Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb

einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau

Drucksache 5/14273, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/14585, Beschlussempfehlung

des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Meine Damen und Herren! Auch hier ist keine Aussprache vorgesehen. Ich erlaube mir dennoch zu fragen: Will jemand das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht feststellen. Damit kommen wir zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau, Drucksache 5/14273, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksache 5/14585. Änderungsanträge liegen nicht vor.

Ich lasse abstimmen über die Überschrift. Wer möchte zustimmen? – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist der Überschrift mehrheitlich entsprochen worden.

Ich lasse abstimmen über Artikel 1 Zustimmung zum Staatsvertrag. Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist Artikel 1 mehrheitlich entsprochen worden.

Nun die Abstimmung zu Artikel 2 Inkrafttreten. Wer möchte zustimmen? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Auch hier bei zahlreichen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist Artikel 2 mehrheitlich entsprochen worden.

Meine Damen und Herren! Ich rufe nun auf zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung der soeben beschlossenen 2. Lesung. Wer möchte zustimmen? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Meine Damen und Herren, bei keinen Gegenstimmen und zahlreichen Stimmenthaltungen ist dem Gesetzentwurf mehrheitlich entsprochen worden.

Meine Damen und Herren! Bevor wir mit der Sitzung fortfahren, unterbreche ich, wie vorhin von dem Präsidenten des Sächsischen Landtages bereits informiert, die Sitzung für wenige Minuten und rufe auf zur Präsidiumssitzung im Sitzungssaal 2.

(Unterbrechung von 15:01 bis 16:50 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir fahren fort mit

Tagesordnungspunkt 10

Sächsischer Gedenktag für Heimatvertriebene

Drucksache 5/14580, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge der ersten Runde: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDU das Wort.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Ich habe den Antrag aufgerufen und frage Sie erst einmal, was Sie möchten, Frau Giegengack.

Ich stehe schon eine Weile da; hier ist ja noch alles im Aufbruch. – Ich

möchte gern einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen. Die Fraktionen sind auch informiert.

(Zuruf: Das geht jetzt nicht!)

Dann würde ich die Antragsberatung unterbrechen, und Sie können einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen.

Meine Fraktion beantragt, gemäß § 89 der Geschäftsordnung den vorliegenden Antrag an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien sowie an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wir

halten es für erforderlich, dass ein so sensibles Thema einer gründlichen Beratung bedarf. Insbesondere hat dieses Thema auch Auswirkungen auf die Beziehungen zu unseren Nachbarländern Polen und Tschechien. Daher sind wir auch sehr an einer intensiven Beratung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss interessiert.

In den genannten Ausschüssen besteht die Möglichkeit, dem Thema Vertreibung in seiner gesamten Komplexität gerecht zu werden; denn wir möchten nicht, dass der Eindruck entsteht, dass man dieses Thema sozusagen zum Gegenstand einer Kampfabstimmung machen kann. Vor diesem Hintergrund beantragen wir die Überweisung an die genannten Ausschüsse.

Das war ein Antrag zur Geschäftsordnung. Möchte dazu jemand das Wort ergreifen? – Herr Piwarz für die CDU-Fraktion bzw. die antragstellenden Fraktionen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag kommt insofern etwas überraschend, weil ich davon ausgegangen bin, dass wir zunächst einmal die Debatte zu dem Antrag im Plenum abwarten. Dann ist immer noch eine Überweisung an die Ausschüsse möglich. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Debatte nicht gewollt ist. Wir wollen aber bewusst die Debatte im Plenum führen und haben den Antrag schon vor einiger Zeit in den Geschäftsgang gegeben, sodass wir davon ausgehen, dass sich sämtliche Fraktionen ihre Meinung dazu bilden konnten.

Wir haben ohnehin nur noch eine kurze Zeit der Ausschussbefassung vor uns – zwei Wochen –, dann findet die nächste Plenarsitzung statt, sodass wir auch keinen wirklichen Vorteil in der Beratung erkennen können. Insofern werden wir den Antrag auf Überweisung an die Ausschüsse ablehnen und bitten um Behandlung im Plenum, wie geplant.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen dazu? – Das kann ich nicht erkennen. Damit stimmen wir über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Wer die Überweisung positiv votieren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt und wir fahren mit der Antragsberatung fort. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Hirche. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In wenigen Tagen jährt sich ein Ereignis, das vor 100 Jahren stattfand. Am 28. Juni 1914 fielen die verhängnisvollen Schüsse in Sarajevo, die den Ersten Weltkrieg auslösten. Diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts hat die Landkarte Europas völlig verändert. Das Kriegsende führte nicht zu dauerhaftem Frieden; in ihm lagen die Keime des nächsten Krieges. Der Nationalsozialismus schöpfte

hieraus und führte die Welt in einen Krieg mit unvorstellbaren Schrecken und menschenverachtenden Geschehnissen.

Nach der bedingungslosen Kapitulation hat es Jahrzehnte gedauert, bis unser Land wieder ein geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft geworden ist. Ein Thema wird dabei nur gelegentlich gestreift: das der Vertreibung. Mit Vertreibung sind Leid, Elend und Tragödien sowie Unrecht und unschuldig getötete Zivilisten verbunden. Vertreibung, liebe Kolleginnen und Kollegen, gab und gibt es leider überall. Auch heute noch müssen Menschen diese Erfahrung erleiden, weil Diktaturen mit diesem grausamen Mittel ihre Wahnvorstellungen von ethnisch reinen Staaten umsetzen wollen.

Schon unsere Geschichte, meine Damen und Herren, beginnt mit der Vertreibung der ersten beiden Menschen aus dem Paradies. Viele Geschichten erzählen, wie Herrscher auf ihren Feldzügen ganze Völker vernichten oder versklaven. Im Römischen Reich ist eine der prägendsten Vertreibungen die der Juden aus Palästina, und die Völkerwanderung begann 375 mit der Flucht vor den Hunnen. Bei all diesen Vertreibungen waren religiöse Motive, die Gier nach Macht und Einfluss sowie das Streben um mehr Land oft die auslösenden Kriterien. Jahrhunderte später kehrte mit der Idee von ethnisch reinen Nationalstaaten die Zeit der Vertreibung bis ins Heute zurück. Die Vertreibung und Vernichtung der Armenier 1915/16 durch das Osmanische Reich ist heute noch bei manchem ein Tabuthema.

Nach dem Ersten Weltkrieg mussten über 700 000 Menschen aus Westpreußen und Oberschlesien, die nun zu Polen gehörten, ins damalige Deutsche Reich umsiedeln. Fast die gleiche Anzahl polnischer Bürger wurde 1941 von den Nationalsozialisten aus ihrer Heimat vertrieben. Auch die Auflösung der Wolgarepublik in der Sowjetunion war Vertreibung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwischen zwölf und 15 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Es war eine der weltweit größten Völkerverschiebungen unserer Geschichte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Beispiele anhand nackter Zahlen. Allein die Dimensionen machen uns sprachlos und betroffen. Sind wir uns dessen eigentlich immer bewusst? Sind wir uns dessen bewusst, dass mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Unrecht längst noch nicht zu Ende war? Denn wieder mussten Menschen innerhalb kurzer Zeit ihre Wohnungen verlassen. Wieder wurde geplündert, geraubt, gedemütigt und umgebracht, wieder mussten Unschuldige sterben. Zahlreiche Flüchtlinge starben auf dem Weg nach Westen, und die Überlebenden lebten unter teilweise schwierigen Bedingungen in überfüllten Lagern – froh, überhaupt noch am Leben zu sein.

Ein besonderes Kapitel ist der Umgang mit den Vertriebenen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR. Dies, meine Damen und Herren, bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit. Betroffen waren hier vier Millionen Flüchtlinge, 1949 immerhin rund ein

Viertel der damaligen Bevölkerung. Das war ein massiver Bevölkerungszuwachs, der zu Abwehrreaktionen geführt hatte. Schilderungen von damals belegen dies. Auch heute sind diese erschreckend und machen uns wiederum sprachlos – wie ich denke, auch in diesem Hohen Hause; denn auch Vertreter des damaligen öffentlichen Lebens waren beteiligt. So klagte Kurt Fischer, der damalige Innenminister Sachsens, dass Millionen Vertriebene aus dem Osten wie Heuschreckenschwärme Rest-Deutschland heimgesucht und diesen Teil Deutschlands geradezu überschwemmt hatten. Diese negativen Reaktionen führten dann wieder zu weiterem Unrecht.

So verfügte Sachsen noch im August 1945 die restlose Ausweisung aller Vertriebenen und half dabei noch tatkräftig mit, indem man ihnen die überlebenswichtigen Lebensmittelkarten nahm. Unglaublich! Seien wir einmal ehrlich: Haben wir das gewusst oder bewusst zur Kenntnis genommen? In meiner Schulzeit wurde mir das jedenfalls nicht gesagt, und erst nach der Wende konnte ich etwas darüber erfahren. Wörter wie „Flüchtlinge“ oder „Vertriebene“ waren mir damals ebenfalls fremd. Ich kannte als Kind nur Neubürger und ehemalige Umsiedler – traurig genug und ein Beispiel für gängige Geschichtsfälschung in der DDR.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits im Jahr 2001 hatten wir als Fraktion mit der Drucksache 3/5341 „Vertreibung gedenken – Versöhnung erreichen“ das Thema Gedenktag in Sachsen auf die Tagesordnung gesetzt. Zwischenzeitlich haben Bundesrat im Jahr 2003 und Bundestag im Jahr 2011 entsprechende Beschlüsse gefasst. Wir sind dankbar für diese bundesweiten politischen Diskussionen, weil sie widerspiegeln, was wir wollen: Wir wollen die konsequente Aufarbeitung unserer eigenen Geschichte. Unser Ziel ist damit verbunden, Lehren als Wegweiser auf dem Weg zu einem friedlichen Europa zu nutzen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Unter diesem Blickwinkel stellen wir als Freistaat jährlich 240 000 Euro zur Verfügung. Dieses Geld soll auch die grenzübergreifende gemeinsame Pflege unseres gemeinsamen kulturellen Erbes fördern. Dafür an dieser Stelle auch Ihnen allen mein Dank und der Dank der immerhin noch 250 000 Vertriebenen im Freistaat Sachsen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was mit diesen Mitteln erreicht werden konnte, ist beachtlich und anerkennenswert. Ich nenne Ihnen dafür drei Beispiele: das Partnerschaftsabkommen mit Vertretern aller Minderheiten in Polen, das Bergarbeiterdenkmal in Waldenburg in Schlesien und die wunderbare und auch unseren Schulen hochwillkommene Ausstellung „Unsere Heimat – neues Sachsen“, die wir auch hier im Landtag zeigen durften. Die Vertriebenen haben mit dieser Ausstellung gezeigt, dass sie ein integraler Bestandteil der sächsischen Bevölkerung sind. Sie prägen und gestalten unser Land

aktiv mit. Dafür sind wir und dafür sollten wir alle dankbar sein.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Unsere sächsische Arbeit wird auch über Landesgrenzen hinaus wahrgenommen. Darauf können wir stolz sein. Deshalb lassen Sie uns heute gemeinsam – nach Bayern und Hessen – einen Gedenktag auch in Sachsen einführen. Wie die beiden anderen Länder wollen wir ihn am ersten Sonntag im September jedes Jahres begehen und mit dem bisherigen, jeweils im September stattfindenden Tag der Heimat feiern. Er soll Mahnung und Erinnerung sein, er ist ein Zeichen nach innen und außen und er steht für eine Auseinandersetzung mit der Zukunft und der Gegenwart. Dies hat ganz klar auch unser polnischer Festredner letztes Jahr auf der Festveranstaltung „63 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ so gesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit nicht vergessen wird, was nicht zu vergessen ist, damit gemeinsam grenzübergreifend das kulturelle Erbe gepflegt und für unsere nachfolgenden Generationen nutzbar gemacht wird, lassen Sie uns heute gemeinsam einen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung einführen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)