Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Im Übrigen sind wir mit den Gewerkschaften und den Vertretungen der Beamten nicht nur im Gespräch, wenn es um eine Änderung des Dienstrechts geht, sondern wir sind auch vorher im Gespräch und werden auch danach im Gespräch sein. Sie finden hier eine gute Grundlage, wie wir uns einen modernen öffentlichen Dienst vorstellen, und auch, wie wir ihn uns nicht vorstellen. Wir werden diesen Entschließungsantrag auch weiter mit den Gewerkschaften und dem Beamtenbund diskutieren. Ich denke, es wird einmal die Zeiten geben, in denen es auch für solche Dinge Mehrheiten hier im Sächsischen Landtag gibt, die wir heute angesprochen haben und die Sie im Entschließungsantrag in 14 Punkten wiederfinden.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Tischendorf. Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Herr Hartmann.

Das ist ja brillant, Herr Tischendorf! Sie werden nicht erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen. Dieser Entschließungsantrag ist nicht nur möglicherweise ein Teil von gegebenenfalls als Inhalte zu interpretierenden Auffassungen Ihrer Fraktion, sondern es ist der Versuch, hier zu dokumentieren, dass sich die CDU-Fraktion schon im Ansatz irrt. Das werden wir natürlich nicht mittragen.

Im Übrigen beeindruckt mich Ihre Erkenntnis, dass Sie mit Gewerkschaften reden. Überraschung, Herr Tischendorf:: Auch wir tun das. Wir haben gerade erst eine Gesprächsvereinbarung mit der sächsischen Verwaltungsgewerkschaft unterzeichnet. Wir sind also permanent im Gespräch und im Dialog. Es wird Sie vielleicht überraschen, dass Gewerkschaften nicht nur mit einer Fraktion reden.

Zum Inhalt selbst muss ich sagen: Es ist in der Tat schön, dass Sie auch merken, dass es in Deutschland eine Föderalismusreform gab und eine Zuständigkeit auf die Länder übergegangen ist. Ansonsten haben wir, glaube ich, in der Debatte sehr umfänglich die unterschiedlichen Positionen ausgetauscht.

Es bleibt dabei: Wir lehnen Ihren Entschließungsantrag ab. Ansonsten bleibt noch einmal festzuhalten: Auch wir führen den Dialog.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hartmann. Es gibt weitere Wortmeldungen. Herr Biesok, bitte, für die FDP-Fraktion.

Ich möchte auch noch einmal kurz zu dem Entschließungsantrag Stellung nehmen. Wir diskutieren hier über sehr viele Themen. Es wird wortwörtlich mitprotokolliert. Über Änderungsanträge werden die unterschiedlichen Positionen dargestellt. Meines Erachtens muss man dann nicht noch einmal versuchen, das über einen umfangreichen Entschließungsantrag zu dokumentieren. Das halte ich schlicht und einfach für überflüssig.

Zu einem Punkt möchte ich aber noch etwas sagen: In diesem Entschließungsantrag wird einerseits kritisiert, dass das Verfahren sechs Jahre gedauert hat. Ein umfangreiches Gesetzgebungsverfahren muss entsprechend

vorbereitet werden. Wir haben es glücklicherweise zum Abschluss gebracht. Dann soll es durch den Landtag

durchgepeitscht worden sein. Meine lieben Kollegen, der Gesetzentwurf ist im Juni dieses Jahres hier ins Haus gegangen. Wir hatten eine umfangreiche Anhörung. Wir hatten mehrere Ausschusssitzungen, in denen wir ihn beraten konnten. Es waren mitberatende Ausschüsse dabei. Vorher wurden schon einmal die Grundsätze veröffentlicht. Wir hatten also genügend Zeit, uns parlamentarisch mit diesem Gesetzesvorhaben zu beschäftigen. Dieser Vorwurf ist wirklich sehr weit hergeholt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war Herr Biesok. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Frau Jähnigen.

Liebe Kollegen von den LINKEN, Sie hatten angekündigt, der Entschließungsantrag sie Ihr Konzept. Ich habe es beim Lesen so verstanden, dass es das Konzept Ihrer Kritik ist. Es ist legitim, hier Kritik als Entschließungsantrag einzubringen. Wir finden einige Punkte, mit denen wir konform gehen. Wir finden einige Punkte – ich sage einmal etwas breiter – allgemeiner Art, bei denen ich nicht weiß, ob sie die sächsischen Probleme an jeder Stelle treffen. Wir finden aber auch Themen, bei denen wir von Ihnen abweichende Auffassungen haben. Ich habe in der Debatte dazu einiges gesagt.

Wir werden uns hierzu enthalten.

Vielen Dank, Frau Jähnigen. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich lasse über die Drucksache 5/13395 abstimmen.

Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Wer enthält sich? – Danke sehr. Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Entschließungsantrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Chancengleichheit in der frühkindlichen, vorschulischen

und schulischen Bildung Sachsens

Drucksache 5/12366, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringerin spricht zunächst die Fraktion DIE LINKE, danach die Fraktionen CDU, SPD, FDP, GRÜNE und NPD sowie die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Klepsch. Sie haben das Wort, Frau Klepsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir von der Berufsgruppe der Beamtinnen und Beamten zu der Altersgruppe, aus der künftige Fachkräfte, möglicherweise auch für den sächsischen Staatsdienst, hervorgehen sollen.

„Eine zentrale Aufgabe des Bildungssystems ist es, Ungleichheiten zu mindern und Chancengleichheit

herzustellen.“ Das ist nicht aus dem Parteiprogramm der LINKEN, sondern so steht es unter anderem im Bildungsbericht 2012 der abgewählten schwarz-gelben Bundesregierung.

In Deutschland besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Herkunftsmerkmalen, der Bildungsbeteiligung sowie dem Kompetenz- und Zertifikatserwerb. Das wird in zahlreichen Studien und Berichten belegt, unter anderem im Vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, im Bericht „Bildung in Deutschland 2012“ und auch im 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Auf zwei dieser Berichte verweist auch das Kultusministerium in der Antwort auf unsere Große Anfrage zur Chancengleichheit in der frühkindlichen und schulischen Bildung. – So weit, so gut.

Vergleicht man die Quoten bei den nicht erwerbsfähigen Hilfebeziehern unter 15 Jahren – also der Kinder und Jugendlichen – miteinander, die Sozialgeld laut SGB II erhalten, muss man feststellen, dass die Quote in Ostdeutschland und auch in Sachsen deutlich über dem Durchschnitt liegt.

Nun könnte sich die Staatsregierung auf die Schulter klopfen und sagen, die Armutsquote bei den Kindern und Jugendlichen in Sachsen sei von 25 % auf etwa 21 % gesunken.

Entschuldigung, Herr Morlok, wollen Sie vielleicht hinausgehen, wenn Sie sich unterhalten wollen? Herr Morlok, Entschuldigung, es stört. Wollen Sie sich vielleicht draußen unterhalten? – Danke schön.

(Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein, das will er nicht!)

Zurück zu der Quote der Minderjährigen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. In Sachsen ist die Quote, wie gesagt, von 25 % auf etwa 21 % gesunken. Auf Bundesebene betrug die Quote im Jahr 2010 jedoch nur 13,4 %. In Ostdeutschland war die Quote mit 25,3 % fast doppelt so hoch.

Auch wenn wir in Sachsen bei diesem Vergleich immer noch besser abschneiden als Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, so ist die Tatsache, dass mit 20 % ein Fünftel der Minderjährigen in Sachsen in Armutsverhältnissen aufwachsen muss, ein Alarmsignal.

Der erste Dresdner Bildungsbericht 2012 zeigt diese Disparitäten zwischen der sozialen Lage und dem Bildungserfolg auf, zum Beispiel wenn es um die Frage geht, wer eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium erhält.

Der 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung vom Januar dieses Jahres weist auch darauf hin. Ich zitiere: „Besonders nachdenklich stimmt die Tatsache, dass Kinder, die in Armutsverhältnissen aufwachsen, subjektiv schon früh ein Gefühl dafür entwickeln, das ihnen bestimmte Optionen verschlossen bleiben. Sie streben zum Beispiel seltener den Besuch eines Gymnasiums an.“

Umso unverständlicher ist es aus der Sicht der LINKEN, warum die Staatsregierung nicht erkennen will, dass auch in Sachsen Handlungsbedarf besteht. Stattdessen ist in der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE häufig zu lesen, dass der Staatsregierung zu bestimmten Indikatoren sozialer oder struktureller Benachteiligung keine Daten vorlägen oder dass dies kein statistisches Erhebungsmerkmal sei.

Man versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass aus schulischer Sicht gleichwertige Entwicklungschancen gegeben seien. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Meine Damen und Herren! Die Frage ist nicht, ob auch im selbsternannten Bildungserfolgsland Sachsen ein Zusammenhang zwischen der sozialen Lebenslage und den Bildungserfolgen besteht, sondern warum die Staatsregierung den Zusammenhang nicht erkennt und gezielte Maßnahmen einleitet, um die familiäre und soziale Benachteiligung in den öffentlichen Bildungsinstitutionen abzubauen.

Im Herbst erschien der Sozialstrukturatlas des Freistaates. Auch darin wird der Zusammenhang zwischen Armut, die statistisch nachweisbar ist, und Bildungserfolgen nicht hergestellt.

Seltsam mutet es an, dass die Kultusministerin erst vor wenigen Tagen den Bildungsbericht 2013 vorgelegt hat, der auf 286 Seiten Statistik von der Kinderkrippe bis zur Hochschule bietet – aber mehr auch nicht. Die notwendigen Fragen, die sich aus den statistischen Ergebnissen ableiten lassen, werden nicht gestellt und Handlungsansätze demzufolge auch nicht geliefert. Ansonsten müsste sich das Kultusministerium fragen, warum sich die Anzahl der Jugendlichen, die die berufsbildende Schule ohne Abschluss verlassen, im Zeitraum von 2002 bis 2011 von 4,5 % auf 14,3 % mehr als verdreifacht hat, obwohl die Schülerzahl im gleichen Zeitraum von 55 000 auf 48 000 gesunken ist.

Ebenso stieg der Anteil der Jugendlichen, die die Mittelschule ohne Abschluss – auch ohne Hauptschulabschluss – verlassen, von 8,7 % im Schuljahr 2005/2006 auf 10,4 % im Schuljahr 2010/2011.

Immerhin kann man im Sächsischen Bildungsbericht 2013 nachlesen – ich zitiere –: „Ein hoher Bildungsstand der Bevölkerung ist eine Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit.“

Es wäre schön, Frau Kurth und Frau Clauß, wenn Sie das auch als Handlungsanleitung in Ihre Politik aufnehmen würden.

Die Forderung, über das Bildungssystem die Chancengleichheit und damit den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen zu erhöhen, ist keine Sozialträumerei von linken Gerechtigkeitsfanatikern, sondern ein wesentliches Element nachhaltiger Wirtschafts- und Sozialpolitik. Es ist bekannt, dass das Armutsrisiko steigt, je niedriger der Schulabschluss und die berufliche Qualifikation sind. Einkommensarmut und geringe Qualifikation belasten

bekanntermaßen die Sozialversicherungssysteme und bremsen die wirtschaftliche Entwicklung.