Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Nein, Herr Lichdi, der parlamentarische Gesetzgeber würde in der Tat durch solche Regelungen praktisch handlungsunfähig gemacht werden.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Wo bleibt hier die Gleichrangigkeit von Volksgesetzgebung und Landtag, wie Sie sie in der Entwurfsbegründung selbst ausführen? Zumindest hätten Sie eine Regelung vorsehen müssen, wie in diesem Fall damit umzugehen ist – wie dies in der Schweiz übrigens der Fall ist. Dort können Gesetze für dringlich erklärt werden. So erklärte Gesetze, die dann auch nur maximal ein Jahr gelten, unterliegen keinem Referendum durch das Volk.

Davon abgesehen ergeben sich gegen ein Quorum von nur 175 000 Unterschriften oder 5 % der Wahlberechtigten ebenfalls erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Das ist schon einmal in der öffentlichen Anhörung zu Ihrem letzten Gesetzentwurf 2011 auf den Tisch gekommen. Im Ergebnis der Anhörung haben Sie sich dann für ein Quorum entschieden, das per Änderungsantrag von 175 000 auf 280 000 Unterschriften heraufgesetzt werden sollte. Das war das Ergebnis der geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, dem Sie in Ihrem Änderungsantrag nachgekommen sind.

(Zuruf der Abg. Andrea Roth, DIE LINKE)

Warum dieses Quorum jetzt nicht auch für die Referendumsinitiative zur Blockade des Gesetzgebers gelten soll, dazu schweigt Ihr Entwurf auch wieder.

Das ist das, was ich meine, wenn ich sage, dass er handwerklich nicht besonders gut gemacht ist.

Meine Damen und Herren! Volksgesetzgebung bedeutet eben nicht, dass gut organisierte Minderheiten Gesetze gegen den Willen der Mehrheit verabschieden oder Mehrheitsentscheidungen schlicht blockieren können. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass im Wege der Volksgesetzgebung nur über solche Gesetzesvorlagen entschieden wird, hinter denen eine hinreichend große Zahl von Bürgern steht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bei der Festlegung der Quoren für die Volksgesetzgebung ist dies zu berücksichtigen, ebenso wie auf der anderen Seite die praktischen Schwierigkeiten beim Erreichen hoher Abstimmungsbeteiligungen in Rechnung zu stellen sind. Eine beliebige Absenkung all dieser Anforderungen darf es jedenfalls nicht geben. Vielmehr ist Augenmaß gefragt, wenn man sich mit diesen Fragen wirklich

ernsthaft auseinandersetzen will, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Das ist, wie die Verfassungsänderung dieses Jahres gezeigt hat, ein sehr langfristiges und schwieriges Unterfangen, das in der Weise, wie es DIE LINKE hier abgehandelt sehen möchte, sicherlich nicht zu behandeln sein wird.

Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung spricht sich ebenfalls gegen die Annahme dieses Antrages aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und die Staatsregierung gesprochen hat, rufe ich jetzt das Schlusswort auf. Herr Bartl spricht für die einreichende Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Dr. Martens, was Sie jetzt gerade gemacht haben, war ein prägnanter Ausdruck des üblichen Wegs der Regierungsarbeit: Wir zerreden einfach alles.

(Christian Piwarz, CDU: Das sagen Sie!)

Wir zerreden einfach alles und bauen hier einen Pappkameraden auf, dass einem die Luft wegbleibt, was in das Gesetz hineingedeutet wird.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das können wir im nächsten Untersuchungsausschuss sehen. Das sagt gerade der Richtige!)

Kollege Piwarz, das ist doch jetzt unter Ihrer Würde.

(Lachen bei der CDU)

Wie sollen wir denn am 6. Januar miteinander umgehen? Das geht doch gar nicht.

(Christian Piwarz, CDU: Am 8.!)

Am 8.? Na gut, wir bereiten es zwei Tage vor.

Das Problem ist letzten Endes, dass wir uns drehen und wenden können, wie wir wollen, aber wir haben seit zwölf Jahren kein Plebiszit mehr, seit zwölf Jahren keinen Volksantrag mehr.

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass aus den Reihen dieses Hohen Hauses Alternativen kommen, die aufzeigen, wie wir dahin zurückkommen, dass das Volk Möglichkeiten sieht, sich auf den Weg zu machen, um sich sinngebend mit Gesetzentwürfen an der Gesetzgebung in diesem Lande zu beteiligen. Sie konnten unseren Antrag nehmen und konnten – Herr Minister, da spreche ich Sie als Mitglied unseres Landtages und Mitglied der Fraktion der FDP an – als Fraktion Änderungsanträge zu unserem Antrag und dergleichen mehr einbringen. Sie konnten ihn verbessern.

Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als dass ein Problem wahrgenommen wird, das der ehemalige Präsident des Sächsischen Landtages, Erich Iltgen, gesehen hat, das viele Wissenschaftler sehen, das viele Menschen sehen, die sich in demokratischen Initiativen im Freistaat Sachsen engagieren, nämlich das Problem, dass es einen Widerspruch zwischen einem Verfassungstext und einer Verfassungswirklichkeit gibt und dass sich dieser Widerspruch auf einem hochsensiblen Gebiet vollzieht, nämlich bei der Frage, wie ernst der Souverän genommen wird.

Dieses Sprichwort „Alle Macht geht vom Volk aus und kehrt nie zu ihm zurück“ ist die praktische Realität. Wir wussten selbst, dass es eher nach oben schneit, bevor Sie dem Antrag zustimmen. Insofern war der Hinweis, dass wir nicht daran geglaubt haben, dass er angenommen wird, wohl berechtigt.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Aber wir wollten es Ihnen vor Ende der Legislaturperiode nicht ersparen und haben es Ihnen heute auch nicht erspart, sich diesem Disput zu stellen und darüber nachzudenken, dass in Sachsen eine Realität vorhanden ist, die die Verfassung, die Sie sonst hochhalten, Herr Kollege Schiemann, letztendlich entlastet. Diese Realität können Sie nicht ignorieren. Mit diesem Thema sollten Sie in Ruhe über die Weihnachtsfeiertage mit besseren Vorsätzen in das neue Jahr 2014 gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag als Drucksache 5/13108 zur Abstimmung. Ich darf darauf hinweisen, dass in diesem Fall nach Artikel 74 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen eine Mehrheit der Mitglieder des Landtages, also mindestens 67 Jastimmen, erforderlich ist. Im Zweifelsfall müssen wir die Stimmen exakt auszählen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen. Damit kann ich feststellen, dass die erforderliche Stimmenzahl von 67 nicht erreicht worden ist. Damit ist die Drucksache 5/13108 nicht beschlossen.

(Sebastian Fischer, CDU, steht am Mikrofon.)

Es gab keine Stimmenthaltungen und zahlreiche DafürStimmen, aber mehrheitlich wurde die Drucksache nicht beschlossen.

Herr Fischer, ich frage Sie, was Ihr Begehr ist.

Ich hätte gern eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgegeben.

Das können Sie gern tun.

Der Antrag ist handwerklich schlecht gemacht. Er ist aus der Hüfte geschossen. Deshalb konnte ich guten Gewissens ablehnen.

Gleichwohl möchte ich meiner Meinung Ausdruck verleihen, dass ich fakultative Volksgesetzgebung, wie sie im Konzept von Prof. Patzelt Inhalt ist, als eine sehr wichtige Option ansehe. Ich möchte allen im Hohen Hause empfehlen, ein Mehr an direkter Demokratie

idealerweise in diesem Sinne anzudenken und umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Tagesordnungspunkt 9

Öffentliche Verkehrsinfrastruktur im

ländlichen Raum sichern und ausbauen

Drucksache 5/13294, Antrag der Fraktion der SPD

Der Tagesordnungspunkt 9, der Antrag der SPD-Fraktion, wurde abgesetzt.

(Stefan Brangs, SPD, steht am Mikrofon.)