Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Hier geht es um Menschen!)

Ich nenne die Zahlen nur, damit es für Sie deutlich wird, Herr Kollege Hahn, damit Sie es verstehen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mir geht es darum festzuhalten, dass der herbeigeredete Untergang des Abendlandes nicht eintreten wird. Man kann die Kürzungen sehr wohl kritisieren – das ist vollkommen legitim –, aber man sollte den Maßstab wahren und die Kirche im Dorf lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da wir gerade bei der Forstwirtschaft sind, will ich noch an etwas anderes erinnern; wir haben es heute schon angesprochen. 1560 wurde in der Kursächsischen Forstordnung zum ersten Mal eine Grundidee formuliert, die auch heute noch gilt: das Prinzip der Nachhaltigkeit. Dieses Prinzip wurde vor 450 Jahren mit dieser Forstordnung ins Gespräch gebracht. Man sagte: Wir wollen nicht heute das Holz verfeuern, mit dem unsere Kinder morgen ihre Häuser bauen wollen. Wir wollen nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben. – Das ist ein Grundprinzip, dem wir uns auch heute noch verpflichtet fühlen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sparen ist deswegen kein Selbstzweck, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Sparen in der Vergangenheit hat eine Rendite erbracht, von der wir heute leben. Hätten wir Schulden in gleicher Höhe aufgenommen wie die anderen neuen Bundesländer, die ja mit uns 1990 an einer Stelle gestartet sind, dann müssten wir jährlich 700 Millionen Euro zusätzlich an Zins und Zinseszins zur Bank tragen. Wir können übrigens froh sein, dass der Zinssatz derzeit niedrig ist; sonst würden wir von 800 oder 900 Millionen Euro reden. Diese 700 Millionen Euro, die wir durch Sparsamkeit erwirtschaftet haben, können wir heute für soziale Projekte einsetzen, für die sonst kein Geld vorhanden wäre.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Welches Bundesland zahlt denn noch ein Landesblindengeld? Wer leistet sich denn ein Landeserziehungsgeld? Wer hat ein kostenloses Vorschuljahr? Das sind doch alles Sozialmaßnahmen, die wir uns nur leisten können, weil wir sparsam gelebt haben. Ich glaube, wir sollten diesen Weg weitergehen und davon nicht abweichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Von der FDP-Fraktion ist kein weiterer Redner gemeldet. – Von der NPD-Fraktion auch nicht.

Wünscht die Staatsministerin das Wort? – Frau Staatsministerin Clauß, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist hart und ich würde gern andere Botschaften verkünden; denn alles, was im Bereich des Sozialministeriums gekürzt wird, kommt direkt bei den Menschen an. Aber die Konsolidierung ist alternativlos.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die ist nicht alternativlos!)

Sie folgt der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung. Sie entspricht dem derzeitigen Steueraufkommen. Sie rechnet mit der demografischen Entwicklung. Sie rechnet auch ein, dass die Mittel, die Sachsen aus dem Solidarpakt erhält, absehbar zur Neige gehen. Die Staatsregierung kommt um Einsparungen nicht herum. Wer die Kassenlage ignoriert, handelt fahrlässig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Finanzminister hat für die Bewirtschaftungsmaßnahmen klare Kriterien vorgegeben. Die Verteilung der Einsparbeträge auf die einzelnen Ressorts wurde auf der Grundlage einer einheitlichen Bemessungsgrundlage und eines identischen Sperrsatzes vorgenommen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Prioritäten setzen!)

Die Bemessungsgrundlage bilden die laufenden Ausgaben mit Ausnahme der gesetzlichen Verpflichtungen, der Personalkosten und Investitionen. Dahinter stehen nochmals zwei Prämissen: keine Neuverschuldung und keine Absenkung der Investitionsquote.

(Annekatrin Klepsch, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Clauß, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Präsident, ich lasse keine Zwischenfragen zu.

Dass die Spielräume meines Hauses sehr eng sind, auch das wurde schon mehrfach erwähnt. Über 80 % des Haushalts sind durch gesetzliche Leistungen gebunden, Leistungen, die wir weiter erbringen müssen, aber auch weiter erbringen wollen, und die in der Summe auch steigen können, zum Beispiel beim Unterhaltsvorschussgesetz, was wir ja auch schon gehört haben.

Das SMS hat sich auf die Haushaltsentwicklung langfristig inhaltlich vorbereitet. Ich habe bereits im vergangenen Jahr mehrfach offen über die anstehenden Herausforderungen gesprochen. Ich habe das auch an dieser Stelle bei der Konstituierung des Landesjugendhilfeausschusses in diesem Hohen Haus getan. Wir haben uns eben nicht vor Schwerpunktsetzung gedrückt. Im Gegenteil, wir haben

um sie in meinem Haus und auch im Gespräch mit unseren Partnern im Vorfeld gerungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schwerpunktsetzung bei knapper Kassenlage bedeutet immer, das eine zu tun und auch das andere lassen zu müssen. Wir haben eben keine Rasenmähermethode benutzt, sondern uns genau überlegt, wo eine Kürzung mit Maß möglich ist, wohl wissend, dass die Lage in den nächsten Monaten und Jahren nicht besser werden wird.

Unsere Schwerpunkte liegen vor allem bei denen, die sich noch nicht und nicht mehr selber helfen können oder eben noch nicht oder nicht mehr gehört werden. Wir wollen, dass insbesondere Kinder und versorgungsbedürftige Alte und pflegebedürftige behinderte Personen abgesichert bleiben. Deshalb werden wir den Kinderschutz mit den überall gewachsenen lokalen Netzwerken, aber auch den Außensuchtdienst der Jugendämter im bisherigen Umfang weiter bezuschussen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch das Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz wird weiter umgesetzt. Bei der Ehrenamtsförderung „Wir für Sachsen“ haben wir in Abstimmung mit dem Beirat, der diesem Vorschlag einstimmig gefolgt ist, entgeltfinanzierte Leistungen und Einrichtungen von der Förderung ausgenommen und damit vertretbare Akzente gesetzt.

Wir haben nicht, wie immer behauptet wird, die monatliche Aufwandspauschale gekürzt. Es bleibt bei 40 Euro. Hier hat auch der Beirat sein eindeutiges Votum mitgeteilt, dem wir gefolgt sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden im Bereich dieser Förderrichtlinie in diesem Jahr einen besonderen Schwerpunkt gerade auf die jungen bzw. jugendlichen Engagierten setzen. Außerdem haben wir beim freiwilligen sozialen Jahr ganz bewusst einen Schwerpunkt auf Fördermittel für Benachteiligte gesetzt, weil gerade sie von diesem Bildungsangebot profitieren sollen. Auch beim SFJ für Benachteiligte haben wir keinen einzigen Cent gekürzt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Weder die Kinder- und Jugendhilfe noch sonstige Felder der sozialen Arbeit werden abgeschafft. Sie werden weiter gefördert, aber, wie begründet, auf kleinerem Niveau. Dabei sind wir natürlich nicht allein im Boot. Die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe ist und bleibt eine kommunale Pflichtaufgabe. Wir haben sie dabei unterstützt, seit 1991 immerhin mit einer halben Milliarde Euro, die Kindertagesbetreuung nicht mitgerechnet. Wir werden sie auch weiter unterstützen. Dazu bekennen wir uns.

Die Fraktion der GRÜNEN hat angeregt, Bewirtschaftungsmaßnahmen bis zum 31.05.2010 auszusetzen. Das würde bedeuten, dass fast alle disponiblen Bereiche weit vor Ablauf des Haushaltsjahres 2010 erschöpft wären. Aber Haushaltsvollzug ist auch Haushaltssteuerung. Das

betone ich an dieser Stelle noch einmal, wenn auf die einzelnen Titel hingewiesen wird.

Was würde eintreten, wenn kurz vor Abbruch dieser geförderten Angebote letztlich die Leistungen und Dienste in den Monaten dann zu Ende gingen? Es wäre uns nicht weitergeholfen.

Meine Damen und Herren! Prioritäten setzen ist wichtig und wird zu recht auch von der Politik gefordert. Wenn aber die Prioritäten konkret werden, sind sie schmerzhaft. Deshalb kann ich jeden Einzelnen, der heute draußen stand oder noch steht und dessen Arbeitsplatz an unseren Kürzungen hängt, verstehen. Ich nehme die Sorgen ernst, und das wissen Sie auch.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber Sie kürzen trotzdem!)

Ich finde es richtig, dass die Betroffenen ihrem Unmut Luft machen und ihre Meinung äußern. Das müssen wir aushalten, denn das ist gutes Recht in einer Demokratie und das spricht auch für eine lebendige Demokratie.

Aber noch wichtiger ist es, dass wir weiter miteinander reden. Ich appelliere hier mit Nachdruck an die Verbands- und Vereinsvertreter, an die vielen Ehrenamtlichen. Ich möchte mit ihnen weiter im Gespräch bleiben, so wie ich das heute getan habe nach der Übergabe der Petitionen in diesem Raum auf unserer Ebene. Auch wenn es schwierig ist, ich habe mit ihnen im Vorfeld über die Kürzungen gesprochen. Ich bin auch weiter im Gespräch über ihre Sorgen, aber auch über die bestehenden Möglichkeiten, die sich uns bieten. Wir müssen weiter darüber sprechen, wie wir die sozialen Strukturen in Sachsen gestalten wollen, und zwar mit dem, was wir haben. Das ist weit mehr als das, was wir abgeben müssen. Vom Gesamthaushalt des SMS aus gesehen, muss mein Haus etwa 3 % einsparen. Uns bleiben circa 700 Millionen Euro für Soziales, Gesundheit, für Familien, Senioren, für den Verbraucherschutz, die Kinder- und Jugendhilfe. Das ist alles andere als die Axt an der Wurzel des Sozialen.

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich frage die Fraktionen, ob noch eine dritte Runde der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. – Für die Linksfraktion Frau Gläß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich war nicht draußen und habe so laut geschrien. Meine Heiserkeit ist einer Erkältung geschuldet.

Etwas ist überhaupt noch nicht zur Sprache gekommen. Ich habe Frau Ministerin jetzt ganz genau zugehört: Das Ressort Gleichstellung, das sie ganz drastisch kürzen will, hat sie gar nicht mit erwähnt. Wenn die Mittel nicht wie bei Jugendlichen ungefähr um 30 % gekürzt werden, sondern es in diesem Bereich Vorstellungen gibt, die Mittel ungefähr um 80 % zurückzufahren, kann ich mir

vorstellen, dass man nicht gern darüber spricht. Natürlich ist das ein Kahlschlag.

Frau Staatsministerin, wenn Sie von Ihrem Mann monatlich statt des gewohnten Haushaltsgeldes von 1 000 Euro urplötzlich nur noch 200 Euro bekommen – ich weiß, Sie würden sich das nicht gefallen lassen –, dann glaube ich, Sie würden in Ihrer Familie ganz schöne Probleme bekommen.

Die vorgesehenen Kürzungen der Fördermittel im Bereich Gleichstellungsprojekte und bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten bedeutet für viele Projekte, Vereine und Initiativen das Aus.