Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Auf die Kurzintervention kann reagiert werden. Das passiert auch. Am Mikrofon 6 steht Kollege Heidan.

Herr Stange, ich möchte meinen Kollegen Krauß von gestern zitieren: „Man kann so lange mit dem Kopf schütteln, bis man das Haar in der Suppe gefunden hat.“

(Enrico Stange, DIE LINKE: Da muss ich sehr lange schütteln! – Unruhe im Saal)

Sie haben jetzt genau dieses Haar gefunden. Es hat Ursachen, dass wir in den Neunzigerjahren vor einem Scherbenhaufen standen und dass Forschungskapazitäten, sprich die Konzernzentralen, woanders waren. Das hat doch Ihre Vorgängerpartei durchaus mit zu verantworten.

Sie müssen doch einmal deutlich sagen, dass jetzt auch in der Forschung und Entwicklung Prozesse im Gang sind, wie es vorhin schon in Redebeiträgen deutlich wurde. Das ist unsere Aufgabe, da haben Sie durchaus recht und ich will Ihnen auch recht geben. Aber das ist ein harter und steiniger Weg und wir werden es schaffen, dass das mit hier in Sachsen verortet wird.

Vielen herzlichen Dank.

Wir gehen in der dritten Rednerrunde weiter. Die FDP? – Nicht noch einmal. DIE LINKE, Herr Stange, noch einmal?

(Enrico Stange, DIE LINKE: Vielleicht nach dem Kollegen Minister!)

Gut. SPD? – GRÜNE? – NPD? – Es gibt aus den Fraktionen keinen Redebedarf mehr. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Morlok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat ist die Automobilindustrie ein wichtiger, einer der zentralen Wirtschaftsfaktoren für den Freistaat Sachsen. Ich möchte jetzt aber nicht noch einmal die vielen richtigen Zahlen, die in der Aktuellen Debatte bereits vorgetragen wurden, wiederholen, sondern eher auf langfristige wirtschaftliche, technologische Effekte eingehen.

Wir hatten vor Kurzem bei BMW und bei Porsche wesentliche Werkserweiterungen. Beide Erweiterungen – sowohl die Macan-Produktion bei Porsche als auch die Entscheidung von BMW, ihren Elektro-Flitzer i3 in Leipzig zu bauen – wurden in intensiven Gesprächen

durch die Staatsregierung begleitet. Wir hatten – nicht im Bereich Pkw, aber im Bereich Lkw – einen wichtigen Ansiedlungserfolg mit der Firma Eberspächer in Wilsdruff, die inzwischen erweitert hat. Auch hier hat sich die Staatsregierung intensiv in die Frage der Ansiedlung eingebracht.

Natürlich spielen in dem einen oder anderen Fall Investitionsförderungen eine Rolle. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das immer zentralere, das immer wichtigere Argument für die Großen, also für die OEMs, aber auch für die Zulieferer wird der Zugang zu neuen Technologien. Nicht umsonst entscheiden sich die Platzhirsche bei uns, dass sie neue Modelle, neue Technologien genau in ihren Werken im Freistaat Sachsen einführen, und das hat natürlich eine Ursache: Das liegt daran, dass wir durch die Entscheidungen, die hier im Freistaat Sachsen in der Vergangenheit getroffen wurden, die entsprechenden Anknüpfungspunkte haben durch gut ausgebildete Fachkräfte, durch entsprechende Forschungseinrichtungen. Über 50 Forschungsinstitute – universitär oder außeruniversitär – befassen sich mit dem Bereich Automobil. Diese Voraussetzungen, die vor vielen Jahren hier im Freistaat Sachsen geschaffen wurden, bewegen die Unternehmen dazu, zu uns zu kommen.

Das gilt zum Beispiel im Bereich technische Textilien, weil wir hier eine breite Basis vorfinden, und das gilt insbesondere auch für das Thema Leichtbau. Wir haben die entsprechenden Kompetenzen hier in der TU Dresden, aber auch in der TU Chemnitz. Aus diesen Instituten wurden auch schon Produkte in Serienfertigung überführt. Wenn man deutschlandweit mit Automobilisten über das Thema Leichtbau spricht, dann sucht man die Nähe zu dieser Fachkompetenz, die wir hier im Freistaat Sachsen haben. Da die Automobilindustrie Technologietreiber ist, ist es wichtig, diejenigen bei uns zu haben, damit wir von diesen technologischen Entwicklungen profitieren.

Deswegen müssen wir als Freistaat Sachsen die Voraussetzungen für diese Prozesse schaffen und gerade im Bereich Automobile in kompletten Wertschöpfungsketten denken.

Wenn man sich überlegt, dass in einem modernen Auto ungefähr 70 sogenannte Embedded Systems stecken, also Mikroelektronik, ist es wichtig, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir in Sachsen über eine Mikro- und Nanoelektronikindustrie verfügen, die an der Spitze mithalten kann.

Genau deswegen haben wir uns als Staatsregierung entschieden, 200 Millionen Euro als Kofinanzierung bereitzustellen, um uns an dem europäischen Programm ECSEL beteiligen zu können, damit die Technologie im Freistaat Sachsen entwickelt wird und damit Erkenntnisse aus Wissenschaft und Hochschulen in Pilotlinien umgesetzt werden. Wir wissen, dass wir dort noch ein Defizit haben, aber wir legen nicht die Hände in den Schoß, sondern arbeiten daran, dieses Defizit zu überwinden, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind bei einem weiteren Zukunftsfeld, das für die Automobilindustrie wichtig ist, gut aufgestellt, nämlich beim Thema Batterien: Johnson Controls, Hoppecke, LiTec. Beim Thema Li-Tec möchte ich deutlich anführen, dass es im Zusammenhang mit der Übernahme der Evonik-Anteile durch Daimler in der Frage des Standortes Kamenz intensive Gespräche gegeben hat. Die Staatsregierung, der Ministerpräsident und ich selbst haben uns aktiv in diesen Prozess eingebracht, und ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, eine Entscheidung von Daimler für den Standort Kamenz und für die Zellfertigung in Deutschland herbeizuführen.

Wir hatten am Dienstag dieser Woche die Möglichkeit, einen Förderbescheid an die Firma Skeleton aus Estland zu übergeben. Diese Firma stellt Kondensatoren her und startet ihre Produktion bei uns im Freistaat Sachsen. Diese Kondensatoren sind wichtig gerade im Zusammenhang mit der Elektromobilität, wo man starke Energiedichten in kurzen Zeiträumen zur Verfügung hat, zum Beispiel beim Beschleunigen, aber auch bei der Rekuperation, der Umwandlung der Fremdenergie in Strom. Wir sind froh, dass wir diese Technologie auch im Freistaat Sachsen haben. Ich weiß, dass sich nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern auch der Ministerpräsident aktiv um diese Ansiedlung bemüht haben.

Ich möchte den Dank, den ich am Dienstag gegenüber dem estnischen Honorarkonsul unserem Kollegen Sebastian Gemkow ausgesprochen habe, hier ausdrücklich wiederholen. Er hat sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass dieses Unternehmen jetzt in Sachsen produzieren wird.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Diese positive Entwicklung hat natürlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wir sehen das ganz deutlich am Beispiel Leipzig: Bei BMW gab es 500 neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der i3-Produktion, bei Porsche 1 000 neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Produktion des Macan.

Die Arbeitslosenquote im Freistaat Sachsen ist im Vergleich von März 2014 zu März 2013 um 0,8 Prozentpunkte gesunken. Die beiden Landkreise in Leipzig – nämlich der Landkreis Leipzig mit um 1,2 % und der Landkreis Nordsachen mit um 1,3 % gesunkener Arbeitslosenquote – liegen an der Spitze beim Rückgang der Arbeitslosigkeit im Freistaat Sachsen. Das heißt, die Menschen im Freistaat Sachsen profitieren davon, dass langfristige Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass diese Unternehmen in unserem Freistaat sind.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Es sind natürlich nicht nur die direkten Arbeitsplätze und die Arbeitsplätze, die im Zuliefererbereich dadurch geschaffen werden; es ist noch vieles mehr. Wenn man

sich überlegt, wie die Verdienste in der Automobilindustrie sind, dann fließen allein in diese 1 500 zusätzlichen Arbeitsplätze, an diese Mitarbeiter jedes Jahr über 60 Millionen Euro Vergütungen – 60 Millionen Euro, die diese Mitarbeiter zur Verfügung haben, die sie nutzen können, um vor Ort in der Region als Nachfrager aufzutreten, zum Beispiel beim Handwerk, in Gaststätten oder im Zusammenhang mit dem Tourismus und anderen Bereichen. Das sind die Folgeeffekte dieser positiven Entwicklung.

Wir werden als Staatsregierung die Unternehmen weiter unterstützen. Wir wissen aber auch, dass wir insbesondere die FuE-Anteile erhöhen müssen; aber in diesem Bereich gibt es erfolgreiche Ansätze.

Bosch, einer der großen Zulieferer, hat sich entschieden, hier in Dresden Forschung und Entwicklung zu betreiben. Auch ThyssenKrupp ist inzwischen mit Forschung und Entwicklung hier in Sachsen präsent. Das sind, zugegeben, noch zarte Pflänzchen, die wir hegen und pflegen müssen, damit aus denen einmal richtig starke Bäume werden.

Wir haben bei der Elektromobilität bewusst nicht auf Masse gesetzt, sondern wir haben aufgrund der Probleme im FuE-Bereich darauf gesetzt, in unseren Förderprojekten Erkenntnisgewinne zu organisieren, also die F&EPosition im Freistaat Sachsen zu stärken; alle Projekte sind bewilligt. Ich weiß, dass Herr Dudenhöffer gern Masseunterstützung haben möchte. Hier werden wir als Freistaat Sachsen nicht nachgeben. Wir setzen weiter auf das Thema Technologieförderung, damit wir den Technologiestandort auch im Zusammenhang mit der Automobilindustrie weiter stärken können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Morlok. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf in dieser 1. Aktuellen Debatte? – Trotz Ankündigung vom Herrn Kollegen Stange ist das nicht der Fall. Die 1. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen.

Wir kommen jetzt zur

2. Aktuelle Debatte

Ja zu Europa, Nein zu dieser EU – ein anderes Europa ist möglich!

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die NPD das Wort. Das Wort ergreift Herr Szymanski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der zumindest teilweise eher humoristischen 1. Aktuellen Debatte der Koalition kommen wir jetzt wieder zu einem ernsthaften Thema, das im Gegensatz zu der anderen Debatte auch zwei aktuelle Bezüge hat: zum einen die bevorstehende Europawahl am 25. Mai, zum anderen die Tatsache, dass wir gleich zwei umfangreiche Debatten in dieser Plenarwoche über die Operationellen Programme der Europäischen Union in Sachsen führen. Es ist in diesem Haus leider nur die NPD-Fraktion, die die Sinnhaftigkeit dieses bürokratischen Monsters Europäische Union infrage stellt,

(Zuruf von der CDU: Frei reden! Nicht ablesen! – Gegenruf von der NPD: Das kann er schon!)

obwohl Millionen Menschen in Europa – auch hier in Sachsen – der EU kritisch gegenüberstehen.

Worüber wird denn eigentlich bei den Operationellen Programmen, über die wir gestern schon debattiert haben – heute gibt es noch eine weitere Debatte zu EFRE und ESF – gesprochen? Wir reden über Geld, das Deutschland nach Brüssel überwiesen hat, und das – zumindest teilweise – nach Sachsen zurückfließen soll. Ich habe durchaus Respekt vor der Arbeit der Beamten, die sich darum kümmern; es ist uns zuletzt in den Ausschüssen vorgestellt worden, auch deshalb habe ich Respekt vor dieser

Arbeit: weil es zum Teil sehr kompliziert und sehr schwierig ist, dieses EU-Sprech, diese EU-Sprache in normales Deutsch zu übersetzen, das ist von den Beamten eingeräumt worden.

Wenn dann zum Beispiel die Einrichtung eines Rastplatzes für Radwanderer unter der Armutsbekämpfung subsumiert wird, zeigt das natürlich, mit welchem Unfug wir es zu tun haben. Aber dieser Unsinn dieser Verfahrensweisen wird von den etablierten Parteien schon längst nicht mehr grundsätzlich hinterfragt, sondern sie haben sich längst im Hamsterrad der Brüsseler EU-Bürokratie verfangen. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Unmut über diese Entwicklung bei der Europawahl am 25. Mai nicht nur überall in Deutschland zeigen wird.

Meine Damen und Herren, im Herbst 2013 vertrauten laut dem Eurobarometer nur 31 % der EU-Bürger den europäischen Institutionen – genau gesagt: den EU-Institutionen; denn wir sollten die EU nicht mit Europa gleichsetzen. Im Herbst 2009 sollen es immerhin noch 48 % gewesen sein. Nicht nur das, zwei Drittel der EU-Bürger sind heute der Auffassung, dass sie bei der Europawahl eigentlich gar nichts zu sagen haben, dass eine Stimmabgabe eigentlich ziemlich sinnlos ist.

Nur die NPD hat diese fehlende demokratische Legitimation von Entscheidungen der Europäischen Union in den letzten 10 Jahren hier im Haus immer wieder angeprangert. Mit den hanebüchensten Argumenten wurde dann darauf reagiert. Natürlich – das erleben wir immer wieder,

wir haben es auch gestern erlebt, es kommt heute bestimmt auch noch – darf die Nazikeule nicht fehlen; der Herr Karabinski hatte gestern wieder ein Paradebeispiel geliefert.

Gelegentlich thematisiert auch die politische Linke die Demokratie und die Legitimationsdefizite, doch ihre Alternative ist im Grunde noch abschreckender als der jetzige Zustand, den wir in Brüssel erleben. Sie wird mit ihrem gleichmacherischen Politikansatz eher Armut für alle Europäer erreichen, aber kein besseres Leben für die Menschen in Europa und schon gar nicht in Deutschland, meine Damen und Herren.

Mit den zahlreichen rechtspopulistischen – um einmal in Ihrer Sprache zu bleiben – und rechtsextremistischen Parteien in Europa, die überall im Aufwind sind, seien „die politischen Bestatter der europäischen Idee längst aufmarschiert“, jammerte neulich der ehemalige DGBBezirkschef von Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz, in seinem Vorwort zu einem Beiheft der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Sozialismus“ unter dem Titel „Ist Europa noch zu retten?“. Ja, meine Damen und Herren, diese Frage stellen wir uns auch: Ist Europa noch zu retten? Aber von welchem Europa und von welcher europäischen Idee sprechen wir denn eigentlich? Die EU ist es für uns Nationaldemokraten jedenfalls nicht.

(Beifall bei der NPD)