Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

(Holger Szymanski, NPD: Was haben Sie denn vorhin getrunken?)

Nein, meine Damen und Herren, es handelt sich – und so lautet auch schon die Eigenbezeichnung – um nationalsozialistische Mörder. Die haben sich – und das ist aktenkundig – oft genug auf Veranstaltungen herumgetrieben, die auch von NPD-Anhängern und -mitgliedern sehr, sehr gerne besucht werden, meine Damen und Herren. Tun Sie doch nicht so, als hätten Sie mit denen nichts zu tun, als sei das eine Veranstaltung, die Ihnen von außen sozusagen wie ein Bonbon an die Backe geklebt worden ist!

(Holger Szymanski, NPD: Wie viele Leute haben Sie denn im Einsatz gehabt?)

Nein, das ist aus Ihren Reihen emporgewachsen und das sind die Früchte Ihrer Ideologie, die sich dort offenbart haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dementsprechend ist auch der Verfassungsschutz kein Instrument einer irgendwie gearteten Verschwörung gegen die „nationalen Kräfte“ oder die selbsternannten „volkstreuen Kameradinnen und Kameraden“. Der Verfassungsschutz ist da, um zu beobachten, wie Extremisten versuchen, sich an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schaffen zu machen. Das treibt sie von morgens bis abends um. Herr Jennerjahn hat mit seinen Zitaten, die übrigens allgemein bekannt sind, das noch einmal klargemacht. Sie sind Verfassungsfeinde und sie stehen dazu. Tun Sie doch nicht so, als würden Sie sich auf einmal Sorgen um die Verfassung machen oder gar um den Verfassungsschutz!

(Beifall bei der FDP, der CDU und den LINKEN sowie des Staatsministers Sven Morlok)

Wenn Sie hier Ihre kruden Verschwörungstheorien offenbaren, muss man sich schon wundern. Das Einzige, was

Sie fertigbringen, ist – das, was Herr Schimmer sagte –, das habe fast schon beinahe Beweischarakter. Fast schon beinahe Beweischarakter. In anderen historischen Fragen gehen Sie von gesicherten Erkenntnissen aus, zum Beispiel mit Herrn Irving zusammen, dass es Auschwitz gar nicht gegeben habe. Das ist für Sie eine bekannte feststehende Faktenlage.

(Holger Szymanski, NPD: Was haben Sie denn immer mit dem Irving?)

Wenn demgegenüber die Hinweise auf eine Verschwörung bezüglich des NSU beinahe schon Beweischarakter haben, dann weiß der geneigte Beobachter genau, wie es bei Ihnen ausschaut. Sie wissen ganz genau, dass dieser NSU aus Ihren Reihen gekommen ist

(Gelächter bei der NPD)

und Ihnen politisch immer zuzurechnen sein wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Beim Thema NSA hat man gedacht, jetzt kommen wieder die üblichen antiamerikanischen Verschwörungstheorien und paranoiden Theorien hoch. Nö, eigentlich nicht. Nicht mal das. Das waren zusammenhanglose Versatzstückchen, mit denen Sie sich gegen irgendeine Bespitzelung wehren.

(Holger Szymanski, NPD:... des Bundesnachrichtendienstes!)

Was ist denn, wenn das Landesamt auf einmal versucht, extremistische Islamisten, Salafisten oder Dschihadisten abzuhören? Dürfen die das nicht?

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ist das unanständig? Nein, unanständig ist es dann, wenn man es bei der Beobachtung auf Sie abgesehen hat. Die heutige Diskussion hat deutlich gezeigt, dass die NPD ein sehr, sehr wichtiges Ziel für die Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden in diesem Land ist und bleibt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Martens. Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf. Die 2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 2

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Einsetzung eines Sächsischen Normenkontrollrates

(Sächsisches Normenkontrollratsgesetz – SächsNKRG)

Drucksache 5/13845, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/14583, Beschlussempfehlung

des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen in der ersten Runde mit der CDU-Fraktion. Das Wort ergreift Herr Kollege Modschiedler.

So, jetzt wird es hoffentlich ruhiger. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Sitzungen beschäftigte sich der Landtag mit dem Thema Staatsmodernisierung in Sachsen. Zu diesem Thema, einem fortlaufenden Prozess, gehört aus Sicht der CDU-Fraktion neben strukturellen Veränderungen des Freistaates und seiner Verwaltung auch eine bürger- und unternehmensfreundliche sowie transparente und vor allem nachvollziehbare Gesetzgebung. Zwar findet die Gesetzgebung letztlich und entscheidend – ich finde, das ist gut so – im Hohen Hause statt und damit ist klar, dass wir alle selbst einen Beitrag zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Rechtssetzungsvorhaben leisten können und auch müssen.

Fakt ist aber auch, und das wissen wir alle aus unserer täglichen Erfahrung, dass die Normsetzung zum Großteil in der Staatsregierung stattfindet, von der viele dieser Vorhaben ausgehen. Deshalb begrüßen wir, die CDUFraktion, die Einbringung des Sächsischen Normenkontrollratsgesetzes durch die Sächsische Staatsregierung.

Der Sächsische Normenkontrollrat ist dem Vorbild des Normenkontrollrates im Bund als mithin überwiegend unpolitisches Gremium nachempfunden. Er wird seinen Teil dazu beitragen, die Gesetzgebung noch transparenter und verständlicher zu machen. Er wird, wenn nötig, zu einem frühen Stadium des Verfahrens auf mögliche Defizite, Kostenfolgen und Umsetzungsschwierigkeiten hinweisen können. Der Kontrollrat wird damit möglicherweise einen Beitrag dazu leisten, dieses Parlament in gewisser Weise zu entlasten, was nicht verkehrt ist, wenn ich an die in den letzten Monaten stets sehr gut gefüllten Tagesordnungen der Ausschuss- und auch der Plenarsitzungen denke, so auch die heutige.

Im Ergebnis kann eine Entlastung dazu führen, dass wir als erste Gewalt in Zukunft noch mehr Wert auf gründliche parlamentarische Arbeit legen können. Nochmals klargestellt: Mit dem Gesetz wird ein verwaltungsexternes unabhängiges Gremium geschaffen, welches die Staatsministerien bei der Vorbereitung eines Regelungsvorhabens unterstützt. Das Gesetz soll die Staatsregierung bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Bürokratieabbau und der besseren Rechtssetzung unterstützen. Der Rat soll unabhängig die Kosten und den Zeitaufwand, die durch

die Befolgung einer Vorschrift den Bürgern, der Verwaltung und der Wirtschaft entstehen können, ermitteln. Das Gremium wird aus sechs Mitgliedern bestehen, die aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kommunen stammen. Diese Zusammensetzung begrüße ich ausdrücklich, denn es wird der Rechtssetzung überhaupt nicht schaden, wenn frühzeitig externer Sachverstand kritisch über beabsichtigte Vorhaben schaut und die Gelegenheit erhält, mögliche Verbesserungen einzubringen.

Das wird die Qualität der Rechtssetzung im Freistaat künftig sogar noch weiter erhöhen. Zusätzlich kann der Normenkontrollrat einen Beitrag zu größerer Akzeptanz einzelner Vorhaben leisten. Nicht entscheidend dabei ist aber, an welcher Stelle der Normenkontrollrat angebunden wird. Angesichts der Zuständigkeit des Justizministeriums für die Rechtsförmigkeitsprüfung von Gesetzen spricht nichts gegen die Anbindung der Geschäftsstelle des Gremiums an das Justizministerium, denn der Rat selbst unterliegt überhaupt keinen Weisungen des Staatsministers. Die Geschäftsstelle dort anzusiedeln ist mehr als zweckmäßig.

Richtig und wichtig finde ich, dass der Landtag die Empfehlungen des Normenkontrollrates für das eigentliche Gesetzgebungsverfahren zur Kenntnis erhalten wird. Damit ist sichergestellt, dass von der Staatsregierung möglicherweise nicht umgesetzte Empfehlungen des Rates im Gesetzgebungsverfahren noch einmal überprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden können. In den Fällen aber, in denen die Staatsregierung nach Beteiligung dieses Gremiums insgesamt Abstand von einem Gesetzgebungsvorhaben nimmt, bedarf es überhaupt keiner Zuleitung einer Stellungnahme des Normenkontrollrats an den Landtag.

Diese immer wieder aufgestellte Forderung wäre zum einen überflüssig und zum anderen sogar systemwidrig. Wenn sich die Staatsregierung entschließt, ein Gesetzgebungsverfahren nicht in den Landtag einzubringen, gibt es überhaupt keine geschäftsmäßige Behandlung durch den Landtag in dieser Angelegenheit. Eine von einem bestimmten Rechtssetzungsvorhaben losgelöste Übersendung einer solchen Stellungnahme – Herr Bartl, Sie hatten das auch im letzten Ausschuss gefordert – macht dann überhaupt keinen Sinn.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Doch!)

Nein, wenn das Gesetz überhaupt nicht eingebracht wird, brauchen wir keine Stellungnahme. Es gibt überhaupt keine Behandlung.

Sehr sinnvoll und – meiner Ansicht nach – auch sehr wichtig ist, dass das Projekt des Normenkontrollrats zunächst auf drei Jahre befristet ist. Nach § 7 des Gesetzentwurfs wird das Projekt nach zwei Jahren – das ist wichtig – einer Evaluierung unterzogen. Wir, die Parlamentarier, sollten das Ergebnis dieser Evaluierung sorgfältig auswerten und die richtigen Schlüsse daraus ziehen, um anschließend sachlich über das zukünftige Ob und Wie dieses Normenkontrollrats zu diskutieren und zu entscheiden. Das ist ein wichtiges Werkzeug unserer Legislative. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Bartl. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Spät kommt ihr – doch ihr kommt.“ Die Einrichtung eines derartigen Normenkontrollrats war bekanntermaßen eines der Vorhaben, das im Koalitionsvertrag bereits fixiert war. Das war im Jahr 2009. Fünf Jahre später und zum Ende der Legislaturperiode kommt nun der Gesetzentwurf. Das wirft für uns folgende Frage auf: Warum ist dieses Projekt, wenn es so wichtig, bedeutsam und günstig ist, nicht bereits für diese Legislatur nutzbar gemacht worden? Das ist eine Frage, vielleicht gibt uns Herr Staatsminister eine Antwort, mit der wir uns befassen. Ich stelle diese Frage einmal zurück.

Wir beleuchten diesen Gesetzentwurf einmal objektiv auf sein Pro und Kontra hin. Ich möchte dies für unsere Fraktion tun. Wie bereits Kollege Modschiedler hervorgehoben hat, wäre Sachsen damit das erste Bundesland, das auf Länderebene ein solches Gremium nach dem Vorbild des Nationalen Normenkontrollrats auf Bundesebene schafft. Der vorliegende Gesetzentwurf lehnt sich auch in der Normierung der Aufgaben, Zusammensetzung und dergleichen mehr weit an die bundesgesetzliche Regelung des Gesetzes zur Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrats vom 14. August 2006 an.

Es ist erkennbar – das sehen wir ebenfalls –, dass es eben nicht die Aufgabe des Sächsischen Normenkontrollrats ist, wie dessen Bezeichnung nahelegen könnte, eine inhaltliche Prüfung von Rechtsnormen – etwa auf ihre Übereinstimmung mit der sächsischen Landesverfassung oder ihre Passfähigkeit – vorzunehmen. Die Aufgabe ist, wie auch klar hier bezeichnet, vor allem den Erfüllungsaufwand, der bei der Umsetzung von neuen Normen entsteht, entsprechend zu bewerten und zu beurteilen. Es kann durchaus der Effekt eintreten, das gilt auch für das Land als Gesetzgeber, eine entsprechende Unterstützung zu liefern. Es geht also um eine sogenannte Ex-antePrüfung.

Nach der allgemeinen Definition umfasst der Erfüllungsaufwand den gesamten messbaren Zeitaufwand und die Kosten, welche durch das Befolgen einer Vorschrift bei den Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung entstehen. So sieht es auch § 2 des Gesetzentwurfs vor. Der Sächsische Normenkontrollrat soll also nicht die Aufgabe des in der Regierung existierenden Normenprüfungsausschusses übernehmen. Das noch einmal zu betonen, Herr Kollege Modschiedler, ist uns wichtig. Der Herr Staatsminister hatte dies auch im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gesagt. Es gibt damit also keine Abstriche bei der Verantwortung innerhalb der Staatsregierung selbst. Was die Frage nach der Rechtsförmlichkeit, Verfassungsmäßigkeit und der rechtstechnischen Umsetzung vorgesehener Regelungen angeht, bleibt die Verantwortung bei der Staatsregierung respektive im Justizministerium.

Einer derartigen Prüfung durch den Sächsischen Normenkontrollrat sollten Entwürfe von Landesgesetzen und von Gesetzen unterliegen, die die Staatsregierung bzw. das Staatsministerium oder die Staatskanzlei erarbeitet haben, sowie Entwürfe von Rechtsverordnungen, mit denen sich die Staatsregierung befassen muss. Auch bestehende landesrechtliche Regelungen, soweit diese dem Normenkontrollrat von der Staatsregierung, gegebenenfalls auch von der Staatskanzlei oder eines Staatsministeriums zur Prüfung vorgelegt werden sollen, sollen noch einmal bewertet werden. Zumindest verstehen wir das so. Es sollte tatsächlich ebenfalls möglich sein, dem Normenkontrollrat bereits bestehende Regelungen zu unterbreiten und vom Normenkontrollrat bewerten zu lassen. Wir hätten gern noch einmal bestätigt, dass dies der Sinn des Gesetzes ist. Das ist für uns aus einem Gedanken heraus nicht ganz unwichtig, auf den ich noch zu sprechen komme.

In diesem Punkt unterscheidet sich der Gesetzentwurf übrigens auch von der bundesgesetzlichen Regelung zur Errichtung des nationalen Kontrollrats, nach der der Normenkontrollrat Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages prüft. Wir haben also nur die Festschreibung, dass von dem Normenkontrollrat Gesetzentwürfe bewertet werden, die von der Staatsregierung kommen. Es besteht nicht wie auf Bundesebene die Möglichkeit, dass Fraktionen – beispielsweise eine Gruppe von Abgeordneten, die einen Gesetzentwurf einbringt – den Normenkontrollrat beauftragen. Dass dies mit diesem Gesetzentwurf anders gesehen wird, ist für uns in gewisser Hinsicht erklärungsbedürftig.

Wir sind der Meinung, dass dieses Gesetzesvorhaben ein interessantes Experiment ist. Es kann durchaus einen entsprechenden Nutzen bringen. Insofern sind wir durchaus gespannt. Allerdings bedauern wir es auch ausgesprochen, dass solche bedeutenden und komplexen Gesetzeswerke, die in dieser Legislaturperiode verabschiedet wurden und bei denen es an der Abschätzung des Kostenfolgeaufwandes ermangelt hat und dem Landtag nicht mitgeteilt wurde, was es kosten und dem Steuerzahler

bringen würde, nicht bereits durch den Normenkontrollrat bewertet wurden.