Ich möchte gern an Ihrer Weisheit Anteil haben und fragen, wo die sächsische Stimme war bzw. heute ist, Herr Dulig. Christine Clauß ist zum Glück sächsische Ministerin und nicht Bundesministerin. Die Bundesministerin ist bei der SPD. Wo ist Ihre sächsische Stimme gewesen, damit die Finanzierung der Mütterrente nicht aus Beitragsmitteln kommt? Das würde mich interessieren.
Zum einen möchte ich gern die Frage beantwortet haben, wie Sie Ihren Wahlkampfschlager Mütterrente finanzieren wollten. Was hatten Sie vor der Bundestagswahl gesagt?
Wir als SPD haben im Wahlkampf ein Steuerkonzept vorgelegt, ja, durchaus auch mit Steuererhöhungen für eine kleine Gruppe, um für eine Mehrheit etwas finanzieren zu können. Wir waren so ehrlich und haben über Steuererhöhungen gesprochen.
Das heißt, die CDU selbst hat die Türe zugemacht für die Frage, ob man das Rentenpaket steuerfinanziert.
Deshalb finde ich die Diskussion vonseiten der Sächsischen Staatsregierung und der Staatsministerin an dieser Stelle scheinheilig. Sie hätten das bei den Koalitionsverhandlungen machen können und Sie hätten uns an Ihrer Seite gehabt. Sie hatten nur keine Mehrheit in der CDU, weil Sie nicht wussten, wie Sie es sonst finanzieren sollten. Das ist Ihr Problem. Wir können gern eine gemeinsame Initiative starten, dass wir die Mütterrente steuerfinanzieren. Dabei haben Sie uns sofort an Ihrer Seite; nur tun Sie bitte nicht so, als würde Ihnen das jetzt einfallen, jetzt, wo die Entscheidungen getroffen sind. Ich hätte Ihre Stimme gern bei den Koalitionsverhandlungen gehört, als es darum ging, Entscheidungen zu treffen. Das ist halt Ihr Glaubwürdigkeitsproblem.
Ja, es ist viel Geld. Dass Herr Pellmann alles, was an diesem Rentenpaket gut ist, schlecht findet, weil es nicht ausreichend ist, mag typisch für DIE LINKE sein. Alle, die in der Sozialpolitik gerade beim Thema Rente tätig sind, wissen, dass wir nicht über ein paar Millionen Euro Rente reden, sondern wir reden über ein Rentenpaket in zweistelliger Milliardenhöhe. Auch heißt es immer abzuwägen und die Balance zu wahren. Ich wäre sofort an der Seite der Ministerin, wenn wir ein Rentenkonzept hinbekommen würden, – –
– in dem wir alle Rentenleistungen nicht über die Versicherung, sondern über Steuern finanzieren. Dann heißt es auch, dass wir eine andere Steuerpolitik in diesem Land machen müssen. Aber dafür gibt es zur Zeit keine Mehrheit.
Herr Dr. Pellmann, ich gehe davon aus, dass Sie von dem Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen möchten. Bitte schön.
Nachdem soeben Kollege Dulig zum Wahlkampf geblasen hat, insbesondere was die beiden Parteien SPD und LINKE betrifft, kann ich nicht umhin, ein paar Anmerkungen dazu zu machen. Herr Kollege Dulig, ich möchte zunächst einmal Folgendes sagen: Was Sie heute dargestellt haben, war ein Umranden des Nichts.
Das möchte ich Ihnen sagen. Sie haben einen Eiertanz vorgeführt: Was hätten Sie tun können, wenn Sie gekonnt hätten? Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wir haben doch gemeinsam die Auffassung, dass bei dem Rentenübel eine
Erwerbstätigenversicherung helfen könnte. Warum haben Sie so etwas nicht schon zu Ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht? Dann könnten wir heute ganz anders über die Rente und deren Perspektive reden und müssten uns nicht im Kreise drehen und gegenseitig anschauen, wer die größten oder wenigsten Wahlversprechungen macht.
Der erste Punkt und damit Unterschied zwischen uns beiden ist folgender: Bei uns kann und muss man die Wahlversprechen immer am konkreten Handeln messen, weil wir regieren. Sie können aus der Opposition natürlich immer den Finger heben, alles kritisieren und schlechtmachen. Das ist der Unterschied.
Der zweite Punkt ist folgender: Wir haben bei den Koalitionsverhandlungen, gerade als ostdeutsche Vertreter, innerhalb der SPD sehr wohl dafür gesorgt, dass das Thema der Angleichung der Ost-West-Renten überhaupt eine Rolle bei dem Rentenpaket spielt. Sind wir einmal ehrlich: Wir haben bei allen Parteien – ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der CDU mit einschließen – durchaus noch große Überzeugungsarbeit bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Westen zu leisten, dass diese Unterschiede, egal ob beim Rentensystem oder beim Thema Rentenwert bei der Mütterrente, endlich überwunden werden. Deshalb, auch wenn wir uns einen strafferen Zeitplan bei der Ost-West-Angleichung gewünscht hätten, sind wir froh, dass die Angleichung im Koalitionsvertrag enthalten ist und bis zum Jahr 2016 eine Rentenangleichung erreicht wird.
Das Dritte ist Folgendes: Sie vermischen selbst die Themen. Reden wir über die Rente. Im Zusammenhang damit stellt sich die Frage, inwieweit wir uns als Landesparlament in eine Debatte einmischen, die bundespolitisch geführt wird. Entscheidender ist für mich jedoch folgender Punkt: Wenn wir daraus eine Gerechtigkeitsdebatte machen, müssen wir klar machen, dass es am Schluss nicht darum geht, ob wir zum Beispiel mit einer Mütterrente Altersarmut verhindern. Herr Krauß, Sie sind, glaube ich, einen Schritt zu weit gegangen. Wir müssen uns um gute und gerechte Löhne kümmern. Somit könnten wir über eine andere Art der Rentengerechtigkeit sprechen. Voraussetzung für die Rente ist das, was man vorher erarbeitet hat. Es muss unsere Aufgabe in Sachsen sein, dafür zu sorgen, dass die Menschen endlich ordentliche und faire Löhne – am besten Tariflöhne – erhalten.
nicht nur in der Koalition, sondern auch innerhalb der SPD uneins darüber ist, möchte ich mit zwei Zitaten beginnen, denen ich mich voll und ganz anschließen kann. Das erste lautet wie folgt: „Die neue Regelung einer Rente mit 63 ist bizarr, und die ebenfalls geplante Lebensleistungsrente ist systemfremd.“ Das zweite Zitat lautet wie folgt: „Die von der jetzigen Großen Koalition dafür gefundene Formel von der Lebensleistungsrente ist vielleicht populistisch brauchbar, aber unehrlich, denn sie ignoriert das Prinzip unseres Rentensystems. Die Rente berechnet sich nicht nach Lebensleistung, sondern nach der Beteiligung an der Rentenversicherung.“ Dies sagte Franz Müntefering. Dem kann ich mich nur anschließen.
Hören wir vielleicht einmal mit einer Mär auf: Es gab die Mütterrente bereits vor dieser Großen Koalition. Vorher gab es nur Unterschiede. Es ist damals eine Regelung unter der SPD-geführten Bundesregierung verfasst worden, dass Erziehungszeiten für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, mit zwei Jahren und für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, nur mit einem Jahr anerkannt wurden. Jetzt wird unter dem Thema Mütterrente nachgebessert.
Im Nachhinein werden Lebensmodelle der Vergangenheit, die mit oder ohne Kinder geführt wurden, im Rentensystem berücksichtigt. Das halte ich für gefährlich. Es ist eine rückwärts gewandte Politik, in der wir eine Regelung für die Vergangenheit schaffen, in der Lebensmodelle anders bewertet wurden, und die für die Zukunft unberechenbare Belastungen für das System und zukünftige Beitragszahler mit sich bringt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mütterrente ist teuer. Sie ist wirkungslos. Sie ist ungerecht. Sie ist gleichzeitig auch noch gefährlich. Ich möchte Ihnen das mit Daten belegen. Bis zum Jahr 2030 wird uns diese neue Mütterrente zusätzlich 83 Milliarden Euro aus der Rentenkasse kosten. Die Mütterrente ist auch wirkungslos, weil sie rückwärtsgewandt ist. Die Mütterrente ist einmal eingeführt worden, um mehr Geburten zu erzielen.
Die Mütterrente ist aber auch ungerecht. Die Entgeltpunktbewertung Ost-West wurde bereits angesprochen. Darauf möchte ich nicht näher eingehen. Sie ist auch innerhalb des Rentensystems ungerecht. Der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel gleicht die höheren Kosten der Mütterrente letzten Endes aus. Das wird zu geringeren Rentenanpassungen in der Zukunft führen. Irgendwoher muss das Geld schließlich kommen.
Ich habe ebenfalls gesagt, dass sie gefährlich ist. Warum? Sie schafft Unsicherheiten. Es schafft den Eindruck, so geht die Bundesregierung zurzeit vor, dass in Zeiten voller Kassen Geschenke wie die Mütterrente verteilt werden. Damit wird die öffentliche Wahrnehmung verstärkt, dass Rente nach Kassenlage gemacht wird. Was das für zukünftige Generationen und die Stabilität des Rentensystems bedeutet, mag ich mir nicht ausmalen.
Ich kann bis heute nicht verstehen, warum sich die sächsischen Kollegen der Bundestagsfraktionen der SPD und der CDU diese Neiddebatte aus Bayern in Bezug auf die Mütterrente haben aufzwingen lassen, in denen ostdeutsche Mütter als Ingenieure oder Facharbeiter mit Kindern gearbeitet haben und im Westen das Alleinverdienermodell bestand. Nur für diese wird diese Rente nämlich gerade eingeführt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort, das in dieser ganzen Rentendebatte immer wieder verwendet wird und sich leider auch in der Überschrift zur heutigen Debatte wiederfindet, ist das Wort Gerechtigkeit. Wir müssten uns endlich einmal klarmachen, dass man über Renten keine Gerechtigkeit herstellen kann.
Erwerbs- und Bildungsbiografien, die aufgrund von Umständen unterschiedlich verlaufen sind, führen natürlich zu unterschiedlichen Renten. Mit allem Herumschrauben an der Rentenversicherung werden wir diese Unterschiede nicht nivellieren können. Das ist nicht zielführend. Wir müssen uns Folgendes überlegen: Was ist in der Rentenversicherung notwendig? Am allernotwendigsten ist es, die Altersarmut zu verhindern. Dafür ist leider das, was hier heute oder im Moment diskutiert wird, kein Modell – aus verschiedenen Gründen:
Der Kollege von der SPD hat es bereits gesagt. Wenn wir Altersarmut verhindern möchten, müssen wir dies zuallererst mit guter Ausbildung, guter Bildung und mit der Möglichkeit, von seiner Arbeit leben zu können, machen. An diesen Stellschrauben müssen wir drehen, wenn es um Gerechtigkeit geht.
Die Einführung der sogenannte Mütterrente kann man gut finden. Ich finde das gut. Ich finde es aus dem Grund gut, weil Kinder, die vor dem Jahr 1992 geboren wurden, nicht anders als Kinder zu behandeln sind, die danach geboren wurden.