Herr Schiemann, Sie geben sich immer wieder alle Mühe, Ihre Angst vor direktdemokratischen Entscheidungen zum Maßstab für unsere Entscheidungen zu erheben. Sie haben sich in der „Freien Presse“ auch geäußert. Wenn Sie Angst haben, dass nur wenige Stimmberechtigte Gesetze verabschieden und so das Ergebnis demokratischer Wahlen umgehen, sodass quasi eine Minderheit über die Mehrheit herrscht, dann müssen Sie aber auch so konsequent sein und darüber nachdenken, ob Sie nicht eine allgemeine Wahlpflicht einführen. Nicht dass ich das wollte! Es liegt mir fern, das zu fordern. Aber Sie wissen auch, es gibt keine Mindestbeteiligung für die Wahl des Sächsischen Landtages. Gesetzt den Fall, es würden nur 10 % der Stimmberechtigten in Sachsen den Stimmzettel abgeben, wäre der Sächsische Landtag nach wie vor legitimiert, Gesetze zu verabschieden.
Sie tun auch immer so, als würden Sie durch die Wahl 2009 die Mehrheit der Sachsen vertreten. Auch diesen faulen Zahn muss ich Ihnen an dieser Stelle ziehen. Die Staatsregierung aus CDU und FDP bezieht ihre Legitimation aus nur einem Viertel der 3,5 Millionen Wahlberechtigten in Sachsen. Zur Landtagswahl 2009 lag die Wahlbeteiligung bei etwa 52 %. 50,2 % davon wählten CDU und FDP. Das entspricht 26,2 % der Wahlberechtigten. An
Noch ein Wort zu den fakultativen Referenden, die die LINKEN in ihrem Vorschlag auch vorsehen. Die Bürger sollen also die Möglichkeit haben, über vom Landtag beschlossene Vorlagen abzustimmen. In unserem Gesetzentwurf, der im Februar 2014 angehört wird, sehen wir vor allem die Möglichkeit vor, Landesgesetze durch Volksentscheide aufheben lassen zu können. Aus unserer Sicht ist das ein Instrument, das die Demokratie mit Leben füllt und keine Gefahr darstellt. Auch das wird von Menschen bestätigt, die sich wissenschaftlich mit Demokratie beschäftigen.
Ich zitiere noch einmal Prof. Patzelt, der sich auf einer Veranstaltung der Fraktion GRÜNE im Juli 2012 geäußert hat. Ich zitiere: „Das wichtigste aller plebiszitären Instrumente ist das fakultative Gesetzes- und das fakultative Verfassungsreferendum. Auf diese Weise wird nicht Populismus dergestalt gemacht, dass man dem Volk irgendwelche Phantasiefragen oder Pseudoalternativen zur Auswahl stellt und die Verantwortung von der politischen Klasse auf das Volk ablädt, sondern die politische Klasse hat Stellung zu beziehen, und anschließend kann das Volk sagen: Nein! Wichtig an diesem Instrument sind die Vorauswirkungen, die entfaltet werden. Und der politische Kampf muss nicht erst kunstfertig in einen verfassungsrechtlichen Kampf transformiert werden oder gleich die Grundprinzipien der Verfassung, die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, damit die Herren in Karlsruhe sich zu einem entsprechenden Urteil bequemen, sondern die Opposition kann ihre Sache dahin tragen, wo sie hingehört: vor das Volk.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass man in unserer hoch differenzierten und somit komplizierten Lebenswirklichkeit nicht alle politischen Fragen durch einen Volksentscheid regeln lassen kann. Die europäischen Völker, die in wesentlichen Fragen Volksentscheide durchgeführt haben, bewiesen allerdings, dass der politische Instinkt des Durchschnittsbürgers weitaus vernunftgemäßer handelt als die meisten seiner parlamentarischen Vertreter.
Hätte das deutsche Volk wie etwa die Franzosen, Dänen, Holländer oder Iren über Fragen der nationalen Souveränitätsabtretung, der Preisgabe der Währung und andere existenzielle Probleme auf dem Wege eines Volksent
scheids direkt abstimmen können, hätten wir heute weder die Eurokrise noch offene unkontrollierte Grenzen oder unerwünschte Masseneinwanderung aus den ärmsten, religiös fanatischsten und bildungsfernsten Regionen dieses Erdballs.
Deshalb sind wir als NPD-Fraktion der Meinung, dass die Teilhabe des deutschen Volkes an der Gesetzgebung und der politischen Willensbildung über den Dreisprung Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid nicht nur ein sinnvoller, sondern ein geradezu unverzichtbarer Weg ist, um die katastrophalen politischen Fehlentwicklungen, verursacht durch die parlamentarische Versagerkaste, zu korrigieren.
Nicht ohne Grund haben die Vertreter der repräsentativen Demokratie, die, sobald sie gewählt worden sind, an ihre Wahlversprechen nicht mehr gebunden sind und sehr vieles repräsentieren mögen, kaum aber den Willen der Mehrheit des deutschen Volkes, die Hürden für einen Volksentscheid so hoch gelegt, dass die Volksgesetzgebung nur noch symbolischen Charakter hat.
Hier setzt nun der vorliegende Antrag an, den man durchaus als verdienstvoll bezeichnen kann. Der Antrag auf Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen, mit dem die symbolische Verheißung eines Volksentscheides in die Nähe einer realen Wirklichkeit verlegt werden soll, zielt also genau in die richtige Richtung.
Wenn man Volksentscheide ernst nehmen möchte und nicht nur als theoretische Variante der Gesetzgebung, also als Placebo betrachtet, dann muss man die Hürden senken, allein schon deswegen, weil vor 20 Jahren 20 % mehr Sachsen im Freistaat gelebt haben als heute. Die vorgeschlagene Herabsetzung, die das Quorum von 450 000 erforderlichen Unterstützungsunterschriften auf 280 000 senken würde, nimmt nicht nur Rücksicht auf die demografische Katastrophe der Bevölkerungsentwicklung; sie ist auch, wie in der Begründung nachgewiesen wird, im Vergleich zu anderen Bundesländern sogar maßvoll.
Sieht man sich den Prozentsatz der Wahlberechtigten an, der jetzt 8 % der Stimmberechtigten voraussetzen soll statt wie bisher 15 % und nicht, wie etwa in SchleswigHolstein oder Brandenburg bereits in der Verfassung verankert, nur 5 % oder 4 %, so belegt das diese Aussage. Es wäre hierbei lediglich zu überlegen, ob in diesen Antrag nicht noch eine Regelung integriert werden kann, die aller fünf oder zehn Jahre die absolute Zahl des Quorums automatisch der gesunkenen Bevölkerungszahl anpasst, wobei der Maßstab die hier im Antrag vorgelegten 8 % der Wahlberechtigten sein sollten.
Selbstverständlich ist der NPD bewusst, dass ein Volksentscheid auch und vielleicht sogar gerade populistische Themen zum Ziel haben kann und dass die Fraktion DIE LINKE dies auch im Auge hat. Aber dafür gibt es ja auch
immer wieder Argumente pro und kontra, und wir Nationaldemokraten sind der festen Überzeugung, dass es einer kompetenten Regierung im Freistaat Sachsen niemals an Argumenten fehlen dürfte, aber ich meine hier wirklich auch Argumente und nicht etwa Verfassungsschutz, Polizei oder Medien-Mafia, um Volksentscheide in die richtige Richtung zu lenken.
Deswegen vermag ich mir auch kaum vorzustellen, dass CDU, FDP oder SPD gegen mehr Mitbeteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen Einwände haben und damit diesem Antrag nicht stattgeben könnten, es sei denn, sie hätten Angst vor der Weisheit ihrer eigenen mündigen Staatsbürger.
Wir Nationaldemokraten haben vor unseren Mitbürgern keine Angst und stimmen daher diesem Antrag der LINKEN, wenn Sie gestatten, meine Damen und Herren, Genossinnen und Genossen, vollinhaltlich zu. Wir möchten Ihnen sogar ausdrücklich dafür danken, damit Sie sehen, dass wir nicht nach Freund oder Feind abstimmen, sondern ausschließlich nach Inhalten und Argumenten.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mir liegt noch eine Wortmeldung für die zweite Runde vor. Als erster Redner, sofern es noch mehrere gibt, Herr Bartl für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schiemann, es ist doch überhaupt nicht misszudeuten. Wir haben keinen Handstreich vor, indem wir die Verfassung heute, wie Sie sagen, überfallartig auf einmal ändern, nachdem es den Kompromiss gab. Wir haben heute etwas gewissermaßen als Premiere, was seit 23 Jahren in der Verfassung steht, 21, 1992 angenommen, dass es nämlich möglich ist, dass dieses Hohe Haus mit mehr als 50 %, also mehr als der Hälfte der Abgeordneten, über eine Frage entscheidet, die das Volk besonders befassen kann, dem Volk zur Entscheidung vorzulegen. Da meinen wir, das Volk kann, darf und muss besonders befassen, in welcher Form es, wenn die Verfassung ein Plebiszit vorsieht, echt, wirklich und machbar an der Gesetzgebung beteiligt ist.
Meine Kollegin Roth hat Zahlen aufgeführt, die uns doch zu denken geben müssen. Wir waren alle damals 1992 gemeinsam der Überzeugung – ich stehe auch voll dahinter –, dass das eine gute Verfassung und einer der wesentlichen Meilensteine ist. Das habe ich auch seinerzeit in der Begründung meiner Gegenstimme ausdrücklich gesagt. Wir halten die Einführung des Plebiszits für eine hervorragende Entscheidung. Wir haben nur ein Problem: Die 450 000 werden nicht zu erreichen sein. Deshalb haben wir damals schon gesagt, dass wir gerne 200 000 haben möchten. Was wir jetzt tun, ist ein Kompromiss, wenn wir ein etwas sogar höheres Quorum anbieten, um Ihnen die Zustimmung zu ermöglichen, weil wir damals
schon gesagt haben, dass die 450 000 niemals dazu führen werden, dass der eigentlich in der Verfassung angelegte Gedanke, den wir uns in dem verfassungsgebenden Ausschuss ja versprochen haben, dass Parlament und Volk gleichrangige Gesetzgeber sind, in Sachsen funktioniert und durchgeführt wird.
Ist er eben nicht! Wir haben eine Situation – das wissen Sie ganz genau, Herr Schiemann –, dass das im Grunde ein Zahlenwerk und einfach nachvollziehbar ist.
Wir hatten in der 1. Wahlperiode vier Volksanträge. Wir hatten in der 2. Wahlperiode noch drei Volksanträge. In der 3.Wahlperiode gab es noch einen, und in der 4. und 5. Wahlperiode gibt es keinen einzigen Volksantrag mehr, weil der Souverän, das Volk, sagt, dass es sinnlos ist zu versuchen, mit einem Volksantrag, für den treppauf, treppab in freier Unterschriftensammlung mit viel, viel Mühe die Unterschriften zusammenzutragen sind, die wir erst einmal für den Volksantrag brauchen, also diese 40 000, um dann definitiv zu wissen, wenn du nicht zufällig einen Gegenstand hast, wo du eine landesweite Logistik hast, die es ermöglicht, 450 000 zu erreichen, wie es bei den Sparkassen war, wo das eine Volksbegehren auch erfolgreich war, wenn in jedem zweiten Dorf eine Filiale der Sparkasse war, wo das ausgelegt und unterschrieben werden konnte. Das wussten Sie doch ganz genau, dass es ansonsten nicht funktioniert. Das wissen auch Sie.
Das ist doch jetzt keine linke Anmahnung, die aus mehr oder weniger nur sozialistischen oder vielleicht sozialdemokratischen oder grünen Kreisen kommt.
Der ehemalige Präsident des Sächsischen Landtages, Erich Iltgen, war ein großer Verfechter der Absenkung dieser Quoren. Es gab meines Wissens aus der CDU heraus wiederholt Signale, dass man weiß, dass man absenken muss. Sie wissen auch ganz genau, dass wir zu Beginn des Disputes der gemeinsamen Änderung der Verfassung auch der Überzeugung waren, dass es weitergehen muss, als nur die Problematik der Schuldenbremse und angrenzender Regelungen im Kommunalbereich anzugehen, sondern dass solche elementaren Fragen demokratischer Art herangereift sind. Heute rufen wir sie auf.
Wir sind nicht den Weg über sieben, acht oder neun weitere Änderungsvorstellungen gegangen, die wir für die Verfassung haben, sondern wir nennen eine, und zwar eine ganz entscheidende: Wenn es gilt, dass Volk und Parlament in Sachsen gleichrangige Gesetzgeber sind, dann muss das, nachdem die Realität es beweist, dass es so nicht funktioniert, geändert werden. Lassen Sie darüber das Volk entscheiden. Das ist dann aufrichtig, das ist ehrlich, und das ist ein Weg, der letzten Endes der Verfassung auch guttut und ihr nicht schadet. Deshalb meinen wir, dass es ein Antrag ist, über den Sie tatsächlich nachdenken sollten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt etwas zur Wahrheit sagen. Der Gohrische Entwurf hatte ein Quorum von 200 000 Abstimmungsberechtigten in der ersten Stufe vor dem Volksentscheid vorgesehen. Der Volksentscheid, ich zitiere Absatz 5 des Gohrischen Entwurfes: „Das dem Volksentscheid zugrunde liegende Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, jedoch mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten, zustimmt.“ Also 200 000 Stimmen für den Volksentscheid und am Ende, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, jedoch mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten, zustimmt.
Dann haben wir nach einer sehr langen und über ein Jahr lang dauernden Diskussion die Regelung folgendermaßen verändert: Ein Volksentscheid findet statt, wenn mindestens 200 000 Stimmberechtigte das Volksbegehren durch ihre Unterschrift unterstützen. Für die Unterstützung müssen mindestens sechs Monate zur Verfügung stehen, qualifiziert durch die Diskussion.
Absatz 5: Das dem Volksentscheid zugrunde liegende Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, jedoch mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten zustimmt. Das ist das Ergebnis, bevor es zur Anhörung ins Volk gegangen ist. Wir haben eine sehr umfassende Anhörung gemacht, und das ist das Ergebnis gewesen.
Ich glaube, Sie können das nachlesen und werden feststellen, dass ich recht habe. Danach haben wir die Diskussion im Ausschuss weitergeführt und den Kompromiss gefunden, der da lautet: Ein Volksentscheid findet statt, wenn mindestens 450 000 Stimmberechtigte, dann kommt das mit den jedoch nicht mehr als 15 %, und wir haben in Abs. 5 des Entwurfstextes damals entschieden: Das dem Volksentscheid zugrunde liegende Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustimmt. Wir haben das Quorum herausgenommen.
Das ist das Ergebnis der Verfassungsdiskussion. Ich finde es unredlich, wenn die einreichende Fraktion den Eindruck erweckt, dass das, was wir damals diskutiert haben, nur auf das Ticket der Linksfraktion – –
Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Ich wollte das noch einmal klarstellen, damit Sie es auch anders bewerten können, als es von der einreichenden Fraktion hier dargestellt wurde.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Schiemann, wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie die Gesetzesgrundlage, die Verfassungsgrundlagen kennen. Die haben Sie jetzt zitiert. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Ich glaube, Ihre Aussage sollte darin gipfeln – jedenfalls haben Sie das vermutlich beabsichtigt –, dass Sie sagen: Wir haben das Erfolgsquorum abgeschafft, und deshalb haben wir das Quorum für ein Volksbegehren hochgesetzt. Dann sage ich, wie es Herr Kollege Biesok auch schon durchaus zu Recht ausgeführt hat: Ja, es gibt einen Zusammenhang. Das bestätige ich Ihnen ohne Weiteres.