig, auf die ich kurz hinweisen möchte. Wir wollen nicht nur eine Evaluation, die die Koalition dankenswerterweise aus dem Gesetz von Nordrhein-Westfalen abgeschrieben hat, sondern auch eine Unterrichtung des Landtages und der Öffentlichkeit, insbesondere deshalb, damit die Staatsregierung mir nicht mehr – wie üblich – antwortet, wenn ich nach Zahlen frage, wie es in der Praxis gemacht wird und in welchen Fällen es angewendet wird, dass dazu keine Statistiken vorliegen und es würde viel zu lange dauern, diese Statistiken zu erstellen. Genau deswegen brauchen wir eine gesetzliche Vorschrift, die Sie endlich dazu veranlasst, der Öffentlichkeit klarzumachen, was Sie hier eigentlich betreiben.
Dieser Änderungsantrag ist schon von der Überschrift her verfehlt. Ich habe vorhin schon dargelegt, welche Bestandsdaten übermittelt werden können. Das ist ein sehr enges Paket und es besteht zunächst gar kein Erfordernis, eine begriffliche Ein
Eine zweite Sache passt bei diesem Änderungsantrag noch nicht. Der Richter hat die Aufgabe, Maßnahmen zu genehmigen oder sie abzulehnen. Er ist nicht die Verwaltungsbehörde, die anschließend für das Verschicken von Benachrichtigungsschreiben zuständig ist. Deshalb ist das von der Systematik her falsch verortet worden und wir halten es für geboten, dass die Benachrichtigung von der Polizeibehörde gemacht wird, die die Maßnahme durchgeführt hat.
Dann kann ich über diesen jetzt abstimmen lassen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer großen Menge von Stimmenthaltungen und einigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 5/13355. Herr Lichdi, möchten Sie diesen noch einbringen? –