Zum Tagesordnungspunkt 6 liegt Ihnen noch ein Antrag der Fraktion GRÜNE in Drucksache 5/1520 zum Thema „Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich aussetzen – transparent und planvoll konsolidieren“ vor. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte den Antrag einbringen; Frau Herrmann, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Utensilien sind dem Sozialministerium in den letzten Wochen in der Presse zugeschrieben worden: Gießkanne und Rasenmäher. Nun ist das SMS keine Gärtnerei, und die Ministerin stapft nicht mit Gummistiefeln durch die Lande. Es ist auch kein besonderer Gag beim „heiteren Beruferaten“.
Deshalb frage nicht nur ich: Mit welcher Ernsthaftigkeit wird hier eigentlich vorgegangen? Welches Konzept verfolgt die Staatsregierung außer dem „KeineSchulden“-Mantra? Wo ist eigentlich die Handschrift der Koalition bei dieser Streichliste zu erkennen? Sagen Sie uns: Wo haben Sie Ihr Veto eingelegt? Oder welche Haushaltsstelle haben Sie zum Abschuss freigegeben?
Ich kann mich erinnern, dass die CDU in der letzten Legislaturperiode, im Jahr 2008, einen Antrag zur Stärkung der Suchtkrankenhilfe eingebracht hat. In diesem heißt es unter anderem, „dass die Aufklärungs- und Präventionsarbeit für Kinder und Jugendliche auch künftig fortzuführen und auszubauen ist“. Was bleibt nun davon übrig?
Oder die Förderung der Chancengleichheit. Mindestens bei der Jugendpauschale hat sich Protest geregt. Was aber passiert mit den Freiwilligendiensten? Wie ernst sind eigentlich die schon zitierten Aussagen im Koalitionsvertrag zu nehmen, die Förderung der Jugend auch im ländlichen Raum weiterhin zu gewährleisten und zu stärken? Sie gefährden gerade dort die mobile Kinder- und Jugendarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
„Der Landesarbeitskreis Mobile Jugendarbeit Sachsen e. V. als Fachverband für mobile Jugendarbeit/Streetwork in Sachsen ist für die Mitarbeiter/Innen im Arbeitsfeld ein Rückgrat und Fundament der Fachlichkeit der Praktiker/Innen.“ Das haben Sie alle lesen können. Sie haben alle den Brief vom Landesarbeitskreis bekommen. Die Politiker der Koalitionsfraktionen waren auch zur Feier des 15. Geburtstages des Landesarbeitskreises im letzten September gekommen. Finden Sie es nicht zynisch, wenn ein halbes Jahr später die Gratulationsreden einschließlich der guten Wünsche für die zukünftige Arbeit Makulatur sind?
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Handeln ist eine Enttäuschung für alle, die sich seit Jahren für Jugend- und Sozialarbeit engagieren. An dem einen Tag wird die Arbeit der Mitarbeiter/Innen gelobt und am nächsten Tag ist sie nicht mehr gefragt. Damit stellen Sie auch die Leistungen in der Vergangenheit infrage. Wer in schwierigen Situationen nicht in der Lage ist, gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen zu suchen, ist entweder feige oder ignorant.
Im letzten Jahr hat der Landesjugendhilfeausschuss den Landesjugendhilfeplan für die kommenden Jahre beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie die Kürzungspläne bereits im Schubkasten. Warum haben Sie nicht versucht, mit den Verbänden zu reden und Wege zu finden? Das wäre das fachliche Gremium gewesen und das legitimierte Verfahren dazu.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kürzungen im Bereich des SMS, die Sie vornehmen wollen, sind erstens unverhältnismäßig und zweitens in diesem Haushalt nicht nötig. Dazu haben meine Vorrednerinnen schon etwas gesagt. Zusätzlich ist das Verfahren absolut intransparent. Es gibt offensichtlich bei Ihnen keine Verständigung über Prioritäten.
Das SMS macht es sich leicht. Der KSV wird beauftragt, die Kürzungen umzusetzen – der KSV, der eigentlich nur Fördermittel ausreichen und Abrechnungen kontrollieren soll. Sie haben bereits in den letzten Jahren zugelassen, dass der KSV auch inhaltliche Entscheidungen trifft, für die er weder die Fachkompetenz noch die Legitimation besitzt. Bereits zu diesem Zeitpunkt haben Sie mit dieser Förderpraxis Geld gespart und den Trägern das Leben schwer gemacht. Das Geld haben Sie beispielsweise auf Kosten des internationalen Jugendaustausches gespart. Mit dieser Förderpraxis in der vergangenen Zeit hat der KSV den Kahlschlag für Sie vorbereitet. Die Argumentation – wir müssen einmal ehrlich sein – fällt Ihnen viel leichter, wenn bestimmte Haushaltsmittel in der Vergangenheit nicht abgerufen wurden, weil sie nicht abgerufen werden konnten. Dazu sagen Sie heute, dass offenbar kein Bedarf besteht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schafft sich das SMS eigentlich selbst ab. Sie wollen gar nicht mehr gestalten. Allerdings haben Sie einen Auftrag. An den müssen wir Sie offensichtlich hier erinnern. Nicht der KSV, sondern die Staatsregierung und das Parlament sind verantwortlich. Genau deshalb dürfen wir uns das Konzept nicht aus der Hand nehmen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen auch in der CDU. Dazu soll unser Antrag heute beitragen.
Als nächster Redner ist der Abg. Schreiber von der CDUFraktion gemeldet. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Als Erstes – und das ist ernst gemeint – möchte ich mich bei allen Demonstranten bedanken, die heute ihre Stimme erhoben, vor dem Landtag für die Sache der Kinder- und Jugendhilfe gekämpft und sich zu Wort gemeldet haben. Auch wenn es vorhin einen anderen Eindruck gemacht hat: Diesen Dank möchte ich für meine gesamte Fraktion ausdrücken.
(Heiterkeit bei der Linksfraktion und der SPD – Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Das wird sich bei der Abstimmung zeigen!)
Bevor ich inhaltlich anfange – Herr Tischendorf, danke –, möchte ich kurz einiges zu Herrn Homann sagen. Herr Homann, bitte nehmen Sie mir Folgendes nicht übel: Ich glaube, wenn Sie vor dem 30.08.2009 hier im Haus gesessen hätten, wäre diese CDU/SPD-Koalition sicherlich nie in der Lage gewesen, fünf Jahre durchzuhalten. Sie haben hier deutlich gemacht, dass Sie es nicht verstehen, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das ist im Übrigen sehr schade.
Herr Homann, Sie haben immer wieder dargelegt, dass Sie viel mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und in der Jugendhilfe bewandert sind. Ich hatte ein wenig den Eindruck, dass Ihre Darlegungen bedeuten, wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr in dem Maße Leistungen durch die Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen erfahren können, dass diese in Sachsen dann alle zu Verbrechern und zu Menschen werden, die irgendwo eingewiesen werden müssen.
Ich glaube, damit tun Sie den Kindern und vor allen Dingen den Eltern dieser Kinder ziemliches Unrecht.
Abschließend möchte ich noch zu Herrn Homann sagen – damit möchte ich es bewenden lassen –: Herr Homann, Sie waren fünf Jahre die Stimme der sozialen Vernunft in
Sachsen. Sie hatten einfach das Glück, dass Sie fünf Jahre in der Regierung sitzen durften, als es diesem Freistaat wirtschaftlich besser ging als heute und als es in den kommenden Jahren der Fall sein wird.
Herzlichen Glückwunsch! Dass Sie die Verantwortung dafür für schlechtere Zeiten nicht übernehmen können, haben Sie bewiesen.
Jetzt würde ich gern mit ein paar Fakten zu diesem Thema aufräumen. Zum einen bitte ich darum, dass das Hohe Haus anerkennt, dass wir von zwei Ebenen reden. Die eine Ebene ist der Haushaltsvollzug im Jahr 2010 und die andere Ebene ist der kommende Doppelhaushalt für die Jahre 2011/2012. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen, die derzeit durchgeführt werden – dass das auch dort draußen nicht richtig verstanden wird, ist aufgrund der Darstellung kein Wunder –, beziehen sich auf das Jahr 2010. Der Haushalt, den dieses Hohe Haus im Jahr 2008 beschlossen hat, wird nicht angefasst, sondern es handelt sich um eine Haushaltssperre. Das sagen Sie aber nirgendwo. Damit verunsichern Sie nicht nur hier die Leute, die sich mit dem Thema nicht auskennen, sondern Sie verunsichern vor allem alle, die dort draußen für ihre Interessen kämpfen. Diejenigen, mit denen man spricht, bringen es klar zum Ausdruck, dass sie davon ausgehen, dass wir heute und hier eine Debatte darüber führen, wie der kommende Doppelhaushalt aussieht.
(Unruhe bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Haben Sie weniger Geld oder nicht am Ende?!)
Fakt ist: Wir haben eine Steuerschätzung bekommen mit 864 Millionen Euro Steuermindereinnahmen. Wir haben Bewirtschaftungsmaßnahmen in Höhe von 140 Millionen Euro immer unter der Maßgabe, sich nicht neu verschulden zu wollen. Und – das ist die nächste Legende, die ich gern einmal hier widerlegen würde – es geht nicht nur darum, dass im Bereich Kinder- und Jugendhilfe gespart wird, also im Sozialministerium von Frau Clauß. In diesem Sozialministerium sind es 14,4/23,4 Millionen Euro durch die 9 Millionen Euro Mehrausgaben in den gesetzlich verpflichtenden Bereichen.
Aber es gibt auch noch andere Bereiche in diesem Land, zum Beispiel das SMWK mit 23,9 Millionen Euro, das SMWA mit 24,8 Millionen Euro, wo übrigens, Frau Klepsch, der Straßenbau dahinter steht, das SMUL mit 13,4 Millionen Euro und mit sage und schreibe 65 Millionen Euro das Finanzministerium.
Es ist also falsch, dass diese Einsparungen nur bei den Kindern und Jugendlichen stattfinden. Aber es ist gut, dass gerade Kinder und Jugendliche und die Jugendhilfelandschaft sich lautstark zu Wort melden. Wir wissen außerdem –
ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage –, dass die Einsparungen, die im Sozialministerium möglich sind, das heißt der Korridor, der sich uns bietet, dort Einsparungen vorzunehmen, wahrscheinlich am engsten von allen Ministerien abgesteckt ist. Es sind nämlich 85 bis 90 % gesetzlich gebundene Leistungen, an die man gern herangehen kann. Aber wenn die Gelder benötigt werden, müssen sie auch vorhanden sein. Also bleiben Sie einfach bei den Fakten.
Frau Klepsch und Herr Homann haben es getan. Ich halte es in dieser Diskussion – auch im Hinblick auf den kommenden Doppelhaushalt – für absolut verkehrt, wenn wir verschiedene Politikfelder gegeneinander aufwiegen. Denn es nützt dem Kind oder dem Jugendlichen überhaupt nichts, wenn er eine super Kinder- und Jugendhilfebetreuung bekommt, wenn er vielleicht noch in eine prima sanierte Schule geht und die Eltern vorher noch einen Kita-Platz für ihn haben, er aber nach seinem Studium oder seinem Berufsabschluss hier keinen Arbeitsplatz findet und unseren Freistaat verlässt.
So viel Ehrlichkeit müssen Sie einmal annehmen, dass es wohl logisch ist, dass Infrastrukturmaßnahmen notwendig sind, um den Kindern von heute morgen eine Zukunft bieten zu können. Das sagen Sie draußen, wenn Sie dort sprechen, in keiner Weise.
Jetzt drei Sätze zur Jugendpauschale. Wir befinden uns derzeit auf einem Niveau von 14,30 Euro pro Kind und Jugendlichen von null bis 27 Jahren in diesem Freistaat. Ich sage das nur für alle, die das nicht wissen. Eingeführt wurde die Pauschale 2002, also vor acht Jahren, in Höhe von 10,25 Euro. 2005 betrug sie 10,99 Euro. Das heißt, wir befinden uns heute mit der Jugendpauschale von 10,40 Euro auf einem Niveau – sage ich jetzt einmal – zwischen 2002 und 2005.
Nun frage ich Sie ganz ehrlich, und das geht vor allem in Richtung SPD: Lag denn die Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2002 oder im Jahr 2005 so am Boden, wie Sie es heute darstellen?
Da sage ich Ihnen: Das ist mitnichten so gewesen. Es ist im Übrigen auch unfair den Leuten gegenüber,