Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Erstens. Unser Schutzgebietssystem beruht im Wesentlichen auf Naturschutzgebieten und den weniger wirkungsvollen Landschaftsschutzgebieten aus den 1960er-Jahren. Mehr als 50 % aller NSG wurden bereits vor 1970 ausge

wiesen. Nach dem sehr wertvollen Schub in den Jahren 1989/1990 durch neue Großschutzgebiete und die Einbeziehung ehemaliger Truppenübungsplätze stagniert die Ausweisung seit Ende der 1990er-Jahre. Insgesamt wurden sogar 20 Naturschutzgebiete wieder gelöscht. Zudem stehen viele Naturschutzgebiete vor allem auf dem Papier. Ein effektives Management, Monitoring oder gar die Ahndung von Verstößen findet leider nicht oder nur punktuell statt.

Zweitens. Auch nach EU- und Bundesrecht ist Sachsen verpflichtet, bis 2015 einen Biotopverbund herzustellen. Außer den 2007 veröffentlichen fachlichen Arbeitsgrundlagen ohne verbindliche Vorgaben nimmt die Öffentlichkeit keine Aktivitäten wahr. Da lohnt ein Blick auf die Internetseite des SMUL; an dieser Seite wird noch gearbeitet.

Drittens. Das Naturschutzrecht wurde nicht zuletzt durch die grundlegende Novelle im vergangenen Jahr, 2013, zulasten von Natur und Arten geändert.

Viertens. Die biologische Vielfalt ist der Regierung Sachsens nur sehr wenig Geld wert. Es gibt im Freistaat 249 Förderrichtlinien, für die 2013 insgesamt 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung standen. Auf die „Richtlinie Natürliches Erbe“ entfielen davon 10 Millionen Euro – das sind 0,35 % aller Mittel für diese wichtige Daseinsvorsorge. Zudem wurden diametral zu allen öffentlichen Beteuerungen die Voraussetzungen für die Gewährung von Fördermitteln für die meist ehrenamtlich arbeitenden Naturschutzverbände oder gar Einzelkämpfer derart bürokratisiert, dass manche Mittel gar nicht erst beantragt werden.

Fünftens. Anstatt das ehrenamtliche Engagement zu hegen und zu pflegen, kämpfen Naturschutzstationen landesweit ums Überleben, geben Naturschutzbeiräte ihre Arbeit auf.

Sechstens. Die wiederholten Strukturreformen haben die Kapazitäten der Naturschutzbehörden entscheidend

geschwächt, und das insbesondere in den Landkreisen.

Die Reihe der Argumente ließe sich leider problemlos fortsetzen und macht die Brisanz des Themas sehr deutlich. Deshalb stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir müssen die dringend lebensnotwendige Kehrtwende schaffen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und ganz vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Für die CDUFraktion Herr Dr. Meyer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kallenbach, in einem Punkt haben Sie vollkommen recht: Wir leben im besten und schönsten Freistaat Deutschlands. Diese Auffassung teile ich.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Sachsen ist ein lebenswertes Land. Aber als Sie angefangen haben, habe ich mich gefragt, ob wir in der gleichen Welt leben, im gleichen Freistaat oder auch in dem Freistaat, der sich jetzt im 24. Jahr nach der friedlichen Revolution derart entwickelt hat, dass ich konstatieren kann, dass sich die Natur deutlich verbessert hat und gerade die Landwirtschaft heutzutage nicht mehr diese großen Flächen aufweist, wie es zu DDR-Zeiten der Fall gewesen ist. Diese Horrorszenarien, die Sie eingangs gebracht haben, haben mich wirklich fragen lassen, ob wir hier im gleichen Raum leben.

Der Freistaat Sachsen verfügt nicht nur über eine vielfältige Natur, deren Eigenheit und Schönheit bewahrt werden soll, sondern auch über eine große Anzahl von qualitativ wertvollen Schutzgebieten, die über 15 % der Landesfläche einnehmen. Zu deren Erhalt und Einbindung in ein landesweites Biotopverbundsystem für die Zielarten soll vor allem der kooperative Naturschutz in Zusammenarbeit mit den Flächennutzern beitragen. Gerade das Stichwort Flächennutzer blenden Sie aus meiner Sicht viel zu sehr aus.

Wir werben deshalb für die Umsetzung und Weiterentwicklung des Maßnahmenplanes zur biologischen Vielfalt und werden uns auch in der jetzigen EU-Förderperiode für praxisgerechte und kostendeckende Naturschutzmaßnahmen starkmachen. Am 7. April 2009 ist dem Landtag ein Programm zur biologischen Vielfalt übermittelt worden, in dem auf 12 Handlungsfeldern in den Bereichen Naturschutz, Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft sowie der Jagd Maßnahmen festgelegt wurden. In diesen Maßnahmenplänen mit konkreten Einzelmaßnahmen – die wiederum mit Prioritäten versehen wurden – ist die Umsetzung des Biotopverbundes auch beschrieben.

Von daher reden wir jetzt nicht über etwas völlig Neues, wie Sie es hier dargestellt haben, sondern es ist ein Programm, das sich in der Umsetzung befindet und über das im vergangenen Jahr unter dem Titel „Biologische Vielfalt 2020“ berichtet wurde. Dass sich in diesem Bereich nichts tun würde, ist also völlig falsch.

Der Antrag der GRÜNEN greift demzufolge ein Thema auf, das sich bereits in der Umsetzung befindet. Man kann natürlich darüber streiten, ob es schnell genug geht, aber für uns ist es wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen und die Akzeptanz dafür schaffen und nicht von oben herab irgendwelche Dinge festlegen.

Sie wissen auch, dass das ganze Thema Biotopverbund ein bundesweites Thema ist, wonach 10 % der Landesfläche mindestens einen Biotopverbund aufweisen sollen. Von daher ist es ein Thema, das andere Bundesländer genauso berührt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, im Jahr 2015 diesen Biotopverbund zu realisieren.

Bezüglich der auszuweisenden Kernflächen wird sich durch die Einbeziehung von Großschutzgebieten und Naturschutzgebieten diese 10-%-Forderung termingerecht erfüllen lassen – allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz.

Die aktuellen Maßnahmen im Landesentwicklungsplan weisen eine flächendeckende Kulisse aus, die nunmehr durch die regionalen Planungsverbände ausgefüllt wird. Aus unserer Sicht besteht keine Veranlassung, die Arbeit dieser regionalen Planungsverbände infrage zu stellen und das Ganze neu aufzuziehen. Der Antrag bringt nichts Neues, deshalb haben Sie hier auch eine Grundsatzdebatte geführt und nicht wirklich zum Antrag gesprochen. Von daher werden wir – das werde ich noch ausführlicher begründen – ihn ablehnen.

Im Übrigen ist auch wieder ganz typisch ablesbar, dass die GRÜNEN den Dirigismus als ihren Lösungsansatz verkaufen. So soll ein Landesprogramm Biotopverbund mit konkreten Vorgaben auf die lokale Ebene aufgelegt werden, wie zum Beispiel die Schutzgebietsverordnungen aussehen – sie müssen wesentlich stringenter sein –, bis hin zu einer Begrenzung der Schlaggrößen für die Landwirtschaftsbetriebe. Ich gehe davon aus, dass Sie auf diese Weise für das Thema nicht die Akzeptanz bekommen werden, die wir in dieser Beziehung brauchen.

Außerdem gehen Sie in Ihrem Antrag über finanzielle Restriktionen großzügig hinweg. Das im Antrag geforderte Entschneidungsprogramm, wonach Brücken, Amphibientunnel und Ähnliches aus dem Verkehrshaushalt finanziert werden sollen, klingt aus Ihrer Sicht vielleicht populär; aber es ist realitätsfern. Ich als jemand, der aus dem ländlichen Raum kommt, sage: Der ländliche Raum muss attraktiv gehalten werden. Dazu gehört eine gute Infrastruktur. Es kann nicht sein, dass eine Großstadtpartei wie die GRÜNEN uns vorschreibt, dass wir Infrastrukturmaßnahmen zugunsten von sogenannten Entschneidungsmaßnahmen zurückfahren. Das kann so nicht sein.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Frank Kupfer)

Der Freistaat Sachsen ist ein dicht besiedeltes Kulturland. Das mag für manche Region nicht ganz zutreffen, aber in Summe ist das der Fall. Sachsen ist keine Wildnis. Von daher kann der Naturschutz, den die GRÜNEN fordern, immer nur mit den Menschen vor Ort erfolgen, nicht aber ideologisch, wie wir es von der grünen Großstadtpartei oft erleben.

Mit dem Ziel der Umsetzung des Biotopverbundes fördern wir seit Jahresbeginn den Landesverband Landschaftspflege, der sich um eine kreisüberschreitende Umsetzung bemüht und derzeit regionale Handlungsschwerpunkte erarbeitet. Gestützt wird das Ganze durch Studien des LfULG, sodass auch die Freistaatsebene fachlich eingebunden ist. Ab dem Jahr 2015 sollen Projekte zur Sicherung und Verbesserung der Wirksamkeit des Biotopverbundsystems durchgeführt werden.

Ich will noch auf drei inhaltliche Punkte des Antrags eingehen.

Unter Punkt III.5 sprechen Sie die Verbundkorridore an. Der Landesentwicklungsplan legt in Kapitel 1.5 die Verbindungs- und Entwicklungsachsen fest und formuliert

dort Grundsätze und Ziele der raumordnerischen Kategorien.

Für den Biotopverbund werden in Kapitel 4.1 – Freiraumschutz – als Ziele die Festlegung, die Sicherung und die Kennzeichnung eines länderübergreifenden Biotopverbundsystems formuliert. Auf Karte 7 des Landesentwicklungsplanes werden dafür auch die Kulissen zur Verfügung gestellt. Aber eine besondere Regelung für die Verbundkorridore des Biotopverbundes sieht der Landesentwicklungsplan nicht vor.

In den Verbundkorridoren müssen durch die Regionalen Planungsverbände die Verbindungsflächen und Korridore identifiziert und beschrieben werden. Schon aus fachlichen Gründen – es gibt beispielsweise über hundert landesweit bedeutsame Zielarten mit unterschiedlichsten Ansprüchen – lassen sich solche verbindlichen Zielachsen mit Sicherheit nicht definieren. Im Übrigen gab es zahlreiche Anhörungen zum Landesentwicklungsplan, und diese Forderung wurde meines Wissens von niemandem erhoben.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Da haben Sie nicht aufgepasst!)

Unter Punkt III.7 des vorliegenden Antrags wird „ein umfassendes Entschneidungsprogramm“ gefordert. Diese Entschneidungen und Isolierungen für einen Teil von Zielarten an Verkehrswegen sind in Sachsen aufgrund von Sicherheitsvorgaben nur an Bundesautobahnen und für großflächig wandernde Wirbeltiere in unterschiedlicher Auswirkung festzustellen. Das SMUL hat ein Projekt initiiert, welches auf der Grundlage einer Analyse Vorschläge für weitere Querungshilfen formuliert.

Das Vorkaufsrecht, um das es unter Punkt III.12 geht, wird immer wie eine Monstranz vor sich hergetragen nach dem Motto: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und des Bürokratieabbaus – Frau Kallenbach, Sie haben die Bürokratie als Hindernis benannt – wurde das Vorkaufsrecht, das zudem kaum zur Anwendung kam, abgeschafft. An der Abschaffung halten wir fest.

Das in § 66 des Bundesnaturschutzgesetzes vorgesehene Vorkaufsrecht wurde unter Nutzung der Abweichungskompetenz außer Kraft gesetzt. Die Wiedereinführung würde der Zielstellung, die wir verfolgen, zuwiderlaufen.

Im Übrigen gilt auch hier der Grundsatz, dass Vorkaufsrechte nicht für einen gezielten Ankauf von notwendigen Flächen geeignet sind. Außerdem ist mit dem Kauf solcher Flächen – das haben Sie selbst gesagt – noch lange nichts für den Biotopverbund getan. Es geht darum, die Flächen entsprechend zu gestalten und zu bewirtschaften. Hier stellt sich dann auch die Frage nach den damit verbundenen Kosten für den laufenden Unterhalt.

Eines stößt mir mittlerweile ganz besonders auf – damit meine ich insbesondere die GRÜNEN in diesem Haus –: Ihre Forderung, man müsse die Naturschutzpraktiker einbeziehen. Da kommt mir ein Bibelspruch in den Sinn: Sie predigen Wasser, trinken aber Wein. Wo waren Sie

beispielsweise im vergangenen Jahr, als der Sächsische Naturschutztag – in Leipzig! – stattfand? Ich habe Sie dort nicht gesehen. Eigentlich habe ich niemanden gesehen, außer den Vizepräsidenten des Sächsischen Landtages. Ich verweise auch auf gewisse Veranstaltungen der Landesstiftung Natur und Umwelt. Dort treffen sich die Fachleute, dort treffen sich vor allem die ehrenamtlichen Naturschützer. Mit denen sind Sie nicht im Gespräch. Wenn ich mich mit Umweltschützern unterhalte, wird mir häufig erzählt: „Die GRÜNEN kommen bei uns vorbei – aber meist nur alle fünf Jahre, wenn Wahljahr ist.“

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Frank Kupfer – Lachen der Abg. Eva Jähnigen und Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Wir als CDU-Fraktion pflegen den kontinuierlichen Austausch mit den Umweltverbänden, auch wenn wir nicht immer einen hundertprozentigen Konsens mit ihnen finden. Aber dieser Austausch ist sowohl für uns als auch für die Verbände wichtig, um letztlich für Aufklärung sorgen zu können.

Sie von den GRÜNEN schreiben zwar immer die Floskel, man müsse die Naturschutzpraktiker einbeziehen, in Ihre Anträge, aber dass Sie das tun, kann ich nicht so richtig wahrnehmen.

Sie haben auch die Naturschutzstationen angesprochen. Ich kann dazu nur sagen, dass auf meine Initiative hin der Landesnaturschutzbeirat Sachsen sich mit diesem Thema fachlich beschäftigt hat. Dort gehört das Thema auch vernünftigerweise hin.

Wir haben uns in unserem Arbeitskreis für Umwelt und Landwirtschaft mit dem Thema beschäftigt. Ich muss jedoch deutlich sagen, dass wir nicht im Vorgriff auf den zu verhandelnden Doppelhaushalt 2015/2016 Festlegungen treffen können, da unser aller Mandat am 31. August dieses Jahres endet. Es wäre aus meiner Sicht vermessen, wenn wir jetzt irgendetwas festzurren würden, was eigentlich die dann gewählten Parlamentarier zum Abschluss bringen müssen.

Ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass dieses Thema innerhalb der CDU-Fraktion schon lange vor den GRÜNEN bearbeitet wurde.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Aha?)

Auch wir sind letztlich bestrebt, den Biotopverbund zügig zu realisieren. Aber so einfach, wie Sie es sich machen, ist es eben nicht.

Kurzum: Der Antrag bringt aus unserer Sicht die Realisierung des Biotopverbundes nicht wirklich voran; er ist entbehrlich. Wir sollten uns daran halten, zügig den Maßnahmenplan „Biologische Vielfalt 2020“ umzusetzen, und nicht neue Forderungen aufzustellen, die sich noch dazu widersprechen. Ich kann nicht landesweite Vorgaben machen, die plötzlich auf der lokalen Ebene unter Einbeziehung der Naturschutzpraktiker umgesetzt werden sollen. So wird das Ganze nicht funktionieren.

Ich empfehle Ihnen, mit den Praktikern tatsächlich zu sprechen statt hier im Plenum unausgegorene Anträge zu präsentieren. Wir können diesem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Frank Kupfer)