Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Die Kommunalreform im Jahre 2008 mit dem Wechsel von Zuständigkeiten von Landes- auf Kommunalbehörden hat nur kurzzeitig zu Anlaufschwierigkeiten geführt. Das ist bei einer solch umfassenden Reform nicht verwunderlich. Es ist höchstens beachtlich, dass bereits nach kurzer Zeit wieder das gewohnte Maß an staatlicher und kommunaler Prüfungstätigkeit erreicht wurde. Staatliche und kommunale Behörden sind in einem Rechtsstaat an umfangreiche gesetzliche Vorgaben gebunden, um Messwerte zu erheben und auszuwerten. Erst dann dürfen behördliche Anordnungen gegenüber Betreibern von

Abfallentsorgungsunternehmen ergehen. Bloße willkürliche Verdachtsmaßnahmen seitens der Behörden führen unweigerlich zu Schadenersatzforderungen der Betreiber. Darüber hinaus gibt es trotz aller staatlichen und behördlichen Überwachungsmaßnahmen keine hundertprozentige Sicherheit gegen rechtswidriges Vorgehen bzw. Verhalten von Unternehmern oder Privatpersonen.

Bezogen auf unseren Untersuchungskomplex ItalienAbfälle ist festzuhalten, dass nach Bekanntwerden von Verstößen gegen die Genehmigung beim Import dieser Abfälle entsprechende Anzeigen bei den Ermittlungsbehörden erstattet wurden. Anschließend wurde durch das SMUL die Überwachung dieser Abfallströme im Freistaat Sachsen per Erlass klargestellt.

Nach der Vernehmung der beiden Zeugen aus Italien – eines Staatsanwaltes und eines Polizeibeamten – durch den Untersuchungsausschuss kamen die „DNN“ und die „LVZ“ am 25. November 2013 zu dem Ergebnis – ich zitiere –: „Fehlverhalten deutscher Behörden stellte die italienische Justiz nicht fest.“ Zu Ihrer sicher großen Enttäuschung, Herr Lichdi, sehe ich damit die von uns vertretene Auffassung bestätigt.

Es gibt aus der Sicht des Ausschusses nach den Anhörungen der zahlreichen Zeugen keinerlei Hinweise darauf, dass die staatlichen und kommunalen Behörden in Sachsen die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht zur Zufriedenheit erledigt hätten. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass bei Kenntnis von Missständen staatliche und kommunale Behörden, soweit erforderlich, nicht unverzüglich eingegriffen hätten, um diese Missstände zu beseitigen. Diese Sorgfalt ging zum Teil so weit, dass Unternehmen mit der Androhung der Entziehung der Betriebserlaubnis konfrontiert wurden, um Schaden von der Bevölkerung und der Umwelt abzuwehren. Die hiervon betroffenen Unternehmer haben sich im Ausschuss zum Teil sehr heftig über die zahlreichen staatlichen und kommunalen Kontrollen ihrer Unternehmen beklagt. Jeder Bürger weiß, dass die Entziehung der Betriebserlaubnis eines Unternehmens vom Gesetzgeber zu Recht mit sehr hohen Hürden versehen ist. Dass die sächsischen Behörden diese Hürden nicht gescheut haben, um Bevölkerung und Umwelt zu schützen, spricht für die Arbeit dieser Institutionen.

Alle eingeleiteten Strafermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter von staatlichen und kommunalen Behörden wegen angeblichen Behördenversagens wurden im

Übrigen mangels Tatverdachts vonseiten der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Nun möchte ich noch einige Worte über die Aufgabe des Untersuchungsausschusses verlieren. Der Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss ein, um einen Sachverhalt überprüfen zu lassen. Er hat das Recht, Zeugen vorzuladen und Beweismittel anzufordern. Die Regelungen der Strafprozessordnung finden analog Anwendung. Am Ende steht ein Abschlussbericht, in dem der Sachverhalt aus unterschiedlicher Sicht gewürdigt wird. Dies kommt einem Urteil in einem Strafprozess gleich.

Am 30. Januar 2009 hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in einem Organstreitverfahren erklärt – ich zitiere –: „Zudem ordnet § 9 Abs. 5 Untersuchungsausschussgesetz an, dass sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses vor Abschluss der Beratungen über einen Gegenstand der Verhandlung einer öffentlichen Beweiswürdigung enthalten sollen. Der Abschluss der Beratungen über einen Gegenstand der Verhandlung ist aber nicht schon mit Beendigung einer konkreten Zeugenvernehmung erreicht, sondern frühestens dann, wenn der entsprechende Gegenstand im Ausschuss in der Weise erörtert worden ist, dass insoweit für die Abgabe des Abschlussberichtes an den Landtag die Mehrheits- und Minderheitsfassungen erstellt werden können.“ – Das heißt mit den Worten eines Nicht-Juristen, wie ich es bin: Bevor nicht alles auf dem Tisch ist, kann kein Urteil ergehen.

Sehr geehrter Herr Lichdi, Sie geben im Parlamentsbuch an, dass Sie Jurist seien. Wie erklärt es sich dann, dass Sie in der Rolle eines Richters – denn nichts anderes tun wir an dieser Stelle – schon vorab eine Beweiswürdigung über eine zu erwartende Zeugenaussage fällen oder vorab mit einem Zeugen die abschließende Presseerklärung über die Zeugenvernehmung, die erst am nächsten Tag erfolgen soll, besprechen und noch während der Zeugenaussage eine Presseerklärung herausgeben? Ich vermute einmal, dass Sie in Ihrer Anwaltstätigkeit jeden Richter, der so tätig werden würde, zu Recht wegen Befangenheit ablehnen würden.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß, dass der Untersuchungsausschuss auch ein politisches Instrument ist; aber der Unterschied zu einem Kasperletheater sollte auch von Ihnen gewahrt werden.

(Beifall der Abg. Peter Schowtka und Steffen Flath, CDU)

Im Übrigen möchte ich Ihnen danken, dass Sie dem Parlament durch Ihre zahlreichen, endlosen Zeugenbefragungen und das Vorlegen unendlich vieler Akten ermöglicht haben, einen tiefen Einblick in die sächsische staatliche und kommunale Verwaltung zu nehmen. Aber auch dabei frage ich mich, ob es wirklich erforderlich ist, dass allein ein Beweisantrag Kopierkosten von über

120 000 Euro verursacht, um am Ende festzustellen, dass die staatlichen und kommunalen Behörden genau das getan haben, wofür sie eingesetzt worden sind: die Durchführung und Überwachung staatlicher Gesetze und sonstiger Regelungen.

Die Opposition hat während der gesamten durchgeführten Anhörungen aus den beigezogenen Beweismitteln keinen einzigen Fehler im Verwaltungshandeln der sächsischen staatlichen und kommunalen Behörden finden können. Anpassungsschwierigkeiten bei der Umsetzung einer Verwaltungsreform sind nicht vollständig zu verhindern. Abfallkonzeptionen nach der desolaten DDR-Zeit aufzustellen und sie zügig umzusetzen ist eine außerordentliche, großartige Leistung der sächsischen Verwaltung. Wie

es auch anders aussehen könnte, sieht man in südlicheren Gefilden unseres Kontinents. Auch hier zeigt sich wieder einmal: Wenn man inhaltlich keine Fehler finden kann, versucht man, an den formellen Dingen herumzukritisieren.

Wie Sie der Presse entnehmen konnten, hat es Strafverfahren gegen Unternehmer gegeben, die bisher noch nicht abgeschlossen sind. Die Staatsanwaltschaft hat uns die Unterlagen zur Verfügung gestellt, damit der Ausschuss seine Aufgaben erledigen kann. Die Übergabe der Akten war mit der Bitte um vertrauliche Behandlung des Akteninhaltes verbunden, um weiter gehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden. Dieser Bitte ist der Ausschuss nachgekommen. Genau aus diesem Grund finden sich einige Zeugenaussagen nicht im öffentlichen Teil des Berichtes wieder. Ich lehne es ab, zu deren Inhalt Stellung zu nehmen. Eine Aussage hierzu würde die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft behindern und die Vertraulichkeitsverabredung zwischen dem Ausschuss und der Staatsanwaltschaft ad absurdum führen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf das Minderheitenvotum eingehen, das es doch tatsächlich schafft, der Staatsregierung zu unterstellen, sie habe etwas getan, aber es gleichzeitig unterlassen zu haben. So soll die Staatsregierung zu Beginn des Ablagerungsverbotes unbehandelter Siedlungsabfälle ab dem Jahr 2005 Warnungen vor entstehenden Überkapazitäten ignoriert haben. Im nächsten Atemzug bzw. Anstrich wird bemängelt, dass es im gleichen Zeitraum unterlassen worden wäre, den Bau neuer Anlagen der Abfallbehandlung zu fördern, die dann wiederum zu Überkapazitäten geführt hätten. Wie man daraus dann noch den Schluss ziehen kann, dass diese im Jahr 2005 zu einem Entsorgungsnotstand geführt hätten, bleibt mir schleierhaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Fazit und das der CDU-Fraktion lautet: Die staatlichen und kommunalen Aufsichtsbehörden haben die ihnen zugewiesenen Aufgaben so erledigt, wie es die zahlreichen europa-, bundes-, landes- und kommunalrechtlichen Vorschriften erwarten. Verstöße staatlicher und kommunaler Stellen wurden nicht festgestellt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Fraktion DIE LINKE; Frau Dr. Pinka, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz am Anfang möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und der verschiedenen Fraktionen danken, die in diesem Untersuchungsausschuss eine immense Arbeit geleistet haben. Ich denke, das ist auch im Sinne der CDU-Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich möchte zunächst mit einem Zitat aus der Zeugenvernehmung von Umweltminister Kupfer am 10. März 2014 vor dem Untersuchungsausschuss beginnen: „Eine Ablehnung des Importes einer begrenzten Menge von Siedlungsabfällen aus Kampanien zu Beginn des Jahres 2008 im Rahmen einer bundesdeutschen Nothilfemaßnahme wäre kein gutes Zeichen im Sinne europäischer Solidarität gewesen. Solche Zeichen von Solidarität stehen dem abfallwirtschaftlich hervorragend aufgestellten Freistaat Sachsen durchaus gut zu Gesicht. Mit der Solidarität war es dann jedoch abrupt im November 2008 vorbei, nachdem im Fernsehen Berichte über Unregelmäßigkeiten ausgestrahlt wurden. Das sächsische Samaritertum ist also gewissermaßen in die Klauen krimineller Machenschaften geraten und unverschuldet missbraucht worden.“

So die Geschichte von Staatsminister Kupfer. Dabei wird jedoch komplett ausgeblendet, wer hier im Lande welche Aufgabe hat und dass die sachgerechte Überwachung von Abfallanlagen zum Tagesgeschäft einer Umweltverwaltung gehört.

Aber die Erzählung geht noch weiter. Ich fasse die Interpretation der CDU zum Abfall-Untersuchungsausschuss einmal kurz zusammen; sie ist ja gerade widergespiegelt worden:

Erstens. Die zuständigen Behörden haben alles richtig gemacht.

Zweitens. Behördliche Maßnahmen bei dennoch auftretenden Unregelmäßigkeiten im Abfallsektor wurden unverzüglich eingeleitet.

Drittens. Schuld sind immer die anderen und krimineller Energie kann kaum Einhalt geboten werden.

Doch ein Ereignis lässt immer mindestens zwei verschiedene Interpretationen zu. Bei unserer Analyse der Vorgänge sind wir streng beweisgestützt vorgegangen. Das können Sie im Minderheitenvotum sehen und nachvollziehen.

(Staatsminister Frank Kupfer: In welchem?)

Unser Ergebnis in aller Kürze – wie gesagt, es ist nachweisbar und belegbar –:

Erstens. Die zuständigen Behörden sind aufgrund von überbordenden Aufgabenzuweisungen teilweise nicht in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

Zweitens. Die zuständigen Behörden haben zumindest zeitverzögert gehandelt.

Drittens. Der Informationsaustausch in den Behörden war äußerst mangelhaft.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau!)

Viertens. Die Schuld lässt sich nicht so einfach einseitig auf die Unternehmen der Abfallwirtschaft abwälzen. Wichtig ist unseres Erachtens bei der Bewertung der Umstände nämlich auch eine Betrachtung der Strukturen

und Handlungsweisen sowie der Zwänge, denen die Akteure ausgesetzt sind.

Ich möchte nun an einigen Beispielen erläutern, wie selektiv die Wahrnehmung der CDU ist und wie Fakten auch wiederholt durch Staatsminister Kupfer zielgerichtet geschönt und verdreht werden. Doch zunächst eine Ausführung zu atmosphärischen Zuständen in der sächsischen Verwaltung. Ich habe nämlich in der letzten Zeit wiederholt mit Behörden telefoniert. Interessiert hat mich unter anderem, wo ich in der Behörde die Überwachungsergebnisse für überwachungspflichtige Anlagen einsehen könnte. Sie müssen dazu wissen, dass es eine Verpflichtung, die Ergebnisse der Überwachung bestimmter Anlagen öffentlich zu machen, seit 2006 aufgrund des Sächsischen Umweltinformationsgesetzes gibt.

Zunächst meist betroffenes Schweigen am anderen Ende der Telefonleitung, dann der Hinweis, dass man ein Gespräch mit einer Abgeordneten anzeigen und aufzeichnen müsse,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja, deutsche Demokratie nennt man das!)

und schlussendlich die Auskunft: Da gibt es nichts Öffentliches. – Auf Nachfrage, dass in der neuen Fassung des Überwachungskonzeptes für den Freistaat Sachsen von 2013 stünde, dass die Ergebnisse der Überwachungen spätestens am 31.03. des Folgejahres im Internet veröffentlicht werden sollen, hatte ich den Eindruck, mein Gegenüber würde gern auflegen wollen. Ein Mitarbeiter fragte mich dann geradeheraus, wann er das denn auch noch machen solle.

So viel zu den Strukturen. Es läuft nichts rund in Sachsens Verwaltung. Es herrscht Unzufriedenheit, teilweise Angst, Überforderung wegen zu vieler und immer neuer Aufgaben, und gleichzeitig ist der Umgangston, insbesondere mit dem Staatsministerium, sehr, sehr rau.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Immer neue Forderungen ohne adäquate Mittelausstattung und Fachkräfte in den Behörden. Die Schuld und Verantwortung werden nach unten abgewälzt, obwohl die Fehler oben gemacht wurden bzw. die strukturellen Gegebenheiten oben angelegt wurden. Die Ergebnisse liegen meines Erachtens auf der Hand: Auch wenn in der Abfallwirtschaft den Marktkräften freie Bahn gelassen werden soll, ist eine funktionierende behördliche Kontrolle unerlässlich, sonst entwickeln sich die Wissensstände der Kontrollierenden und der zu Kontrollierenden teilweise weit auseinander.

Um handlungsfähig zu sein, müssen Behörden sinnvoll strukturiert, ihren Aufgaben entsprechend organisiert und mit fachkundigem Personal ausgestattet sein. Was wir als Ergebnis einer mangelhaften Strukturorganisation immer wieder identifiziert haben, ist Folgendes: Eine bedeutende Rolle spielt dabei die „Feuerwehrtaktik“, sprich: Behördenhandeln findet erst dann statt, wenn problematische

Ereignisse im Licht der Öffentlichkeit erscheinen. Frühe Warnungen aus der Bevölkerung, zum Beispiel über Geruchsbelästigung – den Leuten stinkt irgendetwas –, werden zu oft und zu lange ignoriert bzw. laufen die Behörden im Vollzug den Entwicklungen noch viel zu lange hinterher.

Überwachungen an sich helfen nicht, wenn sie nicht mit dem nötigen Überblickswissen durchgeführt bzw. die Ergebnisse und Erkenntnisse nicht weitergegeben werden, vielleicht noch zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter diskutiert werden.

Beispielsweise standen im Fall der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH, kurz: WEV, die Behördenvertreter im Januar 2008 und auch später direkt neben den Lkws, die den Abfall nach Sachsen-Anhalt transportiert haben. Das war damals und ist auch heute noch rechtlich nicht zulässig. Vertreter der WEV haben diesen Behördenvertretern umfassend und klar dargestellt, dass der Abfall weitertransportiert wird. Das steht auch so in den Überwachungsprotokollen. Davon gewusst haben will die zuständige Landesdirektion jedoch erst im November 2008.