Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wehner, natürlich wird die NPD-Fraktion diesem Antrag auch zustimmen. Wir wollen Ihnen das Fragerecht gegenüber der Staatsregierung nicht streitig machen, was den Punkt 1 betrifft. Auch wir erkennen den Wert der Medizinischen Versorgungszentren für die ambulante Versorgung. Ich muss aber ganz deutlich sagen, dass es kein Allheilmittel sein wird, um die Probleme im ländlichen Raum, insbesondere bei der fachärztlichen Versorgung, zu lösen. Genauso wenig wie es das Aufheben der Residenzpflicht oder die Erleichterung von Nebenbetriebsstätten in unterversorgten Bereichen ist, genauso wenig wird es das Medizinische Versorgungszentrum sein.
Ich muss jetzt ein wenig in die Historie gehen. In den Zwanzigerjahren wurde die Kassenärztliche Vereinigung gegründet, um das wirtschaftliche Ungleichgewicht der niedergelassenen Ärzte sowohl gegenüber den Kassen als auch den anderen ambulanten Leistungserbringern aufzuwiegen, um eine Parität zwischen niedergelassenen Ärzten, Kassen und anderen Leistungserbringern zu erreichen. Deshalb auch diese klare Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, an der wir bis heute im Wesentlichen festhalten. Wenn man das als Ausgangspunkt nimmt, ist man natürlich ganz schnell bei der aktuellen Situation. Medizinische Versorgungszentren sind vor allem dort wirtschaftlich interessant, wo sie an Krankenhäuser angegliedert sind. Das ist im Moment meist der Fall.
Dazu kann ich ein Beispiel aus unserer Umgebung bringen. In Neustadt in Sachsen wurde altersbedingt eine Facharztstelle für Hals-, Nasen-, Ohrenmedizin vakant. Es fand sich trotz Ausschreibung durch den noch amtierenden alten Kollegen kein Nachfolger. Das Medizinische Versorgungszentrum „Ihres“ Klinikums, Herr Kollege Wehner, fand das interessant, zwar nicht unbedingt, um den Sitz in Neustadt weiterzuführen, sondern in erster Linie deshalb, um den fachärztlichen Kassenarztsitz zu sichern und diesen in das Medizinische Versorgungszentrum in Pirna zu integrieren.
Der Raum Pirna ist wesentlich interessanter für die Generierung von Patienten und damit natürlich auch für die Generierung von Gewinnen für dieses Medizinische Versorgungszentrum. Dies bedurfte eines langen und harten Kampfes sowohl der Bürgerschaft und des Bürgermeisters als auch des Stadtrates von Neustadt, damit nun wenigstens – als kleine Lösung – eine eintägige Sprechstunde an jedem Dienstag in der Woche in Neustadt stattfinden kann. Das wird die Probleme des ländlichen Raumes nicht lösen. Es ist wirtschaftlich orientiert. Aus diesem Grunde ist im Moment der Schutzmantel der
Kassenärztlichen Vereinigung für die niedergelassenden Ärzte im ländlichen Raum, die es dort noch in der Mehrheit gibt, eine wichtige Sache.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das war die erste Runde. Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem die Abgeordneten, ob das Wort gewünscht wird? – Ich kann nicht erkennen, dass noch ein Abgeordneter das Wort wünscht. Frau Staatsministerin Clauß, Sie möchten gern sprechen. Sie haben das Wort, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Medizinischen Versorgungszentren haben sich inzwischen als sinnvolle Ergänzung zu den Leistungsangeboten der freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten etabliert. In Sachsen gibt es mittlerweile 140 MVZ, von denen sich circa 50 % in Trägerschaft von Krankenhäusern befinden. Sie werden von Patientinnen und Patienten gut angenommen. Diese Zahlen zeigen auch, dass Medizinische Versorgungszentren eine attraktive Form der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für Krankenhäuser und Ärztinnen und Ärzte und auch sonstige Leistungserbringer darstellen.
Die MVZ leisten einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und – ich wiederhole mich gern – sind aus der ambulanten Versorgung nicht mehr wegzudenken. Medizinische Versorgungszentren erweitern die ambulante ärztliche Versorgung. Sie ersetzen nicht die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Sie können aber in manchen Regionen zur Verbesserung der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung beitragen und durch die Möglichkeit der engen Zusammenarbeit Behandlungsabläufe für Patientinnen und Patienten verbessern. Sie können Einsparungen erzielen. Sie können dort als Allgemeinmediziner selbstverständlich auch Hausarztbesuche durchführen – jetzt schon – oder auch „Agnes“ beschäftigen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zum Punkt 2 wiederhole ich unsere Position, die wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Versorgungsstrukturgesetz vertreten haben. Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurden die Möglichkeiten, MVZ zu gründen, sehr wohl eingeschränkt. Die Gründung ist seitdem nur noch in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer GmbH möglich. Für bestehende MVZ in der Rechtsform des öffentlichen Rechts gilt Bestandsschutz. Diese Einschränkungen gehen an der Versorgungswirklichkeit in Sachsen allerdings vorbei. Die Gründung von MVZ in der Trägerschaft von Gebietskörperschaften in der Rechtsform der Personenge
Aufgrund des wichtigen Versorgungsbeitrages von MVZ in kommunaler Trägerschaft hat der Bundesrat auf Initiative Sachsens in seiner Stellungnahme zum GKVVersorgungsstrukturgesetz eine Initiative gestartet, die frühere weitergehende Regelung beizubehalten. Leider konnten wir uns damals noch nicht damit durchsetzen. Weil es uns aber sehr wichtig ist, haben wir dies in einer entsprechenden Protokollerklärung niedergelegt. Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die Versorgungsrealität in strukturschwachen Gebieten für die MVZ weniger einschränkende Regelungen vorgesehen hätte.
Ländliche Regionen konnten von der bisherigen offenen Regelung, für deren Beibehaltung sich Sachsen einsetzt, profitieren. In Sachsen spielen insbesondere MVZ in kommunaler Trägerschaft, aber auch MVZ an Landeskrankenhäusern eine herausragende Rolle. Wir haben die Sorge, dass ohne die Tätigkeit dieser MVZ in einigen Regionen die ambulante und vor allen Dingen auch die psychiatrische Versorgung nicht mehr in erforderlichem Maße sichergestellt wäre.
Letztlich haben wir mit unseren Sorgen den richtigen Nerv getroffen. Im neuen Koalitionsvertrag des Bundes wurde unsere Auffassung insofern berücksichtigt, als die Kommunen künftig wieder MVZ gründen können. Das geht uns allerdings noch nicht weit genug. Deshalb geht dieser Antrag in die richtige Richtung.
Wir kommen zum Schlusswort. Für die einreichenden Fraktionen spricht Frau Jonas. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Netzwerke funktionieren nur mit ihren Partnern. Die Akteure in einem Netzwerk müssen ihre Aufgaben und ihre Verantwortung klar kennen. Bei dem vorliegenden Antrag sind die Akteure mehrfach benannt. Die Ärztekammer, die Kassen und vor allem die Kassenärztliche Vereinigung sind die Akteure, die in den nächsten Wochen und Monaten aktiver zusammenrücken sollten.
Medizinische Versorgungszentren mit ihren Vorteilen einer Festanstellung, der Familienfreundlichkeit und der wirtschaftlichen Möglichkeiten müssen für die Zukunft der ambulanten Versorgung mehr in den Fokus gerückt werden. Das bereits angesprochene Netzwerk „Medizinische Versorgungszentren Sachsens“ hat sich auf den Weg gemacht, die Interessen auch gegenüber der Politik und den Leistungserbringern aktiv zu vertreten. Die Aufgabe des Kooperationsfaktors – auch das ist mehrfach angesprochen worden –, ist eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftlichen Strukturen. Weitere Aufgaben sind die Fragen der Versicherung und die Rolle der
Möglichkeiten von Zweitpraxen. Die Möglichkeit der ambulanten Versorgung ist in Gesamtsachsen und vor allem im ländlichen Raum die Herausforderung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen wird und muss bei der Lösung der Probleme der MVZ aktiv seinen Beitrag leisten und ihnen zur Seite stehen. Dieser Antrag gibt dazu die entsprechenden Impulse, um die Gesundheitsversorgung weiter auszubauen und zukunftsfest zu machen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem vorgelegten Antrag.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/14104 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist damit die Drucksache 5/14104 beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet wie folgt: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Ich erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Herr Dr. Külow, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 27. Januar 2013 stand hier an dieser Stelle der Präsident des Sächsischen Landtages Dr. Matthias Rößler und eröffnete die alljährliche Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus. Er tat dies mit einer bemerkenswerten Begrüßungsansprache, in der er bewegende Worte für das tragische Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg fand. Für diese Rede möchte ich Ihnen, Herr Dr. Rößler, an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken. Sie machten auch auf die schreckliche Dimension dieses Verbrechens aufmerksam – ich zitiere Sie –: „Nur eine Minderheit der rund fünf Millionen Gefangenen konnte am Ende des Krieges in die Heimat zurückkehren. Die Zahl der mehr als drei Millionen Toten ist so hoch wie bei keiner anderen Kriegsgefangenengruppe.“ – Sie können sich gewiss an Ihre Rede erinnern.
Im Anschluss an den Landtagspräsidenten und den Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich sprach Dr. Alexander Haritonow von der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Er begann seinen Beitrag über die Kriegsgefangenen, die in ganz besonderer Weise unter dem NS-Regime gelitten haben, mit der Frage an die Anwesenden, die sich auch heute stellt: Wer von uns hat eine Vorstellung davon, was diese Menschen durchmachen mussten?
Er beantwortete sie mit dem Hinweis darauf, dass der Leidensweg der Opfer nicht erst im Lager, sondern schon auf dem Weg dorthin begann. Er zitierte dazu aus den
Erinnerungen von Nikolaj Gutyrja aus Russland, Überlebender des Kriegsgefangenenlagers Zeithain: „Das in den Waggons Durchlebte lässt sich kaum mit Worten beschreiben. Menschen verbluteten, schmutzige Wunden ätzten alles schwarz, in jedem Waggon starben zum Tode verurteilte Menschen an Blutverlust, Wundstarrkrampf, Blutvergiftung, vor Hunger, an Wasser- und Luftmangel, Stöhnen, Fluchen, tiefe Seufzer der Sterbenden, Fieberwahn, Sehnsucht nach der Heimat“. – So weit Nikolaj Gutyrja.
Derartige Schreckenszüge kamen auch in Sachsen an, schon wenige Wochen nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Im Juli 1941 waren die ersten Kriegsgefangenen in Zeithain eingetroffen. Hier hatte man schon im April 1941 die Einrichtung von zwei riesigen Lagern für 100 000 sowjetische Kriegsgefangene geplant. Bis zu seiner Befreiung im April 1945 sollten allein in Zeithain bis zu 30 000 Kriegsgefangene sterben.
Warum kamen aber über drei von insgesamt fünf Millionen sowjetischen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft um? Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten. Der deutsche Faschismus führte gegen die Sowjetunion einen historisch einmaligen rassistischen Vernichtungskrieg, bei dem der Tod von vielen Millionen Menschen zynisch einkalkuliert war. Dieses mörderische Ziel umfasste auch das Todesurteil für unzählige sowjetische Kriegsgefangene, die mit 3,3 Millionen Opfern nach den europäischen Juden die zweitgrößte Opfergruppe der Nazis darstellten. Viele wurden aus rassistischen und ideologischen Beweggründen ermordet, die meisten kamen durch Hunger, Kälte und Seuchen ums Leben. Als Zwangsarbeiter wurden sie bis zum Tode ausgebeutet. Für viele Überlebende ging die Tortur nach der Befreiung 1945 allerdings weiter, denn sie kamen unter dem Vorwurf des Vaterlandsverrats in Stalins Arbeitslager. Da
durch war das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen auch in der DDR über viele Jahre tabuisiert, und erst in den Neunzigerjahren begann ihr Eingang in die deutsche Erinnerungskultur.
Mit der Öffnung der vormaligen sowjetischen Archive, mit der Verabschiedung mehrerer Gesetze und Vereinbarungen zwischen Russland und Deutschland wurden dann die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ab dem Jahr 2000 die Erforschung der Schicksale von sowjetischen Kriegsgefangenen aus Mitteln des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und dem Topf der beim Bundesinnenministerium angesiedelten deutsch-russischen Historikerkommission beginnen konnte. Damit erhielt das gleichnamige Projekt, das seit 2000 von der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten erfolgreich realisiert wird, eine solide Grundlage.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, allen Mitwirkenden am Forschungsprojekt für die in den vergangenen 14,5 Jahren geleistete Arbeit ganz herzlich zu danken.
In diesem Zeitraum konnte eine Vielzahl verloren geglaubter Informationen wiederbeschafft werden. Heute verfügen wir über die Daten von rund 900 000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die in der Mehrzahl in Deutschland verstarben. Im November 2009 wurde die Datenbank Sowjetische Kriegsgefangene in Auszügen online gestellt. Die Resonanz war überwältigend. Allein am 17. November 2009 verzeichnete der Server über eine Million Zugriffe. Im März 2010 wurde dann die Webseite in Moskau der russischen Öffentlichkeit vorgestellt. Das zentrale russische Fernsehen übertrug die Präsentation live. Bis heute hält dieses Interesse an. Monatlich besuchen noch immer 20 000 Menschen die Projektseite, deren Daten sowohl für die Forschung und noch mehr für die Gedenkstätten in Deutschland, aber auch in unseren Nachbarländern sowie Belarus und Ukraine ein sehr wichtiger Bestand für die dortige Gedenk- und Erinnerungsarbeit sind.
Das Interesse der Angehörigen ist weiter enorm. Jeden Monat treffen bis zu 300 Briefe in Sachsen mit der Bitte um Schicksalsklärung ein. Nicht in einem einzigen Brief finden sich Worte des Vorwurfs gegen das deutsche Volk, wie Dr. Alexander Haritonow in der Gedenkstunde am 27. Januar 2013 erläuterte. Ganz im Gegenteil. Die Menschen sind voller Dankbarkeit, dass es in Deutschland eine Einrichtung gibt, die ihnen hilft, mehr über ihre Väter und Großväter zu erfahren, und sie über die Umstände der Kriegsgefangenschaft in Deutschland aufklärt.
Das alles ist aber nun gefährdet, wie die Antwort der Staatsregierung auf unseren vorliegenden Antrag deutlich macht. Nach derzeitigem Stand wird die Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden ab 1. Januar 2015 von Bund und Land keine Projektgelder mehr erhalten. Nach 14,5 Jahren droht das Ende. Ein Konzept zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit und die
Sicherstellung einer wie auch immer gearteten personellen Ausstattung über den 1. Januar 2015 hinaus ist offenkundig nicht vorhanden. Das ist aus unserer Sicht äußerst bedrückend, zumal schon seit vielen Monaten die Dokumentationsstelle von der Staatsregierung nahezu stiefmütterlich behandelt wird.
Die Dokumentationsstelle hat gemäß Stellenplan der Stiftung Sächsische Gedenkstätten eine Planstelle. Das ist die des Leiters. Der betreffende Kollege ist bedauerlicherweise seit Juli 2013 schwer erkrankt und kann seitdem nicht mehr arbeiten. Es fand allerdings keine Krankheitsvertretung statt. Die eigentliche Arbeit der Dokumentationsstelle erfüllen die Projektmitarbeiter. Derzeit sind das 1,5 wissenschaftliche Mitarbeiterstellen sowie