Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Für die FDPFraktion spricht Frau Abg. Schütz; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was sich Menschen mit Behinderung wünschen, ist die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Sie wünschen sich keine Politik der Wohlfahrt und Fürsorge. Sie wollen, wie jeder andere auch, Chancengleichheit.

Wir als Liberale möchten das selbstverständlich auch. Wir möchten, dass sie ihr Leben eigenverantwortlich führen können.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Aufgabe muss es sein, Barrierefreiheit zu fördern und die Unternehmen für ein Engagement zu gewinnen. Im Dezember 2010 – das ist heute schon vielfach genannt worden – wurde durch die Sozial-, Kultus- und Arbeitsministerien mit 17 Partnern aus der Wirtschaft und den Verbänden für Menschen mit Behinderung die „Allianz Arbeit + Behinderung“ gegründet. Diese strategische Partnerschaft von Politik, Wirtschaft und Behindertenverbänden ist wichtig und wir wollen sie fortsetzen. Es geht darum, für alle Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.

Wir als Liberale verfolgen jedoch einen ganz anderen Ansatz als jenen, der von der Linkspartei in dem Antrag dargestellt worden ist. Die Einstellungshemmnisse von Menschen mit Behinderung in Unternehmen sind abzubauen. – Ja. Gesetzliche Pflichtregelungen zur Integration von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein!)

sind aber häufig unnötig und bürokratisch.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Sie bewirken das Gegenteil von Integration, vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Wenn man in Ihren Antrag schaut, sieht man nichts anderes als Bürokratie. Damit kommt man aus unserer Sicht dem Ziel keinen Schritt näher. Nicht die Politik schafft nämlich Arbeitsplätze, sondern die Unternehmen.

(Beifall bei der FDP)

Also müssen wir unseren Fokus auf die Unternehmen richten.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Ich darf es Ihnen sagen: Wenn der Fliesenlegermeister einen aufgrund von Rheuma erwerbsgeminderten Arbeitnehmer einstellt und mit ihm separate, flexible Arbeitszeiten vereinbart, dann ist das ein Weg dahin. Ich gebe Ihnen aber auch darin recht, dass Unternehmen oftmals nicht genau wissen, wie sie damit umgehen können, welche Möglichkeiten sie in der Gestaltung flexibler Arbeitszeiten haben und wie die Unterstützung durch das Integrationsamt erfolgen kann.

Diese Integration trifft auf viele andere soziale Bereiche ebenso zu, zum Beispiel auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber mit einer Berichtspflicht helfen wir niemandem weiter. Das, was hier weiterhilft, sind unserer Meinung nach die bereits praktizierten Modellprojekte. Dazu nenne ich eines, nämlich „Support“. Es sind die Öffentlichkeitsarbeit und die Informationen, die uns hier weiterbringen. Es sind die Erkenntnisse und das Wissen um den Fleiß und die Bereitschaft zur Mitarbeit von

Menschen mit Behinderung, welche die Chancen auf Arbeitsplätze letztlich eröffnen.

Dementsprechend bieten die Unternehmen vermehrt Schülerpraktika an. Damit wird nicht nur den Schülern ein Blick in die Arbeitswelt eröffnet, sondern die Unternehmen erhalten ebenso einen Eindruck von der Leistungsbereitschaft und dem Willen behinderter Menschen, sich im Berufsleben zu behaupten. Das sind wichtige Aspekte, die in der Allianz bereits jetzt verwirklicht werden und die leider – so muss ich sagen – in dem Antrag nur schlicht wiederholt werden.

Bildungsangebote sind letztlich der Schlüssel für die Integration, und somit müssen wir bei der Barrierefreiheit ansetzen. Der Umgang zwischen Menschen mit und ohne Handicap beginnt idealerweise im Kindesalter. Hier müssen wir von Anfang an fördern und hier sind wir in Sachsen schon auf einem guten Weg. Aber kein Weg ist so gut, als dass er nicht noch verbessert werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch nach dem Schulabschluss ist lebenslanges Lernen eine Voraussetzung für die spätere Teilhabe am Arbeitsmarkt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Hört, hört!)

Eine Weichenstellung ist hierfür auch, die Kompetenz der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Einen entsprechenden Antrag haben wir im Landtag im Mai 2012 eingebracht und verabschiedet. Mit dem Ausschuss für Arbeit und Behinderung ermöglicht die Allianz zudem den Austausch von Informationen zwischen ihren Mitgliedern und der Koordinierung von gemeinsamen Aktivitäten.

Im Mittelpunkt der letzten Sitzungen standen jene Aspekte, die für die Integration als wichtig und notwendig erachtet werden. Öffentlichkeitsarbeit wird dort ebenso thematisiert wie der Abbau der Hemmnisse für den Einstieg behinderter Menschen ins Berufsleben. Wenn man genau hinschaut, sieht man eigentlich keinen Aspekt des Antrages der Linksfraktion, der hier nicht bereits durch die bestehende Politik, die bestehenden Formen der Integration, der Initiativen, die letzten Endes schon auf den Weg gebracht wurden, abgedeckt wird.

Zudem läuft der Verweis auf die Arbeitslosenstatistik letztlich ins Leere, Herr Brangs, auch wenn Sie das nicht so sehen. In der Stellungnahme der Staatsregierung können wir das nachlesen. Die Zahlen sind gesunken, sicherlich nicht adäquat zum Rückgang auf dem normalen Arbeitsmarkt, aber sie sind letzten Endes gesunken. Das geht aus dieser Stellungnahme klar hervor.

Wir lehnen daher, wie gesagt, Ihren Antrag zu diesem Zeitpunkt ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was mich an dieser Debatte wirklich stört, sind der reflexartige Vorwurf und die reflexartige Ablehnung eines – wie die Fraktion DIE LINKE hier verlangt – Maßnahmenplanes.

In der vorherigen Debatte hat Staatsminister Kupfer gesagt, dass die Opposition dafür zuständig sei, die Regierung zu kritisieren. Das ist sicherlich eine Aufgabe der Opposition. Die andere ist es, gute Vorschläge zu machen. Nicht alle Vorschläge der Opposition sind schlecht. Viele sind gut, genau wie bei Ihnen auch.

(Beifall das Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Deshalb sollte man sich die Vorschläge, die die Opposition hier macht, genau anschauen und überlegen, welche davon sinnvoll und zu übernehmen sind.

Wir als Fraktion hatten schon 2010 vorgeschlagen, einen Aktionsplan zu machen, um die Umsetzung der UNKonvention in allen ihren Bereichen in Sachsen – also nicht nur im Bereich Arbeit – voranzubringen. Damals wurde das abgelehnt: Es sei Aktionismus.

Dann haben wir uns gedacht, wir nehmen uns einzelne Bereiche gesondert vor. Sie wissen, dass wir uns in diesem Hohen Haus mit der schulischen Inklusion sehr ausführlich beschäftigt und zum Teil einen Konsens mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen gefunden haben, auch wenn die Ergebnisse – das sage ich hier ganz deutlich – uns in keiner Weise befriedigen können.

(Beifall der Abg. Horst Wehner, DIE LINKE, und Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Danach haben wir uns dem Thema Arbeit zugewendet. Wir selber haben einen Antrag erarbeitet, um das Budget für Arbeit in Sachsen zu etablieren. Das ist eine Form, um Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Dieses Instrument nennt die Staatsregierung in ihrer Antwort auch, es wird in Sachsen aber so gut wie nicht eingesetzt. Die Staatsregierung verweist auf Bundesregelungen, die dem entgegenstünden. Aber andere Bundesländer machen das. Die Bundesregelungen sind schließlich für alle Länder gleich.

Ein zweiter Punkt, der mich stark ärgert, ist, dass hier Zahlenspielereien vorgenommen werden. Frau Schütz hat es gerade wieder eindrücklich demonstriert. Wir wissen – alle Studien bestätigen das –, dass Menschen mit Behinderung von der positiven Arbeitsmarktlage weitaus weniger als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Einschränkungen profitieren. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen und die Zahlen nicht um 100 Menschen herauf- oder herunterrechnen. Das wird dem Thema überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Herr Wehner ist am Anfang darauf eingegangen, welche Menschen hier überhaupt nicht in den Blick genommen worden sind, nämlich diejenigen, die von Behinderung bedroht sind und die keinen Schwerbehindertenausweis bzw. einen Grad der Behinderung von nur 30 haben. Diese Menschen kommen hier überhaupt nicht vor. Wir könnten sie alle noch dazurechnen. Zahlenspielereien sind diesem Thema überhaupt nicht angemessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Ich schaue mir die Antwort der Staatsregierung an. Auf Seite 6 antwortet die Staatsregierung – ich greife mir nur die kurzen Punkte heraus, weil ich nicht so viel zitieren will – unter Punkt F „Berufliche Prävention“. Dort steht als Antwort: „Berufliche Prävention und Rehabilitation sind Regelleistungen der jeweils zuständigen Leistungsträger. Berufseinstiegsbegleitung wird in Sachsen bereits jetzt angeboten.“

Das ist ja schön. Und wie viele Menschen sind durch diese Maßnahmen tatsächlich auf den ersten Arbeitsmarkt gekommen? Das ist doch die Frage, die wir uns stellen müssen: Tun wir genug? Ist das, was wir bisher anbieten, wirklich erfolgreich? Wenn nicht, warum ist es nicht erfolgreich und wo müssen wir nachjustieren?

(Beifall der Abg. Horst Wehner, DIE LINKE, und Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass sich die Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ in zwei Teile gliedert. Für den ersten Teil, die Ausbildung an einem ganz bestimmten Arbeitsplatz, ist die Agentur zuständig. Für den zweiten Teil, die Berufsbegleitung, die sich, so sie notwendig ist, anschließen kann, sind die Integrationsfachämter zuständig. Aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Frage von mir ist jedenfalls mir nicht deutlich geworden, dass der Staatsregierung das bewusst ist. Es ist schon eine gewisse Zahl von Menschen, die den ersten Teil, für den die Agentur für Arbeit zuständig ist, absolvieren. Aber die Zahl derer, die in den zweiten Teil übernommen werden und Berufseinstiegsbegleitung

erhalten, kann man an zwei Händen abzählen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da läuft doch etwas falsch, und man muss sich überlegen, was dort falsch läuft und was man verbessern muss.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

So könnte man die allermeisten Fragen durchgehen. Sicherlich wird deutlich, dass die Staatsregierung etwas macht. Aber ob die Maßnahmen Erfolg haben, warum sie keinen Erfolg haben, was besser gemacht und wo nachjustiert werden müsste, darum geht es. Dazu dient ein Maßnahmenplan, in dem man die Dinge, die man macht, bewertet und über sie Rechenschaft ablegt. Das ist keine Bürokratie.

Im Übrigen gebe ich auch Frau Schütz nicht recht. Es geht nicht darum, eine gewisse Freiwilligkeit herzustellen. Es existiert die UN-Konvention, und diese UN-Konvention gilt auch in Sachsen. Diese UN-Konvention soll dazu führen, Menschen Teilhabe in allen Lebensbereichen, auch am Arbeitsmarkt, zu gewährleisten. Dazu sind Maßnahmen zu ergreifen. Weil das auch mit dem, wie ich finde positiven, Instrument der Allianz für Arbeit von Dezember 2010 bis heute – reichlich drei Jahre – nicht gelungen ist, genau deshalb brauchen wir einen Maßnahmenplan.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)