Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Herr Staatsminister, die Debatte ist die Chance, sich zu erklären, bevor Sie bundesweit allein stehen. Frau Kagelmann hat schon auf diverse Initiativen, nicht nur von Rot-Grün, sondern auch von CSU, Schwarz-Grün und anderen Ländern, verwiesen. Die Mehrzahl der Bundesländer lehnt es ab – zuletzt im März im Bundesrat. Sachsen war nicht dabei. Die SPD hat einen klaren Standpunkt bezogen und mit LINKEN und GRÜNEN bereits im April 2011 einen Acht-Punkte-Plan für eine gentechnikfreie Landwirtschaft unterbreitet.

(Thomas Schmidt, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Mann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Kollege Mann, Sie hatten vorhin gesagt, dass Sie dagegen sind, dass gentechnisch veränderte Organismen auf unsere Teller kommen. Habe ich das so richtig verstanden?

Ich habe gesagt, dass Tierprodukte, die unter Zufütterung von gentechnisch veränderten Pflanzen in den Handel kommen, klar und eindeutig gekennzeichnet werden. Das habe ich gesagt.

Aber Sie sind nicht der Meinung, dass alle gentechnisch veränderten Bestandteile in Lebensmitteln verboten werden sollten?

Nein, aber der Verbraucher soll das Recht und der Hersteller die Möglichkeit haben zu entscheiden, was die Inhaltsstoffe dieser Produkte sind und wie sie entstanden sind. Genau das fordert der Antrag der Bundesregierung – wie Sie wissen, ist es eine Koalition zwischen CDU und SPD –, dass das auf EU-Ebene nun klar durchgesetzt wird; denn Ihr Antrag und Ihre Position zuletzt waren, bestimmte Schwellenwerte einzuführen. Das sehen wir als Unterlaufungsstrategie und als Schlechterstellung des Verbrauchers.

(Beifall bei der SPD)

Sehr verehrte Damen und Herren, da ich im letzten Satz unterbrochen wurde, noch mal die Frage: Wo stehen Sie, Herr Staatsminister? Wo steht die sächsische Union wirklich? Was ist Ihnen Verbraucherschutz, Nachhaltigkeit und der Schutz der Biodiversität wert?

Vielen Dank.

(Zurufe von der CDU: Klatschen!)

Danke, Herr Mann.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hauschild, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Frau Kagelmann, Sie wünschen sich, hier ein einheitliches Meinungsbild zu bekommen.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Ja!)

Ich wünsche mir, eine ehrliche Debatte zu bekommen. Dafür ist die eine Aktuelle Debatte sicherlich nicht das geeignete Instrument; denn die paar fünf Minuten, die wir hier haben, reichen nicht aus, damit man tatsächlich fundiert darüber diskutieren kann.

Es ist immer das Gleiche. Auch Herr Mann hat zum Beispiel wieder das Gespenst mitgenommen, die Bienen werden alle sterben, weil ein Imker gesagt hat, es wird jetzt alles ganz schlimm. Ich habe noch nicht gehört, dass in Südamerika oder in Nordamerika die Bienen ausgestorben sind, ganz im Gegenteil.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Aber in Sachsen!)

In Sachsen werden die Bienen auch nicht aussterben.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Aber es werden ein paar absterben!)

Wenn man das sachlich sieht, Frau Dr. Pinka, dann ist es immer so, dass jedes Jahr ein paar Bienenvölker sterben. Das ist richtig. Es liegt aber nicht an irgendwelchen genmanipulierten Pflanzen. Das ist eben so. Der Bestand der Bienenvölker ist so hoch wie in den letzten Jahren nicht. Das wissen Sie selbst, denn Sie sind doch im Umweltausschuss.

Was ich mir wünschen würde, wäre eine sachliche Debatte. Dazu gehören auch sachliche Studien; denn die meisten Studien zur Gentechnik sind immer wieder von der einen oder von der anderen Seite finanziert und „überraschenderweise“ kommt es dann dazu, dass sie sehr gegensätzliche Ergebnisse haben. Wir sollten dazu übergehen, dass es vielleicht unabhängig finanzierte, vernünftige Studien gibt, damit die Grundlagen wirklich richtig betrachtet werden können und nicht immer nur Gespenster an die Wand gemalt werden – weder von der einen noch von der anderen Seite.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Sie sind nicht unabhängig?)

Aufklärung und Information wären der richtige Weg, der nächste Schritt, den wir gehen sollten, und nicht Angst schüren vor Dingen, die man immer nur vermutet.

(Beifall bei der FDP)

Darauf sollten wir Wert legen: Die Chancen für die Bevölkerung – nicht nur in Sachsen, sondern weltweit – durch die Genforschung sollten wir nicht unterschätzen.

Folgendes Beispiel aus der Vergangenheit finde ich sehr interessant: Als der Kunstdünger erfunden wurde, war die Gefahr von Hungerkatastrophen infolge von Missernten quasi ausgeschlossen. Es lag nicht mehr an diesen Dingen, dass es zu Katastrophen kam. Ja, es gab weiterhin Krieg, und es gab andere Sachen. Aber dass man infolge von Missernten zu solchen Katastrophen kam, das war vorbei.

Der Kunstdünger wurde in Deutschland erfunden. Das ist auch wieder interessant: Die Technik ist nicht gute und schlechte Technik, denn die gleiche Technik für den Kunstdünger hat auch dazu geführt, dass Deutschland im Ersten Weltkrieg Sprengstoff sehr preiswert herstellen konnte und damit den Weltkrieg verlängert hat. Es ist also nicht die Sache der Technik, sondern es ist die Sache, wie wir es anwenden.

Deshalb komme ich noch einmal zu dem Ziel. Unser Ziel bei der Diskussion sollte sein, sachlich und gründlich zu diskutieren. Unser Ziel sollte sein, das Wohl der Allgemeinheit ganz oben hinzustellen.

Es wäre schön, wenn wir bessere Erträge und Resistenzen gegen verschiedene Umwelteinflüsse und Schädlinge hätten, wenn wir chemischen Keulen, die wir ja doch immer wieder brauchen, reduzieren könnten, was ja auch zu einer gesünderen Ernährung führen würde. Das, denke ich, sollte das Ziel der ganzen Sache sein. Wir sollten keine Scheuklappen in unserem Denken haben und uns bei der Forschung nicht ausschließen. Das würde uns irgendwann auf die Füße fallen. BASF hat seine Genforschung bereits aus Deutschland abgezogen. Dort spielt die Musik längst schon in anderen Ländern. Wir können nicht gewinnen, wenn wir uns immer nur einigeln. Insofern, denke ich, ist es immer noch so: Diese Aktuelle Debatte ist nicht der richtige Ort für ein solches Thema.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Weichert als nächster Redner für die GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Gentechnikfreie Region Sachsen“ – es gibt einen Unterschied zwischen „aktuell“ und „wichtig“: Aktuell ist das Thema nicht, wichtig auf jeden Fall. Es ist ein Dauerbrenner, der uns schon viele Jahre begleitet. Ich tue es zwar nicht gern, aber ich zitiere mich einmal selbst aus meiner Rede in der 25. Sitzung am 20.04.2011. Dort habe ich ausgeführt: „Aus eben genannten Gründen fordern wir die Staatsregierung auf, Sachsen zur gentechnikfreien Region zu erklären und dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beizutreten.“ Und es war nicht nur 2011, sondern es gab auch Anträge in den Jahren 2005, 2007 und 2008 – wie gesagt, es ist ein Dauerbrenner, und diese Forderung ist nicht neu.

(Andreas Heinz, CDU: Und was hat es genützt?)

Das Reden mit der Staatsregierung und der Koalition über diese ganze Zeit hat zu nichts geführt. Es war ziemlich sinnlos. Es hat sich in den ganzen Jahren nichts geändert. Es sind, denke ich, alle Argumente ausgetauscht. Ich glaube auch nicht, dass Staatsminister Kupfer heute Farbe bekennen wird, geschweige denn Farbe wechselt.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Seien Sie doch nicht so pessimistisch!)

Immer noch gibt es einen ziemlich großen Einfluss der Agrarlobby im Personal des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft. Apropos Agrarlobby: Dort ist Erstaunliches zu vermelden. Der Sächsische Landesbauernverband rät inzwischen vom Einsatz von Gentechnik ab. Das bedeutet aber nicht, dass dort ein Umdenken stattgefunden hat, sondern es geht um rechtliche Unsicherheiten, und dahinter steht natürlich die Frage: Wer haftet bei Kontamination? Das ist da also schon angekommen. Im Prinzip alles wie immer.

Jetzt wende ich mich auch noch einmal an DIE LINKE: An eine Wand zu reden ist Zeitverschwendung. Besser ist: rausgehen, mit den Menschen sprechen, Bürgerinitiativen unterstützen, Verbraucher aufklären. Das sind sinnvolle Maßnahmen. Noch besser ist, sich zu einem Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik zu bekennen, hin zu vielfältig, bäuerlich und nachhaltig. Ich stelle da bisher ein wenig einen Schlingerkurs in Ihrer Fraktion fest: Es gibt mal einen Happen für kritische Verbraucher, aber es gibt auch mal Streicheleinheiten für die Agrarlobby. Das ist am Ende nicht sehr glaubwürdig, und Everybody’s Darling ist eben auch Everybody’s Depp.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aber zumindest erfolgreicher als bei den GRÜNEN, Herr Weichert!)

Na ja, wenn „erfolgreich“ mit „Schlingerkurs" zusammengeht, dann lassen wir das mal so stehen.

Besser wäre ein gemeinsames, beherztes Auftreten. Das wäre auch sehr notwendig, und dabei muss ich Herrn Mann widersprechen. Gerade hinsichtlich der Agrarwende ist die SPD aus meiner Beobachtung erst einmal ein Totalausfall. Im Januar 2014 gab es einen Parteitag, der sich gegen den Anbau der genveränderten Maissorte 1507 ausgesprochen hat, und einige Tage später hat die Bundestagsfraktion mit 162 von 193 SPD-Abgeordneten gegen einen Antrag gegen die Zulassung der Maissorte 1507 gestimmt, das heißt also, dafür gestimmt.

(Holger Mann, SPD: Überraschung! Warum sollten wir denn in der Koalition dagegen sein? – Zuruf des Abg. Henning Homann, SPD)

In Brüssel musste sich dann die deutsche Delegation enthalten.

Es geht aber noch weiter. Die Bundesregierung hat in klammheimlicher Hinterzimmerabstimmung in Brüssel besiegelt, dass Honig mit Genpollen nicht gekennzeichnet werden muss. Das gilt auch für Honig, der vollständig

von gentechnischen Pflanzen kommt. Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz sieht anders aus.

Ich frage mich: Was macht die Natur inzwischen? – Sie schafft Fakten. Ich zitiere eine Schlagzeile aus den “Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ vom 02.02.2014; das ist keine GRÜNEN-Verbandszeitung.

Herr Weichert, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

„Superunkraut resistent gegen Vernichtungsmittel“. – Ich komme jetzt nicht mehr zum Zitat, aber darin wird festgestellt, dass diese Pflanzen inzwischen resistent gegen die Pflanzenschutzmittel sind, die eingesetzt worden sind, wofür die Gentechnik verwendet worden ist.

Vielen Dank.