Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Heute stehen 4 Millionen Euro mehr zur Verfügung als zu dem Zeitpunkt, zu dem wir in Regierungsverantwortung gekommen sind. Das sind 7,5 % mehr als unter SPDVerantwortung.

(Stefan Brangs, SPD: Quatsch!)

3 Millionen Euro sind reine Landesmittel, also nicht nur die Mittel von der Bundesebene.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Wortwechsel zwischen Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)

3 Millionen sind 3 Millionen, haben oder nicht haben, das ist schon eine Frage.

Zudem haben wir auch den Verteilungsschlüssel – –

Sie können sich ja später auseinandersetzen, vielleicht bilateral im Foyer. Ich bin auch gern mit dabei. Es ist dennoch gut, dass Sie so lebhaft diskutieren. Das Thema ist durchaus geeignet. Aber zurück zum Text.

Wir haben auch den Verteilungsschlüssel zugunsten des ländlichen Raumes geändert, weil uns klar ist, dass der Ausbildungsverkehr gerade dort eine wichtige Säule des ÖPNV ist. Der Ausbildungsverkehr ist pro Kopf teurer. Wir haben dies in einem neuen Verteilungsmechanismus besser als vorher berücksichtigt. Gerade der ländliche Raum hat davon enorm profitiert.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Sie behaupten, dass die unterschiedlichen Schülerbeförderungssatzungen der Landkreise eine Chancenungleichheit für die Schüler darstellen. Das ist sehr plakativ. So einfach kann man es sich nicht machen. Die Organisation der Schülerbeförderung ist eine kommunale Angelegenheit. Es ist zuerst Sache der Kommunen, für sich eine akzeptable Regelung zu finden. Da der Freistaat die Problematik erkannt hat, unterstützt er die Landkreise dabei, aber die Verteilung ist deren Sache. Wenn ein Landkreis

entscheidet, ein Ausbildungsticket anzubieten, mit dem die Schüler nicht nur zur Schule fahren können und zurück, sondern im gesamten Landkreis eine Netzkarte einführen, dann ist das seine Entscheidung. Dass es dadurch teurer wird, steht auch außer Frage.

(Widerspruch der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE – Eva-Maria Stange, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Bläsner?

Bitte, Frau Dr. Stange.

Vielen Dank. Herr Bläsner, können Sie mir erklären, wieso Länder wie Thüringen, Bayern, Hessen und Niedersachsen – ich erwähne jetzt nicht Sachsen-Anhalt – seit Jahrzehnten eine kostenfreie Schülerbeförderung haben und das in Sachsen nicht möglich sein soll?

Es ist grundsätzlich möglich. Im Vogtland wird zwar gerade darüber diskutiert, dass man es abschafft, aber es ist grundsätzlich möglich. Wir haben eine klare Zuständigkeit der Landkreise. Ich bin selbst Kreisrat und mir liegt es als Landtagsabgeordneter fern, jeden einzelnen Kreistag zu belehren, was richtig und was falsch ist. Dafür gibt es eine kommunale Hoheit mit eigenen Verantwortlichkeiten. Zu den Entscheidungen in dem einen oder anderen Landkreis habe ich meine Meinung, aber mir steht es als Landtagsabgeordneter nicht zu, darüber zu richten.

Auch der Vorschlag der SPD-Fraktion, ein sachsenweites Schülerticket einzuführen, wäre für einige Schüler sicher ein attraktives Angebot. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wer soll es bezahlen? Sie klagen bereits jetzt über hohe Elternbeiträge. Sie wollen zwar den Betrag auf 120 Euro begrenzen, aber trotzdem fallen Kosten an. Wer soll es bezahlen? Die anderen Verkehrsteilnehmer? Das wäre eine logische Konsequenz. Der Steuerzahler? Irgendwer muss es bezahlen. Für mich steht eindeutig die Qualität im Vordergrund. Es gibt da Problemfälle. Ich war vor Kurzem im Landkreis Leipzig. Dort wird die eine freie Schule nicht bedient, der Schülerverkehr fährt vorbei. Ich möchte fragen, ob das überhaupt rechtmäßig ist. Das muss man kontrollieren. Das sind die Herausforderungen, die wir angehen müssen; wir sollten uns weniger über ein 120 Euro-Sachsenticket unterhalten. Wir haben andere Herausforderungen im ÖPNV, die anzugehen sind, statt über Kostenfreiheit zu diskutieren. Das ist eine Phantomdebatte. Das würde zwar die Eltern entlasten, bringt aber letztendlich der Qualität der Schülerbeförderung und der Wohnortnähe nichts.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Nach Herrn Bläsner von der FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Jähnigen für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNE sehen, dass bei der Schülerbeförderung die Gleichbehandlung aller Kinder und Eltern und eine sehr deutliche Kostenentlastung durch den Freistaat Sachsen dringend nottut, gerade mit Blick darauf, dass Familien mit Kindern durchschnittlich niedrigere Einkommen als andere in Sachsen haben.

(Widerspruch bei der FDP)

Die Statistiken der Regierung können Sie nachprüfen, wenn Sie das anzweifeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion. Es ist kein Zustand, dass die Eltern im Vogtland aktuell keinen Anteil für die Schülerbeförderung innerhalb des Landkreises bezahlen müssen. Dort ist der Landkreis Zweckverband und kann die Tarife selbst festlegen – es ist der einzige im ganzen Land –, während sie in Dresden mit mehr als 200 Euro und im Landkreis Mittelsachsen mit 145 Euro jährlich zur Kasse gebeten werden.

Angesichts der verschieden langen – teilweise sehr langen – Wege zu den einzelnen Schulstandorten können wir das Ziel einer kostenfreien Beförderung von Schülern als langfristiges Ziel teilen. Der Freistaat Sachsen ist auch deshalb in der Pflicht, weil er Schulschließungswellen, gerade im dünner besiedelten Raum, zu verantworten hat.

Herr Kollege Bienst, Sie sprechen so schön von den Selbstverwaltungsaufgaben. Schule ist eine Pflichtaufgabe, bei der die Kommunen nur in dem Maße selbst entscheiden können, wie es die Spielräume erlauben. Bei der Schülerbeförderung sind sie angehalten, die Entscheidungen des Landes umzusetzen. Dies ist zwar eine Pflichtaufgabe, aber keine Selbstverwaltung mehr. Das sollten Sie unterscheiden. Selbstverwaltung bedeutet, dass man über Schulen selbst entscheiden muss und kann. Das ist hier nicht gegeben. Das und die Tatsache, dass wir zurzeit in Sachsen immer noch fünf kommunale Nahverkehrstarife haben, ist der Grund für die derzeitige Ungerechtigkeit. Die Mehrheit von CDU und FDP sollte sie nicht länger verdrängen.

Der offenbar eilig erarbeitete Antrag der SPD bietet allerdings noch keine Lösungsansätze. Das beginnt bei den Rechtsgrundlagen. In der Verfassung selbst findet sich dieser Anspruch nicht. Stünde er aber in der Verfassung, würde es wiederum heißen – er ist nicht enthalten –, dass zwingend alle Beförderungskosten – auch die mit dem Pkw – ersetzt werden müssten. Möchten Sie das wirklich? Ich glaube nicht. Wir GRÜNEN sind der Auffassung, dass wir in Sachsen grundsätzlich klären müssen, wie wir die Kostenfrage auf Landesebene lösen und zudem einen öffentlichen Verkehr zur Mobilität aller Kinder – unabhängig vom Einkommen der Eltern und nicht nur zur Schule – schaffen können.

Wir kommen um einen Gesetzentwurf nicht herum. Bei diesem reicht es jedoch nicht aus, wir werden darüber noch diskutieren, liebe LINKE, die Kostenfreiheit zu erklären. Man muss ebenso die Erstattung regeln. Derzeit ist die Feststellung der ÖPNV-Tarifbestimmung eine Angelegenheit der kommunalen Zweckverbände und nicht der Landkreise.

Kollegen von der FDP, wir müssen klären, welche Kosten entstehen und wem sie erstattet werden. Aus Sicht unserer Fraktion muss dies immer ein eigener Erstattungsanspruch der Kinder bzw. ihrer Eltern, wenn diese bezahlt haben, sein.

Die SPD möchte in ihrem Antrag weiterhin festgestellt wissen, dass der Schülerverkehr das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs im ländlichen Raum ist. Wenn Sie einmal selbst im ländlichen Raum mit dem Bus fahren, sehen Sie, dass das gerade das Problem ist. Ein reiner Schülerbusverkehr rentiert sich wegen der Direktförderung der Schüler zwar für kreiseigene und private Busunternehmen relativ gut. Für die Bürgerinnen und Bürger, die zur Arbeit in die Stadt fahren, oder den Rentner, der auf das Bürgeramt möchte, ist dies schlichtweg unattraktiv. Schüler brauchen ebenso den Bahnverkehr.

Wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, erwarten Sie sich offenbar von einer Direktförderung der schülerbefördernden Unternehmen eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs. Das ist gut gemeint. Erfahrungsgemäß geht es aber nicht auf. So würden sich vor allem die Busangebote des ÖPNV noch stärker auf den Schülerverkehr orientieren und nicht auf Angebote für verschiedene Zielgruppen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der öffentliche Verkehr ist nur dann gut, wenn er Mobilität für Alte, Junge und Berufstätige zu allen öffentlichen Einrichtungen und Ober- und Mittelzentren absichert – ganztägig und mit zumutbaren Reise- und Umstiegszeiten. Er muss solidarisch von dem Land, den Städten und den Landkreisen finanziert werden. Weil die Wege länger werden, muss das Land auch stärker in die Pflicht eintreten.

Hierbei muss ich – Sie alle ahnen es schon mit Blick auf die kommenden Haushaltsverhandlungen – erneut den Finger in die bekannte Wunde legen. Ab dem Jahr 2015 sollen nach der Finanzierungsverordnung, die diese Regierung festgelegt hat, 54 Millionen Euro für den Ausbildungsverkehr vollständig aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes finanziert werden. Mit der dadurch reduzierten Weiterleitung von nur noch 73 % der eigentlich für die Bestellung von Schienenverkehren vorgesehenen Mittel des Bundes an die Zweckverbände liegt Sachsen bundesweit an der letzten Stelle und verdirbt sich damit die Konditionen bei den Verhandlungen in Bezug auf die Regionalisierungsmittel im Bund.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Kollege Herbst.

Geschätzte Frau Kollegin, habe ich Ihre Aussage richtig vernommen: Sie sagen, dass der Ausbildungsverkehr, den wir als Freistaat mitfinanzieren, zu 100 % aus Regionalisierungsmitteln finanziert wird? War das Ihre Aussage?

Herr Kollege, ich hatte Ihnen die Zahlen aus dem Haushalt genannt. Sie kennen diese. Das Problem ist, dass Sie das Geld von der linken in die rechte Tasche verteilen. Sie nehmen einerseits dem Schienenpersonennahverkehr Geld weg, mit dem Sie dann den Schülerverkehr finanzieren. Andererseits verderben Sie sich die Verhandlungen in Bezug auf die Regionalisierungsmittel. Bundesweit wundert man sich über die – ich möchte es nicht als Strategie bezeichnen – Vorgehensweise unserer Regierung und prognostiziert, dass wir deutlich weniger Regionalisierungsmittel als bisher und wie eingeplant bekommen.

Deshalb entsteht durch Ihr Verhalten ein großes Finanzierungsrisiko im ÖPNV. Sie können zwar sagen, dass dies in den Schülerverkehr investiert wird. Sie nehmen damit aber dem gesamten ÖPNV die Finanzierungsquelle. Vielleicht können Sie mir mit Ihrer Nachfrage oder in der Debatte erklären, wie Sie erreichen möchten, dass wir trotz dieser Kürzungen und dieses Problems immer noch so viele Regionalisierungsmittel erhalten, wie wir sie bisher erhalten und eingeplant haben. Es tut sich demnächst ein Loch auf.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Herr Herbst.

Sehen wir einmal davon ab, dass dies auch die Praxis in vielen anderen Bundesländern ist: Wie erklären Sie sich den Fakt, woher die 3 Millionen Euro – als Differenz zwischen 54 und 57 Millionen Euro –, die definitiv keine Regionalisierungsmittel sind, kommen? Fällt das Geld vom Himmel? Sind es vielleicht doch Landesmittel?

Das sind Landesmittel.

(Zurufe von der FDP – Christian Piwarz, CDU: Erwischt!)

Es sind aber viel zu wenig, Herr Herbst. Nennen Sie mir bitte ein Bundesland, das so viel Geld aus den Regionalisierungsmitteln abzweigt. Nennen Sie es mir bitte, falls Sie können. Ich kann es nicht.

Ich darf es nicht. Ich darf Ihnen nicht antworten.

(Lachen bei der FDP)

Frau Kollegin Jähnigen, er kann die Fragen stellen. Sie müssen antworten. Ansonsten müssen Sie die Front wechseln.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)