Thomas Schmidt
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Herr Kollege Mann, Sie hatten vorhin gesagt, dass Sie dagegen sind, dass gentechnisch veränderte Organismen auf unsere Teller kommen. Habe ich das so richtig verstanden?
Aber Sie sind nicht der Meinung, dass alle gentechnisch veränderten Bestandteile in Lebensmitteln verboten werden sollten?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „08/14 ist Schluss mit 08/15“ – ich habe erst überlegt, was Sie damit meinen. Haben Sie Angst, nicht wieder in das Parlament zu kommen? Scheinbar geht es um etwas anderes. Doch ich
gewinne wirklich den Eindruck, dass der SPD ernsthaft die Themen ausgehen.
Nehmen Sie doch aktuelle Fachthemen, über die wir hier diskutieren und über die wir unsere politischen Meinungen der Bevölkerung unterschiedlich erläutern können, indem wir in einen Wettstreit treten, aber bitte nicht so pauschal und platt. Das ist doch dieses Hohen Hauses nicht würdig.
Sie haben gestern, Herr Dulig, in der Debatte eingefordert, als es um Herrn Staatsminister Morlok ging, dass wir diesem Haus die Würde zurückgeben müssen. Das haben Sie angemahnt. Da frage ich Sie, ob ein solcher Debattentitel „08/14 ist Schluss mit 08/15“ wirklich dieses Hohen Hauses würdig ist. Das kann doch nicht euer Ernst sein.
Dieses Niveau nützt euch nichts, davon profitieren wir nicht, damit stärkt man die Ränder, da stärkt man Leute, die noch in das Parlament wollen. Den demokratischen Fraktionen nützt es aber nichts. Wenn wir wollen, dass dieses Parlament ernst genommen wird, würde die Bevölkerung den Kopf schütteln und sich abwenden. Das nützt uns allen nichts.
Blicken wir an den Anfang dieser Legislatur zurück, zum Regierungswechsel. Es gab ja auch einen Wechsel von politischen Ansätzen. Das ist in jedem Land so, hier auch. Diese Koalition startete in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise, die es weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat. Die Haushaltsbewirtschaftung
2009/2010, aber vor allem die Haushaltsaufstellung 2011/2012 waren ein Kraftakt, den wir im Parlament so noch nicht erlebt hatten. Im Ansatz war prognostiziert, 1 Milliarde Euro Mindereinnahmen im Haushalt auszugleichen. Wir haben es trotzdem ohne Neuverschuldungen geschafft und sogar mit der höchsten Investitionsquote aller deutschen Bundesländer.
Das ist für mich keine 08/15-Politik.
Schauen wir doch einmal in andere Länder, in denen Politikwechsel stattgefunden hat. Schauen wir doch einmal nach Nordrhein-Westfalen, was dort geschehen ist: 6 Milliarden Euro neuverschuldeter, verfassungswidriger Haushalt. Schauen wir nach Baden-Württemberg. Dort ist der Regierungswechsel in der Zeit der höchsten Einnahmen, die dieses Bundesland jemals hatte, geschehen: 3 Milliarden Euro mehr Schulden. Das ist für mich verantwortungslos und nicht das, was diese Koalition hier in Sachsen gemacht hat.
Richtig, diese Verfassungsänderung war ein gemeinsames Projekt, aber es war ein ganz entscheidendes Projekt für die Zukunftssicherung dieses Landes. Dabei haben Sie
verantwortungsvoll mitgearbeitet, was überhaupt keiner infrage stellt. Aber die Initiative ist von uns ausgegangen, und es ist sicherlich auch dem geschuldet, dass die Sachsen einfach so ticken. Sie wollen nicht mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Deshalb haben wir in großer Gemeinsamkeit dies beschlossen, und dies am Ende noch als 08/15 hinzustellen, ist wirklich unwürdig.
Wenn man sich über konkrete Projekte austauscht, so haben wir in der letzten Legislatur auch gemeinsam mit dem heutigen Koalitionspartner eine Kreis- und Verwaltungsreform gemacht. Da sind hier die Fetzen geflogen. Unverantwortlich, was da geschieht. Das war ein schwieriger Akt in dieser Legislatur der Staatsmodernisierung. Sie haben wieder kritisiert und gewettert. Aber das sind Dinge, die wir gemeinsam mit Ihnen geleistet haben und jetzt gemeinsam mit der FDP in einer Zeit, in der man es sich noch leisten kann und nicht erst, wenn man es tun muss und das Kind in den Brunnen gefallen ist. Das nenne ich verantwortungsvolle Politik. Viele weitere Beispiele werde ich in der zweiten Runde erwähnen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise könnte ich mich jetzt zurückziehen. Man hat ja den Eindruck gewonnen, dass die Debatte sich darauf beschränkt, festzustellen, wer mit uns am besten koaliert hat. War es die SPD oder war es die FDP?
Vielen Dank.
Ich gebe gern zu, dass die Schnittmengen mit der FDP mit Sicherheit größer sind. Aber auch mit der SPD zusammen haben wir verantwortungsvolle Politik gemacht.
Es ist relativ einfach: Eine Koalition, die immer auf einen Kompromiss gegründet ist – das war bei dem damaligen Koalitionsvertrag so, ist bei dem jetzigen so und ist in Berlin noch viel schwieriger gewesen –, ist nicht mit einer einheitlichen Fraktionsmeinung zu vergleichen. Ich will Ihnen nicht die Illusion nehmen, aber eine SPDAlleinregierung nach der nächsten Landtagswahl ist relativ unwahrscheinlich.
Also muss man eine Koalition mit einer Alternative vergleichen. Die Alternative wäre doch, dass nicht Sie, lieber Kollege Martin Dulig, Ministerpräsident werden wollen, sondern Herrn Kollegen Gebhardt dazu machen wollen. Das ist doch die Alternative.
Damit gehen Sie doch inzwischen sehr offen um. Herzlichen Glückwunsch, Herr Gebhardt, dass Sie jetzt solche Unterstützung bekommen.
Wenn ich dann auf Antje Hermenau zurückkomme, dass das Vertrauen in unsere Regierung, in unseren Staat geschwunden sei,
dann können wir ja mal auf den Marktplatz gehen und fragen: Wem würden Sie denn mehr vertrauen? Wem würden Sie denn eher die Geschicke des Landes in die Hand geben, der jetzigen Koalition oder einer rot-rotgrünen Koalition unter Ministerpräsident Gebhardt?
Ich glaube, die meisten würden die versteckte Kamera suchen.
Am besten, man misst den Erfolg oder den Misserfolg einer Regierung an Indikatoren. Okay, Herr Gebhardt, Sie haben einige Dinge angesprochen, die man auch kritisch sehen kann. Ich gehöre auch nicht zu denen, die alles nur
schönreden. Es gibt weiterhin Probleme im Land zu lösen, denen wir uns auch stellen.
Nehmen wir das Thema Bildung. Solange, wie ich in diesem Sächsischen Landtag bin, das sind nun schon bald zehn Jahre – –
Das ist noch nicht so lange. Wir sind damals gemeinsam hineingekommen. Zehn Jahre sind wir hier. – Bei jedem Bildungsvergleich, ob es PISA war oder ein anderer, habe ich gehört: Ja, toll. Wir sind auch sehr glücklich, dass wir dabei erste, zweite und dritte Plätze erreichen. Jedes Mal heißt es: Das wird beim nächsten Mal viel schlechter sein; denn die Bildungspolitik, die die CDU macht, ist ja vollkommen verkehrt. Beim nächsten Mal waren wir wieder Erster. Beim letzten internationalen Vergleich stiegen wir weiter nach oben. Das werden Sie jetzt bedauern bei Ihren ständigen Ansagen, es sei falsch, anstatt sich mit Inhalten zu beschäftigen.
Wir reden immer nur von Lehrer-Schüler-Relation und dass es ein schwieriger Prozess war mit der SPD, diese Schulschließungen vorzunehmen. Wir müssen zunehmend dazu kommen, wieder über Inhalte an den Schulen zu reden anstatt über die Themen, über die wir in der letzten Zeit diskutiert haben.
Dafür haben wir die Voraussetzungen mit dem Bildungspaket geschaffen. Es war ein schwerer Akt. Vielleicht hätten wir es etwas früher machen können, aber wir haben es gemacht.
Wir haben einen exzellenten Wissenschaftssektor. Wir haben mit die höchste Dichte außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Da frage ich mich: Warum kommen die denn gerade nach Sachsen? Warum kommen die denn hierher, wenn hier alles so schlecht ist? Warum gehen die denn nicht nach Brandenburg oder in Regionen, wo Sie mitregieren? Warum kommen sie denn hierher? Das ist doch ein Zeichen dafür, dass hier eine verantwortungsvolle Politik gemacht wird und dass man hier Vertrauen in stabile Verhältnisse hat. Das ist doch ein Indikator dafür, dass das Land nicht so schlecht dasteht.
Das Gleiche gilt, wenn ich auf unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen schaue. Inzwischen haben wir die geringste Verschuldungsrate im verarbeitenden Sektor deutschlandweit. Wir haben auch die höchste Eigenkapitalrate im verarbeitenden Sektor. Deutschlandweit sind wir, glaube ich, Zweiter, aber wir sind ganz oben dabei. Es mag sein, dass das natürlich zuerst die Unternehmen gemacht haben, aber dafür hat die CDU seit 1991 die Rahmenbedingungen gesetzt und diese können nicht ganz so falsch gewesen sein.
Als letzten Indikator möchte ich Ihnen nennen – das hat Kollege Zastrow bereits angesprochen –: Der Wande
rungssaldo hat sich inzwischen gedreht. Es kommen wieder mehr Leute nach Sachsen als abwandern. Wissen Sie, wo man die stärksten positiven Salden hat?
Letzter Satz. – Aus Ländern, in denen die SPD die Regierung stellt oder zumindest mitregiert. Das ist doch der beste Beweis.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich eine Ehre und eine Bürde zugleich, jetzt zum Parlamentsalltag zurückzukehren und über den Bürokratieabbau, speziell
am Beispiel der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, zu sprechen. Ich würde mir wünschen, dass wir beim Abbau der Bürokratie so schnell vorankommen, wie sich jetzt der Plenarsaal geleert hat.
Die Debatte steht für mich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem, was wir soeben beschlossen haben. Wir wollen unsere Staatsausgaben in den Griff bekommen. Es kann nicht sein, dass die staatliche Verwaltung – egal, ob auf europäischer, deutscher oder sächsischer Ebene – die Bürokratie mit Richtlinien und Forderungen immer weiter aufbaut.
Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik steht im Augenblick wieder vor der Entscheidung, wie es in den Jahren 2014 bis 2020 weitergeht. In diesen Tagen und Wochen werden richtungsweisende Entscheidungen
getroffen.
Ich will nicht verhehlen, dass diese Gemeinsame Europäische Agrarpolitik für mich eine Erfolgsgeschichte ist. Vom Ausgangspunkt her waren eine Überproduktion – Butterberge, Milchseen, Getreideberge – zu vermeiden und durch staatliches Handeln – Flächenbeihilfen, Interventionskäufen, damals auch Flächenstilllegungen – etwas zu bewirken. Anfangs war sie einfach in der Umsetzung für den Landwirt und einfach in der Kontrolle, in der Erfassung und – wenn nötig – in der Sanktionierung für die staatliche Verwaltung.
Mit Blick auf das, was jetzt in Europa stattfindet – Staatsverschuldung in Ausmaßen mit Blickrichtung auf Südeuropa –, ist für mich nicht nachvollziehbar, wie wir diese Agrarpolitik immer weiter verkomplizieren und mit zusätzlichen Auflagen versehen können und wie wir das Ganze letztendlich mit riesigem Kontrollaufwand von staatlicher Seite bewältigen wollen. Ganz bewusst geht es mir nicht nur darum, was auf die Landwirtschaft zukommt, sondern ebenso geht es mir darum, was auf unsere staatliche Verwaltung zukommt – mit Blick auf das Personalabbaukonzept und das, was sich die EU für uns ausgedacht hat.
Wie Sie wissen, haben wir in der Agrarpolitik zwei Säulen. Die erste Säule ist die Direktzahlung und die zweite Säule sind Zahlungen, die an Richtlinien zur Förderung bestimmter Umweltmaßnahmen – Investitionsförderungen, Entwicklung des ländlichen Raumes – gebunden sind. Die erste Säule, die Direktzahlung, soll nun in der neuen Agrarreform mit einem sogenannten Greening verbunden werden. Das klingt erst mal gut und ist nicht in jedem Fall schlecht; das will ich gar nicht sagen.
Aber wie weit man über das Ziel hinausschießt, ist einfach nicht hinzunehmen: Dinge mit einer Förderung zu verbinden, die einerseits wieder von staatlicher Seite kontrolliert, erfasst und sanktioniert werden müssen und die der Landwirt zum Teil schon macht, und andererseits über Ziele hinauszuschießen, dass man bestimmten Landschaftselementen – früher hieß das „Baum“ und
„Strauch“ – einen Schutzstatus gibt und dass, wenn ein Eigentümer einen Baum entfernt, der Landwirt dafür sanktioniert wird, obwohl er gar nichts machen kann. Kollege von Breitenbuch wird in der zweiten Runde darauf noch eingehen.
Wir haben viel über Kappung diskutiert, das heißt, die Obergrenze der Agrarförderung zu begrenzen. Dies ist – hoffentlich bleibt die Bundesregierung dabei – in Deutschland als fakultativer Aspekt erst einmal vom Tisch.
Trotzdem ist es an der Zeit, noch einmal mahnend den Zeigefinger zu heben; denn was für die Landwirtschaft selbst folgen wird, wenn solch eine Kappung eingeführt wird, ist abzusehen. Die Betriebe werden es irgendwie doch überstehen. Es wird kein Strukturwandel – warum auch immer – stattfinden. Investitionen werden hinausgeschoben. Die Löhne werden nicht erhöht. Die Betriebe werden aufwendig in kleinere Einheiten geteilt. Das hat wiederum einen Aufwuchs an Betrieben zur Folge, die letztendlich kontrolliert und erfasst werden müssen, und das treibt auf staatlicher Seite die Verwaltungskosten erneut nach oben.
All das wird in den nächsten Tagen entschieden. Wir wollen die heutige Debatte noch einmal zum Anlass nehmen, in Richtung Berlin und Brüssel mahnend den Zeigefinger zu erheben, dass dieser Aufwuchs an Bürokratie nicht noch weiter aufgeblasen wird, als er es jetzt schon ist.
Vielen Dank.
Herr Kollege Mann, ist Ihnen bekannt, dass es bei dem Förderprogramm INNO-KOMOst überhaupt nicht um eine Grundfinanzierung geht?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach intensiver, mehr als zweijähriger Arbeit legte am 27. März dieses Jahres die Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik“ dem Landtag ihren Bericht vor. Bitte gestatten Sie mir vor der folgenden inhaltlichen Debatte einige einleitende Worte zur Arbeit und zum Ausgangspunkt dieser Kommission:
Nach der Untersuchung der demografischen Entwicklung in der letzten Legislatur war es die zweite Kommission dieser Art im Sächsischen Landtag. Es war überhaupt das erste Mal, dass sich in Form einer Enquete-Kommission ein Landesparlament dem Thema „Technologie- und Innovationspolitik“ widmete. Dieses Thema ist jedoch der entscheidende Schlüssel, um in unserem relativ rohstoffarmen Land langfristig Wertschöpfung, Arbeitsplätze und letztlich Wohlstand zu sichern.
Ausgangspunkt war die Frage: Wie kann es gelingen, die Innovationsfähigkeit im Freistaat Sachsen zu erhalten und zu verstärken? Oder ganz einfach: Wie kann ich am effektivsten und nachhaltigsten aus der Idee, aus der Invention Innovation hervorbringen – dies alles mit Blick auf die sich zukünftig dramatisch ändernden Rahmenbedingungen?
Ich bin überzeugt, dass es in der globalisierten Welt nicht gelingen wird, vor allem bei der Produktion von billigen Massenprodukten im Wettbewerb speziell mit den Wirtschaftsräumen Asiens zu bestehen. Wir werden zukünftig nur eine Chance haben, wenn wir bei der Entwicklung neuer Produkte und der effizienteren Gestaltung von Produktionsverfahren den berühmten Schritt voraus sind.
Die Grenzen von Wirtschaftsbranchen und Wissenschaftsrichtungen werden zukünftig immer deutlicher überschritten, um durch die Kombination bereits bestehender Forschungs- und Entwicklungsergebnisse vollkommen neuartige Verfahren und Produkte zu entwickeln. Das hört sich kompliziert an, ist aber eine Chance gerade für kleine und mittlere – und damit sehr flexibel arbeitende – Unternehmen, nicht nur in Sachsen, sondern auf dem gesamten Weltmarkt zu bestehen.
Motiviert durch diese sich abzeichnende Entwicklung stellten die Fraktionen von CDU, SPD und FDP am 29. September 2010 in der 21. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags den Antrag auf Einsetzung der Kommission. Jede Fraktion war berechtigt, einen externen Sachverständigen als Kommissionsmitglied zu benennen, welche die
Arbeit der Kommission entscheidend bereicherten. Außerdem unterstützte als ständiger Gast Herr ZimmerConrad als Beauftragter der Staatsregierung die Kommissionsarbeit.
Ich meine, der Zeitpunkt für diese Analyse war gut gewählt; denn nach den Jahren des Aufbaus ändern sich in diesem Jahrzehnt die Rahmenbedingungen auch in unserem Freistaat ganz entscheidend. Das muss uns allen bewusst sein. Dafür sollten auf der wissenschaftlichen und der wirtschaftlichen Basis, die sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten bereits gut entwickelt haben, und unter Berücksichtigung unserer landestypischen Besonderheiten Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert werden, um die Innovationskraft unserer Wissenschaft und Wirtschaft langfristig zu stärken.
Glauben Sie mir: Es war eine echte Herausforderung, bei dem gestellten Thema eng am Einsetzungsbeschluss zu bleiben; denn der Weg von der Idee und der daraus resultierenden Invention bis hin zur Innovation, also dem sich am Markt durchsetzenden Produkt, Verfahren oder der Dienstleistung, wird von sehr vielen Faktoren beeinflusst.
Die Kommission führte Anhörungen mit insgesamt 45 Sachverständigen durch und erarbeitete in zahlreichen Arbeitsgruppensitzungen, einer Klausurtagung und einer höchst interessanten Informationsreise die Grundlage für den nun vorliegenden Bericht.
Eingangs wurde der Ist-Stand der Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen durch eine Bestandsanalyse erarbeitet. Daraus resultierte wiederum eine Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, also eine SWOT-Analyse. Auf dieser Grundlage wurden Handlungsempfehlungen hergeleitet und formuliert, welche im Fazit zusammengefasst worden sind.
Der mehrheitlich beschlossene Bericht wurde abschließend durch Minderheitsvoten ergänzt.
Im Rahmen der bereits erwähnten SWOT-Analyse gab es natürlich umfangreiche Diskussionen darüber, was denn nun wirklich die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in unserem Freistaat sind. So kann es durchaus sein, dass eine augenblickliche Stärke unter veränderten Rahmenbedingungen zur Schwäche oder zum Risiko wird, zum Beispiel der hohe Anteil staatlicher Mittel in Forschung und Entwicklung. Auch kann man je nach Ansicht des Betrachters bestimmte Risiken in Zukunft auch als Chancen sehen, zum Beispiel die demografische Entwicklung.
Für mich ist das Herausstellen von Stärken kein übertriebenes Schönreden, wie es nach Abgabe des Berichts manche formulierten. Vielmehr ist es wichtig, auch das zu analysieren, was bereits gut läuft, um die Stärken weiter fördern zu können; das ist das berühmte „Stärken der Stärken“.
So besitzt Sachsen bereits heute eine in weiten Teilen wettbewerbsfähige Wirtschaft. Der Umsatzanteil der forschungs- und technologieorientierten Bereiche liegt
mit 55,7 % leicht über dem Bundesdurchschnitt. Etwa 22 % der Industriebetriebe mit mehr als 50 Beschäftigten wiesen im Jahr 2009 kontinuierlich oder zumindest zeitweise Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf. Das ist der höchste Wert aller ostdeutschen Bundesländer.
Der Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt liegt derzeit bei 2,9 % und damit an 5. Stelle im deutschen Länderranking. Im Förderranking der DFG weisen sächsische Hochschulen günstige Positionen auf. Außerdem kann Sachsen eine hohe Dichte an außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Technologie- und Gründerzentren vorweisen. Nicht zuletzt sind die Spitzenpositionen bei den Schulleistungstests und der mit einem Drittel hohe Anteil an Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern eine eindeutige Stärke Sachsens.
Nicht zufriedenstellend ist hingegen die mit 36,2 % noch immer geringe Exportquote gegenüber 44,6 % im deutschen Durchschnitt. Die Produktivität – also BIP pro Einwohner – liegt weiterhin nur bei 77,5 % des Bundesdurchschnitts. Der Anteil der FuE-Aktivitäten im privaten Sektor lag neben den hohen Ausgaben aus der öffentlichen Hand mit 1,23 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und weitab der Spitzenländer Bayern und BadenWürttemberg.
Die Flexibilität unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen ist sicher ein Vorteil. Trotzdem ist die große Anzahl sehr kleiner Unternehmen auch ein Grund dafür, dass es diesen Unternehmen sehr schwerfällt, eigenständig Forschung und Entwicklung zu betreiben. Weiterhin ist die Anzahl der Patentanmeldungen nur halb so hoch wie im deutschen Durchschnitt, was nicht unmittelbar an fehlenden Erfindungen liegt. Es ist für ein kleines Unternehmen schwierig, diese Patentanmeldungen durchzuführen bzw. sie scheuen den Aufwand. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist leider rückläufig. Letztendlich muss auch die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss von derzeit 9,5 %, wie schon oft im Landtag diskutiert, deutlich gesenkt werden.
Es ist aber durchaus eine Chance, dass gerade in Sachsen die zukünftigen Leitmärkte wie Mikro- und Nanoelektronik, organische Elektronik oder der Energie- und Ressourceneffizienz in Verbindung mit den bereits traditionellen Branchen wie Maschinen- und Fahrzeugbau erhebliche Entwicklungspotenziale auch im europäischen Vergleich aufweisen. Die Einstufung der TU Dresden als Exzellenzuniversität und die Etablierung des Exzellenzclusters „Merge“ an der TU Chemnitz muss man als große Chance für diese Hochschulen definieren. Das muss genutzt und ausgebaut werden. Eine Zukunftschance ist auch die geringe Verschuldung unseres Freistaates, welche Möglichkeiten zur zielgerichteten Unterstützung von Forschung und Entwicklung bietet und durch die keine hohen Zinszahlungen zu schultern sind.
Die demografische Entwicklung ist eine der größten Herausforderungen für die Zukunft. Sie stellt – wie bereits gesagt – eines der größten Risiken dar, kann aber auch positiv gedacht als Chance verstanden und damit als
Innovationstreiber betrachtet werden. Es ist bisher auch noch nicht klar, wie es möglich sein wird, die zurückgehenden Mittel aus staatlichen Töpfen durch privates Kapital für die Unterstützung des Innovationsprozesses zu ersetzen. Auch mit diesem Thema hat sich die Kommission auseinandergesetzt.
Die Forschung an Universitäten ist vor allem an der Anerkennung in der internationalen Forschungsgemeinschaft und nicht in erster Linie am Ziel des Technologietransfers in den Bereichen von Produkt- und Prozessinnovation ausgerichtet. Auch hier müssen dringend andere Anreizsysteme entwickelt werden.
Das waren nur einige Beispiele für den Ausgangspunkt der Kommissionsarbeit. Welche Empfehlungen die Kommission an Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem die Politik gegeben hat, werden im Anschluss die Sprecher der Fraktionen erläutern und debattieren. Für mich als Vorsitzenden der Kommission war es eine der interessantesten Aufgaben in meiner bisherigen parlamentarischen Tätigkeit. In der Kommission herrschte über weite Strecken ein sehr positives Klima. Daher fand ich es schade, dass zahlreiche Punkte der Minderheitsvoten nie zur Abstimmung gestellt wurden. Ich bin mir sicher, dass davon einiges mehrheitsfähig gewesen wäre. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die Minderheitsvoten an sich sind ein wichtiges Instrument, um nicht mehrheitsfähige Aspekte in den Bericht einfließen zu lassen. Das stelle ich keineswegs infrage.
Zum Schluss möchte ich noch vielen danken. Das Ausschusssekretariat mit Frau Kloß, Frau Kircheis und Frau Weber haben uns durch exakte Vor- und Nachbereitung der Sitzungen sowie die wissenschaftliche Begleitung wertvoll unterstützt. Ich möchte diesen Dank an die Landtagsverwaltung aber noch erweitern: an den Leiter des Ausschussdienstes Herrn Ritter sowie an die Stenografen und die vielen fleißigen Helfer, die unsere Sitzungen abgesichert und die Erstellung unseres Berichtes unterstützt haben. Ich möchte es wie bei der Berichtsübergabe auch heute deutlich machen, dass wir zurzeit neben den ständigen Ausschüssen drei Untersuchungsausschüsse haben und bis März auch die EnqueteKommission hatten. Dies alles durch den Ausschussdienst abzusichern ist schon eine große Herausforderung. Ich denke, das wird von uns ungeduldigen Landtagsabgeordneten nicht immer ausreichend gewürdigt. Deshalb großen Respekt und besten Dank für diese Arbeit.
Ich danke allen Sachverständigen, die uns zur Verfügung standen und durch wertvolle Hinweise unsere Arbeit befruchteten. Ich danke für die Unterstützung durch die Staatsregierung sowie durch das Ifo-Institut Dresden und das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Zum Schluss möchte ich einen herzlichen Dank an meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag und unsere externen Experten aus der Kommission selbst richten. Auch für sie war es eine zusätzliche Aufgabe, die neben
der Parlamentsarbeit oder ihrer beruflichen Tätigkeit zu leisten war.
Nun gilt es, im legislativen und exekutiven Alltag die Empfehlungen der Kommission umzusetzen sowie die hergeleiteten Anregungen ständig weiterzuentwickeln. Heute machen wir dabei im Parlament den Anfang. Daher spreche ich ganz bewusst nicht von einem Abschlussbericht, denn gerade auf dem Gebiet der Technologie- und Innovationspolitik ändern sich die Rahmenbedingungen oft sehr schnell. Vielmehr sollen unsere Anregungen und Handlungsempfehlungen ein Startschuss für die Lösung der anstehenden Aufgaben sein. Die Ansatzpunkte dafür müssen immer wieder hinterfragt, neu bedacht und weiterentwickelt werden. Es war anspruchsvoll, manchmal auch anstrengend, aber immer wieder beeindruckend zu erleben, wie reich und vielfältig bereits heute das Spektrum erfolgreicher Forschungseinrichtungen und innovativer Unternehmen in unserem Freistaat ist. Es war begeisternd festzustellen, welches große Potenzial an immer nach vorn denkenden klugen Köpfen es in unserem Freistaat gibt. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, denn die Rahmenbedingungen werden sich entscheidend ändern. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Ich wünsche uns allen viel Erfolg und die nötige Ausdauer bei der Umsetzung der Empfehlungen.
Meine Damen und Herren, zurückgewandte Diskussionen bringen uns nicht weiter. Denken Sie stets positiv. Die Akteure im Innovationsprozess tun dies auch.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Herr Kollege von Breitenbuch, stimmen Sie mir zu, dass gerade das Erkennen dieser Verstöße ein Zeichen dafür ist, dass unsere Kontrollsysteme funktionieren?
Frau Kagelmann, vielen Dank. – Sie haben von der „Exportorientierung“ der Landwirtschaft gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass in Sachsen – außer bei Milch; dort liegt die Bedarfsdeckungsquote bei 106 % – in keinem anderen Bereich der tierischen Produktion eine Eigenbedarfsdeckung erreicht wird – diese liegt zum Teil unter 50 % –, wir also in keinem Fall von „Exportorientierung“ sprechen können?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion die GRÜNEN reiht sich in die leider inzwischen meist sehr unsachlich geführte Debatte zur Tierzucht in Deutschland ein. Die GRÜNEN suchen krampfhaft nach einem neuen Thema, weil das Image einer Friedenspartei oder des Kampfes gegen die Kernkraft verlorengegangen ist.
Außerdem ist man bei dem oft aggressiv geführten Kampf gegen Infrastrukturmaßnahmen und Unternehmensansiedlung oft auf die Nase gefallen, weil es die Mehrheit der Bevölkerung eben anders wollte, wie zum Beispiel bei der Waldschlösschenbrücke oder bei Stuttgart 21.
Nun geht es mit fliegenden Fahnen gegen die Tierhaltung, und zwar mit ziemlich unausgereiften Konzepten, was ich noch erläutern werde. Doch das ist egal. Hauptsache, es werden Ängste geschürt, wie Niedersachsen zeigt. Das gebe ich durchaus zu. Da mag das Konzept kurzfristig politisch erfolgreich sein. Redlich ist ein solches Agieren nicht, und das wird sich langfristig auch rächen. Da bin ich mir ganz sicher. Hoffentlich wird dann in Deutschland überhaupt noch Tierproduktion stattfinden.
Das heißt natürlich nicht, dass die bereits bei uns geltenden hohen Umweltstandards auch immer wieder hinterfragt und – wenn nötig – auch angepasst werden müssen. Das gilt auch bei der Bewertung der Belastung durch Aerosole. Wie der Antwort der Staatsregierung zu entnehmen ist, werden auch hier bereits hohe Standards durch den Gesetzgeber geregelt und in Sachsen umgesetzt. Ob ein deutlich darüber hinausgehender sächsischer Alleingang Sinn macht, möchte ich bezweifeln. Ihnen geht es in Wirklichkeit auch nicht um Tier-, Umwelt- oder – im Beispiel des vorliegenden Antrags – Emissionsschutz. Vielmehr wollen Sie die Standards in Sachsen in einem Maße erhöhen, dass hier die Tierhaltung deutlich erschwert, wodurch sie letztendlich abwandern wird. Dabei ist es Ihnen völlig gleich, unter welchen Haltungs- und Umweltbedingungen woanders die Tiere aufgezogen werden. Das ist wieder typisch für die grüne St. Florians
partei und hat nichts mit der gestern diskutierten Nachhaltigkeit zu tun.
Mir ist jedoch deutlich lieber, dass die Tierhaltung unter unseren strengen Kontrollen mit möglichst europäisch einheitlichen Standards auch in Sachsen weiter möglich ist, als dass unsere Teller mit Produkten aus dem Nirgendwo gefüllt werden.
Wie widersprüchlich grüne Agrarpolitik ist, zeigt folgendes Beispiel: Wir haben in Sachsen einen Selbstversorgungsgrad an Schweinefleisch von etwa 40 %, an Rindfleisch von 67 %, an Schaf- und Ziegenfleisch von 35 %, an Geflügel von 63 % und an Eiern von 81 %. Lediglich bei der Milch liegen wir mit 106 % leicht über dem hiesigen Bedarf. Nun wird aber gerade von den GRÜNEN gefordert, regionale Kreisläufe bei der Produktion von Nahrungsmitteln aufzubauen, was ich durchaus befürworte. Natürlich ist es gut zu wissen, woher das Schnitzel, das Ei oder die Milch kommt. Auch bin ich mir sicher, dass der sächsische Verbraucher bevorzugt sächsische Produkte auf seinem Tisch haben möchte, und dies möglichst aus den heimatlichen Regionen. Wenn wir dies aber erreichen wollen, würde das bedeuten, dass beispielsweise die Rindfleischproduktion um ca. 50 % und die Schweinefleischproduktion um sage und schreibe 150 % ausgebaut werden müsste.
Ich höre Sie schon wieder sagen, dass der Fleischverbrauch einfach reduziert werden könnte. Nun ist meine Fraktion zwar nicht der Meinung, dass wir unseren mündigen Bürgern vorschreiben sollten, was sie zu essen haben. Aber gehen wir einmal davon aus, der Fleischverbrauch würde sich in Sachsen um ein Drittel verringern. Auch dann müssten wir die Schweinefleischproduktion um 75 % erhöhen, was 175 000 zusätzliche Mastplätze bedeutet. Sollten die Sachsen sich das Fleischessen nicht vermiesen lassen, wären das sogar 350 000 neue Mastplätze. Dies würde natürlich auch die Bioaerosolemissionen um 75 bis 150 % erhöhen.
Gleichzeitig wollen Sie aber, wie Kollege Weichert jetzt wieder mehrmals gesagt hat, keine großen Anlagen mehr, sondern die Tierhaltung in altbäuerlicher Art in kleinen Gruppen auf den Bauernhöfen in den Dörfern. Diese Bauernhöfe liegen nicht im Außenbereich, sie liegen direkt bei der Wohnbebauung. Es klingt ja auch sehr idyllisch, wenn man das so in Bilderbüchern sieht und vergisst, was das an Arbeitszeit, harter körperlicher Arbeit bedeutet.
Auf der einen Seite fordern auch die GRÜNEN immer höhere Arbeitsstandards, Mindestlöhne sowie flexible und reduzierte Arbeitszeit. Der Bauer kann aber wie eh und je an 365 Tagen im Jahr ohne Urlaub und ohne Sonn- und Feiertage vom frühen Morgen bis spät in den Abend arbeiten. Das ist für mich schizophren.
Aber zurück zum Beispiel der angestrebten Selbstversorgung. Wenn Sie die zusätzlich notwendigen Plätze in möglichst sehr kleinen Ställen mit beispielsweise hundert Masttierplätzen in der Schweineproduktion schaffen würden, wären selbst bei einem um 30 % zurückgehenden Schweinefleischverbrauch 1 750 neue Ställe notwendig, und bei einer Schließung der großen Anlagen noch viele Tausende weitere Ställe mehr. Bitte sagen Sie bereits jetzt den Kommunen, was unter einer grünen Regierung auf sie zukommen würde. Denn eine hohe regionale Selbstversorgung in sehr kleinen Gruppengrößen hätte genau das zur Folge. Oder geben Sie einfach zu, dass Sie in Wirklichkeit die Tierhaltung durch einseitige hohe und natürlich auch teure Standards aus Sachsen verbannen wollen. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Noch einmal möchte ich klarstellen, dass auch meine Fraktion für hohe Umweltstandards eintritt. Im diskutierten Fall sehen wir dies als bereits gegeben an und treten darüber hinaus bei der Erhöhung von Standards für einheitliche europäische Regelungen ein.
Ihren Antrag lehnen wir natürlich ab.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Debatte hat gezeigt, dass es richtig war, durch eine Regierungserklärung einmal das Thema Nachhaltigkeit auch in diesem Hohen Hause zu diskutieren. Es ist auch deutlich geworden, wie unterschiedlich sich die einzelnen Redner der Fraktionen diesem Thema nähern. Wann ist es ein besserer Zeitpunkt oder auch ein besserer Ort, sich diesem Thema auch in einem Parlament zu nähern, als zum 300. Jubiläum der Begriffsdefinition in seinem Ursprungsland Sachsen?
Ich finde, dass Hannß Carl von Carlowitz damals sicherlich ökonomische Aspekte, Frau Dr. Pinka, als Herangehensweise für die Definition dieses Nachhaltigkeitsbegriffes hatte. Aber es waren auch ökologische Aspekte, die durch die Erhaltung und die Wiederaufforstung des Waldes Wirkung zeigten und die letztendlich durch die Erhaltung von Wertschöpfung auch soziale Auswirkungen hatten.
Lange nach Carlowitz hat man diesen Begriff weiterentwickelt, Institutionen haben sich damit befasst, zum Beispiel die UNO mit ihrem Brundtland-Bericht. Der Bundestag hat eine Enquete-Kommission dazu eingesetzt. Viele Konferenzen fanden in Deutschland, Europa und der Welt statt. Rio de Janeiro wurde hier zum Beispiel erwähnt. Trotzdem sind die Schlussfolgerungen daraus für das eigentliche Handeln ziemlich kontrovers.
Ich möchte auf einige Punkte, die hier angesprochen wurden, noch einmal eingehen. Der Bundestag mit seiner Enquete-Kommission hat sich auf das Drei-SäulenModell bezogen, dieses Nachhaltigkeitsdreieck mit den drei Aspekten Ökologie, Ökonomie und Soziales an den drei Ecken und den Schnittstellen von allen in der Mitte. Ich glaube, dieses integrierende Nachhaltigkeitsdreieck macht sehr deutlich, in welche Zielrichtung Nachhaltigkeit gehen soll. Allerdings wird dadurch auch die Kontroverse der Nachhaltigkeitsdebatte deutlich.
Es ist klar: Es reicht nicht aus, ausschließlich ökonomische Parameter bei der Festlegung politischer Rahmenbedingungen für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung zu setzen. Das ist völlig unbestritten. Aber es ist genauso wenig möglich, ausschließlich soziale oder ökologische oder von mir aus auch sozialökologische Aspekte – wie hier angesprochen – als Richtschnur allen politischen Handelns zu stellen;
dies verbunden mit der Aussage: Die Wirtschaft wird sich dessen schon annehmen, sie wird sich darauf schon einstellen, und die entstehenden Kosten haben nur eine untergeordnete Rolle; denn die decken wir mit den daraus resultierenden zukünftigen Steuereinnahmen. Das ist nicht unser Ansatz.
Mit dem Blick auf dieses Nachhaltigkeitsdreieck kann es nicht sein, dass ein einzelner Feldhamster oder eine vermutete Fledermauspopulation dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen oder Unternehmensansiedlungen
behindern oder womöglich verhindern. Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Das sieht meine Fraktion äußerst kritisch.
Mit dem Ziel, soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte möglichst in Einklang zu bringen, macht es Sinn, wie bereits in anderen Bundesländern nun auch hier in Sachsen eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
Ich möchte noch einmal kurz auf das in der Strategie enthaltene und von Staatsminister Kupfer angesprochene politische Handlungsfeld Wirtschaft und Innovation eingehen. Natürlich beschränkt sich das Ziel, Innovation zu erreichen, nicht nur auf die Wirtschaft selbst. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft ist jedoch meist die Voraussetzung, bis neuentwickelte Produkte, Dienstleistungen und Verfahren entstehen und letztendlich in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Innovation werden.
Sicherlich ist die Begrifflichkeit – und das wurde hier auch diskutiert – „nachhaltiges Wachstum“ oft umstritten; denn es wird unterstellt, dass ein Wachstum immer einen Mehrverbrauch an Ressourcen nach sich zieht. Dass allerdings Wachstum ausschließlich von Dreck und Müll begleitet ist, wie Sie, Frau Dr. Pinka, hier deutlich gemacht haben, war vielleicht vor 1989 möglich. Aber diese geltende Theorie ist in Sachsen und in Deutschland längst überholt.
Ja, bitte.
Ich war mit meinen Ausführungen noch nicht am Ende. Natürlich müssen wir das Wachstum immer wieder hinterfragen und vielleicht auch neu definieren. Es ist eine ständige Frage, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen. Das möchte ich gleich ausführen. Wir befinden uns in diesem Punkt nicht in einer Kontroverse.
Der Aspekt, nachhaltiges Wachstum zu erzeugen, wird vielleicht an einem Beispiel deutlich: Der Energieverbrauch je Einheit des Bruttoinlandsprodukts hat sich seit dem Jahr 1980 fast halbiert. Dieser Rückgang des Verbrauchs von Ressourcen zur erzielten Wertschöpfung macht deutlich, dass sich die Herangehensweise an den Wachstumsbegriff ständig ändert. Wir befinden uns letztendlich noch nicht am Ende des Weges. Die Möglichkeiten eines ressourcenschonenden Wachstums – ich nenne es einmal so – wird von uns natürlich bejaht und kann in vielerlei Hinsicht auch heutzutage schon nachge
wiesen werden. Durch Innovationen nehmen die menschlich geschaffenen Ressourcen zu. Nachfolgende Generationen profitieren von mehr Wissen, Qualitätsverbesserungen und einer immer größeren Auswahl an Produkten und Verfahren.
Betrachtet man also Wachstum vorrangig als qualitative Veränderung, die zu innovativen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen führt, so löst sich der vermeintliche Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit auf. Stattdessen wird deutlich, dass nachhaltiges Wirtschaften gerade erst durch innovatives Wachstum möglich wird. In einer wachsenden Wirtschaft werden die finanziellen Mittel erwirtschaftet, mit denen soziale und ökologische Maßnahmen finanziert werden. Diese wiederum wirken sich als positive Rahmenbedingungen auf das nachhaltige Wachstum aus – womit ich wieder bei dem bereits beschriebenen Nachhaltigkeitsdreieck bin.
Eine moderne Innovationspolitik verlangt nach einem neuen Verständnis der Staatsausgaben und vielleicht, lieber Kollege Thomas Jurk, auch nach neuen Definitionen des Wachstumsbegriffs. Es müssen Freiräume für Kreativität geschaffen werden. Es müssen Rahmenbedingungen ganz im Sinne von Hannß Carl von Carlowitz gesetzt werden.
Wir werden diese Debatte in diesem Haus fortsetzen. Es sollte heute ein erster Aufschlag sein. Wie wichtig dies ist, haben die Reden gezeigt.
Herzlichen Dank.
Ihnen mag vielleicht der Glaube fehlen. Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir zu dieser ressortübergreifenden Debatte gewillt sind. Ich sagte bereits, dass es heute ein erster Aufschlag war, dieses Thema in den Landtag hineinzubringen.
Es gibt bereits jetzt einen ressortübergreifenden Ansatz. Das zeigte auch die Rede von Staatsminister Kupfer. Er nannte die vielen Aspekte wie Bildung, Wirtschaft und Umwelt. Das ist bereits ressortübergreifend. Es mag sein, dass die Zielrichtung oder die notwendigen Umsetzungen Ihrer Meinung nach die falschen sind. Wir denken, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir sind bereit, darüber zu diskutieren und bestimmte Fehlentwicklungen abzustellen. Die Richtung ist bereits jetzt ressortübergreifend bestimmt worden.
Ich komme kurz auf Hannß Carl von Carlowitz zu sprechen. Es mag sein, dass aus der damaligen Sicht gewisse Fehlentwicklungen in Bezug auf die Fichte abgeleitet wurden. Trotzdem war der Ansatz von Carlowitz im Vergleich zu vorher ein deutlicher Fortschritt. Es spielen letztendlich ökologische Wirkungen und am Ende soziale Wirkungen eine Rolle. Es hätte an mancher Stelle anders laufen können. Es war jedoch ein deutlicher Fortschritt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Agrarpolitik ist, historisch gewachsen, der Politikbereich, der in der Europäischen Union bereits am weitgehendsten nach gemeinsamen Regularien abläuft und dessen Finanzierung am stärksten über den EU-Haushalt vollzogen wird. Um diese Entwicklung richtig zu verstehen und zu werten, gestatten Sie mir einige Sätze zur Historie.
Die Europäische Union und davor bereits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft haben von Anfang an, also bereits seit Ende der Fünfziger- und Sechzigerjahre, im Agrarsektor versucht, gemeinsame Ansatzpunkte zu verfolgen. Diente diese gemeinsame Agrarpolitik zuerst dazu, nach dem Krieg eine moderne Landwirtschaft in Europa zu schaffen, war später – speziell in den Achtzigerjahren – die Begrenzung der Überproduktion von Nahrungsmitteln der Grund für dieses gemeinsame Handeln. Die Milchseen, Getreide- und Butterberge gehören längst der Vergangenheit an, haben sich aber lange in den Köpfen der Menschen festgesetzt, und bei den Vorschlägen der Kommission hat man den Eindruck, dass sie aus einigen Köpfen überhaupt noch nicht wieder heraus sind.
Anfang der Neunzigerjahre gab es durch die sogenannte MacSharry-Reform einen grundlegenden Wandel, der bis heute die Grundlagen der Agrarpolitik legt. Damals wurden durch die Festlegung von an die Produktion gekoppelten Prämien und die Zwangsflächenstilllegung sowohl die Produktionsmenge als auch die Erzeugerpreise deutlich gesenkt. Diese Zahlungen an die Landwirte sorgten für einen Ausgleich des Preisverfalls bei den
Agrarrohstoffen, was wiederum die Grundlage für die bis heute geringen Steigerungen der Lebensmittelpreise gegenüber anderen Produkten bildete. Diese produktionsgebundenen Zahlungen wurden später wieder entkoppelt und in Betriebsprämien umgewandelt – zumindest in Deutschland ist dies weithin vollzogen –, die heute in Form von Zahlungsansprüchen die Grundlage für die Direktzahlungen an unsere Landwirte bilden. Aber sie haben immer noch – wie zu Beginn der Phase der Prämienzahlung – zumindest indirekten Einfluss auf relativ stabile Nahrungsmittelpreise.
Durch die "Agenda 2000" wurde in diese europäische Agrarpolitik die Förderung von Umweltmaßnahmen und der Entwicklung der ländlichen Räume integriert. Daher spricht man heute von zwei Säulen in der Agrarpolitik: zum einen die Direktzahlungen an die Landwirte und zum anderen die zweite Säule mit Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes, welche derzeit in Sachsen in zahlreichen verschiedenen Richtlinien verankert sind. Staatsminister Kupfer hat bereits auf die Vielfalt der darin enthaltenen Fördermaßnahmen hingewiesen.
Von Anfang an legte der Freistaat in der zweiten Säule sehr erfolgreich einen Schwerpunkt auf die Förderung einer umweltgerechten Landwirtschaft – was auch in Zukunft so bleiben muss. Hierbei gibt es zum Teil Auflagen an die Bewirtschaftung, die über die Auflagen im ökologischen Landbau deutlich hinausgehen, und wenn wir betrachten, welche Flächen in unserem Freistaat ökologisch bewirtschaftet werden, dann müssen auch wir den Fokus auf diese Flächen richten und sie in unsere Betrachtungen einbeziehen.
Durch die Umschichtung aus der ersten in die zweite Säule auf der Basis der sogenannten Modulation werden darüber hinaus zusätzlich den Landwirten Mittel der direkten Zahlungen entzogen und den Entwicklungsprogrammen des ländlichen Raumes zugeführt. Außerdem ist der Erhalt von finanziellen Zuwendungen an die Einhaltung zahlreicher Auflagen gebunden. Diese Verbindung von Agrarförderungen in den sogenannten Cross Compliances gibt es in keinem anderen Förderbereich, und sie führt bei Verstößen oft zu Doppelsanktionierungen für die Betroffenen. Mich würde einmal interessieren, wie das in anderen Politik- oder Förderbereichen gewertet wird.
Wir haben heute mit dem europäischen Agrarhaushalt ein Instrumentarium, das seinen Fokus im gesamten ländlichen Raum hat und vor allem für die Zahlung von Mitteln – speziell an die Landwirte – immer höhere und anspruchsvollere Auflagen festlegt. Was ich damit sagen will: Unsere Bauern bekommen nicht einfach Steuergelder geschenkt, sondern sie erbringen sehr anspruchsvolle Gemeinwohlleistungen für die gesamte Gesellschaft, welche natürlich auch vergütet werden müssen. Dies muss auch weiterhin die Grundlage der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik bleiben.
Trotz aller Kritik im Detail kann die europäische Agrarpolitik insgesamt als Erfolgsgeschichte gewertet werden, und das weit über die Landwirtschaft hinaus.
So flossen in der ELER-Förderperiode von 1991 bis 2007 2,2 Milliarden Euro an Fördermitteln in den ländlichen Raum unseres Freistaates, die ihrerseits wiederum Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro ermöglichten. Dazu gehörten zum Beispiel die Renovierung von mehr als 40 000 ortsbildtypischen Gebäuden durch Kommunen oder Privatpersonen. Weiterhin wurden mit den Mitteln der ländlichen Entwicklung in dieser Zeit 1 560 Kilometer kommunale Straßen saniert und etwa 2 000 Arbeitsplätze, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, geschaffen.
Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, auf welchem dann 2007 aufgebaut wurde. Die auslaufende Förderperiode wird durch die Bindung einzelner Maßnahmen an längerfristige Zeiträume noch über das Jahr 2013 hinaus wirken, auch wenn noch nicht klar ist, welche Mittelausstattung dann vorhanden sein wird. Um dieses Risiko zu minimieren, wäre es der einfachste Weg, in den letzten Jahren der Förderperiode keine Neueinstiege, beispielsweise in die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen, zu gestatten.
Daher begrüße ich es ausdrücklich, Herr Staatsminister, dass sich das SMUL entschlossen hat, nicht dieses dünne Brett zu bohren, sondern einstiegswilligen Betrieben den Einstieg zu gewährleisten und die Finanzierung über das Jahr 2013 hinaus bereits jetzt zuzusagen.
Herr Staatsminister Kupfer ist bereits darauf eingegangen, wie erfolgreich diese sächsischen Programme in den letzten Jahren gewirkt haben. Bei der Investitionsförderung in der Land- und Ernährungsgüterwirtschaft ist jedoch sowohl durch die enorme Antragsflut als auch durch Mittelumschichtungen, um den Bau oder die Sanierung beispielsweise von Kitas, Schulen, Krankenhäusern im ländlichen Raum zu fördern, jetzt das Ende der zur Verfügung stehenden Fördermittel abzusehen.
Dies würde berechtigterweise zu großen Enttäuschungen bei investitionswilligen Landwirten führen und darf nicht einfach so hingenommen werden. Daher möchte ich Sie, Herr Staatsminister, bei Ihrem jetzt angekündigten Bemühen klar unterstützen und darum bitten, weitere Umschichtungen von nicht abgerufenen Mitteln des ELER in Richtung der Richtlinie LuE vorzunehmen sowie die zusätzliche Verwendung von GAK-Mitteln für die Jahre 2012/2013 und darüber hinaus zu prüfen.
Zurzeit befinden wir uns in der Phase der Neuaufstellung des EU-Haushaltes für den Zeitraum 2014 bis 2020. Agrarkommissar Cioloş und sein Kabinett hatten, um die Ausrichtung der zukünftigen Agrarpolitik zu bestimmen, sogenannte neue Herausforderungen formuliert, was ich für eine gute Grundlage für eine Richtungsbestimmung halte. Diese neuen Herausforderungen betreffen die Gewährleistung der Ernährungssicherheit, die nachhaltige
Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Luft, Biodiversität und Böden, die Klimaveränderungen, die zunehmende Globalisierung und steigende Preisvolatilität, die Vielfalt von Betriebsstrukturen und Produktionssystemen optimal zu nutzen und ihre soziale räumliche und strukturierende Rolle aufrechtzuerhalten, den räumlichen und sozialen Zusammenhalt in den ländlichen Gebieten der Europäischen Union zu stärken, die Umsetzung im Rahmen der GAP gerecht und ausgewogen zwischen den Mitgliedstaaten und Landwirten zu verteilen und – man höre und staune – die Durchführungsverfahren im Rahmen der GAP weiter zu entbürokratisieren.
Aus den neuen Herausforderungen leitete die Kommission strategische Ziele der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik ab. All das konnte man als guten Ausgangspunkt für eine Neubestimmung der Gemeinsamen Agrarpolitik werten. Nach der Parlamentsbefassung im Oktober und den erneut durch das Kabinett Cioloş vorgestellten Grundlagen für die künftige GAP bin ich der Meinung, dass der neue Vorschlag mit dieser Fokussierung auf die neuen Herausforderungen nur noch zum Teil etwas zu tun hat.
Natürlich ist es klar, dass bei einer Ausweitung der Europäischen Union auf 27 Mitgliedsstaaten nicht alles so bleiben kann, wie es jetzt ist; das ist überhaupt keine Frage. Aber die angedachte Umsetzung ist nur schwer nachzuvollziehen.
In der ersten Säule, also der Direktzahlungen an die Landwirte, sollen zusätzliche Auflagen eingebaut werden, deren Steuerungsziele nur schwer zu rechtfertigen sind und deren bürokratischer Aufwand exorbitant sowohl bei den Landwirten, aber auch bei den staatlichen Stellen zu Buche schlagen wird. Eine Festlegung von Direktzahlungsobergrenzen an die Landwirte ist abzulehnen, auch wenn durch die Berücksichtigung des schon mehrfach diskutierten, aber nie konkretisierten Arbeitskraftfaktors kaum ein sächsischer Betrieb betroffen sein wird. Das ist überhaupt keine Frage. Trotzdem ist es ein klarer Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik und mit Blick auf die Entstehung unserer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik nicht zu rechtfertigen.
Hinzu kommt, dass eine einheitliche europäische Festlegung eines Arbeitskraftfaktors aufgrund der verschiedenen Erfassungsmodelle von Arbeitskräften und der breit gefächerten Betriebs- und Eigentumsformen für mich schlicht und ergreifend unmöglich erscheint. Wenn Sie, Frau Kagelmann, sagen, dass wir die Agrarpolitik über die Grenzen Sachsens und auch Deutschlands hinaus betrachten müssen, dann müssen wir es bei einem solchen Arbeitskraftfaktor auch tun. Wie diese einheitliche Abrechnung in Europa erfolgen soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Also wehret den Anfängen!
Es geht dabei nicht allein darum, ob das ein bürokratischer Mehraufwand für die Betriebe ist. Die zusätzliche
Erfassung, Kontrolle und möglicherweise auch Sanktionierung des Arbeitskraftfaktors auf staatlicher Seite würde nicht nur in Sachsen, sondern europaweit der erforderlichen Reduzierung von Staatsausgaben entgegenwirken. Gleiches gilt für das angedachte Greening, also die Einhaltung von zusätzlichen Umweltauflagen als Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen.
Dabei sehe ich für unsere sächsischen umweltgerecht produzierenden Landwirte kein unlösbares Problem, ganz im Gegenteil: Dort stehen zum Teil Dinge drin, die viele Landwirtschaftsbetriebe sogar begrüßen werden. Aber auch hier heißt es für den Staat: zusätzlich erfassen, kontrollieren und sanktionieren. Es ist nicht nachvollziehbar, wie in einer Phase dramatischer Finanzprobleme ihrer Mitgliedsstaaten und mit Blick auf die selbst formulierten neuen Herausforderungen, von der Europäischen Union Vorschläge für eine zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik gemacht werden, welche nach bisherigen Einschätzungen den Verwaltungsaufwand um 15 bis 18 % erhöhen werden.
Ich gehe davon aus, dass bei dieser Schätzung nicht gerade nach oben gerundet wurde. Diesbezüglich muss es dringend eine Vereinfachung geben. Alles andere wäre nicht zu akzeptieren.
Wie bereits gesagt, ist eine der formulierten neuen Herausforderungen die Gewährleistung der Ernährungssicherheit, hier nicht nur mit Blick auf Europa. Wörtlich heißt es in der Mitteilung des Agrarkommissar Cioloş: „Da der weltweite Bedarf künftig weiter ansteigen wird, muss die EU in der Lage sein, zur Deckung des weltweiten Nahrungsmittelbedarfs beizutragen.“
Was daran neu sein soll, weiß ich jetzt nicht, aber ich bin froh, dass man dieses Thema überhaupt wieder auf die Tagesordnung hebt. Wenn man aber gleichzeitig die Einführung einer verpflichtenden ökologischen Flächenstilllegung plant – es ist mir jetzt völlig egal, wie man es anders noch nennen könnte –, dann stellt man sich bezüglich der Qualität der Vorschläge einige Fragen, die ich hier lieber nicht tiefer beleuchten möchte. Man kann nicht nur über den Hunger in der Welt klagen und gleichzeitig aus einer Luxussituation in Europa heraus erneut den bewussten Entzug von Flächen für die Nahrungsmittelproduktion fordern. So etwas lehnt meine Fraktion kategorisch ab.
Frau Kagelmann, wenn Sie von gewachsenen Verbraucheransprüchen sprechen und es viele Bevölkerungsteile auf der Welt gibt, die einfach einmal satt werden wollen, dann ist das nicht allein eine Frage der Qualität. Deshalb ist eine bewusste Verringerung der Nahrungsmittelproduktion in Europa nicht hinnehmbar.
Dann noch zu einem anderen Punkt. Sie haben gesagt, in den meisten Betrieben wären doch genügend Flächen vorhanden, die dafür genutzt werden könnten. Na, wenn
sie bereits vorhanden sind, dann brauchen wir es doch nicht auch noch hineinzuschreiben und mit einem Bürokratieaufwand zu verbinden, der damit überhaupt nicht zu begründen ist. Ich verstehe das nicht und lehne das auch kategorisch ab.
Auch in anderen Bereichen der GAP soll es zu schwer nachvollziehbaren Veränderungen bzw. zusätzlichen
bürokratischen Belastungen kommen. Auch einige Vorschläge, die man hier machen könnte, sind meiner Meinung nach noch zu ergänzen. Zum Beispiel die geplante Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete auf der Grundlage der neuen acht biophysikalischen Parameter führt zu Veränderungen in der bisherigen Gebietskulisse, die nicht akzeptabel sind. Beispielsweise würden aufgrund dieser am grünen Tisch festgelegten neuen Berechnungsmethode weite Teile des Vogtlandes aus der Förderung herausfallen, ohne dass sich etwas an den natürlichen Bedingungen geändert hat. Das kann man doch nicht so einfach hinnehmen wollen.
Cross Compliance darf nicht weiter verschärft und mit zusätzlichen Auflagen versehen werden. Eine Doppelung des Fachrechtes ist zu vermeiden, um die Landwirte und die Verwaltung spürbar zu entlasten. Außerdem sind die Direktzahlungen nun endlich nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa von der Produktion zu entkoppeln. Ausnahmetatbestände, wie erneut vorgesehen, sind einfach abzulehnen.
Bezüglich der Prüfung des Kriteriums „Aktiver Landwirt“ ist meiner Meinung nach nicht von irgendwelchen bürokratischen Größen, sondern von der aktiven Bewirtschaftung auszugehen und sie zugrunde zu legen.
Hinsichtlich der Förderung des Risikomanagements sprechen wir uns weiter dafür aus, dass die Finanzierung der Risikoabsicherungsinstrumente in Deutschland über die zweite Säule erfolgen solle bzw. dass dies ermöglicht werden soll.
Außerdem halten wir es für sinnvoll, zukünftig erneut Anreizkomponenten bei der Förderung von Agrarumweltmaßnahmen zuzulassen und die zulässigen Bewirtschaftungszeiträume nicht an ein starres Datum, sondern zum Beispiel an phänologische Termine zu binden.
Es sollte auch einmal darüber nachgedacht werden, ob nicht bestimmte Maßnahmen generell über die gesamte Förderperiode eingehalten werden müssen oder ob nicht auch Umwelteffekte bei kürzeren Zeiträumen zu erzielen sind. Hier wäre noch Vieles fortzusetzen, aber ich denke, dass wir nicht das letzte Mal darüber diskutieren. Deshalb zum Schluss noch zum Geld.
Letztendlich bleibt die Frage völlig unabhängig von der Verteilung der europäischen Mittel und der Schwerpunktsetzung bei der Förderung, wie die Höhe des Gesamtagrarhaushaltes festgelegt werden soll. Dabei besteht nach wie vor der Irrglaube, dass der größte Teil des EUHaushaltes Agrarausgaben sind. Dieser Anteil hat sich
jedoch in den letzten Jahren mit weiter abnehmender Tendenz auf 40 % reduziert. Trotzdem wird vor dem Hintergrund allgemeiner Sparzwänge besonders im Bereich der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes insgesamt nach Einsparpotenzialen gesucht.
Ich möchte hier einmal klarstellen, dass die Ernährungssicherung des europäischen Kontinents, der Erhalt gepflegter Kulturlandschaften und die Produktion von biogenen Rohstoffen für die Wirtschaft den Steuerzahler kaum belasten, zumindest nicht in dem Maße, wie es oft eingeschätzt wird. Der Anteil der Ausgaben an öffentlichen Geldern für die Landwirtschaft beträgt EU-weit nicht mehr als 1 %, während wir für Soziales über 40 %, für Gesundheit 14 %, für Verwaltung 14 %, für Bildung 11 %, für Militär 4 % oder für öffentliche Sicherheit 3,5 % verwenden. Das heißt also: Finger weg von diesen schon bescheidenen Agrarmitteln!
Bisher ist die zu erwartende Höhe des Agrarhaushaltes noch völlig unklar. Es gibt Modelle, die von einer leichten Erhöhung von derzeit 413 auf 418 Milliarden Euro bis hin zu einer Reduzierung um 12 % auf 366 Milliarden Euro ausgehen. Dies muss alles im Kontext mit der in den letzten Jahren erfolgten Erweiterung auf 27 Mitgliedsstaaten gesehen werden, wobei die neuen Mitglieder verständlicherweise bei den zukünftigen Ausgaben eine deutlichere Berücksichtigung fordern. Das bedeutet, dass die Mittel für unseren Freistaat selbst bei gleichbleibender Höhe des Gesamtagrarhaushaltes zukünftig sinken werden. Das heißt auch, dass eine darüber hinausgehende Mittelabsenkung, um andere Projekte der EU zu finanzieren, nicht hinnehmbar sein kann.
Meine Damen und Herren! Bei aller Kritik halte ich es für sinnvoll, weiterhin aktiv eine gemeinsame europäische Agrarpolitik zu gestalten. Es hätte in anderen Politikfeldern sehr viel Schaden vermieden werden können, wenn man da bereits auch so weit wäre. Es macht Sinn, weiterhin an dem bewährten Zweisäulenmodell festzuhalten und zielgerichtet auch die neuen Mitgliedsstaaten zu entwickeln. Aber unsere Fraktion verlangt eine deutliche Vereinfachung der künftigen gemeinsamen Agrarpolitik und ein klares Bekenntnis zur weiteren Entwicklung unserer ländlichen Räume, was auch finanziell untersetzt werden muss.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das dem GRÜNEN-Antrag zugrunde liegende Thema der Produktion unserer tierischen Lebensmittel, vor allem der Art und Weise, in der sie produziert werden, hat auch in meiner Fraktion hohe Priorität. Es hat durchaus Sinn, auch in diesem Hohen Haus immer wieder einen Blick auf diese Problematik zu werfen.
Da es allerdings ein sehr sensibles Thema ist, halte ich es für gänzlich ungeeignet, um darüber zu polemisch zu diskutieren. Deswegen möchte ich um eine sachliche und nicht bewusst Ängste schürende Diskussion bitten.
Ich meine damit in erster Linie die Wortwahl in dem Antrag selbst. Wer durchgehend die nicht definierten Begriffe „Tierfabriken“ und „industrielle Massentierhaltung“ verwendet, suggeriert Bilder, die der Realität in der sächsischen Landwirtschaft nicht gerecht werden und die den Verbraucher leider zwangsläufig verunsichern. Das Bild der Telefonzelle, lieber Kollege Weichert, trägt leider auch dazu bei.
Auch unsere Fraktion nimmt das Thema Tierschutz sehr ernst, allerdings verbunden mit dem konkreten Blick auf das Tier selbst und ohne die Pauschalierung, dass „klein“ generell gut und „groß“ generell schlecht sei. Es ist immer entscheidend, wie es dem Einzeltier geht, nicht jedoch, ob um das Tier herum noch fünf oder 500 Tiere gehalten werden. Natürlich gibt es auch in großen Ställen die Gefahr nicht tiergerechter Haltung. Aber auch das ist ein Grund, weshalb im Freistaat Sachsen die Errichtung moderner Ställe größenunabhängig gefördert wird, um möglichst optimale Bedingungen für die Tierhaltung zu schaffen.
Wie „groß“ nicht generell schlecht sein muss, ist „klein“ nicht generell gut. Wenn in schlecht belüfteten und schlecht beleuchteten Ställen Rinder, möglicherweise an Ketten hängend, gehalten werden, ist das nicht tierschutzgerecht, auch wenn es sich nur um eine geringe Anzahl von Tieren handelt und der Begriff „industrielle Tierproduktion“ hier wohl nicht passend wäre.
Den im vorliegenden Antrag eingeforderten Handlungsbedarf sehen wir in diesem Maße nicht. Die sächsische
Landwirtschaft hat ein hohes Niveau bei der artgerechten Haltung unserer Nutztiere. Gerade den Vergleich mit der deutlich kleiner strukturierten Landwirtschaft anderer Bundesländer braucht der Freistaat weiß Gott nicht zu fürchten.
Das trifft auch auf den im Antrag angesprochenen Viehbesatz zu. Unser viehstärkster Landkreis ist mit 0,85 Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der Erzgebirgskreis. Im Vergleich dazu werden in dem deutlich größeren, aber landwirtschaftlich viel kleiner strukturierten Bundesland Nordrhein-Westfalen 1,26 Großvieheinheiten pro Hektar gehalten, also 150 % des sächsischen Niveaus. Die Konzentration zahlreicher Tierhaltungsanlagen auf engstem Raum – wie im Landkreis Vechta in Niedersachsen mit 3,3 Großvieheinheiten pro Hektar; das ist fast das Vierfache des Wertes in unserem Landkreis mit dem höchsten Viehbesatz – gibt es in Sachsen nicht. Wir haben eher das entgegengesetzte Problem – das ist schon angedeutet worden –: Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch liegt in Sachsen bei nur 40 % des Verbrauchs.
Die Forderung nach Einführung eines einheitlichen Tierschutzlabels klingt gut, würde aber eine weitere Bürokratisierung mit aufwendigen Zertifizierungs- und Kontrollverfahren verursachen und sowohl bei den Landwirten als auch bei den staatlichen Stellen zu erheblichen Mehraufwendungen führen. Außerdem hätte dieses Label eine fragwürdige Aussagekraft; denn allein die Haltungsform sagt über die Qualität des erzeugten Produktes, also des Lebensmittels, nur wenig aus und wird daher von uns auch abgelehnt.
Die durch die Sächsische Bauordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen und die bereits jetzt aus aufwendigen BImSchG-Verfahren resultierenden Auflagen betrachten wir als mehr als ausreichend. Eine weitere Verschärfung hätte nicht zur Folge, dass anders gebaut würde, sondern es käme kaum noch zu Investitionen in die Tierhaltung. Damit würden dringend zu modernisierende Ställe so lange in dem derzeitigen Zustand weiterbetrieben, bis die Produktion eingestellt wird. Der Fleischverbrauch ginge aber nicht zurück, sondern die Produkte würden nur woanders hergestellt, und zwar oft in Ländern, in denen Tierschutz ein Fremdwort ist und in denen man bei Nennung des Begriffs „BImSchG-Verfahren“ wohl nur verständnislos den Kopf schüttelt.
Wir könnten uns dann zwar lobend auf die Schulter klopfen, dass das Problem Tierhaltung in Sachsen nicht mehr besteht, müssten aber gleichzeitig schweigend die Augen schließen, um nicht zu sehen, wie außerhalb Sachsens, Deutschlands und Europas unsere Lebensmittel produziert werden, damit wir sie – möglichst billig – im Supermarkt kaufen können. Das Sankt-Florians-Prinzip in Perfektion!
Zur bodengebundenen Landwirtschaft noch ein Wort! Auch für mich ist es der Idealfall, wenn die bestehenden Landwirtschaftsbetriebe, gebunden an ihre Flächen, die Produktion ausrichten. Eine zu starke Einschränkung der
Tierhaltung in Bezug auf die Fläche trifft allerdings auch nicht nur die Großen, sondern auch den kleinen, flächenarmen Landwirt, der durch Erweiterung und Spezialisierung seines Veredelungsbetriebes seine Einkommensbasis verbessern will, egal ob in den Bereichen Milch, Schwein oder Geflügel. Gerade den jungen Landwirten würden Chancen genommen, wenn sie am Start des Aufbaus ihres Landwirtschaftsbetriebs stehen.
Außerdem regelt die Düngeverordnung sehr klar – auch für den Bereich der organischen Dünger – Höchstmengen und Ausbringungszeiträume, was einer Überdüngung unserer Böden vorbeugt und zwangsläufig auch gewerbliche Produzenten zu einer vertraglichen Bodenbindung ihrer Produktion zwingt. Das ist völlig unabhängig davon, ob der organische Dünger im eigenen Betrieb produziert worden ist oder von anderen Betrieben kommt. Die Düngeverordnung ist in jedem Fall einzuhalten. Deshalb ist Ihre Aussage, Kollege Weichert, dass es zwangsläufig zu einer Überdüngung kommt, falsch.
Das Thema „externe Investoren“, vor allem im gewerblichen Tierhaltungsbereich, wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Es ist mir jedoch deutlich lieber, in Sachsen werden neue, moderne Ställe gebaut oder ein nicht sächsischer Investor errichtet unter unseren heute schon strengen Haltungsbedingungen einen Tierproduktionsbetrieb in unserem Freistaat, als dass diese Investitionen aus Sachsen abfließen. Diese Investitionen führen in unserem Freistaat nicht nur zu Wertschöpfung im ländlichen Raum, sondern die Produktion unserer Lebensmittel findet dann auch unter unserer Kontrolle statt, was, wenn man dies unseren Verbrauchern in diesem Sinne verdeutlicht, zu mehr und nicht zu weniger Vertrauen in unsere einheimische Lebensmittelproduktion führen kann.
Allerdings muss man bereit sein, mit dem Thema sachlich umzugehen. Diese Bereitschaft spreche ich dem Kollegen Michael Weichert von Bündnis 90 nicht ab; aber so richtig wird dies in dem vorliegenden Antrag leider nicht deutlich. Das heißt, dass wir die Diskussion über das Thema sowohl intern als auch öffentlich – allerdings ohne Vorurteile und reißerische Bilder – fortsetzen sollten.
Es ist wichtig, dass wir für unsere Landwirtschaft Bedingungen schaffen, damit Fleisch auch zukünftig in hoher Qualität und unter strengen Kontrollen produziert werden kann. Ich bin zu dieser Diskussion gern bereit. Den vorliegenden Antrag allerdings müssen wir aus den genannten Gründen ablehnen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder um diese Jahreszeit debattieren wir in diesem Hohen Hause über das Thema „Gentechnisch veränderte Organismen“ und dabei speziell über die grüne Gentechnik. Dabei geht es einmal um die Maissorte MON 810 oder, wie im letzten Jahr, um die Kartoffelsorte Amflora oder um die grüne Gentechnik im Allgemeinen – dies alles in einem Umfeld von stetig steigendem Anbauumfang von GVO in der Welt in inzwischen 29 Ländern, von 15 Millionen Landwirten und auf einer Fläche von etwa 150 Millionen Hektar. In der Summe der Jahre wurde inzwischen längst die 1-Milliarde-Hektar-Grenze überschritten.
Die Themen dieser jährlichen Debatten wechseln. Was jedoch ausbleibt und auch im vorliegenden Antrag erneut
fehlt, ist die Begründung bzw. sind neue Erkenntnisse, welche Gefahren eigentlich von den über viele Jahre geprüften und durch umfangreiche Verfahren zugelassenen Pflanzen ausgehen. Außer Konjunktiven kein neues Wort, wo es in der Welt trotz des enormen Anbauumfanges zu Schädigungen von Mensch und Natur gekommen ist. Trotzdem nun diesmal der Antrag auf ein generelles Anbauverbot.
Es ist richtig, dass von der Mehrheit der Bevölkerung gentechnisch veränderte Organismen in den Lebensmitteln abgelehnt werden. Dies ist aufgrund der immer wieder auch durch solche Anträge geweckten Emotionen nicht verwunderlich. Wie sonst soll auch der völlig verunsicherte Verbraucher auf die immer wieder verbreiteten Horrorszenarien reagieren, wenn nicht mit äußerster Vorsicht? Aber ich lehne es ab,
ohne wissenschaftliche Begründung Ängste vor von Gentechnik ausgehenden Gefahren zu schüren und daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist unredlich – was jedoch nicht heißt, dass man die Messlatte für die Zulassung und letztendlich den Anbau dieser Pflanzen sowie den Einsatz in der Ernährung von Mensch und Tier sehr hoch legen muss.
Ich bin der Überzeugung, dass die langjährigen und äußerst komplizierten Genehmigungsverfahren diese Sicherheit garantieren, aber ich halte es für genauso wichtig, solche Zulassungsverfahren immer wieder zu hinterfragen und an neue Erkenntnisse anzupassen. Hier darf nichts zur Routine werden, ganz egal, um welche Art von Gentechnik es sich handelt. Gleiches gilt jedoch auch für andere Branchen. Es ist ein sorgsamer Umgang bei jeder neuen Technologie anzumahnen, und dies gilt im Besonderen für die menschliche Ernährung oder die Medizin.
Doch wenn allein aus der Tatsache heraus, dass durch den Verzehr von gentechnisch veränderten Organismen oder auch nur von deren Minimalspuren in der Ernährung nicht abschätzbare Gefährdungen für den menschlichen Organismus abzuleiten sind, dann muss man natürlich generell die Gentechnik infrage stellen – und nicht nur die grüne.
Dies tun Sie natürlich nicht, um nicht den Unmut von Hunderttausenden Diabetikern auf sich zu ziehen, die dann kaum noch das für sie lebenswichtige Insulin hätten. Ohne Zweifel ist es so, dass man Gentechnik aus den verschiedensten Gründen befürworten oder auch ablehnen kann. Auch das habe ich an dieser Stelle schon zum wiederholten Male ausgeführt. So gibt es ethische, ernährungsphysiologische, phytopathogene, wirtschaftliche, juristische und viele weitere Aspekte. Leider werden in den öffentlichen Diskussionen meist die verschiedenen Aspekte vermischt, was nicht gerade zur Versachlichung beiträgt.
Es ist ein offenes Geheimnis – unser Kollege Michael Weichert hat es angesprochen –, dass natürlich auch in
unserer Fraktion die Gentechnik kontrovers diskutiert wird, und es ist schlicht falsch, dass wir nur deshalb, weil wir einen sachlichen Umgang mit dieser Problematik fordern, zu den kompromisslosen Befürwortern der Gentechnik gehören. Dies weise ich eindeutig zurück. Die gentechnische Veränderung von Organismen wird auch von den Kirchen – dies wurde bereits angesprochen – als ein schwerwiegender Eingriff in die Schöpfung dargestellt. Dies kann ich, wenn es konsequent auf alle Bereiche der Gentechnik ausgeweitet wird, zumindest akzeptieren. Der alleinige Bezug auf die grüne Gentechnik ist auch hier nicht akzeptabel. Wenn Ablehnung, dann bitte generell, Frau Dr. Pinka, ein bisschen schwanger geht halt nicht.
Gleichzeitig muss man die nur schwer zu beantwortende Frage stellen: Wo ist eigentlich die Grenze bei einem solchen Eingriff zu ziehen? Ohne Zweifel: Dies zu beantworten ist nicht einfach. Auch in der herkömmlichen Pflanzenzüchtung werden oftmals Mutationen mit besonderen Merkmalsausbildungen in ganz speziellen Gewächshäusern unter extremsten Bedingungen zwangsgekreuzt – ein Vorgang, der in der Natur niemals vorkommen würde. Es entstehen auch hier Organismen, die ausschließlich durch den massiven Eingriff des Menschen geschaffen werden. Greift man damit nicht auch weitestgehend in die Schöpfung ein?
Außerdem muss auch die Frage erlaubt sein, ob es mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung und im Kontext mit immer weiter zurückgehender Anbaufläche sowie dem fortschreitenden Klimawandel ethisch vertretbar ist, pauschal auf eine Möglichkeit zu verzichten, die es schneller als die konventionelle Pflanzenzüchtung ermöglicht, die Toleranz gegenüber Hitze, Trockenheit, aber auch Kälte, Staunässe, Versalzung oder auch die Nährwerte von Kulturpflanzen zu erhöhen.
Dies ist mit unserer Luxussituation in der Nahrungsmittelversorgung und dem Blick auf die Verhältnisse in der Welt für mich unvereinbar. Gleichzeitig ist es natürlich falsch – ich glaube, Liane Deicke hat es angesprochen –, einzelbetriebliche Interessen zu vertreten und Bewertungen zu treffen, ohne den Blick auf die Gesamtthematik zu behalten. Das heißt, dass ein Zulassungsverfahren auch trotz erkennbarer Vorteile negativ beschieden werden muss, wenn wissenschaftlich begründete Ergebnisse dies verlangen.
Das gilt jedoch auch für den entgegengesetzten Fall. Ich kann aus meiner eigenen betrieblichen Sicht sagen, dass mein Betrieb massiv von einem generellen Verbot der Gentechnik, speziell des gentechnisch veränderten Sojas, profitieren würde; denn wir haben einen hohen Anteil von herkömmlich gezüchteten Eiweißpflanzen, die reißendsten Absatz finden würden. Die Preise würden explodieren. Ich könnte das nur begrüßen. Aber das ist für mich nicht
der Maßstab. Der sachliche Umgang mit diesem Thema erfordert, der Thematik mit der nötigen Skepsis, aber grundsätzlich auch offen gegenüberzustehen.
Wichtig ist – darin sind wir uns einig –, dass wir endlich viel stärker als bisher zu einer sachlichen und auf eine wissenschaftliche Basis gegründete Diskussion zurückkehren müssen. Dazu gehört auch – das sage ich ausdrücklich – eine bessere und vorurteilsfreie Information der Verbraucher. Dabei bin ich durchaus für eine viel weitergehende Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die in ihrer Produktion und Verarbeitung mit gentechnisch veränderten Organismen in Kontakt kommen; denn in unserer Ernährung sind GVO viel stärker zur Selbstverständlichkeit geworden, als allgemein dargestellt wird, ohne dass es zu Gefährdungen oder gar Schädigungen gekommen ist. Dies sollte der Verbraucher auch erkennbar wissen.
Zu dem in sich widersprüchlichen und schon deshalb abzulehnenden Antrag wird mein Kollege Andreas Heinz weitere Ausführungen machen.
Vielen Dank.
Ich möchte kurzintervenieren. Und zwar möchte ich richtigstellen, dass wir keineswegs diese, wie Sie sagten, Agro-Gentechnik, grüne Gentechnik fordern. Wir fordern nur den sachlichen Umgang und wir lehnen ein Komplettverbot ab. Das ist etwas völlig
anderes, als einen Einsatz zu fordern. Das möchte ich richtigstellen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Eintritt in meine Rede möchte auch ich von dieser Stelle den erkrankten agrarpolitischen Sprecher der GRÜNEN, Michael Weichert, herzlich grüßen und schnelle und vor allem dauerhafte Genesung wünschen.