Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich meine amerikanischen Freunde sehe, so habe ich nicht den Eindruck, dass sie alle von dem, was sie essen, unheilbar krank werden, egal ob sie Hühnerfleisch oder genveränderte Sojaprodukte essen.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Ich habe relativ viele persönliche Freunde. Das unterscheidet mich vielleicht von Ihnen. – Meine Damen und Herren, auch von deutschen Touristen, die in Miami sind, in Los Angeles oder wo auch immer, sind mir keine gravierenden Gesundheitsbeschwerden bekannt, nur weil sie in einem amerikanischen Fast-Food-Restaurant gegessen haben.

(Lachen der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Wir Deutschen sollten nicht zu überheblich auftreten.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen hat die amerikanische Gesundheitsbehörde ein Problem mit Roquefort-Käse, weil sie den für gesundheitlich bedenklich hält. Man sollte das also von beiden Seiten sehen und nicht nur aus dem arroganten deutschen Blickwinkel: Nur was wir auf dem Tisch haben, ist gesund. Die anderen sind ja alle Untermenschen, und die wollen sich mit dem, was sie zu sich nehmen, umbringen. – So funktioniert die Welt nicht, Frau Dr. Runge. Wenn Sie einmal reisen würden, würden Sie das auch erkennen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Meine Damen und Herren, Sie prangern den sogenannten Investorenschutz an. Ein Investorenschutz ist da, um Investoren vor willkürlichen politischen Entscheidungen zu schützen. Ob diese Art von Investorenschutz am Ende in den Verhandlungen zum Tragen kommt, ist überhaupt noch nicht entschieden. Das letzte Entscheidungsrecht haben die Mitgliedsstaaten. Wie Sie wissen, sind die Verhandlungen über dieses Kapitel derzeit ausgesetzt.

Mich wundert aber eines: dass für Sie das Thema Investorenschutz im Umgang mit den USA eine Riesenrolle spielt. Bei dem Freihandelsabkommen mit Kanada, das ziemlich ähnliche Regeln hat, habe ich von Ihnen überhaupt nicht gehört, dass das ein Problem ist. Hier wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen: Die kanadischen Unternehmen sind die Guten, die US-Unternehmen sind die Bösen. Das passt in Ihr linkes Weltbild, meine Damen und Herren. Das ist doch lächerlich!

(Beifall bei der FDP)

Wissen Sie eigentlich, mit welchem Land Deutschland als erstem ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat und wann? Das war mit Pakistan 1959. Wissen Sie eigentlich, wer vor internationalen Schiedsgerichten am meisten die Möglichkeiten eines Investitionsschutzabkommens bei Schiedsverfahren nutzt? Sind das amerikanische Unternehmen? Ich kann Ihnen das gern vortragen. Wenn wir von den 52 Verfahren im Jahr 2012 ausgehen, sind es vier USA-Unternehmen, die das genutzt haben, drei russische Unternehmen, zwei kanadische Unternehmen, zwölf Unternehmen aus restlichen Ländern und 31 Unternehmen aus der EU. Wem nutzt das, meine Damen und Herren? Es nutzt den europäischen Unternehmen!

(Beifall bei der FDP)

Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen stehen noch ganz am Anfang, und keiner von uns weiß, wie sie am Ende ausgehen. Ich sage aber auch: Verhandlungen bedeuten, dass sich beide Seiten bewegen müssen. Sonst hieße es ja „Erpressung“. „Verhandlung“ bedeutet, man versucht, die Sichtweise des anderen zu verstehen und zu vernünftigen Lösungen zu kommen.

Wenn wir uns immer auf diese tollen europäischen Standards berufen, dann frage ich Sie: Ist denn jeder europäische Standard sinnvoll? Ist es sinnvoll, dass wir den Verkauf von konventionellen Glühlampen in Europa verbieten? Ist es sinnvoll, dass wir bei Staubsaugern nur noch erlauben, dass Staubsauger mit geringer Saugleistung verkauft werden dürfen, sodass man zweimal saugen muss? Der Stromverbrauch ist der gleiche. Meine Damen und Herren, eine solche sinnlose Überbürokratisierung sollte abgeschafft werden.

(Beifall bei der FDP)

Insofern bietet dieses Freihandelsabkommen nicht nur die Chance auf mehr Beschäftigung und mehr Wohlstand, sondern auch die Möglichkeit, die eigene Regulierung selbstkritisch zu überprüfen. Das gilt für die USA wie für Europa. Wer von vornherein auf ein Freihandelsabkommen verzichtet oder aus politischem Kalkül Ängste schürt, der verzichtet auf Investitionen, der verzichtet auf Exportchancen, der verzichtet auf Wohlstand, und der verzichtet auf Arbeitsplätze. Das wollen wir nicht.

Deshalb, meine Damen und Herren, unterstützen wir die Anstrengungen, hier zu einem vernünftigen Kompromiss mit den USA zu finden.

(Beifall bei der FDP)

Für die NPD-Fraktion Herr Szymanski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut, dass die liberale Märchenstunde vorbei ist, vorerst zumindest. Herr Dr. Martens wird ja sicherlich noch einmal das Wort ergreifen, vermute ich.

Das geschieht selten, aber vielen Dank an die GRÜNEN für diesen Antrag, für die Thematisierung dieses TTIP. Die NPD-Fraktion hat allerdings wenig Hoffnung, eine deutliche Akzentverschiebung in Sachen Freihandelsabkommen mithilfe dieses Plenums zu erreichen, zumal, abgesehen vom geringen Einfluss Sachsens auf das Land betreffende europäische Entscheidungen, der vorliegende Antrag leider von einer Oppositionsfraktion gestellt wurde.

Die NPD-Fraktion verbindet allerdings mit ihrer Unterstützung und auch Ergänzung des vorliegenden Antrags – wir werden auch einen Änderungsantrag einbringen – die Hoffnung, einen Beitrag zu mehr öffentlicher Wahrnehmung zu leisten und für mehr öffentlichen Protest zu sorgen. Denn gerade in Zeiten, in denen der Parlamentarismus mangels echter Parlamentarier seine Funktions

tüchtigkeit einbüßt, wird eine außerparlamentarische Opposition umso notwendiger.

(Unruhe)

Sollte das in Rede stehende Abkommen in dem Sinne, wie es bislang an die Öffentlichkeit drang, verabschiedet werden, können wir uns Parlamente künftig eigentlich ohnehin sparen, da es dann ausreicht, wenn sich einige wenige Verwaltungsbeamte in Brüssel – ob als „Regierung“ bezeichnet oder nicht – von Lobbyvertretern aus Übersee die ökonomische Laisser-faire-Politik diktieren lassen.

Ich möchte nicht allein daran erinnern, dass die bisherigen Freihandelszonen in der Welt sämtlich ihre Erwartungen nicht nur nicht erfüllt haben, sondern im Gegenteil vielfach noch problemverschärfend wirkten. Die Situation in der NAFTA beispielsweise ist hinreichend bekannt.

Ich möchte darüber hinaus auch daran erinnern, dass das in Rede stehende TTIP nicht der erste Versuch ist, Europa endgültig in die Hand der Konzerninteressen zu bringen und dort, wo es einstmals politische Gestaltung gab, einem wild wuchernden Handel Platz zu machen. Erinnern wir uns an das 1995 bis 1998 verhandelte MAIAbkommen, das Gott sei Dank gescheitert ist. Die NPD warnt davor, mit der um sich greifenden Freihandelsdoktrin ein verhängnisvolles Kapitel „Profit schleift Politik“ auf dem Rücken der Völker aufzuschlagen.

Meine Damen und Herren, die Funktionsfähigkeit von Märkten nimmt ganz allgemein mit ihrem Größenwachstum ab. Darüber hinaus darf kein Marktmechanismus die menschliche Gestaltungshoheit aushebeln. Wir Nationaldemokraten fordern deshalb demokratiekonforme Märkte anstelle von marktkonformen Demokratien, die am Ende womöglich noch ihren letzten demokratischen Anstrich zu Markte getragen haben.

Da die NPD-Fraktion zudem den heute geltenden Normen des EU-Wettbewerbes und des Unternehmensrechts äußerst kritisch gegenübersteht, können wir auch in einem Freihandelsabkommen auf dessen Grundlage keine begrüßenswerte Entwicklung erkennen, sondern lediglich die Ausweitung bereits ausgetretener Pfade. Aus diesen Gründen fordern wir die endgültige und ersatzlose Beendigung der Freihandelsverhandlungen mit den USA, deutlicher gesprochen, die politische Beerdigung des Freihandelsabkommens.

(Beifall bei der NPD)

Allein die mit diesem Freihandelsabkommen vorgesehenen Stand-Still-KIauseln bezüglich der Finanzmarktregulierung stellen eine himmelschreiende Ignoranz der jüngsten Finanzmarktkrise dar, vor allem wenn man bedenkt, dass nicht nur Amerikas Banken längst wieder begonnen haben, Profite mit Subprime-Kreditgeschäften zu machen, ganz so, als ob nichts gewesen sei.

Meine Redezeit reicht leider nicht aus, um erschöpfend mit diesem Freihandelsabkommen abzurechnen. Da die NPD-Fraktion nicht nur ein Aussetzen der Verhandlung,

sondern den endgültigen Abbruch möchte, haben wir einen – ich erwähnte es bereits – Änderungsantrag gestellt. Im Fall von dessen Ablehnung würden wir uns jedoch dem vorliegenden Antrag anschließen.

Ich weiß aus der letzten Sitzung des Rechtsausschusses, dass es fraktionsübergreifend – das klang bei Ihnen, Herr Modschiedler, damals auch noch etwas anders – Skepsis gegenüber diesem Abkommen gibt. Deshalb mein Appell: Parlamentarier aller Länder, wehrt euch!

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mir liegt keine Wortmeldung für eine zweite Runde vor. Ich frage dennoch, ob ein Abgeordneter das Wort wünscht. – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Die Staatsregierung möchte sprechen. Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, Frau Kallenbach, wenn sich die NPD bei den GRÜNEN für diesen Antrag bedankt. Da fällt Ihnen nichts auf, das macht Sie nicht stutzig?

(Holger Szymanski, NPD: Das ist ganz schlimm, man kann ja auch einmal recht haben!)

Herr Szymanski, kurz zur Erinnerung. In der Tat schafft Freihandel Wohlstand. Ich weiß nicht, ob man Ihnen das einmal erzählt hat, aber das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg ist auch im Wesentlichen damit finanziert worden, dass dieser fabelhafte, wie Sie es nennen, KdF-Wagen in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft worden ist und nur deshalb zum meist gebauten Auto der Geschichte werden konnte.

(Holger Szymanski, NPD: Tolle Sache!)

Was mich ansonsten zu Beginn etwas erschüttert hat, sind die ungeheure Unkenntnis und das Unverständnis, das einige Redner hier offenbart haben, insbesondere Frau Dr. Runge, wenn Sie meinen, dieses Abkommen sei von Frau Merkel und Herrn Barroso ausgeheckt worden. Dieses Abkommen stellt sich einer ganzen Reihe von Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und anderen Staaten wie jetzt Indien oder Kanada sowie den Vereinigten Staaten von Amerika und liegt im Interesse der Wirtschaft aller Staaten der Europäischen Union.

Mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen ist mit Sicherheit kein Ende des Sozialstaates oder gar eine Beseitigung der Errungenschaften der Frauenbewegung verbunden, wie es uns hier eingeredet werden sollte.

Wenn Frau Friedel, wie sie es vorhin getan hat, lauthals beklagt, dass Schiedsklauseln schlecht sind, weil sie an den staatlichen Gerichten vorbei eine Paralleljustiz aufbauen würden, so entspringt auch dies einem schlich

ten Unverständnis von der Funktion und dem Sinn und Zweck solcher Schiedsgerichte. Bei Investorenschutzverfahren geht es nämlich um die Auseinandersetzung zwischen einem privaten Investor und dem Staat, in dem er investiert hat. Da kann man sich in der Tat fragen, ob es sinnvoll ist, jeweils die staatlichen Gerichte in dem Investitionsland über solche Streitigkeiten entscheiden zu lassen. Mir wäre nicht unbedingt wohl bei der Vorstellung, dass deutsche Investoren vor russischen Gerichten Auseinandersetzungen mit dem russischen Staat über den Schutz ihrer Investitionen führen müssten. Da vertraue ich den eingerichteten und bewährten Schiedsgerichten deutlich mehr.

(Beifall bei der FDP)

Die USA, meine Damen und Herren, sind ein wichtiger Außenhandelspartner des Freistaates. Mehr als 9 % der sächsischen Exporte im Wert von knapp 3 Milliarden Euro gehen in die USA.

Von großer Bedeutung sind die Investitionen von rund 140 Beteiligungen amerikanischer Unternehmer an sächsischen Unternehmen. Lassen Sie uns deswegen über die Chancen einer Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft sprechen. Sie kann für Wachstum und Beschäftigung sorgen, indem sie auch den sächsischen Firmen den Zugang zum US-Markt erleichtert. Dabei geht es vor allem, aber nicht ausschließlich um den Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren. Nach einer Studie des IfoInstitutes könnte vor allem der deutsche Mittelstand von einer umfassenden Handelsliberalisierung profitieren. Handelsschranken stellen für Großkonzerne in aller Regel keine unüberwindlichen Hindernisse dar. Diese Unternehmen haben die Manpower und das Know-how, um mit solchen Hindernissen fertig zu werden.

Meine Damen und Herren! Kleine Exporteure scheitern oftmals an solchen Hürden. Deshalb kann die geplante Liberalisierung dazu führen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen den Schritt über den großen Teich wagen. Mehr als 99 % der Unternehmen in Sachsen sind solche kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es ist Ziel der Staatsregierung, mehr von ihnen für das Auslandsgeschäft zu gewinnen.