breiter Basis erarbeiteten und koordinierten Umsetzungsstrategien, die die Verwirklichung von Menschenrechten merkbar fördern. Deswegen erfolgte diese erneute Initiative der Fraktion DIE LINKE. Aktions- und Maßnahmenpläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind nach unserer festen Überzeugung besondere Instrumentarien, um Prioritäten fundierter setzen zu können. Dies vor allem deshalb, weil die UN-Behindertenrechtskonvention die grundlegenden Rechte von Menschen mit Behinderungen für alle Bereiche des Lebens spezifisch beschreibt, meine Damen und Herren.
Uns geht es nicht, wie uns oft vorgeworfen wird, um Aktionismus. Nein, es liegt auf der Hand: Aktionspläne dienen dazu, Regierungshandeln nachvollziehbarer und transparenter zu machen und es durch die Beteiligung der Zivilgesellschaft auf eine breite demografische Legitimationsbasis zu stellen. Hierbei gelten auch die Grundsätze der Transparenz und Partizipation und eben nicht die der Diskriminierung. Ich weiß, dass Pläne erst einmal nur Pläne sind. Doch wir fordern Folgendes: Zeigen Sie eine klare Handlungsorientierung auf! Unser Antrag gibt Ihnen hierzu entsprechende Anregungen. Fertigen Sie einen Plan, der jederzeit messbar und überprüfbar ist.
Meine Damen und Herren! Wir sind es ihnen schuldig, zumindest wenn es nach den in den statistischen Werten vom 31. Dezember 2012 erfassten 681 132 Menschen in Sachsen geht, die eine körperliche, geistige, seelische und/oder Sinnesbeeinträchtigung haben. Das sind immerhin 16,5 % der Bevölkerung, meine Damen und Herren. Das sind aber nur die Menschen, bei denen ein Anerkennungsverfahren stattgefunden hat. Diejenigen, die kein Interesse an einem solchen Verfahren hatten, wurden nicht erfasst. Wir können also fast von einem Viertel der sächsischen Bevölkerung sprechen, um die wir uns zu kümmern haben.
Meine Damen und Herren von der Koalition, geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie den hier vorliegenden Anträgen zu.
Gerade hat Herr Kollege Wehner für die Fraktion DIE LINKE den Antrag eingebracht. Wir gehen in der Rednerreihe weiter. Ebenfalls einbringend ist die Fraktion GRÜNE. Das Wort ergreift nun Herr Kollege Zschocke, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. März dieses Jahres fand bereits der sechste Jahrestag der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland statt. Im Freistaat Sachsen ist in Bezug auf die Umsetzung der Konvention allerdings bisher nicht viel passiert. Die großen Weichenstellungen, meine Damen und Herren, sind bislang ausgeblieben. Das ist fatal, denn auch hier im Hohen Haus sind wir uns
hoffentlich darüber einig, dass die Konvention einen Meilenstein für die Rechte von Menschen mit Behinderungen darstellt.
Die Euphorie nach der Ratifizierung war sehr groß, auch hier im Freistaat. Ebenso waren die Erwartungen groß. Wer jedoch zügige Veränderungen in den Schlüsselbereichen wie der Schule und der Barrierefreiheit für selbstverständlich hielt, wurde enttäuscht. Für die Aussichten auf eine umfassende Teilhabegerechtigkeit scheinen im Freistaat Sachsen die Voraussetzungen nicht viel besser als vor sechs Jahren geworden zu sein. Dabei handelt es sich bei der Konvention vom Rang her um ein Bundesgesetz, das in allen Bundesländern, eben auch in Sachsen, umgesetzt werden muss.
In diesem Gesetz heißt es, meine Damen und Herren – und damit komme ich auch zu dem Anliegen unseres Antrags –: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten zum einen, alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen, und zum anderen, alle geeigneten Maßnahmen zur Änderung der bestehenden Gesetze, Verordnungen und Gepflogenheiten zu treffen, die eine Diskriminierung für Menschen mit Behinderung darstellen.“
Mit unserem Antrag schlagen wir der Staatsregierung nun vor, eine Expertise in Auftrag zu geben, in der das Landesrecht des Freistaates daraufhin untersucht wird, welcher gesetzgeberische Handlungsbedarf hier besteht, und zwar gemessen am Maßstab dieser Konvention.
Frau Ministerin Klepsch, ich bin Ihnen für Ihre Stellungnahme zu unserem Antrag, die Sie uns zugeleitet haben, sehr dankbar. Sie offenbaren darin unfreiwillig, wie dringend notwendig die Einholung externer Expertise ist. Sie schreiben darin nämlich, dass die Staatsregierung bereits mit Beschluss vom 27. März 2012, also vor über drei Jahren, die Staatskanzlei und die Ministerien beauftragt habe, die Änderungen für die in die jeweilige Ressortzuständigkeit fallenden Vorschriften dahin gehend zu veranlassen, dass die in der UN-Behindertenrechtskonvention genannten Rechte verwirklicht werden. Das steht in der Stellungnahme. Die laufende Überprüfung des Landesrechts auf eventuellen Anpassungsbedarf an sich änderndes Recht sei eine ständige Aufgabe der Staatsministerien und werde von ihnen in eigener Verantwortung wahrgenommen.
Liebe Frau Ministerin Klepsch, Sie haben die letzten drei Jahre ja nun wirklich nicht zu verantworten, aber spätestens in der Stellungnahme hätte Ihnen doch auffallen müssen, dass die anderen Ressorts ihre Verantwortung in den letzten drei Jahren dann doch nicht so wahrgenommen haben, wie es diese Stellungnahme suggeriert.
Wie sonst lässt es sich erklären, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf noch immer nicht frei wählen können, ob sie eine Förderschule oder eine Regelschule besuchen? Bis heute wird auf die diskriminierende Schulintegrationsverordnung und auch auf das Schulgesetz verwiesen, um Kindern mit Förderbedarf den Schulbesuch an einer Regelschule zu verweigern. Die entsprechenden Änderungen im Schulgesetz des Freistaates fehlen noch immer.
Nur fehlen sie nicht aufgrund eines Versäumnisses im Schulressort; sie fehlen, weil diese Änderungen politisch nicht gewollt sind. Eltern und Kindern wird zugemutet, den gemeinsamen Schulbesuch mit den Freunden aus der Kindertagesstätte auf dem Klageweg zu erstreiten. So geht sächsisch, meine Damen und Herren.
Das heißt, Sie können sich nicht einfach darauf verlassen, dass die Ressorts in ihrer eigenen Verantwortung die Anpassungen vornehmen, wenn der politische Wille dazu fehlt. Oder wie erklären Sie es sich, Frau Klepsch, dass es in Sachsen nicht allen Menschen möglich ist, direkt im Wahllokal ihre Stimme abzugeben? Der Grund liegt darin, dass die gegenwärtigen Wahlvorschriften hier im Freistaat, die insbesondere Menschen mit Behinderung die Wahlausübung ermöglichen soll, eben zu kurz greifen. Das betrifft das Landeswahlgesetz, das Kommunalwahlgesetz und die Landeswahlordnung. Auch die Vorschriften zur Barrierefreiheit der Wahlräume entfalten keine ausreichende Wirkung und widersprechen schon der Definition von Barrierefreiheit.
Die gegenwärtigen Vorschriften, die beim Wahlvorgang die Unterstützung durch Dritte vorsehen, sind viel zu restriktiv formuliert.
Sie berücksichtigen nicht, dass es über das NichtLesenkönnen und das Nicht-Schreibenkönnen hinaus eben auch Verständnisprobleme geben kann, die eine weitergehende Unterstützung an der Wahlurne erforderlich machen. Fakt ist: Nach geltenden menschenrechtlichen Standards sind auch die Wahlausschlüsse, wie sie die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung vorsehen, nicht zu rechtfertigen.
Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Klepsch, ist Kollege Ulbig nicht neu im Amt. Er hat seine Verantwortung, die notwendigen Änderungen in den sächsischen wahlrechtlichen Regelungen herbeizuführen, eben einfach nicht wahrgenommen. Ihre schöne Idee aus der Stellungnahme, dass die Ressorts das schon selbstständig machen, funktioniert leider nicht, Frau Klepsch.
Dasselbe gilt zum Beispiel auch für die Sächsische Bauordnung, die bislang keine Definition für bauliche Barrierefreiheit beinhaltet, und, und, und. Ich möchte hier nicht sämtliche Gesetze aufzählen. Der landesrechtliche Anpassungsbedarf an die UN-Behindertenrechtskonvention ist enorm, und offensichtlich scheint sich niemand dafür verantwortlich zu fühlen, diesen zu ermitteln und entsprechend zu beheben.
Ganz sicher aber ist: Die Änderungen der Gesetze sind kein Selbstläufer, wie von Ihnen, Frau Ministerin, angenommen. Aber ich will die wie auch immer begründete Untätigkeit der Ressorts hier nicht anprangern, sondern wir machen einen konstruktiven Vorschlag für dieses Dilemma. Geben Sie eine Expertise in Auftrag, in der das gesamte Landesrecht dahin gehend untersucht wird, welcher gesetzgeberische Handlungsbedarf besteht. Die Mittel dafür sind im Haushalt des Einzelplans 08 vorhanden.
Ich habe mich gestern sehr über Ihre klaren Worte gefreut, dass Sie gern die Federführung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Sachsen übernehmen wollen. Uns GRÜNE haben Sie dafür als Partner.
Wir schlagen mit unserem Antrag weiterhin vor, die Monitoringstelle, die Herr Wehner zuvor erläutert hat, bei der Erstellung des Landesaktionsplans beratend hinzuzuziehen, wohlgemerkt: beratend. An diesem Punkt haben Sie offenbar nicht verstanden, Frau Klepsch, was wir da wollen. Das kann ja passieren; Ihre Ressortzuständigkeit ist sehr groß. Die Stellungnahme lag da in einer dicken Unterschriftenmappe. Sie haben das einfach unterschrieben und vielleicht unseren Antrag nicht genau gelesen. Anders kann ich mir Ihr Argument nicht erklären, dass eine Beteiligung der Monitoringstelle durch die UNBehindertenrechtskonvention nicht vorgeschrieben und deshalb auch nicht vorgesehen sei. Ja, logisch – vorgeschrieben ist das natürlich nicht. Aber es ist empfehlenswert, die Monitoringstelle beratend einzubeziehen.
Andere Amtskollegen von Ihnen machen das, zum Beispiel in Brandenburg oder in Hessen. Da hat bei der Erstellung und Ausrichtung der Maßnahmenpläne die Monitoringstelle ihr Erfahrungswissen einfließen lassen. Man kann doch nicht ernsthaft dagegen sein, klüger zu werden. Machen Sie einfach davon Gebrauch.
Sehr geehrte Damen und Herren! Weitere Untätigkeit verhindert Teilhabe. Seien Sie sich dessen bewusst. Unterstützen Sie deshalb die beiden Anträge.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl im Antrag der LINKEN als auch im Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN geht es im Kern um die Erstellung eines Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – tatsächlich ein sehr wichtiges Thema. Zu Recht klagen vor allem die Behindertenverbände über den langen Zeitraum bis zur Erarbeitung dieses Planes.
Deshalb haben CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag Folgendes vereinbart: „Von hoher Bedeutung ist für uns ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft. Die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten ist für Menschen ohne jede Diskriminierung zu gewährleisten und zu fördern.“ Dies ist eine Querschnittsaufgabe in allen Handlungsfeldern, also über alle Ministerien hinweg.
Deshalb ist weiter vereinbart, unter Beteiligung der Akteure der Behindertenhilfe und -selbsthilfe, aller Ressorts und natürlich der kommunalen Spitzenverbände einen solchen Landesaktionsplans zur immer besseren Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unter Federführung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz 2015 zu erarbeiten. An diesem Aktionsplan wird nach Auskunft von Ministerin Barbara Klepsch inzwischen mit Hochdruck gearbeitet.
Ein scheinbarer Nachteil kann bisweilen auch ein Vorteil sein. Ich sage das durchaus mit einem kleinen Schmunzeln. Die meisten deutschen Bundesländer haben inzwischen ihren Aktionsplan, haben damit Erfahrungen gesammelt und diesen zum Teil auch bereits evaluiert, sodass wir auf deren Wissen zurückgreifen können.
Bereits in der 5. Legislaturperiode wurde hier im Plenum mehrfach zur UN-Behindertenrechtskonvention und deren immer besseren Verwirklichung im alltäglichen Leben von Menschen mit Behinderung in Sachsen gesprochen. Wir stehen heute bei Weitem nicht am Anfang. So ist beispielsweise bereits unter Ministerin Christine Clauß an einer Inklusionsagenda gearbeitet worden, auf der wir heute ebenfalls aufbauen werden. Oder denken Sie an den 5. Bericht zur Lage von Menschen mit Behinderung, der eine, wie ich denke, recht umfassende Bestandsaufnahme zur gegenwärtigen Situation der Betroffenen aufzeigt, aber ebenso darstellt, welche Verbesserungen in den letzten Jahren erreicht wurden.
In zehn Handlungsfeldern werden Vorschläge zur weiteren Vertiefung einer inklusiven Gesellschaft – übrigens in Abstimmung mit Betroffenenverbänden – unterbreitet. Sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, bis zu einem hoch qualitativen sächsischen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist noch allerhand Arbeit zu leisten. Aber ich denke, wir sind auf einem guten, zielorientierten Weg. Insofern, sehr geehrte Abgeordnete der Linksfraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bedarf es Ihres Antrages heute
nicht. Vielleicht spricht daraus aber ein gewisses Misstrauen gegenüber der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD. Da will ich auch gar nicht kleinlich sein. Das ist Ihr gutes Recht.
Lassen Sie mich abschließend auf eine Bitte einer Reihe von Behindertenverbänden hinweisen, die diese mir beim Neujahrsdialog des Behindertenbeauftragten der Sächsischen Staatsregierung ausdrücklich mit auf den Weg gaben. „Lassen Sie sich bitte die notwendige Zeit für einen guten, durchdachten und ausgereiften Aktionsplan, auch wenn er nicht 2015 fertig wird. Bitte Qualität vor Tempo.“
Manchmal ist es besser zu warten, bis der letzte Satz gesagt ist. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll aber nun genau nicht heißen, dass wir etwa Tempo aus der Planerarbeitung nehmen wollen – ganz im Gegenteil. Wir wollen Tempo plus gute Qualität.
Das war Kollege Krasselt für die CDU-Fraktion. – Wir fahren in der Rednerreihe fort. Für die SPD spricht jetzt Frau Kollegin Kliese.