Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

Tagesordnungspunkt 5

Traditionen bewahren – alte Handwerksberufe schützen

Drucksache 5/13547, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt in der ersten Runde die CDU mit Frau Abg. Wissel, danach folgen die FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Bitte, Frau Abg. Wissel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder von uns kennt das Sprichwort: „Handwerk hat goldenen Boden“. Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass es beim Handwerk nicht nur um materielle Werte geht; Handwerk verkörpert vielmehr auch Tradition und Geschichte. Handwerk ist somit auch ein immaterielles Kulturgut, und dieses Kulturgut gilt es zu bewahren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Durch die globalen technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen hat die manuelle Fertigung in vielen Bereichen an Bedeutung verloren. Auch an Sachsen ist diese Entwicklung in den letzten Jahren nicht vorbeigegangen. Auch bei uns gibt es nur noch wenige alte Handwerksberufe.

Gleichwohl gibt es durchaus einen Trend zu verzeichnen, der eine ansteigende Nachfrage nach Regionalität, Langlebigkeit, Hochwertigkeit, Genauigkeit und Reparaturfähigkeit deutlich macht. Sachsen ist ein Land, das auf Kultur und Tradition aufbaut. Deshalb gehören auch alte Handwerksberufe zur sächsischen Kultur und Identität.

(Beifall bei der CDU)

Diese zu erhalten sollte unser aller Anliegen sein. Der Erhalt traditioneller Handwerksberufe wird nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene diskutiert. Das zeigt eine Studie aus der Schweiz, die die Nationalregierung im Jahr 2011 vorgelegt hat. Danach fallen die traditionellen Handwerksberufe und Handwerkstechniken unter das immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Schweiz legte dazu einen umfassenden Maßnahmenkatalog vor, wie diese Berufe unter Mitwirkung von Kammern und Berufsverbänden erhalten werden können. So gibt die Studie Auskunft über die gegenwärtige Situation der traditionellen Handwerksberufe sowie zum Fachwissen zu traditionellen Handwerken. Sie zeigt Perspektiven auf, wie der Fortbestand der traditionellen

Handwerkstechniken im Rahmen beruflicher und kultureller Aktivitäten gesichert werden kann. Darüber hinaus gibt sie erste Vorschläge für die Bewahrung traditioneller Handwerke und untersucht die bestehenden Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung in traditionellen Handwerken im Rahmen der Berufsbildung.

Ich bin der Meinung, dass wir hier das Rad nicht neu erfinden müssen, sondern uns an den Bestrebungen der Schweiz orientieren und für sächsische Handwerksbetriebe diese Anregungen aufgreifen sollten. Nehmen wir zum Beispiel das Töpferhandwerk – nicht, weil ich aus dem Töpferdorf Neukirch/Lausitz komme, sondern weil das Töpferhandwerk zu den ältesten handwerklichen Tätigkeiten der Menschheit zählt. Sachsen gehört von jeher zu den Zentren des Keramikerhandwerks in Deutschland. Jahrhundertealte Formgebungs-, Dekorations- und Brenntechniken werden im Freistaat bewahrt, gelehrt und weiterentwickelt.

In Sachsen gibt es 107 Töpferbetriebe, 34 Innungsbetriebe und 21 Ausbildungsbetriebe für das Töpferhandwerk. Im Kammerbezirk Dresden wird in diesem Jahr allerdings nur ein Töpfergeselle die Berufsausbildung abschließen. Dabei ist die Nachfrage durchaus vorhanden; aber die Rahmenbedingungen müssen optimiert werden. Hierbei ist sowohl die Politik als auch jeder einzelne Ausbildungsbetrieb gefordert; denn Traditionsbewahrung kann nur in einem Kontext stehen, der sowohl innovatives Handeln der Akteure fördert, als auch politische Rahmenbedingungen optimiert. Dazu gehört die Sensibilisierung für diese Thematik durch entsprechende Informations- und Kommunikationsmaßnahmen. Auch hier kann man durchaus auf Bewährtes zurückgreifen.

Die Kampagne des SMUL für grüne Berufe, um berufliche Perspektiven in der Land- und Hauswirtschaft aufzuzeigen, zeigte in der Öffentlichkeit eine große Wirkung. Ich könnte mir eine derartige Kampagne speziell für traditionelle Handwerksberufe sehr gut vorstellen.

Ebenso wäre zu prüfen, welche ökonomischen Anreize für Handwerkerinnen und Handwerker durch Stipendien zur Aus- und Weiterbildung geschaffen werden können. Aktivitäten der sächsischen Landesinnung des Töpfer- und Keramikerhandwerks, wie der „Tag der offenen Töpferei“, der auch dieses Jahr wieder sachsenweit am 8./9. März stattfinden wird, laden dazu ein, das vielseitige

Handwerk kennenzulernen und Töpfereien und Keramikwerkstätten zu besuchen.

In diesem Zusammenhang wäre zu prüfen, welches Innovationspotenzial im Rahmen der Regional- und Tourismuspolitik noch einbezogen werden könnte.

Ein weiterer Gedanke: Schule und Handwerk. Traditionelle Handwerke sind gut geeignet, sich in Schulen zu präsentieren. Es gibt viele Möglichkeiten, den Unterricht einmal anders und praxisnah zu gestalten. Kooperationen mit Oberschulen und Berufsinformationszentren können darüber hinaus vertieft werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sachsen setzen auf Kultur und Tradition, aber wir sind gleichzeitig aufgeschlossen für Neues. Diese Tugenden gilt es zu verbinden, wenn wir unser traditionelles Handwerk in unserer modernen Berufs- und Arbeitswelt erhalten wollen. Es wäre ein starkes Signal des Sächsischen Landtages, wenn wir uns gemeinsam für dieses Ziel einsetzen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächster Redner ist Herr Günther für die miteinreichende FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag zollt als Allererstes dem sächsischen Handwerk – dem traditionellen und dem historischen Handwerk – Respekt, Stolz und Ehre dieses Hohen Hauses.

(Beifall bei der FDP)

Handwerk ist die Wurzel unserer wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen. Es ist Motor und Rückgrat unserer sächsischen Wirtschaft. Die aktuellen Zahlen, über die wir noch des Öfteren diskutieren werden, zeigen, dass in Sachsen 22,2 % der Gesamtwirtschaftsleistung durch das Handwerk erbracht und knapp 20 % des Gesamtumsatzes vom Handwerk erwirtschaftet werden. Man kann also, neudeutsch formuliert, von „Handcraft Saxony“ sprechen.

(Zurufe von den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

Ja. – Ideenreichtum, Geschick und Findigkeit, Fleiß und Redlichkeit zeichneten über Jahrhunderte die sächsischen Handwerksbetriebe aus. Selbst den Kommunismus und dessen Steuersystem hat das sächsische Handwerk überstanden.

(Beifall bei der FDP)

In Sachsen hat sich ein sehr breites Spektrum verschiedenster Handwerksberufe – bis hin zu künstlerischen Berufsbildern – herausgebildet: vom Bürstenmacher über den Pfefferküchler und den Orgelbauer bis hin zum Blaudrucker. Wie auch im forstwirtschaftlichen Bereich gibt es im Handwerk viele Berufszweige. All diesen

Handwerkern möchten wir mit diesem Antrag unsere Wertschätzung aussprechen.

Wir möchten sie gleichzeitig unterstützen, insbesondere bei der Ausbildung ihres Nachwuchses. Die Handwerksberufe haben sich in den letzten Jahrhunderten sehr unterschiedlich entwickelt. Bei den einen liegt der Schwerpunkt tatsächlich noch auf dem Hand-Werk, die anderen haben sich industriell entwickelt. Ein Beispiel ist der Schmiedemeister Norbert Heimann aus Neuhausen: Der Betrieb, in vierter Generation bestehend, wurde 1902 als Hufschmiede gegründet. Heute, 2014, ist es ein innovatives Unternehmen, das im Metallbau – auch im Stahlbau – tätig ist und am Ende Schneepflüge für unsere sächsischen Autobahnen herstellt. – Das alles ist sächsisches Handwerk.

Ein Problem, das gerade das historische Handwerk betrifft, ist immer die Ausbildung. Diese richtet sich natürlich nach der Philosophie des Betriebes. Es stellt sich auch die Frage, ob sich die Betriebe der alten Manufaktur verbunden fühlen. „Manu factum“ – von Hand geschaffen – ist Ausdruck dessen. Es gibt in meiner Branche, bei den Holzspielzeugmachern, den großen Betrieb – wer kennt ihn nicht – Wendt & Kühn aus Grünhainichen. Dort hat man sich auf die Engelproduktion spezialisiert und stellt noch alles per Hand her.

Damit bin ich genau bei dem Problem. Wir müssen in den verschiedenen Branchen den Nachwuchs fördern. Darauf zielt unser Antrag ab. Wir wollen punktuell die Betriebe fördern, die ausbilden wollen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Sven Liebhauser, CDU)

Die Punkte 3 und 4 unseres Antrags bringen es auf den Punkt. Ich will das Beispiel meines historischen Berufes vertiefen: Wir haben einen Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeugmacher, der eine betriebliche Verbundausbildung organisiert – eine betriebliche, nicht eine überbetriebliche –, am Markt orientiert.

(Stefan Brangs, SPD: Sehr gut!)

Der Verband, der schon vor langer Zeit gegründet worden ist, organisiert die praktische Ausbildung; denn in den historischen Handwerksbranchen kann der einzelne Betrieb nicht immer genau alles das ausbilden, was das Gesamtberufsbild von ihm verlangt. Deswegen bilden wir gemeinsam aus.

Wer die Verbundausbildung in Seiffen besucht – jeder ist dazu herzlich eingeladen –, wird den Wandel deutlich erkennen. Als ich meine Ausbildung machte, dachte niemand daran, dass das einmal ein historischer Beruf sein und welche Wandlungen das Berufsbild erfahren würde. Wer hätte vor vielen Jahren gedacht, dass sich in diesem Berufsbild die Lehrlinge mit computergestützten CNC-Maschinen beschäftigen müssen? All das wird in der Verbundausbildung geleistet.

Diese Art der Ausbildung steht aber vor Problemen. In diesem Zusammenhang bin ich dem Wirtschaftsministeri

um sehr dankbar. Nach einem Besuch von Staatssekretär Hartmut Fiedler im Jahr 2011, der die in der Praxis auftretenden Probleme mit der Verbundausbildung erkannt hat, wurde eine Änderung im Sinne einer Hilfestellung gewährt, sodass der historische Beruf des Holzspielzeugmachers in Sachsen weiter ausgebildet werden kann. Nur hier wird er ausgebildet – einmalig für Sachsen. Das ist praxisnahe, wirtschaftsnahe, erfolgreiche Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir diese erfolgreichen Modelle auf andere historische, traditionelle Branchen und Betriebe in Sachsen ausweiten, sodass wir punktuell fördern können – dort, wo es wirklich darauf ankommt und wo es den Handwerksbetrieben hilft.

Wir brauchen auch Unterstützung bei der weltweiten Vermarktung der Produkte, die die sächsischen Handwerksbetriebe herstellen. Die gute Arbeit der sächsischen Handwerksbetriebe passt hervorragend zu unserem Slogan: „So geht Sächsisch!“ Das ist sächsisches Handwerk.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nächster Redner ist Herr Kind für die Fraktion DIE LINKE. Herr Kind, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Schutz und die Ehre von traditionellen Handwerksberufen haben sich – das zeigt die Geschichte – schon große Persönlichkeiten eingesetzt.

Ich möchte einen historischen Beleg bringen: „Fest gemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden. Frisch, Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister loben. Doch der Segen kommt von oben. Zum Werke, das wir ernst bereiten, geziemt sich wohl ein ernstes Wort. Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort.“

Das war von Friedrich Schiller aus dem „Lied von der Glocke“.