Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Minuten, GRÜNE 15 Minuten, NPD 10 Minuten; Staatsregierung zweimal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Müsliriegel und Eierschecke. Bezahlbares Wohnen bleibt

komplett auf der Strecke – Miete steigt, Tillich schweigt

Antrag der Fraktion der SPD

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der SPD das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Tillich –

(Heiterkeit bei der CDU)

Oh, Entschuldigung. Herr Kollege Dulig, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Holger Szymanski, DIE LINKE: Der große Lyriker Dulig!)

Wir haben heute mit dem Debattentitel nicht nur unsere Volksverbundenheit zeigen, –

(Gelächter bei der CDU – Christian Piwarz, CDU: Ihr Volkstheater!)

sondern vor allem die Aufmerksamkeit auf etwas lenken wollen, was in den allgemeinen politischen Diskussionen bisher immer eine untergeordnete Rolle gespielt hat, aber unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten eine zentrale Frage ist, nämlich das Thema Mieten und Wohnen. Wir wollen auch darüber reden, wie in diesem Land damit umgegangen wird. Wenn man Probleme benennt, wird man als Nestbeschmutzer beschimpft, weil es in Sachsen ja keine Probleme gibt, oder es wird gesagt, Probleme muss die Opposition benennen.

Wie sieht es denn wirklich aus? Wie wird in den letzten Jahren mit Politik umgegangen? Inzwischen ist es so, dass in Sachsen politisches Marketing die Politik ersetzt. Dass Verkaufen dazugehört, ist das eine, aber wenn es zum Politikersatz wird, dann wird es gefährlich, weil Sie die Probleme nicht mehr einschätzen und sehen können. Da verkündet man mit einer großen Werbekampagne, man will die Pendler zurückholen und verteilt Eierschecke. Anstatt danach eine Lohnpolitik zu machen und Tariflöhne einzufordern, ist die Antwort Müsliriegel. Also wieder die nächste Werbekampagne. Der neue Clou der Regierung ist, dass man kurz vor den Wahlen Geschenke verteilt. Stück für Stück werden Wohltaten verteilt, um von den Problemen abzulenken.

Nur, so kann man mit dem Thema insgesamt nicht umgehen. Die Überschrift, die Sie beim Thema Mieten und Wohnen gewählt haben, ist „Hohe Mieten ist kein Thema“ – O-Ton Herr Ulbig. Hohe Mieten sind keine Thema. Dann haben Sie ein Wohnungsbaukonzept mit den Zahlen von 2010 vorgelegt. Vier Jahre alte Zahlen. Sie sagen, das sei alles kein Problem. Sie weisen zwar darauf hin, dass Sie einen entspannten Wohnungsmarkt haben und dass es auch in zehn Jahren noch ausreichend preiswerten Wohnraum im Freistaat geben wird. Das stimmt. Das stimmt

aber nicht für Dresden und Leipzig. Das stimmt eben nicht für die Ballungszentren. Dort haben wir inzwischen eine Mietentwicklung, wo es nicht erst in zehn Jahren ein Problem geben wird, sondern in den nächsten fünf Jahren werden Sie vor der Frage stehen, wie Sie genügend bezahlbaren Wohnraum sicherstellen können. Das können Sie in Leipzig und Dresden heute schon ablesen. Nicht ohne Grund hat der Mieterbund gesagt, dass Ihre Aussage an der Stelle falsch ist.

Natürlich besteht Sachsen aus vielen Ortschaften, aus ländlichen Regionen und den Städten, aber gerade in Leipzig und Dresden wohnt nun mal fast ein Viertel der sächsischen Bevölkerung. Das können Sie doch nicht abtun. Es muss das Ziel sein, dass wir auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Ihre Antwort ist, dass Sie den Erwerb von Wohneigentum und die energetische Sanierung bezuschussen. Sie lehnen sozialen Wohnungsbau ab. Das wird nicht funktionieren. Der freie Markt ist nicht gerecht, sondern er will an dieser Stelle Rendite. Er wird nicht für sozialen Wohnraum sorgen.

Wir brauchen beides. Wir brauchen eine Mietpreisbremse in den Ballungszentren, weil es jetzt schon bei Neuvermietungen Mietsteigerungen von bis zu 30 % gibt. Es gibt zu wenig großen Wohnraum für Familien. Das bezieht sich nicht nur auf Dresden und Leipzig, sondern auch auf die umliegenden Orte, wie Markkleeberg oder Radebeul. Der Markt wird es nicht allein regulieren.

Die energetische Sanierung – das muss man einmal offen sagen – ist ein Aufbauprogramm West. Dort gibt es einen Bestand an Wohnungen aus den Fünfzigerjahren, wo tatsächlich eine energetische Sanierung dazu beitragen kann, dass die Energiekosten gesenkt werden und damit die Betriebskosten. Wir haben aber aufgrund unseres Sanierungszustandes in Ostdeutschland zwar auch noch genug in der energetischen Sanierung zu tun, aber wir werden nicht mehr die Effekte erzielen, wie sie im Westen sind. Das heißt, die energetische Sanierung allein ist keine soziale Wohltat. Sie werden mit der energetischen Sanierung nicht die Betriebskosten senken. Das ist nunmal so wegen der guten Substanz, die wir inzwischen aufgrund des guten Sanierungszustandes haben. Sie können das Problem nicht leugnen. In einem Radiointerview haben Sie gesagt, durch die überaus hohe Leerstandsquote werden sich die Mietpreise in Dresden selbst regulieren. Aha! Wissen Sie, wohin sich die Mietpreise regulieren werden? Nach oben.

Die Redezeit!

Es wird jetzt schon spekuliert mit den Grundstücken, mit fehlender Wohnfläche. Das heißt, Sie werden nicht sozialen Wohnraum schaffen, sondern weitere Verdrängung haben und soziale Ausdifferenzierung. Das wollen wir nicht.

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Dulig.

Wir wollen weiterhin, dass in den Städten alle miteinander leben, die, die viel haben, die wenig haben, eine gute soziale Durchmischung, und nicht, dass die, die wenig haben, aus den Städten herausgedrängt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die einbringende SPD-Fraktion war das gerade Herr Kollege Dulig. Wir fahren jetzt fort in der Rednerreihe: CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Herr Kollege Otto das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vortrag war zum Großteil selbstentlarvend. Der Debattentitel spricht schon für sich, und was Sie jetzt gerade vorgetragen haben, ist an Polemik fast nicht zu überbieten. Das muss ich einmal sagen. Ich hatte ursprünglich gedacht: Was soll denn das? Reim dich oder ich fress dich, waren meine ersten Gedanken. Der nächste Gedanke ging an den kommenden Sonntag, der Wahltag für die Kommunalwahl ist und auch den beginnenden Landtagswahlkampf einläutet. Man hat es gerade gehört, der politische Debattentitel ist damit ein wenig zu erklären.

Wohnungspolitik ist nicht ganz so einfach. Wirtschaftspolitik ist auch nicht so einfach. Man arbeitet auf vielen Strecken sehr erfolgreich. Das Thema Müsliriegel müssten Sie mir noch einmal erklären. Ich habe gar nicht mitbekommen, was da für eine Kampagne gefahren wurde.

(Widerspruch bei der SPD – Stefan Brangs, SPD: Das spricht aber nicht für Sie!)

Über die Eierschecke mag man lachen, aber das hat einen gewissen Aha-Effekt gebracht. Man kann es nicht bestreiten, es gibt durchaus eine ganze Anzahl von Rückkehrern nach Sachsen – –

(Stefan Brangs, SPD: Wegen der Eierschecke!)

oder eine ganze Reihe von Arbeitskräften, die sich für Sachsen interessieren, weil unser Land ganz einfach lebens- und liebenswert ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das kann man nicht wegdiskutieren.

In diesem Zusammenhang muss auch auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik verwiesen werden. Wir haben mit 9,2 % Arbeitslosenquote die niedrigste seit 1990. 2009 lag diese Quote noch bei 14 %. Auch das spricht für eine erfolgreiche Arbeit der Regierungskoalition in Sachsen. Dieser Erfolg kann sich sehen lassen und kommt den Mietern zugute, die wieder in Beschäftigung gekommen sind.

Damit leite ich zum Wohnen über. Vor einigen Wochen – das ist gerade gesagt worden – hat unser Staatsminister Markus Ulbig das wohnungspolitische Konzept 2020 vorgestellt und die gegenwärtige Situation am Wohnungsmarkt differenziert dargestellt. Im Großen und Ganzen ist festzustellen, dass wir einen Leerstand von knapp 10 % insgesamt in Sachsen haben. Die Bruttokaltmiete liegt mit 5,47 Euro deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 6,37 Euro pro Quadratmeter. Die Mietbelastungsquote – und das ist ein sehr wichtiger Quotient – von 20,4 % ist die niedrigste in ganz Deutschland. Bis 2019 stehen für die Wohnraumförderung jährlich 60 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen wir einen Beitrag zur Erhöhung der Barrierefreiheit leisten können.

Die zweite Leerstandswelle ist bereits in Sicht. Bis 2025 müssten etwa 200 000 Wohnungen in ganz Sachsen abgerissen werden, um die jetzige Quote von 10 % zu halten. Ich möchte einmal aus dem Konzept zitieren. Es ist ein Blick über ganz Sachsen. Zu Dresden und den speziellen Problemen kommen wir später noch. In dem Konzept heißt es wie folgt: Der gegenwärtige Bestand an Wohnungen übersteigt die heutige und zukünftige Wohnungsnachfrage deutlich. Die quantitative Versorgung auch einkommensschwacher Haushalte in Sachsen ist auch zukünftig gesichert. Aufgrund der prognostizierten Marktentwicklung – Zunahme Leerstand – wird keine signifikante Verschärfung der Kostenbelastung einkommensschwacher Haushalte durch die Nettokaltmiete erwartet. Hierbei bleibt die Entwicklung – besonders in der Landeshauptstand Dresden, aber auch in Leipzig – im Hinblick auf den zu erwartenden Bevölkerungs- und damit Nachfragezuwachs differenziert zu beobachten.

Weil Wohnen ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge ist, beschäftigt man sich in Dresden seit Jahren sehr intensiv damit. Ich habe einmal recherchiert. Ich komme aus Zwickau. Dresden ist zwar die Stadt, in der wir Politik machen. Kommunalpolitisch bin ich aber nicht sehr nahe dabei. Seit dem Jahr 2011 gibt es eine ganze Anzahl von Initiativen im Stadtrat, die von den verschiedenen Akteuren eingebracht werden. Es ist sehr löblich. Man arbeitet intensiv daran. Das ist gut so und zeigt das große Engagement aller Ratsfraktionen, die dort aktiv sind.

Diesen Notwendigkeiten und Initiativen folgend, hat die Oberbürgermeisterin bezüglich Dresden eine Beschlussvorlage „Wohnentwicklung in Dresden“ in den Geschäftsgang eingebracht, die sich in Beratung befindet. Sie ist noch in Beratung. Ich habe aber auch kritische Stimmen gehört. Es gibt Änderungsanträge dazu. Das ist

richtig so. Sie arbeiten intensiv daran. Das ist gut und auf der kommunalen Ebene auch gut aufgehoben. Ich möchte noch einige Auszüge benennen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Sie sind auch fleißig in Dresden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist gut, dass Sie das einmal feststellen!)

Das muss man einmal sagen: Es ist konstruktiv. Alle Achtung. Es ist kein Thema, bei dem man sich polemisch auf den Kopf haut.

(Beifall bei den LINKEN)

In Dresden wird zur Umsetzung vorgeschlagen, dass man kommunale Flurstücke in einer Größenordnung von 16 Hektar zur Verfügung stellen möchte, um 800 Wohneinheiten zu bauen. Man möchte mit Investoren im Geschosswohnungsbau über Sozialwohnverpflichtungen verhandeln.

Die Redezeit ist abgelaufen, Herr Kollege Otto. Bitte kommen Sie zu Ihrem letzten Satz.