Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Ich möchte eine Kurzintervention wagen.

Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Hermenau, ein Koalitionsvertrag ist eine Absichtserklärung. Da stehen viele wichtige Dinge drin. Man muss das dann mit der Realität abgleichen. Deswegen muss man aufpassen, wenn man nur Formulierungen eines Koalitionsvertrages kritisiert; denn das wird man sicherlich auch bei dem hessischen Koalitionsvertrag schnell machen können.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Genau, natürlich!)

Ich möchte einen Punkt noch einmal herausgreifen, nämlich die Entlastung der Kommunen. Wir werden 2015 ein Bundesteilhabegesetz erarbeiten, also ein Leistungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2016 gilt. Mit diesem Bundesteilhabegesetz wird es eine Entlastung der Kommunen von 5 Milliarden Euro geben. Bis dahin gilt die Wieder

eingliederungshilfe in Höhe von 1 Milliarde Euro. Diese Zusage gilt. Das heißt, die versprochene Entlastung der Kommunen ist zugesichert.

Aber Sie müssen auch Folgendes sehen: Bei einem Teilhabegesetz, das ein Leistungsgesetz ist, brauchen Sie eine sehr sorgsame Erarbeitung; denn wir wollen, dass das Gesetz vom ersten Tage an Gültigkeit und auch Bestand hat, auch vor dem Bundesverfassungsgericht. – So viel zum Thema Entlastung der Kommunen.

Zum Zweiten die Frage der Steuergerechtigkeit: Ja, ich gebe denjenigen recht, die mit einer gewissen Sorge auf die Rentenpolitik schauen. Ja, der Koalitionsvertrag hat viel Vergangenheit und vielleicht zu wenig Zukunft. Das sehe ich als Vertreter der jüngeren Generation auch mit einer gewissen Sorge. Aber der Fairness halber muss man auch sagen, dass aufgrund der klaren Aussage der CDU – und diese akzeptieren wir –, dass es keine Steuererhöhungen gibt, eine Belastung in den Sozialkassen auch mit Leistungen eintritt, die aus unserer Sicht hätten steuerfinanziert werden müssen.

Bitte zum Schluss kommen.

Wir werden also sehen, dass wir nach den vier Jahren auch wirklich eine solide Finanzierung der Sozialkassen haben. Denn wir wollen nicht, dass wir nach vier Jahren dort pleite sind. Das wäre wirklich generationenungerecht. Wir werden dort nachsteuern müssen. Darüber sind wir uns in der Koalition einig. Aber das ist ein bisschen das Ergebnis der Verabredung, keine Steuererhöhungen zu machen.

Das war die Kurzintervention von Herrn Dulig. – Frau Hermenau, Sie möchten erwidern?

Ja, gerne. Danke, Herr Präsident.

Ich komme auf zwei Punkte, nämlich Bundesteilhabegesetz und Koalitionsvertrag als Absichtserklärung.

Natürlich sind Koalitionsverträge Absichtserklärungen. Es schadet aber nichts, wenn man hier und da einmal hineinschreibt, wie man es realisieren möchte, damit die Leute Vertrauen in diese Absichtserklärungen gewinnen. Ich gebe Ihnen recht, dass man natürlich genauso streng auf den Koalitionsvertrag in Hessen blicken wird. Das ist doch ganz normal, das ist auch vernünftig.

Was ich sagen möchte, ist Folgendes: Sie haben noch einmal auf das Bundesteilhabegesetz abgehoben, das ab 2016 gelten soll, wo man diese Zwischenlösung mit der Eingliederungshilfe auflösen möchte. Der gravierende Punkt in dieser Sache ist, dass das ein Versprechen für die Zukunft ist, das Sie nicht garantieren können. Das hat damit zu tun, dass ab 2016 die Schuldenbremse im Bund vollständig gilt. Sie müssen dann nach Kassenlage operieren, und das tun Sie nicht. Es sei denn, Sie würden sich an eine Ausgabenkritik wagen, endlich im Bundeshaushalt

dort Kürzungen vornehmen, wo die Zeit über die Dinge hinausgegangen ist, und sich trauen, Geld nicht nur für alte Zwecke, sondern auch für neue Zwecke auszugeben. Auf diesen Schritt haben Sie verzichtet. Sie machen sich abhängig von den Steuereinnahmen des Jahres 2016 – und das in Bezug auf die Kommunen, deren Finanzen Sie eigentlich stabilisieren wollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir setzen die Aussprache fort. Herr Krauß, jetzt sind Sie an der Reihe. Sie haben für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Debatte Revue passieren lässt, stellt man fest, dass wir auf der einen Seite gehört haben, dass es im Koalitionsvertrag nur Allgemeinplätze gebe. DIE LINKEN sagen, es passiere nichts. Auf der anderen Seite haben wir die FDP, die sagt, es passiere so viel, dass sogar wieder der Staatssozialismus der DDR eingeführt wird.

Wenn ich diese zwei Pole nebeneinanderlege, stelle ich fest, dass wir mit dem Koalitionsvertrag eigentlich ganz gut die Mitte getroffen haben, dass es also ein guter Koalitionsvertrag ist, der das Land voranbringt.

Ich erlaube mir eine Nebenbemerkung: Bei einem Vergleich mit der DDR bin ich immer ein bisschen vorsichtig. Wir leben in einer Demokratie. Das sollte man auch zu schätzen wissen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen finde ich solche Vergleiche mit der DDR sehr unangemessen.

Jetzt sagen die GRÜNEN, es werde zu viel Geld ausgegeben, ohne zu sagen, wo es herkommt. Eine Aufgabenkritik ist immer richtig, aber es ist eben auch schwer zu sagen, wo man noch Geld einsparen kann. Das ist eine Aufgabe, die bleibt. Aber wenn man auf der einen Seite sagt, ihr gebt ziemlich viel Geld aus, auf der anderen Seite aber erklärt, bei der Eingliederungshilfe für die behinderten Menschen macht ihr zu wenig, dann passt das auch nicht so richtig zusammen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Es haben erst einmal alle Fachpolitiker ihre Wünsche aufgeschrieben. Danach hat man gesagt: Das ist so nicht finanzierbar; das ist zwar alles gut gemeint, gut gewollt, aber wir müssen jetzt mit dem Rotstift durchgehen und aus politischer Sicht schauen, was wirklich finanzierbar ist. Das hat diese Verhandlungskommission gemacht. Sie ist mit dem Rotstift durchgegangen und hat gesagt, wir machen nicht ein „Wünsch dir was“ – ein „Wünsch dir was“ gibt es immer in den Parteiprogrammen der LINKEN –,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Na, na, na!)

sondern wir machen verantwortungsvolle Politik und sagen den Menschen auch, was wirklich finanzierbar ist.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Mütterrente zu sprechen kommen. Ich persönlich halte es für einen Streit um des Kaisers Bart, ob die Mütterrente über Steuermittel oder über Beitragsmittel finanziert wird. Sowohl die Steuermittel als auch die Beitragsmittel bezahlen letztlich die Bürger und die Wirtschaft. Wie sie das dann aufteilen, ist eigentlich egal.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Deswegen ist es mir relativ egal, wie man das macht. Ich will aber etwas erwähnen, was für die Beitragsmittel spricht. Wie ist denn das System derzeit? Wir haben ein umlagefinanziertes Rentensystem. Das heißt, die jetzige Generation bezahlt für die Rentnergeneration. Dabei ist es so: Wenn eine Frau jetzt in Rente geht, die keine Kinder hat, die durchgängig gearbeitet hat, bekommt sie eine höhere Rente als eine Frau, die sechs Kinder hat und deswegen nicht durchgängig arbeiten konnte, deren Kinder aber die Rente der Frau und des Mannes finanzieren, die keine Kinder haben. Sie sorgt also für die hohe Rente.

Da einmal zu fragen, ob es eigentlich gerecht ist, dass die Frau, die sich für Kindererziehung entschieden und die Rentenzahler geboren hat, eine geringere Rente bekommt als jemand, der das nicht gemacht hat, ist doch wohl berechtigt, und da muss man fragen dürfen, wie man hier mehr Gerechtigkeit in das System bringen kann.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dass wir die solidarische Lebensleistungsrente in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, halte ich für einen großen Gewinn. Darüber sind wir uns einig, auch mit den GRÜNEN. Es muss doch klar sein, dass jemand, der sein Leben lang gearbeitet hat und dann in den Ruhestand geht, eine Rente hat, die höher ist als bei jemandem, der Grundsicherung erhält und in seinem Leben nie gearbeitet hat. Das ist für uns Leistung, und das möchten wir haben. Das ist mit diesem Koalitionsvertrag umgesetzt. Es wird diese solidarische Lebensleistungsrente geben.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wo beginnen die 30 Jahre für die Lebensleistungsrente?)

Die 30 Jahre beginnen – das ist schon bei der Diskussion um die Lebensleistungsrente deutlich geworden –, wenn die Lebensleistungsrente eingeführt wird. Ich finde, es ist in Ordnung zu sagen: Sorgt, bitte schön, auch privat vor. Wenn wir das sagen, heißt das, dass man mit 5 Euro pro Monat dabei ist. Das ist eine zumutbare Quote. Man kann auch 5 Euro pro Monat für die private Vorsorge investieren, damit man später einmal auch eine Rente erhält, die über dem Grundsicherungsniveau liegt. Das ist zumutbar.

Lassen Sie mich, da ich Sozialpolitiker bin, etwas zum Thema Gesundheitspolitik sagen. Ich bin dankbar, dass Frau Staatsministerin Clauß sich sehr engagiert mit eingebracht hat. Man sieht, hier wird Politik für die kleinen Leute in diesem Land gemacht, für die Menschen bei uns im Land.

Wir wissen, dass es mit der medizinischen Versorgung nicht ganz einfach ist, haben aber gesagt, dass jeder einen Facharzttermin nach einem Monat bekommt und die Kassenärztliche Vereinigung, die auch jetzt schon dafür verantwortlich ist, dies sicherstellen muss. Das bekommen die Leute mit, die derzeit auf einen Augenarzttermin warten. Sie erfahren, dass das Handeln der Regierung wirklich bei ihnen ankommt, weil wir die Probleme der Menschen lösen. Daran kann sich diese Regierung auch nach vier Jahren messen lassen. Ich glaube, wir werden sehr erfolgreich sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Biesok, Sie lassen Frau Hermenau vor?

Nachdem das geklärt wäre. – Herr Krauß, ich möchte eine Kurzintervention zu Ihrem Redebeitrag machen. Sie haben noch einmal das Thema Eingliederungshilfe angepackt. Hierzu möchte ich auf Folgendes hinweisen. In Sachsen ist die Frage bei der Eingliederungshilfe bei den Kosten, die den Kommunen entstehen, gravierender als zum Beispiel bei den KdU, bei den Kosten der Unterkunft; das wissen wir ja alle hier in Sachsen. Deshalb ist für die Kommunen, für die kommunale Ebene, eine Lösung dieses Problems sehr wichtig. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Es wurden die 4 Milliarden Euro mit der Einführung des Fiskalpaktes und der Zustimmung sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat für die Eingliederungshilfe versprochen. Es wurde versprochen, aber es ist nicht eingehalten worden. Das meine ich mit Kassenlage. Sie hatten offenbar andere Dinge, die Sie finanzieren wollten. Ich denke jetzt an die Rentenfragen. Das hat dazu geführt, dass Sie dieses Versprechen gebrochen haben. Das war der Verlauf von zwei Jahren. 2016, also in zwei Jahren, soll dann das Gesetz kommen, und alles soll besser werden. Wir wissen nicht, wie dann die Kassenlage ist. Sie können doch nicht mit einem einzigen Satz, Herr Krauß, darüber hinweggehen, dass es notwendig ist, Strukturreformen zu unternehmen und den Haushalt an anderer Stelle zu entlasten, um sich diese Fragestellungen finanziell auch leisten zu können.

Herr Krauß, Sie möchten erwidern?

Ich denke, dass wir uns in der Analyse einig sind, dass die Eingliederungshilfe, also das Geld, das für behinderte Menschen ausgegeben wird, ein wichtiges Thema für die Kommunen ist, weil wir immer mehr ältere behinderte Menschen bei uns im Land haben. Deshalb, und nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung, sondern auch, dass die Nationalsozialisten, die leider Gottes hier auch im Haus wieder vertreten sind – –

(Heftige Proteste bei der NPD)

Entschuldigung, man muss doch einmal sagen, was Ihr Menschenbild ist. Das ist Ihr Menschenbild, dass Sie vor 1945 die geistig Behinderten alle ermorden ließen und dass geistig Behinderte zum Glück jetzt endlich einmal ins Rentenalter kommen. Darauf muss man einmal hinweisen. Deswegen bin ich froh, dass wir diese Menschen haben, die über 65 Jahre und älter sind, und dass wir eine Herausforderung haben, die wir sicher gut hinbekommen können.

Der Bund hat aus meiner Sicht, wenn ich mich richtig entsinne, zugesagt, das Problem in der jetzigen Wahlperiode anzugehen, aber er hat keine Vorgaben gemacht, wie viel Geld er gibt. Wir hätten uns als Vertreter der Kommunen natürlich gewünscht, dass es mehr ist, weil es unsere Kommunen entlastet. Aber ich habe natürlich für den Bund auch Verständnis, dass er sagt, wir müssen es uns als Bund auch leisten können. Das ist ein Aushandlungsprozess. Ob es später einmal mehr wird, wird man sehen.

Der Bund ist uns in der vorherigen Wahlperiode übrigens auch schon wahnsinnig entgegengekommen, wenn ich an die Ausgaben für die Grundsicherung denke. Die Kommunen hätte das erdrückt. Derzeit bekommen wir ab 2014 100 % der Kosten für die Grundsicherung bezahlt. Der Landkreis in Ostsachsen wäre schon längst pleite, wenn das nicht gekommen wäre und wenn wir nicht dieses Jahr schon die 75 % gehabt hätten.

(Beifall des Abg. Steffen Flath, CDU)