Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem vorhin schon so viel zu Protokoll gegeben wurde
und es nur kurze einführende Worte gab, möchte ich nur zwei Punkte ansprechen und überhaupt nicht in die gesamten Niederungen des Themas City-Tunnel vordringen. Ich möchte nur sagen, dass es aus Sicht der SPDFraktion ein absolut lobenswertes Infrastrukturprojekt für die gesamte Region ist und dass dadurch Effekte entstehen werden, die wir noch nicht ermessen können. Man kann in andere Regionen schauen, zum Beispiel in die Rhein-Main-Region oder in die Region München, um ermessen zu können, was sich in den nächsten Jahren noch entwickeln wird.
Insofern ist die knappe Milliarde sicherlich gut investiertes Geld, auch wenn die Kostensteigerungen, die entstanden sind, sehr ärgerlich sind, wobei der Sächsische Rechnungshof festgestellt hat – wofür wir sehr dankbar sind –, dass es Geburtsfehler waren und dass diese Probleme von Anfang an in der Wiege lagen, sodass an dieser Stelle nicht mehr viel zu machen war.
Es gäbe sicherlich einiges, was man noch im Detail besprechen könnte. Wir würden es dabei belassen. Es ist ein wichtiges Projekt. Gut, dass wir durch den Sächsischen Rechnungshof herausfinden konnten, wo die Verantwortungen liegen, und in Zukunft auf solche Kostensteigerungen bei Großprojekten hoffentlich verzichten können.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich glaube, dass der City-Tunnel ein wichtiges Projekt für das Nahverkehrssystem in Leipzig und für das gesamte Umland ist. Von diesem Tunnel profitiert nicht nur Leipzig, sondern ein großer Teil Sachsens bis nach Sachsen-Anhalt hinein.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, der Weg dahin war katastrophal, das muss man ganz klar sagen. Wir haben uns in Deutschland wieder einmal mit einem großen Verkehrsprojekt blamiert. Wenigstens haben wir es im Vergleich zu Berlin fertig bekommen. Das ist der Vorteil von Sachsen: Wir bekommen die Dinge auch einmal abgeschlossen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines sagen: Ich bin sehr dankbar, dass der neue Wirtschafts- und Verkehrsminister, als er im Jahr 2009 ins Amt gekommen ist, am Anfang sofort einen Kassensturz gemacht und das Projekt auf den Prüfstand gestellt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir vorher immer im Halbjahresrhythmus erfahren, dass es teurer wird und dass sich die Fertigstellung verzögert. Er hat einen Kassensturz gemacht und alle Projektbeteiligten an einen Tisch geholt. Zum ersten Mal, nachdem die neue Kostenprognose aufgestellt worden war, wurde dieser Kostenrahmen eingehalten; im Gegenteil: Es ist sogar noch 25 Millionen Euro günstiger geworden als prognostiziert. Dafür, lieber Sven Morlok, herzlichen Dank.
Ich glaube trotzdem, dass wir als Freistaat aus solch einem Projekt lernen müssen, und zwar zwingend. Erstens stellt sich die Frage: Wenn ich mehrere Projektbeteiligte habe und einen Vertrag schließe, dann muss mir als Freistaat klar sein, dass ich nicht der einzige bin, der die Mehrkosten im Wesentlichen trägt. Das ist die erste Lehre. Die zweite Lehre ist, dass man Risiken, wenn man plant und Risiken ermittelt, nicht politisch schönreden, sondern einpreisen sollte. Es bringt nichts, eine politische Entscheidung herbeizuführen, wohlwissend, dass wichtige Risiken nicht eingepreist sind. Das sollte man dem Steuerzahler nicht vorgaukeln, meine Damen und Herren.
Der dritte Punkt ist: Bei solch einem Bauprojekt gibt es immer einen Projektsteuerer. Trotzdem muss der Staat in der Lage sein, als Bauherr auch zu schauen, dass diese Projektsteuerung richtig verläuft. Es darf nicht das passieren, was beim City-Tunnel passiert ist, was bei anderen Projekten – Stichwort BER – passiert: dass man als Politik der Entwicklung am Ende nur hinterherläuft. Man muss eine vernünftige Steuerung und eine vernünftige Aufsicht haben, und diese Kompetenz braucht man auch im eigenen Haus. Das war in diesem Fall glücklicherweise der Fall, weil jemand ins Amt gekommen ist, der von Bauabläufen Ahnung hatte. Das muss bei Ministern nicht zwingend so sein. Wir müssen aber sicherstellen, dass diese kompetente Aufsicht gewährleistet sein kann, meine Damen und Herren.
Einen herzlichen Dank auch an den Rechnungshof, der uns in der Arbeit wesentlich unterstützt hat und, ich glaube, angesichts der schwierigen Situation noch das Bestmögliche für den sächsischen Steuerzahler herausgeholt hat, auch wenn ich es lieber gesehen hätte, dass wir
diese Kostenüberschreitungen nicht gehabt hätten. Dafür noch einmal herzlichen Dank, Herr Binus und Ihrem Team.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dank des Sächsischen Rechnungshofes besteht Einigkeit darüber, dass die aus Zeiten von CDU-Alleinregierungen stammende Vertragsgestaltung zum Bau des City-Tunnels für Sachsen extrem ungünstig war. Ich möchte hier aber auch die Mitverantwortung von Wolfgang Tiefensee – zuerst Leipziger Oberbürgermeister und dann Verkehrsminister für die SPD – am Dilemma nicht verschweigen.
Das gehört zur Geschichte. Auch wenn das Projekt nun fertig wird und die Erschließung Leipzigs deutlich verbessern wird, die hohen Folgekosten für seinen Betrieb werden die Kassen des öffentlichen Verkehrs belasten und die Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort einschränken. Dieses Thema müssen wir sehen. Der Rechnungshof konnte es nicht bearbeiten, aber es belastet in Zukunft die Entwicklung des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes.
Für uns GRÜNE ist eine Konsequenz, dass in Sachsen kein Großprojekt mehr ohne öffentlich zugängliche gründliche Abschätzung des Nutzens und im Vergleich dazu der Investitions- und Folgekosten geplant werden darf. Mehr zu diesem Thema sagen wir morgen bei der Auswertung unserer Großen Anfrage zur Dimensionierung von Straßenbauten.
Minister Morlok muss es nun sogar als Erfolgsmeldung verkaufen, dass die Milliardenschallmauer doch nicht durchbrochen wird und am Ende 25 Millionen Euro weniger Kosten anfallen, als zwischenzeitlich zu befürchten war. Ob diese dann tatsächlich in den von der DB AG bisher abgelehnten Ausbau der Strecke Chemnitz–Leipzig fließen können, wird von der künftigen Bahnpolitik im Land Sachsen und auf Bundesebene abhängen.
Wir wollen aber zum City-Tunnel heute von der Regierung genauer wissen: Wo konkret wird denn nun gespart? Inwieweit gehen die Einsparungen zulasten der Barrierefreiheit im bzw. um den Tunnel? Wie werden die für die wirtschaftliche Nutzung und das Funktionieren des neuen Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes wichtigen netzergänzenden Maßnahmen realisiert? Welche Fernbahnverbindungen werden denn nun ab wann durch den City-Tunnel fahren? Warum gibt der Freistaat eine halbe Milliarde Euro für ein einziges Infrastrukturprojekt dieser Größe aus, um dann bei den Kürzungen der Betriebsmittel für den Schienenpersonennahverkehr die betroffenen Zweckverbände zu Kürzungen im Netz zu zwingen?
Und, Kollege Panther, was tun CDU und SPD in Sachsen und im Bund dagegen, dass durch die Stations- und Trassenpreise gerade im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz die Kosten so steil ansteigen? Das ist uns doch Jahr für Jahr
immer wieder geschildert worden. Wie kämpfen Sie, um eine auskömmliche Regionalisierungsmittelausstattung für Sachsen ab 2015 zu sichern? Werden wir von Ihnen Bundesratsinitiativen für die Trennung von Netz und Bahn erleben, um exorbitanten Stationspreisen bei Stationen und Trassen auf dem Rücken der sächsischen Fahrgäste Einhalt zu gebieten?
Von diesen Fragen hängt künftig die Wirtschaftlichkeit des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes ab. Die Regierung muss sich als Konsequenz aus den Fehlern der Vergangenheit endlich diesen verkehrswirtschaftlichen Fragen stellen. Dazu haben wir heute noch nicht einmal den Ansatz einer Antwort gehört, die dringend nötig ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal kommt es mir und meiner Fraktion so vor, als ob sich die Öffentlichkeit an die gewaltigen Kostensteigerungen und immensen Verspätungen bei vielen öffentlichen Großprojekten schon gewöhnt hätte. Es ist makaber, aber nicht von der Hand zu weisen, dass inzwischen anscheinend 50 bis 100 % Verteuerung gegenüber der ursprünglichen Kalkulation keine Seltenheit mehr ist, ganz egal, ob es sich um Waffensysteme wie den Eurofighter, komplexe logistische Systeme wie das Toll-Collect-System für die Lkw-Maut oder Bauwerke wie den Stuttgarter Bahnhof, den Berliner Flughafen oder eben den Leipziger City-Tunnel handelt. Immer wieder ziehen sich die Projektlaufzeiten in die Länge. Allein dadurch schnellen natürlich auch die Kosten in die Höhe.
Die Gründe dafür liegen natürlich zuerst einmal in der Komplexität, die Milliardenprojekte einfach aufgrund ihrer Größe an sich haben. Bei öffentlichen Projekten kommt noch das politische Element hinzu, das oft zu unklaren Kompetenzen bei Projektleitung und Controlling führt. Die Politiker, die die ganz großen öffentlichen Aufträge letztlich vergeben, haben oft Vorstellungen, die alles andere als klar und eindeutig definiert sind. Sie lassen deswegen den Auftragnehmern viel Spielraum, was zu Missverständnissen und Planungsfehlern führen kann und eben auch oft führt. Zudem werden die ausführenden Unternehmen wie auch die Projektleitung und das Controlling oft aufgrund von Proporzdenken und anderen, doch eher politischen Gesichtspunkten ausgewählt und verhalten sich natürlich dementsprechend interessengeleitet. Das sei ganz allgemein ohne Nennung von Namen festgestellt.
Wenn es sich dann auch noch um eine schwierige Technologie oder um unwägbare Begleitumstände handelt, bei denen unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten
Als Parlamentarier könnte man versucht sein, sich nach einem vernehmlichen verbalen Kopfschütteln aus dieser Diskussion auszuklinken. Man kann ja die Gemengelage trotz zur Verfügung gestellter Unterlagen oftmals nicht bis ins letzte Detail durchschauen. Es ist auf jeden Fall einfacher, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und allenfalls auf die Regierung und den Rechnungshof zu verweisen. Damit möchte ich es aber für die NPDFraktion nicht bewenden lassen.
Ich bin der Meinung, dass eine Auseinandersetzung mit etwaigen klassischen Planungsfehlern oder auch anderen konkreten Managementfehlern hier zumindest nur zweitrangig ist. Der wirkliche Fehler liegt nach Auffassung der Nationaldemokraten tiefer. Er hängt nämlich mit dem politischen Willen zusammen, ein Prestigeprojekt um jeden Preis durchzudrücken, obwohl es eben nicht den tatsächlichen Entwicklungsbedürfnissen des Landes
entspricht und obwohl es verkehrstechnisch nicht einmal viel bringen wird. Statt das Land solide an der Basis, das heißt in der Fläche, aufzubauen, wird eine Goldgräberstimmung in den Metropolen geschürt, die unseriöses Geschäftsgebaren auch staatlicherseits geradezu hervorruft. Dadurch kommt jene unglückselige Konstellation zusammen, bei der Unternehmer erst das Grüne vom Klee versprechen und bewusst Unklarheiten in Kauf nehmen, um nur den riesigen Auftrag zu holen, und ehrgeizige Politiker lieber heute als morgen den Auftrag vergeben, damit das Projekt womöglich noch in ihrer Amtszeit fertiggestellt werden kann.
Beim Leipziger City-Tunnel handelt es sich nach Überzeugung der NPD-Fraktion um genau so einen Fall. Der Rechnungshof konnte dies nicht deutlicher machen als durch folgende Feststellung am Anfang seines Gutachtens – ich zitiere –: „Bei der Festsetzung des Ausgangswertes von rund 572 Millionen Euro hat die S-Bahn-Tunnel Leipzig GmbH dem Grunde nach bekannte kostenrelevante Sachverhalte nicht in Ansatz gebracht. Dazu gehören Risiken, übliche Sicherheitsmargen, zu niedrig gesetzte Kostenpauschalen wie beispielsweise Planungsleistungen. Der Freistaat Sachsen als Gesellschafter der S-BahnTunnel Leipzig GmbH hätte auf die Einrechnung dieser Faktoren in den Ausgangswert hinwirken müssen.“
Hier spricht der Rechnungshof ein Phänomen an, das es durchaus auch bei vielen kleineren Projekten gibt, nämlich das Opportunitätsprinzip. Man könnte es auch einfacher als puren Leichtsinn bezeichnen. Dieser Leichtsinn ist nicht immer nur menschlicher Schwäche geschuldet – dann wäre er eher für einen psychologischen als für einen politischen Diskurs geeignet –, nein, dieser Leichtsinn ist sehr häufig politisch begründet, geschäftspolitisch seitens der Anbieter, die um den großen Auftrag kämpfen, regierungspolitisch, parteipolitisch und durch eigenen politischen Ehrgeiz seitens der staatlichen Auftraggeber, die das Projekt auf Biegen und Brechen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt wollen.
Lassen Sie die großen öffentlichen Skandalprojekte vor Ihrem inneren Auge Revue passieren, meine Damen und
Herren, dann werden Sie feststellen, dass genau dieses von mir beschriebene Szenario die naheliegende Erklärung für die Fehler bei der Erstellung des Leipziger CityTunnels bietet. Man kann Parallelen ziehen zum Stuttgarter Bahnhof und zum an Torschlusspanik grenzenden Gebaren des seinerzeitigen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus. Denken Sie an den Berliner Großflughafen BER, der zum Vorzeigeprojekt von Klaus Wowereit werden sollte. Oder denken Sie an den Verteidigungsminister, der ein Drohnenfluggerät für teures Geld weiterentwickeln ließ, obwohl längst klar war, dass es nie in Deutschland eingesetzt werden kann.
Eines ist auf alle Fälle klar: Heute stehen so viele Erderkundungsmethoden zur Verfügung, um ein Gelände genau zu erkunden, und werden so viele interaktive Softwareprogramme angeboten, um die Vorkalkulation der umfangreichsten Projekte zu erstellen, deren Planung mittels Netzplantechnik durchzuführen usw., dass bei einer seriösen Vorgehensweise auch beim Projekt CityTunnel Leipzig die festgestellte fast hundertprozentige Kostensteigerung und die eingetretene Verspätung um Jahre gar nicht erst möglich gewesen wäre.
Mehr muss man dazu im Grunde nicht sagen, meine Damen und Herren. Genau das hat im Prinzip auch der Rechnungshof mit den von mir hier zitierten Feststellungen gesagt.
Die NPD-Fraktion möchte hier die Gelegenheit nutzen, das Leipziger Projekt in einen größeren Zusammenhang zu stellen, nämlich in den Kontext der gesamten Nahverkehrsplanung in Sachsen. Dass es hier einen finanziellen Zusammenhang gibt, ist auf jeden Fall klar. Der Haushaltstitel 891/04 im Kapitel 07/04 des Einzelplanes 07, also des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit, mit dessen Mitteln die Projektausgaben, also die Bauplanungs- und Geschäftskosten, des Freistaates für das Vorhaben City-Tunnel Leipzig finanziert werden, sind gegenseitig deckungsfähig mit dem Titel 637/05 im selben Kapitel. Dieser Titel wiederum dient – das ist sehr interessant und verdient Beachtung – der Finanzierung der ÖPNV-Zweckverbände auf der Grundlage des Regionalisierungsgesetzes.
Soweit ich erkennen kann, stammt auch das Geld, das im Haushaltstitel 891 04 Jahr für Jahr eingestellt wird, aus den Regionalisierungszuschüssen des Bundes, sodass der Tunnel direkt mit den Zweckverbänden um dieses Geld konkurriert. Bis 2010 existierte dieser Titel noch nicht. Stattdessen wurde der ebenfalls aus dem Regionalisierungsgeld gespeiste, aber für andere Aufgaben vorgesehene Titel 887 06 in Kapitel 07 04 herangezogen. In diesem Titel standen im Jahr 2010 circa 80 Millionen Euro. Im Jahr 2011 waren es nur noch 20 Millionen Euro.