Das war Kollege Heidan für die CDU-Fraktion. Gibt es in dieser nun eröffneten dritten Runde weiteren Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Somit geht das Wort an die Staatsregierung. Dies ergreift Staatsminister Dulig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Debatte heißt ja „Der ‚Tillich-Brief‘ ans schwedische Parlament – Welche Rolle spielt die Staatsregierung beim Vattenfall-Kohleausstieg?“ Antwort: eine konstruktive. Vielen Dank.
So einfach könnte man es sich machen. Die Frage ist: Was wollten Sie mit der Debatte? Ging es darum, noch einmal die Unterschiede in der Energiepolitik darzulegen? Dann ist es relativ überraschungsfrei. Es überrascht uns nicht, dass Sie ein anderes Szenario haben und eine andere Energiepolitik vertreten. Ich spreche Ihnen nicht die Motivation ab und ich glaube auch nicht, dass wir Sie davon überzeugen können, dass eine andere Energiepolitik sinnvoll ist. Das belebt ja die Debatte.
Es geht hier um etwas anderes. Es geht darum, dass es im Interesse des Freistaates Sachsen liegt, dass der Verkaufsprozess von Vattenfall durch uns konstruktiv begleitet wird. Wenn wir jetzt eine rein ideologische Debatte zur Energiepolitik machen, kommen wir nicht zu neuen Erkenntnissen; sondern wir müssen die Frage beantworten, warum wir als Sachsen bei diesem Verkaufsprozess, der im Gange ist, darauf achten sollten, dass die sächsischen Interessen gewahrt werden. Das muss im Mittelpunkt stehen.
Dass wir jetzt überhaupt darüber reden, hat etwas mit den Entscheidungen in Schweden zu tun, die die GRÜNEN mit beeinflusst haben. Es ist gesagt worden, wir wollen aus der Braunkohle aussteigen. Zur Wahrheit gehört, dass in Schweden die Atomenergie als saubere, als grüne Energie gilt, weil sie dort lediglich aus CO2-EmissionsGesichtspunkten betrachtet wird. Dazu bitte ich auch einmal um Stellungnahme der GRÜNEN.
Nur müssen wir jetzt noch einmal definieren, was unser Interesse ist. Die Menschen in einer Region wie der Lausitz, die seit 25 Jahren von einem massiven Strukturwandel betroffen ist, wollen wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Wir können auch nicht in schwarz-weiß denken, dass alle diejenigen, die von Umsiedlung betroffen sind, das ablehnen. Nein, die Menschen wollen endlich Sicherheit. Die meisten, die dort leben, wollen wissen, was jetzt ist. Die Region lebt seit Jahrhunderten mit und von der Braunkohle. Sie wissen, was das für sie heißt, und haben sich damit arrangiert und ein Agreement für die Umsiedlung gefunden.
Die Mehrheit unterstützt das. Sie möchten endlich wissen, was jetzt passiert. Sie möchten Investitionssicherheit haben.
Die betroffenen Gemeinden haben in den Gemeinderäten Punkte beschlossen oder bereiten dies derzeit vor. Nun liegt es natürlich wieder an dem anderen Partner, das zu parafieren und aktiv in die Verkaufsverhandlungen einzubringen. Es ist erstens natürlich sächsisches Interesse, dass das, was zwischen Vattenfall und den betroffenen Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürgern ausgehandelt wurde, Teil des Verkaufsprozesses von Vattenfall wird. Das ist sächsisches Interesse und darum kümmern wir uns.
Zweitens ist es unser Interesse, die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerinteressen – sowohl von denjenigen, die aktiv dabei sind, als auch der ehemaligen Kumpels – bei den Pensionen zu berücksichtigen. Das war auch eine Verpflichtung von Vattenfall, sich um die Pensionskosten der ehemaligen Mitarbeiter zu kümmern. Diese Interessen möchten wir ebenfalls wahren.
Es geht des Weiteren um die Renaturierung. Das ist ein Riesenbatzen, der damit verbunden ist. Es handelt sich ebenso um sächsisches Interesse, dass das bei den Verkaufsverhandlungen selbstverständlich Berücksichtigung finden soll. Vor allem, ich gebe Ihnen recht, muss es unser Interesse sein, dass wir keine Trennung zwischen Tagebauen und Kraftwerken zulassen. Wir müssen dies als Komplex ansehen. Niemand wird nämlich erklären können, dass wir zwar Braunkohle abbauen, aber dann in Regionen bringen, wo es verstromt wird.
Ich möchte auch noch einmal, wenn wir über die Braunkohle reden, darauf hinweisen dass es eben nicht nur um
die energetische Nutzung geht. Wir diskutieren schon seit Längerem auch über die stoffliche Nutzung der Braunkohle. Deshalb steht die Ressource Braunkohle – unabhängig von der Energiepolitik – für uns im zentralen Interesse.
Nun wurde auch auf das Verwaltungsverfahren hingewiesen. Erstens ist die Sorge der möglichen Investoren doch, dass mit den Verkaufsabsichten von Vattenfall bestimmte Planungsprozesse abgebrochen werden. Man möchte wissen, wie es weitergeht. Der Wiedereinstieg ist deutlich schwieriger.
Der zweite Grund, warum es in unserem Interesse ist, dass die Verwaltungsverfahren schlichtweg fortgeführt und nicht verzögert werden, ist, dass damit auch der Druck auf Vattenfall wächst, notwendige Zwischeninvestitionen zu tätigen, und dass kein Abbruch entsteht. Damit kann der Verkaufsprozess optimal laufen. Beispielsweise kann bei Erweiterungen – zum Beispiel bei Nochten II – relativ zügig damit angefangen werden.
Wir mögen unterschiedliche Sichtweisen haben. Es ist aber aus Sicht der Staatsregierung unser sächsisches Interesse, dass dort kein Abbruch stattfindet.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich machen, dass der Verkaufsprozess nicht wie folgt verläuft: Das Ergebnis ist von vornherein klar. Es ist ein schwieriger Verkaufsprozess, weil er unter dem Stichwort Planungssicherheit gesehen werden muss. Jeder Investor fragt natürlich: Was ist in Deutschland mit der Energiepolitik los? Welche Planungssicherheit gibt es?
Deshalb müssen auch wir in unterschiedlichen Szenarien denken. Es gibt noch kein Ergebnis im Verkaufsprozess. Wir müssen, wenn es darum geht, sächsische Interessen zu wahren, für alle Eventualitäten unsere Interessen definieren und bereits jetzt einbringen. Das gilt für alle möglichen Szenarien.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN! Sie mögen sich vielleicht freuen, wenn die Verkaufsverhandlungen scheitern. Ich freue mich nicht. Der Schaden für Sachsen wäre sicherlich viel größer. Wir haben einen Eid geschworen, Schaden von diesem Land abzuwenden. An diesen hält sich die Sächsische Staatsregierung.
Herr Staatsminister Dulig sprach für die Staatsregierung. Wir sind nun am Ende der 2. Aktuellen Debatte angekommen. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.
Für die Staatsregierung berichtet zunächst die Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Frau Barbara Klepsch, zu folgendem Thema: Impfen ist richtig und wichtig.
Hierzu stehen nach § 54 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, die Staatsministerin zu ihrem Bericht sowie zu einem weiteren Themenkomplex zu befragen. Als weiteren Themenkomplex hat die SPDFraktion das Thema „Aktuelle Entwicklungen zum Heimkinderfonds“ benannt. Ich erinnere noch einmal an die Verständigung zwischen den Fraktionen, dass in der ersten Fragerunde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden. In den weiteren Runden können sowohl zu diesem Thema als auch zu dem von der Fraktion benannten Themenkomplex Fragen gestellt werden.
Ich erteile jetzt unserer Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Frau Klepsch, das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Impfen ist richtig und wichtig – so lautet der Titel der heutigen Befragung. Diesem Titel kann ich natürlich als Gesundheitsministerin ohne Einschränkungen zustimmen.
Nehmen wir das Beispiel der Pocken. Die Impfung gegen Pocken wurde im Jahr 1967 auf Beschluss der Weltgesundheitsorganisation zur Pflicht. In Deutschland wurden daraufhin spezielle Impfstationen eingerichtet. Wer nicht zur Impfung erschien, wurde von der Polizei geholt und zur Impfung gebracht. Der letzte bekannte Pockenfall in Deutschland trat im Jahr 1972 auf. Schließlich hat 1980 die WHO festgestellt, dass die Pocken ausgerottet waren. Die Impfpflicht wurde daraufhin wieder aufgehoben. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Impfungen sind und wie es mit Impfungen gelingen kann, Erkrankungen zu eliminieren. Das Beispiel zeigt auch, wie lang ein Weg ist, um die Ausrottung einer Krankheit letztendlich zu erreichen.
Nun wird durch den aktuellen Masernausbruch das Thema Impfen wieder aktuell und ist in aller Munde. Impfen wird gerade heute öffentlich wieder gut wahrgenommen. Auch das nutzen wir für unsere Aufklärungsarbeit im Ministerium. Mein Haus arbeitet seit Jahren daran, unsere Menschen vom Sinn der Schutzimpfungen zu überzeugen. Ich möchte Ihnen dafür einige Beispiele nennen: Es gab die gemeinsame Aktion „Sachsen impft“. Es war eine gemeinsame Aktion mit der Ärztekammer,
der Apothekenkammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Gesundheitsämtern. Eine meiner Vorgängerinnen hat die Eltern fünfjähriger Kinder angeschrieben und sie zum Thema Impfen informiert. Mein Haus gibt die Impfbroschüre „Sachsen impft“ heraus. Sie kennen sicherlich auch die Plakataktion „Impf, mei Sachse, impf“. Sie haben außerdem auch den Impfflyer gesehen, in dem auf Impfungen zum Schulbeginn hingewiesen wird. Wer in Bus und Bahn unterwegs war, hat sicherlich auch den Impfspot gesehen, der dort geschaltet wurde.
In diesem Jahr haben wir Postkarten speziell für Schüler der 6. Klasse und der 9. Klasse entwickelt. Gerade diese Kinder und Jugendlichen sollten gezielt auf das Thema Impfungen angesprochen werden. In jedem Jahr geben wir einen Impfkalender heraus, der in jede Hosentasche und jedes Portemonnaie passt. Auf diesem Impfkalender sehen Sie, gegen welche Erkrankungen bei uns in Sachsen geimpft wird. Enthalten sind zum Beispiel die Rotaviren, Diphtherie, Windpocken und die Kinderlähmung, um hier nur einige Beispiele zu nennen.
Jährlich startet die Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung mit den Gesundheitsämtern die Sächsische Gesundheitswoche. Diese Sächsische Gesundheitswoche findet im Mai statt. Die Europäische Impfwoche ist vom 20. bis 25. April 2015.
Auf regelmäßige Pressemitteilungen und Pressekonferenzen brauche ich sicherlich nicht noch näher einzugehen. Neben diesen ganzen Werbemaßnahmen für das Thema Impfen haben wir grundlegende Rahmenbedingungen für die Förderung des Impfgedankens hier in Sachsen geschaffen. Das ist zum einen die Berufung und Unterstützung der Arbeit der Sächsischen Impfkommission, die sogenannte SIKO, das ist die Errichtung einer Sächsischen Impfdatenbank und das ist die Mitarbeit meines Ministeriums am bundesweiten Aktionsplan zur Irradiation von Masern und Röteln.
Ganz besonders wichtig ist es mir, auf die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern, den Hausärzten, den Kinder- und Jugendärzten hinzuweisen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Betriebsärzten zu erwähnen; denn diese übernehmen die Impfberatung und sind letztlich ganz nah an dem einzelnen Patienten dran.
Unsere Gesundheitsämter nutzen jeden Kontakt, um über Impfungen zu beraten und die Impfausweise zu kontrollieren. Zum Beispiel wird bei der Belehrung für Beschäftigte im Umgang mit Lebensmitteln nach dem Infektionsschutzgesetz gezielt nach Impfungen gefragt, und in Zukunft – hierauf sollte der Schwerpunkt stärker gerichtet sein – müssen wir auch die Betriebsärzte noch stärker einbinden, um gerade die Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen schließen zu können. Auch besondere
Risikogruppen sollten noch stärker motiviert werden, sich impfen zu lassen; denn schaut man sich die Zahlen der an Masern Erkrankten an, dann sind gerade auch dort Erwachsene wiederzufinden. Genau darauf sollte unser Blick künftig stärker mit gerichtet werden.
Meine Damen und Herren! Die Impfpflicht ist zurzeit in aller Munde. Hier müssen wir sehr scharf zwischen dem Thema Impfpflicht und Impfzwang unterscheiden. Wir sind schon heute vom Gesetz her in der Lage, eine Impfpflicht anzuordnen. Im § 5 Abs. 5 und 6 des Infektionsschutzgesetzes könnten heute Bund und Land bereits anordnen, dass eine Impfpflicht erteilt wird, allerdings nur dann, wenn bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen haben. Die Voraussetzung dazu muss aus epidemiologischen Gründen vorliegen. Zurzeit – so schätzten es Bund und Land ein – liegt eine epidemiologische Situation von Masern noch nicht vor. Also derzeit ist eine Anordnung, aufgrund des Infektionsschutzgesetzes eine Pflichtimpfung einzuführen, nicht gegeben.
Die Einführung von Pflichtimpfungen hätte auch aus meiner Sicht Vorteile, aber – das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren – es muss gut abgewogen werden, wie eine Pflichtimpfung wirklich eingeführt wird; denn gegenwärtig tangiert das Grundgesetz das verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit, im Grundgesetz fest verankert, gegen die Anordnung einer Pflichtimpfung. Deswegen – das möchte ich noch einmal unterstreichen – muss man gut abwägen, wann eine Pflicht eingeführt werden kann und wann nicht.
Zurzeit ist bei uns im sächsischen Gesetz über die Kitas im § 7 geregelt, dass Erziehungsberechtigte dem Träger nachweisen müssen, wenn sie ihr Kind in eine Kita geben, dass alle öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen entsprechend Alter und Gesundheitszustand enthalten sind oder – das müssen die Erziehungsberechtigten auch erklären – dass sie ihre Zustimmungen zu bestimmten Schutzimpfungen nicht erteilen. Nun ist es bereits jetzt vor Aufnahme in eine Kita möglich zu prüfen, wie zumindest der Impfstand der Kinder in den KitaEinrichtungen ist. Wir sind gegenwärtig mit dem Kultusministerium im Gespräch, weitere rechtliche Möglichkeiten erst einmal auszuloten. Inwieweit man wirklich eine Impfpflicht auch an die Aufnahme in eine Kita binden könnte, wird gegenwärtig rechtlich gemeinsam mit dem Kultusministerium abgestimmt.
Das bezieht sich letztlich auf die Impfkontrolle bei Kindern. Für viel wichtiger halte ich es, den Impfstatus bei Erwachsenen zu überdenken und zu überprüfen. Genau das ist die Krux, wenn wir über das Thema Impfpflicht sprechen. Eine Pflicht macht nur Sinn, wenn man mit Sanktionen arbeiten kann. Genau hier muss man sich bei einer Impfpflicht für Erwachsene die Frage stellen: Wie setze ich eine Impfpflicht durch, wie will ich kontrollieren, ob der Erwachsene geimpft ist, und wenn nicht, mit welchen Sanktionsmöglichkeiten kann ich dort überhaupt
Für mich ist es wichtig, den Blick auf ein weiteres Thema zu richten, nämlich die Speicherung auf der elektronischen Gesundheitskarte. Diese ist schon viel bemüht worden. Was momentan als Ergebnis vorliegt, ist wenig zufriedenstellend. Es sind derzeit nur die aktuellen Stammdaten, die gespeichert werden können. Für 2017 ist geplant, einen Notfalldatensatz aufzunehmen. Genau hier müssen wir noch einmal ansetzen, damit bei diesem Notfalldatensatz auch die Impfdaten mit festgehalten werden. Ich halte dies für wichtig und sinnvoll. Dort könnten Patient und Arzt auf die Impfdaten zugreifen. Dazu sind wir mit den Notwendigen und Verantwortlichen im Gespräch.
Ich hoffe, dass Sie alle Ihre Impfdaten geprüft und Ihren Impfausweis gefunden haben. Am Ausgang habe ich für jeden einen Impfkalender ausgelegt. Nehmen Sie diesen einfach mit und schauen nach, ob Sie alle Impfungen haben.