Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Welche Folgen es hat, wenn man den einmal eingeschlagenen Weg trotz sich verändernder Rahmenbedingungen einfach fortführt, kann man gut in der sächsischen Hochschullandschaft sehen. Der im Jahr 2011 vorgelegte Hochschulentwicklungsplan ging von drastisch zurückgehenden Studienanfängerzahlen aus. Die Staatsregierung nahm das zum Anlass, den Hochschulen einen radikalen Stellenabbau zu verordnen. Bis 2015 sollen 300 Regelstellen an den Hochschulen abgebaut werden und bis 2020 sogar bis zu 1 042 Stellen.

Meine Fraktion hat bereits damals in einem eigenen Hochschulentwicklungsplan dafür plädiert, auf diese Stellenkürzungen zu verzichten und die so gewonnene demografische Rendite für die Verbesserung der Lehre einzusetzen. Nun sehen wir bereits das vierte Jahr in Folge das ganze Gegenteil von dem, was einmal vorhergesagt wurde. Die Studienanfängerzahlen verharren auf einem hohen Niveau. Auch die Kultusministerkonferenz geht mittlerweile davon aus, dass die Studierendenzahlen selbst im Jahr 2025 noch über dem Niveau von 2010 liegen werden.

Für Sachsen bedeutet dies eine gewaltige Chance, wenn es darum geht, den Fachkräftebedarf zu decken, von der wissenschaftlichen Leistung unserer Hochschulen einmal ganz abgesehen. Aber dafür müssen wir auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Derzeit ist aber das ganze Gegenteil der Fall. Das Beharren auf den Stellenkürzungen führt dazu, dass bereits jetzt wichtige Einrichtungen wie zum Beispiel das Pharmazeutische Institut in Leipzig oder kleine, sachsenweit einzigartige Fächer wie die Theaterwissenschaft geschlossen werden. Im Interesse eines sachsenweit abgestimmten Fächerangebotes, wie es der Hochschulentwicklungsplan vorsieht, geschieht das nicht. Es fällt der Lehrstuhl weg, der als Nächstes frei wird oder bei dem es die meisten Stellen zu holen gibt.

Der SPD-Antrag sieht vor, den Hochschulentwicklungsplan zu korrigieren und die Vielfalt der Fächerlandschaft zu erhalten. Das findet unsere Unterstützung; denn wie eingangs erwähnt, muss Politik auch bereit sein, eigene Fehleinschätzungen zu korrigieren. Natürlich gehört zu

guten Rahmenbedingungen dazu, dass die Hochschulen die Mittel zur Verfügung haben, die sie brauchen. Wenn man sich die beeindruckende Vielzahl von Podiumsdiskussionen zum Thema Hochschulen, die Vielzahl an Wahlprüfsteinen oder eben auch die geplante Großdemonstration am 25. Juni in Leipzig anschaut, muss man zu dem Schluss kommen, dass dem nicht so ist.

Bei der laufenden Grundfinanzierung liegt Sachsen nach wie vor unter dem Bundesdurchschnitt – das wurde heute mehrmals angesprochen –, bei den Universitäten sogar auf dem drittletzten Platz. Wir haben bereits vor zwei Jahren gezeigt, dass eine Aufstockung der Mittel möglich gewesen wäre. Mit der nun vereinbarten Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund – auch das wurde heute schon gesagt – bietet sich die einmalige Möglichkeit, die sächsischen Hochschulen auskömmlich zu finanzieren. Dafür muss das Geld aber zur Aufstockung der Grundfinanzierung genutzt werden. Dann ergäbe sich endlich die Möglichkeit, überfüllten Hörsälen und fehlenden Teilzeitstudiengängen einen Riegel vorzuschieben. Wir können die prekäre Situation beim wissenschaftlichen Mittelbau, wo nur noch jeder fünfte Mitarbeiter ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sein Eigen nennt und ein Viertel der befristeten Beschäftigtenverträge Laufzeiten von unter sechs Monaten hat, deutlich verbessern. Lehrbeauftragte müssten auch nicht mehr mit Honorarsätzen von zum Teil 15 Euro abgespeist werden.

Diese Chance haben wir jetzt, und wir müssen es einfach nur tun. Aus all diesen Gründen werden wir dem SPDAntrag zustimmen. Prognosen sind, wie gesagt, immer eine unsichere Sache. Aber es braucht keine Glaskugel, um vorherzusagen: Wenn wir jetzt in unserer Hochschulpolitik nicht umsteuern, werden wir in nicht allzuferner Zukunft einen viel höheren Preis dafür zahlen. Das hat uns nicht zuletzt das Beispiel Lehramtsausbildung gelehrt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir sind schon in der zweiten Runde. Die NPD hat keinen Redebedarf signalisiert. Mir liegt noch eine Wortmeldung vor. Ich frage trotzdem nach der Reihenfolge die SPD. Herr Mann, haben Sie Redebedarf? – Ja, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich will die zweite Runde nutzen, um die Debatte zu führen; dafür ist sie ja da. Zunächst möchte ich für die unterstützenden Äußerungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch der Fraktion DIE LINKE danken.

Frau Giegengack, nur ein Hinweis: Das, was ich in meiner Rede sagte – ich fürchte, das ist schlimmer, als wir es uns einreden wollen. Das Problem ist nicht, an falsche Prognosen zu glauben, sondern dass dieser letzte Hochschulentwicklungsplan so aufgestellt wurde, dass man den Stellenkürzungsbeschluss umsetzt. Genau das habe ich heute in einer Kleinen Anfrage so als Antwort der Staats

regierung gefunden. Das ist das Problem, über das wir reden und dessen Konsequenzen die Hochschulen ausbaden müssen.

Auch beim Mittelbau führt das unter anderem dazu, dass wir in Sachsen schon die Situation haben, dass nicht mehr nur jeder Fünfte einen festen Vertrag hat, sondern zunehmend nur noch jeder Zehnte. Das ist eine absolut unhaltbare Situation.

Aber jetzt zu den Beiträgen aus der Regierungskoalition: Herrn Tippelt bin ich zumindest dankbar, dass er versucht hat, so etwas wie einen Kurs seiner Fraktion zu den beantragten Punkten darzustellen. Da muss ich mich dann doch mit Ihnen auseinandersetzen. Ich sage es noch einmal: Der „LVZ“-Artikel war durchaus erheiternd, weil Sie genau diese Position in den letzten Jahren erstens nicht vertreten haben und weil Sie zweitens meinen, mit aus unserer Sicht rechnerisch 63 Millionen Euro alle dies fünf Punkte finanzieren zu können.

Wer sich mit diesen Punkten ernsthaft befasst, weiß, dass diese Summen mindestens dreistelliger Millionenbeträge bedürfen. Deshalb kann ich nicht wirklich davon ausgehen, dass Sie sich ernst zu nehmend mit diesen Forderungen und diesen Haushaltspositionen auseinandergesetzt haben.

Sehen Sie mir das nach, aber es ist ein bisschen wohlfeil, auf die Zielgerade zu kommen und bei einem Antrag, der Projekte aus der Legislaturperiode aufnimmt, aber vor allem bei der Debatte vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen – das habe ich in meiner Rede ausgeführt – so zu tun, als hätte man ein Programm. Das ist billig.

Aber jetzt zur CDU: Herr Clemen, es tut mir leid, aber Ihr Beitrag hat zu keinem der konkret benannten Punkte Stellung genommen. Sie haben einfach Ihren Ärger und Ihren Unmut kundgetan, und Sie haben bewiesen, dass Sie von Mathe nicht besonders viel verstehen, was mich als Musiker überrascht.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Wenn Sie selbst sagen, seit 2005 seien die Ausgaben um 15 % gestiegen, dann könnten Sie, ohne besonders gut rechnen zu können, überschlagen, dass das nur 1,6 % pro Jahr sind. Das ist unter der Inflationsrate. Da könnte man auf die Idee kommen, dass bei steigenden Studierendenzahlen Geld im System fehlt. Man hätte aber auch letzte Woche die Destatis-Zahlen zur Kenntnis nehmen können. Das Statistische Bundesamt sagt, dass Sachsen das einzige Bundesland ist, in dem seit 2009 die Grundmittel in der Finanzierung gesunken sind. Das erhärtet unsere Argumentation, wenn wir sagen: Sachsen spart sich auf Kosten des Bundes und der Hochschulen gesund. Das ist nicht leistungsgerecht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie als exzellentes Beispiel die HHL anführen, dann tut mir das auch als Leipziger leid. Eine Hochschule, deren Zuschüsse vom Rechnungshof kritisiert werden, weil sie sich eigentlich privat aus Studiengebühren

finanzieren müsste, aber in nicht geringem Umfang einer staatlichen Finanzierung bedarf, eine Hochschule, die vor Kurzem staatlich finanzierte öffentliche Hochschulräume übertragen bekommen hat, die mehr als 20-mal so viel Raum zur Verfügung hat wie die dortige Universität, als exzellentes Beispiel für die öffentlich finanzierte sächsische Hochschullandschaft anzuführen, das ist schon ein bisschen abenteuerlich und kann wohl nicht Ihr Kurs sein.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE – Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Zu guter Letzt: Herr Clemen, manchmal verrät man sich ja mit eigenen Zitaten. Wenn Sie hier sagen – ich zitiere noch einmal in aller Ruhe –, es gehe lediglich um unbefristete Vollzeitstellen, dann drückt das genau das Problem aus, das die sächsische Hochschullandschaft hat, weil wir zunehmend in eine Situation geraten, in der die Hochschulen gar nicht mehr langfristig planen können. Sie hangeln sich von Paket zu Paket, gefährden die Freiheit von Forschung und Lehre und fahren dieses System zunehmend an die Wand. Genau deswegen führen wir diese Debatte.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Für die CDU-Fraktion Herr Prof. Dr. Schneider.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Debatte der SPD-Fraktion will ich im Hinblick darauf, dass in den letzten Redebeiträgen auch die Verwendung der BAföGMittel, die für den Freistaat 85 Millionen Euro per anno betragen, gegenständlich war, sagen: Es ist richtig, dass zwei Drittel der zusätzlichen BAföG-Mittel – das sind 56,5 Millionen Euro – insbesondere dem Hochschulbereich zugutekommen. Das ist gut so, das begrüßen wir und das wird uns massiv nach vorn bringen.

(Beifall bei der CDU)

Wir stellen uns vor, dass das den Bereichen Nachwuchsförderung – unser Hochschulpolitischer Sprecher Geert Mackenroth hat das in einer Pressemitteilung für uns auch deutlich gemacht –, Erstausstattung, Großgeräte und insbesondere auch Hochschulbau zugutekommen wird. Wichtig ist, auch wenn man sich über die Einzelheiten unterhält: Es ist sichergestellt, dass die Gelder gerade dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Das ist die entscheidende Botschaft und das werden wir sicherstellen. Das wissen wir sichergestellt.

(Beifall bei den Abg. Robert Clemen und Geert Mackenroth, CDU)

Meine Damen und Herren, alles andere ist bereits mehrfach in mehreren Debatten gesagt worden. Ich möchte daher von der Möglichkeit Gebrauch machen, Herr Mann, dass Sie unsere Position, die Kollege Clemen für uns

dargestellt hat und die Sie auch kennen, im Protokoll nachlesen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Mann, eine Kurzintervention.

Wenn Kollege Schneider mir nicht die Möglichkeit zu einer Nachfrage gibt, will ich es noch einmal auf diesem Weg probieren.

Herr Prof. Schneider, ich hatte hier mehrere Fragen gestellt, deren Beantwortung Sie uns schon schuldig sind. Eine Frage war ganz deutlich: Wieso nutzen Sie dieses Geld nicht, um die Grundfinanzierung der sächsischen Hochschulen zu verbessern, so wie es unter anderem im Bund ganz klar im Koalitionsvertrag steht? Daran müsste zumindest Ihre Partei ein Interesse haben. Schlagen Sie doch einmal über Wörtersuche das Wort „Grundmittel“ und das Wort „Grundfinanzierung“ nach. Dabei werden Sie schnell zum Kapitel „Hochschule“ kommen.

Die zweite Frage, die Sie uns vielleicht doch noch beantworten sollten, lautet: Wie kann es sein, dass mindestens die 5 Millionen Euro Entlastung bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen schon nirgendwo mehr auftauchen, sodass wir also sozusagen nur noch bei 57 Millionen Euro, dem reinen BAföG-Geld, sind? Auch da sind schon wieder Mittel, mit denen Sachsen entlastet werden sollte, zweckentfremdet worden. Anders kann ich das nicht interpretieren.

Herr Prof. Schneider, Sie möchten darauf antworten?

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Mann, zur Grundfinanzierung will ich mit einer Mär aufräumen. Es wird immer behauptet, dass die Grundausstattung, dass die Grundmittel im sächsischen Hochschulbereich im bundesweiten Vergleich am unteren Level seien. Das trifft überhaupt nicht zu. Was Sie nicht berücksichtigen, was Sie aber wissen sollten – wir haben es mittlerweile mehrfach hier, aber auch im Ausschuss behandelt –, ist, dass der gesamte Bereich der Hochschulinvestitionen in die Berechnung, die Sie anstellen, nicht einfließt. Würde man dies tun, sähe der Finanzbereich im bundesweiten Vergleich ganz anders aus. Sachsen ist, deutschlandweit gesehen, im Hochschulbereich nämlich ziemlich weit vorn.

Der zweite Punkt: Die entscheidende Aussage ist, dass wir sichergestellt wissen, dass die Mittel, die dem Hochschulbereich zugutekommen – und um den geht es heute hier in Ihrer Debatte –, auch genau an der Stelle ankommen werden, an der sie gebraucht werden. Das lassen wir nicht wegreden. Das ist nämlich der gute Teil der Botschaft.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die Abgeordneten: Wünscht ein Abgeordneter einer

Fraktion, die in der zweiten Runde noch nicht gesprochen hat, das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Prof. von Schorlemer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Für die Staatsregierung darf ich mich uneingeschränkt zum Titel des vorliegenden Antrags bekennen und diesen Titel auch nachträglich unterstützen. „Hochschulen zukunftsfest gestalten“ – für mich ist das so etwas wie das Credo meiner bisherigen Amtszeit in der Hochschulpolitik. Die Staatsregierung hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Beitrag zu dieser Zukunftsfähigkeit geleistet: mit dem Überlastpaket, mit dem Bildungspaket, mit der mit den Hochschulen geschlossenen Zuschussvereinbarung und nicht zuletzt mit dem durch dieses Hohe Haus verabschiedeten Hochschulfreiheitsgesetz. Das bringt insgesamt das Engagement der Staatsregierung zum Ausdruck.

Weit weniger überzeugen mich allerdings die unter dem Titel des Antrags zusammengefassten Forderungen, die eine Mischung von falschen Annahmen, ein zu statisches Verständnis von Planungsprozessen, eine Ansammlung von durch die Staatsregierung längst begonnenen Maßnahmen oder auch schlicht inhaltliche Unrichtigkeiten darstellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber der Reihe nach. Was die angesprochene Korrektur des Hochschulentwicklungsplanes angeht, so ist anzumerken, dass dieser wie alle strategischen Planungsinstrumente auf eine längere Laufzeit angelegt ist, konkret hier eine Dekade, Hochschulentwicklungsplan 2020, dass er jedoch selbstverständlich im Lichte neuerer Entwicklungen laufend fortgeschrieben und nicht eben stur umgesetzt wird. Eine solche Fortschreibung erfolgte unter anderem auch infolge der korrigierten Prognose der KMK im Januar 2012, als die Staatsregierung das erste Überlastpaket geschnürt hat, um auf die unverändert hohe Auslastung der Hochschulen zu reagieren, die Relation stabil zu halten und damit auch die Qualität der Lehre zu sichern. Wir werden diese Anpassung, soweit erforderlich, auch weiterhin vornehmen.

Außerdem: Die Mittel aus dem Hochschulpakt – das habe ich bereits mehrfach dargelegt – werden bereits heute vollumfänglich an die Hochschulen weitergereicht. Es scheint sich aber zum unausrottbaren Aberglauben zu entwickeln, dass wir das nicht tun würden.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Sie können sicher sein, dass der Bund der Erste wäre, der eine nicht zweckgebundene Verwendung der Mittel rügen würde. Das gilt genauso für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hier ist der Pakt Forschung und Innovation einschlägig. Selbstverständlich werden die Mittel an die Hochschulen weitergereicht.