Ich kann jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr erkennen. Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung für Kollegen Morlok möchte ich für die Staatsregierung zu dem vorliegenden Antrag der SPD Stellung nehmen. Vorweggeschickt: In der Tat, wenn es um Fragen wie die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates geht, um die Frage, wie wir – das ist ein Anliegen, das alle verfolgen – qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze in Sachsen fördern, sollte man die Diskussion ohne den bisweilen gezeigten Eifer führen. Vernunft kann gerade in diesem Bereich nicht schaden, meine Damen und Herren.
Soweit im Antrag Ziffer 1 und 2 die Grundsätze einer wirtschaftlichen Entwicklung für den Freistaat angesprochen werden, wie sie nach Auffassung der Antragsteller verfolgt werden sollten, ist anzumerken, dass eine selbst
tragende Entwicklung einer stark mittelständisch geprägten Wirtschaft bei einer möglichst hohen Beschäftigungsquote tatsächlich auch das wichtigste Anliegen der sächsischen Wirtschaftspolitik ist.
Kleine und mittlere Unternehmen, Handel, Dienstleistungen, freie Berufe und Handwerk bilden gemeinsam mit der Industrie das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft. Dafür benötigt der Freistaat in der Tat noch mehr hochqualifizierte und attraktive Arbeitsplätze sowie eine weitere Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Wirtschaft gegenüber den Konkurrenten.
Daher schafft die sächsische Wirtschaftspolitik tatsächlich auch Anreize für Investitionen, sie befördert Forschung und Entwicklung und unterstützt die Bemühungen der Wirtschaft, genügend qualifizierte Fachkräfte und ausgebildete Berufstätige auf allen Ebenen beschäftigen zu können. In der Analyse wird wahrscheinlich dazu noch weitgehend Einigkeit herzustellen sein.
Nun kommt es zu einer weiteren Frage, zu den Grundsätzen einer Wirtschaftspolitik. Für die Sächsische Staatsregierung ist die Tarifautonomie ein wesentlicher und unverzichtbarer Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Sie trägt ebenso wie die Flexibilität am Arbeitsmarkt – etwa durch Zeitarbeit – dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Wirtschaft im internationalen Konkurrenzkampf zu erhalten.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz GRW, ist dabei das wichtigste Instrument der Bundesländer, um Investitionen in strukturschwachen Regionen zu fördern. Das Ziel der GRWFörderung ist die Schaffung von dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen in Regionen, deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt, um eben diese Strukturschwäche auszugleichen. Die GRWFörderung unterstützt die Investoren beim Aufbau moderner Produktionsstrukturen. Gefördert werden nur Unternehmen, die moderne und neue Maschinen und Ausrüstungen anschaffen; so sind etwa gebrauchte Maschinen nicht förderfähig. Damit unterstützt die GRW den technischen Fortschritt und auch die Einführung neuer Technologien. Die Unternehmen können ihre Produktivität erhöhen und marktfähige Produkte herstellen und damit natürlich ihre Marktchancen verbessern. Mit dieser Förderung unterstützt der Freistaat die Unternehmen auch bei der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen und leistet damit einen erheblichen Beitrag für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, genau wie sie die Antragsteller eigentlich fordern.
Allerdings ist die Frage der Lohnfindung zuallererst Angelegenheit der Akteure am Arbeitsmarkt. Das ist die Verfasstheit des deutschen Rechtssystems und das ist seit vielen Jahren geübte Praxis der sächsischen Wirtschaftspolitik. Mit diesen Grundsätzen ist Sachsen bisher ganz gut gefahren. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen zeigen, dass diese Politik richtig ist. 2013 hatte Sachsen die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
ist gegenüber dem Vorjahr um 12 000 gestiegen und die Zahl der Erwerbstätigen war mit 1,987 Millionen auf dem höchsten Stand seit 1999. Als einziges ostdeutsches Flächenland konnte Sachsen einen Aufwuchs der Erwerbstätigenzahlen verzeichnen.
Meine Damen und Herren! Seit 2009 ist die Arbeitslosenquote in Sachsen niedriger als der Durchschnitt Ostdeutschlands.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Merkmal sächsischer Wirtschaftspolitik. Das bezeugt auch das Engagement großer Unternehmen, wenn es um Investitionen in Sachsen geht. Hier sind drei Beispiele zu nennen: Porsche wird die neue Baureihe Macan in Leipzig fertigen. BMW wird sein Leipziger Werk auch für die Produktion des BMW i3 nutzen, der mit einer carbonfaserverstärkten Kunststoffkarosserie völlig neue Technologien erfordert. Bosch hat sich bei seinem Forschungs- und Entwicklungszentrum für anwendungsspezifische Schaltkreise für MikroElektromechanische Systeme für den Standort Dresden entschieden.
Auch für die Arbeitnehmer zahlt sich die auf Nachhaltigkeit fokussierte sächsische Wirtschaftspolitik aus. Sachsen ist ein attraktiver Ort zum Leben und zum Arbeiten. Das bestätigen auch die Wanderungszahlen. Sachsen verzeichnet seit 2011 positive Wanderungssalden, und das mit zunehmender Tendenz: 2011 waren es 3 652, 2012 schon 12 478 Personen. In den ersten neun Monaten für 2013 wird das Ergebnis ähnlich gut sein wie 2012.
Meine Damen und Herren! Auch mit diesen Werten unterscheidet sich Sachsen von den anderen ostdeutschen Bundesländern. Gegenüber den direkten ostdeutschen Nachbarn hat Sachsen einen Saldovorsprung von 1 147 Personen zu Thüringen gegenüber Sachsen-Anhalt von 1 718 oder von Brandenburg von knapp 500 Personen.
Ein Wort zu dem geforderten Belohnungs- und Anreizsystem bei der GRW-Förderung. Bei einer sachkapitalbezogenen Förderung geht es um die Neuschaffung wettbewerbsfähiger Dauerarbeitsplätze. Die Kriterien der Lohngestaltung für diese Arbeitsplätze haben hier nichts verloren. In der Tat, bei einer sachkapitalbezogenen Förderung ist die Frage, wie die Lohnfindung der davon betroffenen Arbeitsplätze gestaltet ist, eine sachfremde Erwägung. Eine solche Erwägung würde auch das Förderverfahren überfrachten. Bei einer lohnkostenbezogenen Zuschussgewährung ist ein Bonussystem ebenfalls nicht erforderlich. Anlässlich der von der Staatsregierung 2011 durchgeführten Richtlinienänderung wurde die Jahresbruttolohnsumme, die für den zu fördernden Arbeitsplatz mindestens gezahlt werden muss, gegenüber der Vorgängerrichtlinie um mehr als 50 % erhöht. Betrug die Jahresbruttolohnsumme früher für den zu fördernden Arbeitsplatz 20 150 Euro, beträgt sie jetzt 31 100 Euro ohne Arbeitgeberanteil.
Meine Damen und Herren! Das ist kein Niedriglohnsektor. Damit wird die Lohnkostenförderung an qualifizierte Arbeitsplätze gebunden. Wer hier mutmaßt, die sächsi
In Ziffer 3 möchten Sie gern die Operationellen Programme der EU-Förderung geändert wissen. Aus den Verordnungstexten ergeben sich keine Vorgaben der EU, die eine Festschreibung tariflicher Vorgaben bei der Förderung vorsehen. Die Operationellen Programme müssen sich, wenn sie genehmigt werden sollen, in den gesamten Rechtsrahmen einfügen, der ein solches Kriterium auch nicht vorsieht.
Zum Vergaberecht ist anzumerken, dass die Aufträge der öffentlichen Hand nach Wirtschaftlichkeit und nach Grundsätzen des freien Wettbewerbs – Transparenz und Gleichbehandlung – vergeben werden. Soziale, innovative oder umweltbezogene Aspekte wären in einem solchen Vergabeverfahren wiederum vergabefremd. Sie sind nämlich nicht auftragsbezogen. Die bisher vorhandenen Regelungen haben sich in Sachsen seit Jahren bewährt. Vor einem Jahr hat der Sächsische Landtag das sächsische Vergaberecht grundlegend vereinfacht. Er hat bewusst auf die Aufnahme zusätzlicher Vergabekriterien verzichtet. Diese Regelung halten wir weiterhin für sinnvoll.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Vergaberecht bereits jetzt eine sehr komplexe Rechtsmaterie darstellt. Zusätzliche Bewertungskriterien würden das Verfahren sicherlich noch komplizierter machen und erschweren, seine Fehleranfälligkeit erhöhen und damit auch die Möglichkeit von erheblichen Verfahrensverzögerungen höher werden lassen. Das liegt nicht im Interesse einer möglichst effektiven Vergabe und letztlich auch der Förderung der Wirtschaft.
Lassen Sie mich dazu noch eines sagen: Der Landtag hat vor einem Jahr das Vergaberecht neu gestaltet. Die Aufforderung, die Staatsregierung möge jetzt das Gesetz ändern, geht eigentlich an den falschen Adressaten. Es bleibt den Antragstellern natürlich unbenommen, einen Antrag auf Novellierung des Vergaberechts einzubringen. Die Staatsregierung sieht hierfür jedenfalls keinen Grund.
Herr Brangs, deswegen wird es Sie nicht weiter überraschen, wenn wir sagen, dass wir uns gegen eine Annahme des Antrages aussprechen.
Kollege Herbst, es geht nicht um staatlich verordneten Wohlstand. Ich weiß nicht, woraus sich Ihr Wohlstandsbegriff hier ableitet. Es geht darum, dass wir vernünftige Löhne brauchen, gleiche Löhne für gleiche Arbeit, und dass wir Lohndumping und Leiharbeit eindämmen müssen, damit die Menschen von ihren Löhnen auch leben können. Das hat nichts mit Wohlstand zu tun.
Überall dort, wo wir Steuergelder einsetzen, wo wir Geld der Steuerzahler aus Sachsen verwenden, müssen wir uns fragen, was wir damit erreichen wollen. Es muss darum gehen, dass wir, wenn wir staatlich fördern, wenn wir Mittel einsetzen, nur die Arbeit fördern, die am Ende dazu führt, dass es qualitativ hochwertige Arbeit ist und dass es Arbeit ist, bei der die Menschen mit ihrem Lohn und den Sozialleistungen, die daran hängen, vernünftig leben können, und dass es kein Lohn- und Sozialdumping ist.
Ich glaube, es ist durchaus nachvollziehbar, dass wir zur Frage Arbeit eine andere Position haben. Es ist eben nicht so, dass alles gut ist, was Arbeit schafft. Das ist genau falsch. Das ist das, was die Konservativen seit Anfang der Neunzigerjahre vor sich hergetragen haben. Es geht nicht darum, dass das gut ist, was Arbeit schafft, sondern darum, Arbeit zu Bedingungen zu schaffen, bei der die Menschen davon leben und ihre Lebensträume verwirklichen können.
Deshalb brauchen wir Arbeitsplätze, die, wenn sie gefördert sind, an einem Leitbild orientiert sind, an einer guten
Arbeit. Ich finde es durchaus legitim, dass, wenn wir als Freistaat schon in die Förderung gehen, bestimmte Bedingungen daran geknüpft sind – ich werde auch nicht müde, das immer zu wiederholen –, sei es im Vergabegesetz oder im Rahmen von Anträgen.
Es ist ein skandalöser Vorgang, dass die Wirtschaftsförderung Sachsen bis vor einigen Monaten – bis wir es hier angesprochen haben und es entlarvt wurde – auf der Internetseite und in Publikationen damit geworben hat, dass in Sachsen im Durchschnitt 27 % weniger verdient wird als in anderen Ländern, und deshalb müsse man nach Sachsen kommen. Das ist ein Skandal und dahinter verbirgt sich die Denke in diesem Land!
Mit diesem Antrag wollen wir nicht mehr und nicht weniger, als den Menschen im Land zu sagen: Es geht auch anders als das, was hier an Politik betrieben wird. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/12951 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen DafürStimmen ist die Drucksache 5/12951 mehrheitlich nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.