Horst Wehner
Sitzungen
Letzte Beiträge
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird für eine am 26. Oktober 2016 verabschiedete Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates nun endlich sächsisches Ausführungsrecht geschaffen; denn auch Sachsen war gehalten, dies bis zum 23. September 2018 im Rahmen des Landesrechts zu tun. Inzwischen drohen dem Freistaat Bußgeldzahlungen, weil dieser Termin überschritten wurde. Hanka Kliese ist ja sinngemäß und engagiert schon darauf eingegangen.
Meine Damen und Herren, inhaltlich geht es um die Festlegung von Mindeststandards der Barrierefreiheit, die Internetseiten und Applikationen öffentlicher Stellen aufweisen müssen, um für Menschen mit Behinderungen ungehindert nutzbar zu sein, sowie um die damit einhergehende staatliche Umsetzung und Kontrolle. Als Fraktion DIE LINKE unterstützen wir dieses Anliegen ausdrücklich.
Es ist bekannt, dass wir uns seit vielen Jahren für die Umsetzung umfassender Barrierefreiheit, insbesondere im öffentlichen Raum, aber auch in allen weiteren Lebensbereichen einsetzen. Wir legen dabei eine Definition zugrunde, die den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht. Sie ist in unserem Gesetzentwurf in Drucksache 6/13144, Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen, kurz Sächsisches Inklusionsgesetz, verankert. Dort heißt es: „Barrierefrei sind solche baulichen und sonstigen Anlagen, Fahrzeuge, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Kommunikationssysteme, akustische und visuelle Informationsquellen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, darunter auch die erschlossene Landschaft, die für Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Art der Behinderung in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“
Dieser Begriff, meine Damen und Herren, ist – dessen sind wir uns bewusst – sehr umfassend. Uns ist aber auch bewusst – und dazu stehen wir –, dass die Menschenrechte für Menschen mit und ohne Behinderung dieselben sind. Deshalb war es allerhöchste Zeit, die Barrierefreiheit der Internetauftritte und Anwendungsprogramme öffentlicher Stellen von der Unverbindlichkeit des guten Willens auf das Niveau der Verbindlichkeit einer gesetzlichen Vorgabe anzuheben.
Meine Damen und Herren! Bedauerlich ist für mich in diesem Zusammenhang, dass bisherige sächsische Regierungen und Regierungsparteien leider häufig erst dann reagieren, wenn Druck von außen entstanden ist oder wenn die Gefahr besteht, bundesweit endgültig Schlusslicht zu werden. Dafür gibt es etliche Beispiele. Ich denke nur an den Sächsischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention oder an die nun doch
noch erfolgte Vorlage eines Gesetzentwurfes, der das derzeitige Sächsische Integrationsgesetz ablösen soll. Wir werden uns in einer der nächsten Landtagssitzungen zum Glück auch noch mit diesem Gesetz befassen dürfen.
Beunruhigend ist für mich in diesem Zusammenhang, dass durch dieses Verhalten der negative Blick auf Sachsen verstärkt wird, nämlich entgegen den öffentlichen Verlautbarungen im Grunde in einer Politik der Ausgrenzung zu verharren, zumindest aber – damit sind wir wieder bei der Barrierefreiheit – die inklusive Gesellschaft unter Haushaltsvorbehalt zu stellen.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf gehört zu einem Konvolut an Gesetzentwürfen, das die beiden Landtagsfraktionen CDU und SPD anstelle der durch sie getragenen Staatsregierung noch kurz vor Ende der Wahlperiode in den Geschäftsgang dieses Hauses eingebracht haben. Allein im Sozialausschuss gehören zu dieser Ansammlung noch vier weitere Gesetzentwürfe. Ich sagte bereits, dass beim vorliegenden Entwurf der Termin bereits überschritten ist. Unter dem vorherrschenden Zeitdruck und angesichts des Fehlens der Stellungnahmen, die einem Entwurf der Staatsregierung ansonsten beiliegen, hat unseres Erachtens die inhaltliche Bearbeitung im Landtag sehr gelitten. Im Prinzip haben wir nur eine Stellungnahme des Landkreistages sowie eine sehr kritische Stellungnahme des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, die lediglich mündlich im Ausschuss relativiert wurde. Vom Beauftragten der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen oder irgendeiner der anderen Einrichtungen, die ansonsten in einer schriftlichen Anhörung der Staatsregierung einbezogen werden, haben wir gar keine Stellungnahme. Das ist ein großes Manko angesichts dessen, dass die EURichtlinie seit rund zweieinhalb Jahren bekannt ist. Das ist nicht zu verstehen, meine Damen und Herren!
Unserer Ansicht nach wird damit bestätigt, was ich vorhin zum Umgang mit Themen der gesellschaftlichen Teilhabe in Sachsen sagte. Es zeigt auch, dass die Staatsregierung, gelinde gesagt, kein Zeitmanagement hat, was mich allerdings auch nicht sonderlich überrascht.
Ich komme zu den inhaltlichen Problemen, die der Gesetzentwurf unseres Erachtens enthält: Erstens wird die Staatsregierung weitgehende Verordnungsermächtigungen, unter anderem zu Einzelheiten des Überwachungs- und Durchsetzungsverfahrens, erhalten. Zu Sanktionen sind keinerlei Aussagen enthalten. Wir meinen aber, dass das erforderlich ist – nicht zuletzt hinsichtlich des Wesentlichkeitsgebotes des Bundesverfassungsgerichts, das der Sächsische Landtag als Gesetzgeber die wesentlichen Grundzüge der Verfahren sowie die damit einhergehenden hoheitlichen Rechte verantwortlicher Stellen bis hin zu den Sanktionsmöglichkeiten bereits im Gesetz regelt. Damit wären sowohl das behördliche Vorgehen als auch die Durchgriffsrechte und Sanktionsoptionen transparent geworden.
Zweitens vermissen wir im Gesetzentwurf einen Passus zum kommunalen Mehrbelastungsausgleich. Weil dieser fehlt, ist der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form nach unserer Auffassung verfassungswidrig. Dass den Kommunen durch das Gesetz Mehrkosten entstehen, räumt die Regierungskoalition im Vorblatt des Gesetzentwurfes selbst ein. Die Begründung, warum diese Mehrbelastung trotz Artikel 85 Abs. 2 unserer Verfassung nicht ausgleichspflichtig sein soll, ist abenteuerlich. Sie behaupten, der Mehrbelastungsausgleichsanspruch würde deshalb nicht bestehen, weil dem Sächsischen Landtag kein eigener materieller Umsetzungsspielraum für die Gesetzgebung bleibe und in einem solchen Fall die Mehrbelastung quasi nicht vom Freistaat Sachsen selbst verursacht sei. Diese Begründung ist im vorliegenden Fall schlichtweg falsch. Zum einen gewährt die EU-Richtlinie in Artikel 2 ausdrücklich einen solchen Umsetzungsspielraum, und zum anderen wird im Gesetzentwurf der Koalition von diesem Umsetzungsspielraum auch mehrfach Gebrauch gemacht. Ein Beispiel haben wir in der Begründung unseres Änderungsantrages genannt, den ich damit gleichzeitig einbringe.
Es bleibt daher festzustellen, dass dies ein klarer Anwendungsfall für Artikel 85 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, meine Damen und Herren: Wir begrüßen selbstverständlich die Nutzung gesetzgeberischer Spielräume zur Verbesserung der Barrierefreiheit, weisen aber eindringlich darauf hin, dass dann ein Passus zur Vollkostendeckung im Gesetz unverzichtbar ist. Aus den genannten Gründen wird die Fraktion DIE LINKE dem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen können, obgleich wir das Anliegen selbst natürlich unterstützen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nur gut, dass bald die sitzungsfreie Zeit beginnt, dann kann dieses Pult etwas Öl bekommen und man muss keine Angst mehr haben, dass irgendetwas einstürzen könnte.
Meine Damen und Herren! Herr Krasselt, ich hätte gut Lust, jetzt auf Ihre Rede zu reagieren und nicht den vorbereiteten Redebeitrag zu halten. Da fällt mir ein – bevor ich dazu komme –, ich finde es äußerst bedauerlich, dass wir im zuständigen Fachausschuss nicht die Gelegenheit hatten, speziell auch zu solchen Fragen zu sprechen, fachlichen Fragen, die Sie hier ansprechen. Wir haben in dem Ausschuss – lieber Herr Wendt, das muss ich Ihnen leider hier in dieser Runde sagen – eben nur über die Änderungsanträge gesprochen und keine fachliche Debatte zu dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf geführt. Ich halte es für eine ganz furchtbare Entwicklung im Sächsischen Landtag, wenn Gesetzentwürfe, auch von der Staatsregierung, eingebracht werden und keine fachliche Debatte dazu in den Ausschüssen geführt wird. Das ist einfach vertane Zeit. Heute ist es viel zu spät, und ich bedauere das zutiefst.
Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung – kurz: dem Bundesteilhabegesetz – im Deutschen Bundestag am 23. Dezember 2016 fand ein langwieriges Ringen um neue rechtliche Regelungen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung in Deutschland seinen vorläufigen Abschluss. Schon Jahre vorher war die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in den Rechtskreisen der Sozialgesetzbücher IX und XII stark in der Diskussion. Der Druck zur Auseinandersetzung wurde mit der Annahme der UN-Behindertenrechtskonvention und ihrem Inkrafttreten in Deutschland seit dem 26. März 2009 deutlich verstärkt.
Nachdem damals eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe
Eckpunkte für ein sogenanntes neues Teilhaberecht erarbeitet hatte, wurden diese durch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder im Oktober 2010 entgegengenommen. Alle Beteiligten erwarteten nun selbstverständlich von der Bundesregierung, dass noch in der 17. Wahlperiode ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt wird. Das kam bekanntlich nicht zustande.
Das war für mich auch nicht verwunderlich, denn die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein sehr richtiger und gleichzeitig sehr hoher Maßstab. Kurz gefasst bedeutet er, Menschen mit Behinderungen unserer Gesellschaft nicht weiter als Objekte der Fürsorge, sondern als Subjekte im Sinne des Menschenrechts zu behandeln. Herr Krasselt, insoweit haben Sie völlig recht.
Diesem Anspruch wird die deutsche Sozialgesetzgebung nach unserer Ansicht nach wie vor nicht gerecht. Damals wurde zumindest die Umgestaltung der Sozialsysteme angekündigt und angegangen, nur waren die Grenzen von vornherein abgesteckt, oder? Denn wie, bitte, soll es gehen, wenn einerseits zwar gemäß UN-Behindertenrechtskonvention Personenzentrierung und Bedarfsgerechtigkeit als Ziel stehen, aber andererseits faktisch kein zusätzlicher Cent dafür aufgewendet werden soll, dies tatsächlich zu erreichen? Wie soll denn das gehen?
Vielleicht wäre es noch realistisch gewesen, wenn sich Deutschland schon vorher als Inklusionsweltmeister einen Namen gemacht hätte, aber Sie und ich wissen, dass das mitnichten der Fall war und ist. Apropos Weltmeister: Das hat sich ja seit heute ohnehin erledigt, meine Damen und Herren. Hier müssen wir uns völlig neu aufstellen.
Nachdem die 17. Wahlperiode des Bundestages verstrichen war, kam endlich am 12. August 2016 im Bundesrat und am 5. September 2016 im Bundestag der offizielle Gesetzentwurf mit dem eingangs genannten Titel in den Geschäftsgang. Bereits nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs wurde grundsätzlich Kritik laut, die in der Zeit der parlamentarischen Behandlung immer stärker wurde und zuletzt in Demonstrationen mündete – so viel zu den Beteiligungsrechten, lieber Herr Krasselt –, sodass wir in Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 die seit vielen Jahren größten Aktionen von Menschen mit Behinderung und ihren Selbsthilfeorganisationen erlebten. Letztlich gaben meines Erachtens diese Demonstrationen den Ausschlag, dass am Vorabend der Beschlussfassung des Bundesteilhabegesetzes im Bundestag am 23. Dezember 2016 doch noch in einer Nacht- und Nebelaktion zahlreiche Änderungsanträge eingebracht und bestätigt wurden, die auch Verbesserungen brachten, zweifellos. Es war ein Erfolg der Behindertenbewegung, der nur unter Aufbietung aller, wirklich aller sowieso schon beschränkten Kräfte zustande kam.
Ich habe mir für diese kurze Chronologie Zeit genommen, weil dadurch eines deutlich wird: Es gibt noch große Defizite in unserem politischen System, wenn es um die selbstverständliche und gleichstellende Berücksichtigung der Interessen von Menschen mit Beeinträchtigungen und
vor allem um ihren Zugang zu den allgemeinen Menschenrechten geht.
Dieser Negativerfahrung hat die Sächsische Staatsregierung mit dem heute zur Behandlung stehenden Gesetzentwurf „Gesetz zur Regelung der Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Zuständigkeit des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen“ nach unserer Auffassung eine weitere hinzugefügt. Das will ich begründen.
Erstens. Wir haben es wieder mit einem Gesetz zu tun, das verspätet – diesmal ein halbes Jahr zu spät – verabschiedet wird. Ich weiß, dass es einen Beteiligungsprozess der Staatsregierung im Jahr 2017 gab, aber ich weiß auch, dass mindestens ein Beratungstermin der Arbeitsgruppe abgesagt wurde. Angesichts der engen Zeitschiene von nur einem Jahr bis zur rechtlichen Wirksamkeit eines Teils der Bundesregelung ist das eigentlich undenkbar, wie ich finde.
Zweitens. Wir haben es wieder mit einem Gesetzentwurf zu tun, der dem Landtag in einer Fassung übergeben wurde, die der des Referentenentwurfs sehr, sehr ähnlich war, obwohl es zahlreiche kritische Stellungnahmen vonseiten der Menschen mit Beeinträchtigungen, die in den Arbeitsgremien des Sozialministeriums beteiligt waren, gegeben hatte.
Drittens. Wir hatten es wieder mit einem Gesetzentwurf zu tun, der wegen der Überfälligkeit sehr schnell behandelt werden musste und deshalb zwischen Einreichungstermin der Drucksache und öffentlicher Anhörung im Sozialausschuss offiziell nicht einmal genügend Zeit für die Gewinnung von Sachverständigen war. Darauf, was die Diskussion im Ausschuss betraf, hatte ich schon hingewiesen.
Meine Damen und Herren, eigentlich ist es ein Unding; denn wenn Menschen im Rollstuhl mit der Bahn anreisen wollen, dann müssen sie das vorher organisieren. Wenn Menschen auf leichte Sprache angewiesen sind, um auch verstehen zu können, was mit ihnen passieren soll, dann brauchen sie eine entsprechende Aufbereitung, welche wiederum Zeit braucht.
Viertens. Wir hatten es wieder mit einem Gesetzentwurf der Staatsregierung zu tun, der in einer öffentlichen Anhörung eines Landtagsausschusses stark kritisiert wurde, insbesondere von denjenigen, die zum Kreis der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger
gehören. Genau wie beim Bundesteilhabegesetz gab es immerhin einzelne Verbesserungen durch Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen – vielen Dank dafür! –, aber an einigen grundsätzlichen Fragen haben diese Nachbesserungen überhaupt nichts geändert.
Eine dieser grundsätzlichen Fragen ist die Rolle oder, besser gesagt, die Nichtrolle der Staatsregierung als Verantwortungsträger in diesem Fall für die Umsetzung von Sozialgesetzbüchern im Freistaat Sachsen. Denn in diesem Gesetzentwurf fehlen zum Beispiel die Festlegungen des Sozialministeriums als Fach- und Rechtsaufsicht über den Kommunalen Sozialverband ebenso wie die
Verantwortungsübertragung für die landesweite Koordinierung der regionalen Sozialplanungen oder für die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung der Instrumente und Strukturen der Eingliederungshilfe.
Es fehlen auch Festlegungen zur Überprüfung des Gesetzes, wodurch die Staatsregierung einer weiteren hoheitlichen Verantwortung entledigt wird, nämlich der Analyse der Instrumentarien und Strukturen, die sie selbst vorgeschlagen hat. Ich weiß, dass sich in anderen Bundesländern, zum Beispiel im Nachbarland Thüringen, die obersten Landessozialbehörden in solchen Fragen selbstverständlich in der Verantwortung sehen, und das ist richtig so.
Ich denke, das betrifft auch die Clearingstelle. So gut es gemeint ist, dass sie jetzt bei dem Behindertenbeauftragten – um das jetzt einmal so abzukürzen – angesiedelt ist; nach meinem Dafürhalten wäre es richtiger gewesen, sie wirklich bei der Staatsregierung anzusiedeln, meine Damen und Herren.
Die Staatsregierung und die sie tragende Regierungskoalition können keineswegs zufrieden sein mit diesem Gesetzentwurf. Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Wenngleich es auf Betreiben der SPD noch Verbesserungen am ursprünglichen Text gegeben hat, wie zur Ansiedlung der Clearingstelle beim Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen statt beim KSV oder zur Stärkung der Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen, sage ich aber dennoch eindeutig: Ein Gesetz, das den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung nach gleichberechtigter und selbstbestimmter gesellschaftlicher Teilhabe gerecht werden würde, sähe nach meinem Dafürhalten grundlegend anders aus.
Allerdings ist es nicht die Aufgabe der Opposition, die Hausaufgaben der Staatsregierung zu machen, weshalb wir uns auf wesentliche Änderungsbegehren beschränkt haben. Einige Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, gerade was die Menschen mit Behinderungen betrifft, stehen ja noch aus und insofern bleibt es noch etwas spannend, was die wirkliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen betrifft.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte sehr gern darauf erwidern, Sie sehen es mir nach, ich habe ja jetzt hier am Platz ein Mikrofon, dort ist es mir zu hoch.
Es hat jetzt der Abg. Wendt gesprochen. In meiner Debatte habe ich vorhin den Ausschussvorsitzenden gemeint, weil er die Ausschusssitzung leitet, und er sollte darauf achten, dass sie sowohl fachlich gerecht als auch inhaltlich korrekt geführt wird. Aber hier möchte ich nicht weiter Kritik äußern. Als Abgeordneter steht es Ihnen frei, sich hier zu äußern; das war aber nicht mein Gegenstand.
Frau Präsidentin! Meine Fraktion hält diesen Entschließungsantrag für einen wirklich gelungenen Entwurf. Er ist sehr schön und sehr gut. Wir werden uns dazu aber dennoch nur enthalten können, weil in Punkt I.4 formuliert wird: „Mit dem Gesetz soll das Wichtigste in den Mittelpunkt gestellt werden – die Menschen und welche Unterstützung sie brauchen.“ Ich glaube, bei der Selbstbestimmtheit sollte es eigentlich darum gehen, den Bedarfen gerecht zu werden, und nicht darum, welche Unterstützung sie brauchen. Hier ist mir der Ansatz also zu defizitär.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute einzubringende und bereits genannte Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE wird denjenigen unter Ihnen, die bereits in der 5. Wahlperiode dem Sächsischen Landtag angehört haben, weitgehend bekannt vorkommen.
Am 16. Mai 2013 hatten wir in diesem Haus die erste Lesung eines gemeinsam mit der Fraktion der SPD, insbesondere Hanka Kliese, ausgearbeiteten Gesetzentwurfes mit ebendiesem Titel.
Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist immer noch notwendig. Er hat auch wenig von seiner Aktualität verloren. Heute wie vor fünf Jahren sind darin gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention Grundsätze der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen zusammengetragen worden. Er erfasst Ziele und Erfordernisse für wesentliche Bereiche des Lebens. Er enthält Paragrafen, mit denen es Betroffenen leichter werden würde, die ihnen zustehenden Rechte geltend zu machen und durchzusetzen.
Insgesamt sehen wir die heutige Einbringung auch als Bekenntnis der Fraktion DIE LINKE dazu, dass wir nach wie vor zu unseren Maßstäben und inhaltlichen Vorstellungen stehen. Wir wollen eine inklusive Gesellschaft und wir wollen auch, dass in Sachsen das Umsetzungstempo auf dem Weg dorthin endlich deutlich angezogen wird.
Bisher ist Sachsen einfach viel zu langsam. So haben wir hier im Vergleich mit den anderen Bundesländern eines der ältesten Gesetze zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Es stammt aus dem Jahr 2004 und ist damit fünf Jahre vor Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im März 2009 verbindlich geworden.
Alleine die Bezeichnung „Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Integrationsgesetz)“ sagt sehr viel aus. Spätestens seit der UN-BRK geht es nicht mehr um die nachträgliche Integration einer ausgeschlossenen Gruppe, sondern um die selbstverständliche gesellschaft
liche Teilhabe bzw. Inklusion von Menschen mit Behinderungen von Anfang an und während des gesamten Lebens.
Der mit der UN-BRK vollzogene Paradigmenwechsel von einem medizinisch defizitbezogenen Behindertenkonzept hin zu einem menschenrechtlichen Konzept muss auch in Sachsen Wirklichkeit werden. In dieser Wahlperiode bleibt dafür allerdings nicht mehr viel Zeit.
Außerdem: Wenngleich uns bekannt ist, dass in der Staatsregierung an einem Entwurf für ein Sächsisches Inklusionsgesetz gearbeitet wird, können wir nicht sicher sein, dass es dieser überhaupt bis zu einer Drucksache im Landtag schafft. Der Grund für unsere Zweifel sind langjährige negative Erfahrungen.
Ein Grund für die Ablehnung des Gesetzentwurfes in der 5. Wahlperiode war, dass erst das angekündigte Bundesteilhabegesetz abgewartet werde, bevor der Entwurf für ein Sächsisches Inklusionsgesetz auf den Weg gebracht werden würde. So steht es auch in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD in Sachsen aus dem Jahr 2014.
Bekanntlich ist das Bundesteilhabegesetz Ende Dezember 2016 beschlossen worden. Es ist also wieder mehr als ein Jahr vergangen, ohne dass von der Staatsregierung ein Entwurf für ein Sächsisches Inklusionsgesetz vorgelegt wurde, jedenfalls gibt es noch keinen Referentenentwurf. Ehrlich gesagt, ich empfinde das als Versagen dieser Staatsregierung in diesem Politikbereich.
Wir beabsichtigen mit unserem Gesetzentwurf also auch, Druck auf die Koalition und die Staatsregierung auszuüben, damit endlich ein Entwurf in den Landtag kommt.
Meine Damen und Herren! Bekanntermaßen begehen wir am 5. Mai den europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Eingedenk dessen haben wir den heutigen Tag für die Einbringung gewählt.
Da die Diskussionen über den Gesetzentwurf und die Auseinandersetzungen damit in der 5. Wahlperiode bereits sehr ausführlich in allen Ausschüssen, in einer Ausschussanhörung, in außerparlamentarischen Veranstaltungen und im Landtag selbst erfolgten, haben wir diesmal lediglich die Überweisung an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration als federführenden und an den Innenausschuss als mitberatenden Ausschuss vorgesehen.
Das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, dass wir unsere Auffassung, dass die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen eine Aufgabe
der gesamten Gesellschaft ist und damit auch in alle Gremien gehört, aufgegeben hätten. Das haben wir keinesfalls. Es ist lediglich pragmatisch.
Für uns ist die UN-Behindertenrechtskonvention der grundlegende Auftrag zur Gewährleistung der Menschenrechte für die Menschen mit Beeinträchtigungen. Es ist ein Auftrag, der alle Ebenen und Bereiche der Gesellschaft umfasst.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 6/13144 – Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen – an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration als federführenden und an den Innenausschuss als mitberatenden Ausschuss überweisen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich auch in dieser Runde bei dem Gebärdensprachdolmetscher Andreas Mischke für die Begleitung meiner Rede.
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns vor Augen führen, dass als barrierefrei nur solche baulichen und sonstigen Anlagen, Fahrzeuge, Verkehrsmittel, technischen Gebrauchsmittel, Kommunikationssysteme, akustischen und visuellen Informationsquellen sowie anderen gestalteten Lebensbereiche, wozu auch die erschlossene Landschaft gehört, gelten können, die für Menschen unabhängig von der Art der Behinderung in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind, dann bekommen wir eine gewisse Ahnung davon, welche Veränderungen oder Anpassungen noch bevorstehen.
Selbstverständlich verkennen wir als Fraktion nicht, dass es in Sachsen und auch im Landtag in der Zwischenzeit durchaus Bemühungen und kleine Fortschritte gibt, um die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen zu verbessern. Ich denke an die Verbesserung der Barrierefreiheit hier im Haus, an die bessere Einsicht der Dokumente und an viele andere Dinge mehr.
Es gibt nach zähem Ringen einen sächsischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK oder ein Landesprogramm zur Schaffung von Barrierefreiheit öffentlicher Gebäude und Einrichtungen. Insofern, glaube ich, befinden wir uns auf einem guten Weg zur Inklusion im Freistaat Sachsen.
Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Präsident! Nun ist Kollegin Neukirch schon ein Stück weiter in ihrem Redebeitrag.
Wunderbar! – Was mich an dieser Stelle interessiert: Wären nicht auch Sie, selbst wenn die Diskussion so erfolgt, wie Sie es beschrieben haben, für die Erhöhung des Regelsatzes, weil dies den Leuten tatsächlich helfen würde?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich sollte die Regierungskoalition der Linksfraktion dankbar sein, dass sie zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl daran erinnert, was im Koalitionsvertrag niedergeschrieben und damit den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen versprochen wurde. Ach, nein, „versprochen“ doch nicht so ganz; denn Sie wollten ja lediglich prüfen, ob es in Sachsen ein Seniorenmitwirkungsgesetz geben und dieses verabschiedet werden soll.
Meine Damen und Herren! Es ist bereits mehr als ein Jahr ins Land gegangen, seitdem unser Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Mitwirkung, Mitbestimmung und Interessenvertretung von Seniorinnen und Senioren im Freistaat Sachsen behandelt wurde. Sie erinnern sich sicher an die Besprechung im Landtag vom 22. Juni 2016 und die Drucksache 6/3471. Wir haben das hier ausführlich diskutiert, aber leider hat dieser Gesetzentwurf nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Maßgebliche Argumente für die Ablehnung waren – ich darf Frau Abg. Hannelore Dietzschold von der CDUFraktion zitieren –: „Der Koalitionsvertrag greift daher auch nicht ohne Grund die Seniorenmitwirkung auf. Wir werden uns dafür einsetzen, dass sie in Sachsen weiter ausgebaut wird. Dabei sollen auch die Anmerkungen, die Sie im Gesetzentwurf gemacht haben, einfließen.“ Des Weiteren zitiere ich Frau Abg. Simone Lang von der SPDFraktion: „Trotz all der genannten Punkte bin ich immer noch für ein Seniorenmitwirkungsgesetz, wenn auch nicht in der Form der LINKEN. Ein Gesetz schafft rechtliche Verbindlichkeit und gewährleistet, dass die Interessen der Seniorinnen und Senioren angehört werden müssen.“
Meine Damen und Herren! Das sind doch eigentlich alles klare Bekenntnisse für eine Seniorenmitwirkung, nur liegt bisher noch nichts vor. Warum eigentlich nicht?
Ich finde, es muss Schluss sein mit dem Prüfen und endlich etwas zu Papier gebracht werden. Oder aber Sie sagen ganz klar, wenn Sie schon nichts vorlegen, dass Sie es auch nicht wollen. Heute waren die Senioren der Gewerkschaften vor dem Sächsischen Landtag.
Sie wollen klare Aussagen der Abgeordneten des Sächsischen Landtags haben. Wie stehen Sie denn nun dazu, meine Damen und Herren?
Nur Mut, sage ich mal, heute haben Sie die Chance, die Staatsregierung zu beauftragen, Leitlinien für die Mitwirkung und Mitsprache von Seniorinnen und Senioren in ihren ureigensten Angelegenheiten zu erstellen. Seniorinnen und Senioren stellen heute schon – darauf möchte ich hinweisen – einen erheblichen Anteil an der Bevölkerung in Sachsen dar. Entsprechend der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland wird auch in Sachsen die Bevölkerung stetig älter, und das in zweierlei Hinsicht: So steigt das Durchschnittsalter der sächsischen Bevölkerung ebenso wie der Anteil an Personen im Alter von 65+. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Sachsen stieg von 1990 bis 2015 um mehr als sieben Jahre und lag 2015 bei 46,6 Jahren. Diese Entwicklung wird der Prognose zufolge weiter zunehmen.
Meine Damen und Herren, zeitgleich haben sich auch die Altersbilder stetig verändert. Heute ist man in der Regel zehn bis 15 Jahre Rentner. „Außer Dienst“, meine Damen und Herren, bekommt völlig neue Inhalte. Es bedeutet eben nicht alt und doof. Rentner sind aktiver, gebildeter, gesünder, mobiler, sozial gut vernetzt – viel mehr noch als vor vielen, vielen Jahren. Es gibt also völlig neue Lebensmuster für lange Lebensläufe, und diese ganz konkret vor Ort. Darauf sollten wir doch eingestellt sein.
Seniorinnen und Senioren können und wollen selbstbestimmt mitgestalten und mitwirken, wenn es um ihre eigenen Belange geht, meine Damen und Herren.
Für diese Teilhabe – und wir von der Fraktion DIE LINKE bleiben dabei – müssen die erforderlichen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte im Land und vor Ort in den Kommunen ausgebaut und verstärkt werden. Die aktive Beteiligung der Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben auf allen Ebenen des Freistaates bedarf geeigneter und verbindlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, den Siebten Altenbericht vorgelegt. Er stellt die Sorge und die Mitverantwortung der Kommunen für ein würdiges und selbstbestimmtes Älterwerden in den Mittelpunkt. Er zeigt auf, an welche lokalen Voraussetzungen die gesellschaftliche Teilhabe und ein gutes Leben älterer Menschen geknüpft sind und unter welchen Bedingungen und auf welche Weise die Kommunen und die lokale Politik Strukturen der Sorge und der Mitverantwortung aufbauen und gestalten können.
Daseinsvorsorge – so die Überlegung der Expertenkommission – bedarf eines grundlegend neuen Verständnisses, meine Damen und Herren. Es geht eben nicht nur darum, Güter und Dienstleistungen zu erbringen, mit denen Menschen als passive Leistungsempfänger versorgt werden können; vielmehr sollte Daseinsvorsorge darauf gerichtet sein, es den Menschen zu ermöglichen, ein gutes Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen und in
Selbst- und Mitverantwortung am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können und dieses auch mitgestalten zu können. Entscheidend für den zukünftigen Stellenwert und die Ausgestaltung der verschiedenen Bereiche der Daseinsvorsorge ist die gleichberechtigte Zusammenarbeit und die Beteiligung im Gestaltungsprozess von Bürgerinnen und Bürgern, für Gesetzgeber genauso und die Verwaltung erst recht.
Meine Damen und Herren, von daher empfiehlt der Siebte Altenbericht unter anderem, dass nicht nur die Teilhabe und Zugehörigkeit Älterer gesichert wird, sondern bei der Mitwirkung eine aktive Rolle älterer Menschen anzustreben und zu berücksichtigen ist.
Kommunale Seniorenpolitik, die letztlich über die praktische Realisierung der Ansprüche älterer Menschen entscheidet, gehört zu den Kernaufgaben jeder Kommune. Es kann nicht eine Seniorenpolitik für alle Kommunen geben, das liegt doch klar auf der Hand. Umso mehr sind die Erfahrungen und die Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren vor Ort aufgefordert und gefragt, die wissen, was für ein selbstbestimmtes Leben im Alter in ihren Kommunen notwendig ist. Mitwirkung kann am besten über eigene Seniorenvertretungen realisiert werden, und was kann sich ein Bürgermeister oder ein Landrat Besseres wünschen, als eine starke und engagierte Seniorenvertretung an der Seite zu wissen, meine Damen und Herren?
Unser Antrag soll Sie – vor allem die Damen und Herren von CDU und SPD – daran erinnern, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir warten dringend darauf, dass Sie hier etwas vorlegen und den Bürgerinnen und Bürgern und vor allem den Älteren sagen, wozu Sie eigentlich stehen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Spangenberg, meinen Sie denn, dass die Seniorinnen und Senioren des Deutschen Gewerkschaftsbundes solche Trottel sind, dass sie von uns verlangen, die Seniorenmitwirkung im Freistaat Sachsen besser zu regeln?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und
Herren, für die bis auf einen Fall doch sehr sachliche Besprechung unseres Antrags.
Was die Modifizierung der Gemeindeordnung betrifft, bitte ich um Nachsicht. Ich komme quasi von der Reha und habe noch nicht mitbekommen, dass Sie schon etwas getan haben. Wir werden noch ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren, ob die Modifizierung in § 47 mit der Einfügung, dass insbesondere die Seniorenvertretungen zu beachten sind, wirklich ausreichend ist.
Frau Staatsministerin, für das Dachkonzept würde ich mir wünschen, dass wir die Gelegenheit haben, darüber hier im Landtag zu diskutieren, zumindest im Ausschuss, damit wir auch die Dinge, die gerade auch in den Leitlinien in Berlin geregelt sind, die wir in unserem Antrag meinen, vielleicht mit einbringen können. Damit wäre ein wesentlicher Aspekt unseres Anliegens verfolgt.
Wenn Sie darauf hinweisen, dass die aktive politische Teilhabe selbst auch im Sächsischen Landtag repräsentiert ist, weil wir schon 20 Abgeordnete haben, die älter als 60 Jahre sind, dann ist das schön. Ich fühle mich auch dazugehörig. Deshalb bringe ich mich hier auch aktiv ein. Was ich aber überhaupt nicht haben will: Es reicht eben nicht aus, den ältesten Landtagsabgeordneten hier im Sächsischen Landtag zu haben, der auch noch zur AfD
Fraktion gehört und der dann meint, man müsse darüber überhaupt nicht reden. Es kommt eben nicht nur auf die Themen von Armut und auf die Themen von barrierefreiem Wohnraum an. Es kommt insbesondere darauf an, wie die Generationen im ländlichen Raum und in der urbanen Gegend miteinander leben, wie sie sich einbringen können, wie sie ihre Erfahrungen untereinander austauschen. Dafür ist selbstbestimmte Mitwirkung ein ganz entscheidendes Element.
Für Sie also noch einmal die Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
Ja, die Position ist ungewohnt, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Rost. Würden Sie bitte einmal darlegen, auf welche Art und Weise die Förderung des Behindertensports durch den Freistaat Sachsen gestaltet wird?
Wenn dann noch etwas offen ist, gerne.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte zumindest gedacht, dass es mir nach der Debatte schlagartig besser geht, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich hoffe trotzdem, dass ich noch ein wenig reden kann.
Herr Zschocke, vielen herzlichen Dank. Genau das ist das Anliegen unseres Antrags. Wir waren gemeinsam schon bei einigen Veranstaltungen, unter anderem beim Gehörlosenverband, wo es auch um die Belange der gehörlosen Menschen für die sportliche Betätigung ging.
Zum Beispiel wird die ehrenamtliche Tätigkeit des notwendigen Gebärdensprachdolmetschers im Gehörlosen-Sportverband nicht finanziert. Herr Rost, machen Sie uns doch nicht weis, dass das anders ist. Sie kennen im Übrigen ganz persönlich das Problem, weil der Chef des Verbandes in dieser Angelegenheit auch bei Ihnen gewesen ist. Soviel ich weiß, haben Sie bisher nicht erreicht, dass diese ehrenamtliche Arbeit jetzt gefördert wird. Genau das hinterfragen wir mit unserem Antrag.
Zu den „Lieblingsplätzen“. Es ist nicht nur so, dass diese Einrichtung überwiegend in kommunaler Hand liegt. Niedrigschwellig – Herr Vieweg, natürlich, aber Sie wissen doch ganz genau, dass die „Lieblingsplätze“ nur für Maßnahmen gefördert werden, die nicht mehr als 25 000 Euro kosten. Wo leben Sie denn, wenn da die Schaffung von Barrierefreiheit erforderlich ist? Das kostet oftmals mehr als 25 000 Euro, und dann fällt das nicht unter dieses Programm.
Wenn Sie darauf abstellen, dass Menschen mit erheblicher oder außergewöhnlicher Gehbehinderung die öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei nutzen können, dann sage ich: Jawohl, das ist eine Angelegenheit, die im Schwerbehindertenrecht geregelt ist. Wenn aber ein Behindertensportler, beispielsweise ein Rollstuhlfahrer, mit seinem Sportgerät von A nach B fahren muss, dann kommt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einfach nicht zurecht. So viel Verstand müssen Sie selbst doch auch haben!
Er braucht dann möglicherweise noch Leute, die diese Geräte transportieren.
Wissen Sie, ich bin deshalb erregt, weil Sie genau wissen, dass ich in den Jahren 2003 bis 2015 aktiver Leistungssportler im Rollstuhltanzen war. Nun machen Sie mir nur noch weis, dass ich alle möglichen Fahrtkosten und die Trainerkosten übernommen bekommen habe und dergleichen mehr. Also, es ist doch einfach nicht wahr, was Sie den Leuten hier im Raum und in der Welt draußen erzählen. So ist es eben nicht!
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, wenn jetzt danach gefragt werden sollte. – Es ist natürlich auch bei Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigungen so, dass sie, wie die Fußgängerin und der Fußgänger, den Sport freiwillig ausüben. Dazu gehört selbstverständlich, dass man, wenn man den Sport gern machen möchte, vielleicht auch in seine Tasche greift. Aber es gibt für Menschen mit Beeinträchtigungen noch zusätzliche Hürden, damit sie ihren Sport ausüben können: Da ist die Barrierefreiheit der Sportstätte. Da sind die besonderen Anforderungen an den Übungsleiter und an den Trainer, und da sind die entsprechenden Hilfsmittel für die Sportgeräte, wie der Rollstuhl, der besondere Anforderungen erfüllen muss. Das ist alles so entwickelt worden.
Wenn Sie uns das auch erzählen wollen, dann möchte ich enorm widersprechen: Die Anschaffung dieser Geräte gehen eben nicht selbstverständlich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung oder des Kommunalen Sozialverbandes. Bestenfalls für Menschen, deren körperliche Einschränkung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist, oder wenn es sich um Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht handelt, bei dem das sogenannte Alles-oder-nichts-Prinzip gilt, werden die Kosten für die Sportausübung möglicherweise übernommen. Alle anderen haben enorme Schwierigkeiten, dass diese Kosten übernommen werden können.
Sie in der SPD-Fraktion wissen doch auch, was zum Beispiel den Rollstuhlbasketball in Zwickau oder Chemnitz betrifft. Herr Vieweg, vielen Dank, dass Sie mich auf die Chemlympics hinweisen. Sie hätten aber auch dazusagen können, dass ich der Schirmherr dieser Veranstaltung bin, und das schon seit Jahren.
Die Veranstaltung läuft dort nicht, weil sie vordergründig vom Freistaat Sachsen finanziert wird, sondern weil sich Menschen der Diakonie, der Lebenshilfe gGmbH und von „Miteinander statt Gegeneinander“, einer Vereinigung, zusammengetan haben und sich jährlich um dieses Event für circa 150 Menschen mit geistiger, körperlicher und/ oder Sinnesbeeinträchtigung kümmern. Das ist wirklich eine großartige Sache.
Wenn wir über inklusive Gesellschaft reden, dann tut mir dabei leid, dass wir es noch lange nicht gepackt haben, dass die breite Öffentlichkeit sich auch für solche Veranstaltungen interessiert. Ich finde es großartig, dass Sie
dabei sind und ich Sie dort begrüßen darf. Ihre Kollegin Hanka Kliese und Frau Saborowski sind dabei. Die Bundestagsabgeordneten aus Chemnitz habe ich dort auch begrüßen können. Das ist toll. Aber die breite Öffentlichkeit interessiert sich nicht. Meiner Meinung nach liegt das einfach mit daran, dass wir es in dem Gesamtkonzert, wie wir Sport im Freistaat Sachsen sehen, noch nicht hinbekommen haben, Leute allgemein auch dafür zu interessieren. Fußball ist ein enormes Geschäft – das läuft, da rennen die Leute hin –, und für viele anderen Dinge, die nicht so lukrativ sind, gibt es eben diese Nachfrage nicht.
Ich finde, wir sollten hier mehr tun, weil das auch für die Persönlichkeitsentfaltung und für die gesundheitliche Entwicklung wichtig ist. Jawohl, es ist großartig, dass Sie den Landessportbund hier loben, weil das wirklich tolle Leute sind, die dort arbeiten; genauso aber auch der Sächsische Behindertensportverband, der in den letzten Jahren so engagiert ist, dass tatsächlich auch ein bisschen Bewegung gerade auch in den inklusiven Sport gekommen ist.
Selbst wenn Sie dem Antrag heute nicht zustimmen sollten – was ich sehr bedaure; da hat Frau Kersten auch mit den Argumenten recht –, ist das Thema deshalb überhaupt nicht erledigt. Wir bleiben dran, und wir schaffen es vielleicht auch, dass Sie sich immer mehr dafür interessieren.
Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Vieweg, klar, Ihr Dank ist selbstverständlich auch angenommen. Aber, bitte, meinen Sie nicht, dass unser Antrag mit einer Nichtanerkennung der Vereinbarungen im Zusammenhang steht, die Sie im Koalitionsvertrag beschlossen haben oder die wir in den Haushaltsdiskussionen gemeinsam geführt haben? Das ist es eben gerade nicht, aber es geht um die weitere Untersetzung.
Selbstverständlich können Sie auf meine Unterstützung in der Angelegenheit zählen. Unsere Anträge sind eine solche Form dazu. Sie brauchten also nur zuzustimmen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Krauß! Wenn Sie Ihr Beispiel aus der Bürgersprechstunde hier zitieren, können Sie mir dann erklären, warum jemand, wenn er 47 Jahre gearbeitet hat, nur eine Rente von 700 Euro bekommt? Woran könnte das liegen?
Vielen Dank. Herr Krauß, ich möchte jetzt nicht so sehr auf die strafrechtliche Seite der Rentenkürzungen für Angehörige der Staatssicherheit eingehen, obwohl mir schon etwas die Galle hochkommt, wenn ich daran denke, dass Angehörige der Deutschen Wehrmacht keine Rentennachteile in der Bundesrepublik Deutschland erfahren haben.
Haben Sie in Ihrem Redebeitrag noch vor, auf die im Antrag stehenden Sachverhalte einzugehen? Denn darum geht es eigentlich und nicht um die allgemeine Betrachtung.
Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich begrüße sehr herzlich den Gebärdensprachdolmetscher und wiederhole es immer wieder an dieser Stelle: Ich wünsche mir, dass unsere Landtagssitzungen ständig von einem Gebärdensprachdolmetscher begleitet werden und nicht nur, wenn wir behindertenspezifische Themen auf der Tagesordnung haben.
Meine Damen und Herren, am 10. Dezember wird der Tag der Menschenrechte begangen. Es ist der Gedenktag zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am
10. Dezember 1948 verabschiedet wurde. Dieser Tag wird von den Menschenrechtsorganisationen, zum Beispiel Amnesty International, zum Anlass genommen, die Menschenrechtssituation weltweit kritisch zu beleuchten.
Meine Damen und Herren, genau heute vor zehn Jahren, also am 13. Dezember 2006, beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die zeitliche Nähe zum 10.12. wird kein Zufall sein. Die UNBehindertenrechtskonvention beinhaltet, neben der
Bekräftigung allgemeiner Menschenrechte für Menschen
mit Behinderungen, eine Vielzahl auf die konkrete Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen abgestimmte Regelungen. Ich darf noch einmal auf den Zweck des Übereinkommens hinweisen: Es geht darum, den vollen und gleichberechtigen Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten, um die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.
Seit einigen Wochen sind wir im Freistaat Sachsen auf einem recht guten Weg. Es gibt den Sächsischen Landesaktionsplan. In Deutschland gibt es seit der letzten Woche – vom Bundestag verabschiedet – das Bundesteilhabegesetz, das am kommenden Freitag vom Bundesrat noch zu bestätigen ist. Dabei geht es um die Modernisierung der Eingliederungshilfe. Es sollen Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention insoweit in dieses Gesetz eingebunden werden.
Ob und inwieweit das gelungen ist, wird unterschiedlich beurteilt, aber es stimmt nachdenklich, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung stolz darüber ist, dass das letzte Woche verabschiedete Gesetz nicht mehr ganz so viele Einschränkungen für Menschen mit Behinderungen zum Inhalt habe, wie es ursprünglich beabsichtigt war. 68 Änderungsanträge wurden noch einen Tag vor der Gesetzesverabschiedung im zuständigen Fachausschuss angenommen. 68, meine Damen und Herren! Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hatten einen Tag später alle ausreichend Gelegenheit, sich mit diesen 68 Änderungsanträgen zu befassen...
Meine Damen und Herren, nun gibt es das Gesetz, das am kommenden Freitag vom Bundesrat verabschiedet werden soll. Eines steht jetzt aber schon fest: Das Bundesteilhabegesetz wird nur in dem Maße Bestand haben, wie es die
in der UN-Behindertenrechtskonvention verbrieften
Rechte umzusetzen in der Lage ist.
Wir kritisieren, wie durch das Bundesteilhabegesetz das Recht zur freien Wahl des Wohnortes oder das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben umgesetzt ist. Das Poolen für Leistungen im Wohnen und im Wohnumfeld scheint nun vom Tisch zu sein, greift aber immer noch bei Freizeitmaßnahmen. Wenn also nur ein Betreuer zwei Menschen mit Behinderungen begleiten muss und davon einer ins Kino und der andere aufs Fußballfeld will, dann gibt es wohl ein Problem. Es kann dann dazu kommen, dass es ein Zwangsleben geben muss, und das hat mit selbstbestimmter Teilhabe nun wahrlich nichts zu tun.
In einem weiteren Teil gehe ich auf Beispiele ein. Wir hatten in der ersten Runde auch vom Sport gesprochen, also komme ich selbstverständlich noch einmal auf den Behindertensport zu sprechen, meine Damen und Herren.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Zschocke, vielen herzlichen Dank für den engagierten Beitrag. Es ist nur zu unterstreichen, dass Ausübung und Handhabung von Menschenrechten nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden dürfen.
Herr Krasselt, wir bemühen uns nicht nur um Sachlichkeit, sondern wir bleiben sachlich. Darauf können Sie sich verlassen. Dafür ist das Thema viel zu wichtig. Nur wenn Sie davon sprechen, dass das Ziel ist, einen Paradigmenwechsel mit dem Bundesteilhabegesetz in Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention zu erreichen, dann müssen Sie zu der Erkenntnis gekommen sein, dass der Paradigmenwechsel darüber eben nicht erreicht ist.
Was Herr Zschocke gesagt hat, will ich nicht noch einmal wiederholen; denn der Paradigmenwechsel ist schon durch die UN-BRK eingeleitet worden, weg von der medizinischen Betrachtung einer Behinderung hin zum menschenrechtlichen Modell. Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen sind Menschen wie die ohne diese Beeinträchtigungen eben auch. Das muss doch nun endlich in den Köpfen ankommen. Da brauche ich auf Herrn Spangenberg gar nicht mehr einzugehen.
Möglicherweise ist auch das Bundesteilhabegesetz nicht das Gesetz, das diese Fragen tatsächlich zu klären hat. Nur, sich hier weiszumachen, dass man sich grundsätzlich vom Fürsorgerecht verabschiedet habe, weil die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgenommen wurde und nun im SGB IX sei – das ist nicht der Fall. Es kommt nach wie vor auch noch auf die Prüfung der entsprechenden Sachverhalte an. Da sollten wir uns nichts vormachen, meine Damen und Herren.
„Behindern verhindern“, Herr Krasselt. Das Bundesteilhabegesetz schafft auch nicht die inklusive Gesellschaft. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. „Behindern verhindern“ ist dazu eine gute Initiative, weil sie über das soziale Leistungsrecht hinausgeht. Frau Kliese, klar kann diese Komplexität des Bundesteilhabegesetzes nicht in einer Aktuellen Debatte besprochen werden. Das liegt auf der Hand; das ist auch nicht die Absicht. Wie das Gesetz ausgelegt ist, bedeutet es noch eine Gefahr, wenn es darum geht, Menschenrechte tatsächlich zu verwirklichen. Dafür ist kein besserer Tag geeignet als der heutige 13. Dezember, diese Aktuelle Debatte in den Sächsischen Landtag zu nehmen, auch unter dem Aspekt, dass Menschen nicht behindert sind, sondern behindert werden. Sie werden durch die Barrieren behindert, die wir in der Umwelt vorfinden.
Ich erlaube mir, noch einmal zur ersten Aktuellen Debatte zu kommen, in der wir uns groß gelobt haben, was die Initiativen der Sportförderung betrifft. Sie kennen den Präsidenten, und die hier anwesenden Behindertenpolitischen Sprecher kennen auch den Präsidenten des Gehörlosenverbandes Sachsen, der in der Ausübung seines Ehrenamtes enorme Schwierigkeiten hat, weil er gehörlos ist und auf einen Gebärdensprachdolmetscher oder eine Gebärdensprachdolmetscherin angewiesen ist. Er kann keine konstruktiven Beiträge leisten, weil er nicht verstanden wird.
Warum lernen wir nicht alle die Gebärdensprache, damit dieser Mensch nicht in die Situation kommt, nicht verstanden zu werden? Das wäre vielleicht auch eine Lö
sung. Die andere wäre – das hat das Bundesteilhabegesetz nicht geschaffen –, für Menschen mit Hörbehinderung einen leichteren Zugang zur Übernahme der Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher zu ermöglichen,
damit er wirklich selbstbestimmt am Leben teilhaben kann. Das ist unsere Vorstellung, die wir von einem solchen Gesetz haben. Übrigens gab es auch die Idee, generell ein Nachteilsausgleichsgeld auf den Weg zu bringen, das hier helfen könnte. All diese Vorstellungen, die es einmal für dieses Gesetz gab, haben sich so nicht realisiert.
Okay, es hat sich einiges verbessert. Das merken wir an der Resonanz der Behindertenverbände. Aber es bleibt viel zu tun, auch was die weitere Gewährung der Eingliederungshilfe betrifft. Dazu dann aber in einer dritten Runde, weil hier insbesondere der Freistaat Sachsen gefordert ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von wegen Bundesthema. Wenn wir uns allein auf das Bundesteilhabegesetz reduzieren, dann ist wohl der Bundesgesetzgeber zuständig. Wenn es aber um die Ausübung des Menschenrechtes geht, um die Sicherung der Teilhabe und der selbstbestimmten Lebensführung, dann ist das unser aller Sache und nicht nur die Sache des Bundes, meine Damen und Herren.
Herr Krasselt, das ist eben das Problem, wenn man sich immer nur allein auf die Norm bezieht. Aber von einem wirklichen Paradigmenwechsel könnte man beispielsweise reden, wenn man gar nicht mehr von Eingliederungshilfe spricht, wenn es einfach nur die unterstützende Leistung oder überhaupt die Leistung Teilhabe gibt und man nicht eingliedern muss, wo man schon längst in die Gesellschaft eingegliedert ist. Das halte ich für das Problem; auch was die Situation der Werkstätten für Menschen mit Behinderung betrifft. Sie wissen genau, dass sowohl in den Behindertenverbänden als auch in den Menschenrechtsorganisationen die Systematik von Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung als sehr zweifelhaft und sehr umstritten angesehen wird.
Natürlich ist das momentan eine ganz wichtige Einrichtung. Nur viel besser wäre es doch eigentlich, wenn wir es schafften, dass Kinder mit körperlichen, geistigen, seelischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen von der Vorschuleinrichtung in die inklusive Schule, also in die Regelschule, gehen und nach der Regelschule auch selbstverständlich an der dualen Ausbildung teilhaben, bevor sie überhaupt in eine Werkstatt kommen. Es ist doch gar nicht richtig sinnvoll, wenn man in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen eigentlich nur Leute aufnimmt, die erwerbsgemindert oder vollerwerbsgemindert sind, und dann als Aufgabe stellt, diese sollen hinübergeführt werden in den ersten Arbeitsmarkt. Ja, was denn nun? Voll erwerbsgemindert oder eben doch noch mit einem solchen Leistungsvermögen, das oberhalb von mindestens drei Stunden liegt, sodass man regelhaft am Arbeitsleben teilhaben kann? Also da haben wir hier schon unterschiedliche Auffassungen.
Frau Kliese hat es angesprochen, dass der Leistungszugang in die Eingliederungshilfe grundsätzlich überarbeitet werden soll. Er soll zum 01.01.2023 in Kraft treten und vorher wissenschaftlich untersucht und modellhaft erprobt werden. Dabei soll auch die Streichung der 5-aus-9Regelung neu gefasst werden. Die Regelungen zur Leistungsabgrenzung im Überschneidungsbereich von Eingliederungshilfe und Pflege werden ebenfalls überarbeitet. Es wird bei dem nach dem geltenden Recht bestehenden Gleichrang der Leistungssysteme im häuslichen Umfeld bleiben.
Die Streichung der Vorrangleistung Pflege vor der Eingliederungshilfe wird also kommen. Nur, wie es genau gehandhabt werden soll, darüber besteht noch keine Klarheit. Bezüglich der Durchführung wird durch die Einfügung von § 94 Abs. 1 in dem Bundesteilhabegesetz geregelt, dass die Träger der Eingliederungshilfe bereits zum 1. Januar 2018 von den Ländern bestimmt werden sollen. Das ist auch erforderlich, weil für die Umsetzung der Regelung des Teils II im Kapitel 8 dieses Buches, der ebenfalls zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt, bereits Träger der Eingliederungshilfe bestimmt sein müssen. Das heißt also, wir haben im nächsten Jahr im Freistaat Sachsen – hier im Sächsischen Landtag und zuvor die Staatsregierung – enorm viel zu tun.
Es bleibt dann schon noch die Frage zu stellen, ob das überhaupt innerhalb dieses Jahres zu schaffen ist, weshalb man vielleicht am 16.12. doch überlegen kann, ob man dem Entwurf jetzt schon seine Zustimmung gibt, Herr Ministerpräsident und Frau Staatsministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Novellierung des Gesetzes ergibt sich aufgrund der ab Januar 2017 geltenden Pflegegrade nach dem Pflegestärkungsgesetz II, mit dem das XI. Sozialgesetzbuch geändert wurde. Das erscheint insofern nachvollziehbar.
Bei der Gelegenheit den Zahlbetrag des seit 1. Januar 1996 konstant gebliebenen Landesblindengeldes um 17 Euro monatlich anzuheben, erscheint auch begrüßenswert, meine Damen und Herren.
Unverständlich ist für uns, dass die Nachteilsausgleiche für hochgradig Sehbehinderte – Frau Staatsministerin, der Begriff Sehschwache stammt meines Erachtens noch aus der Zeit des sozialen Entschädigungsrechtes, als es um die Versorgung der Kriegsopfer ging, die einen Schaden an ihren Augen erlitten hatten –, Gehörlose und schwerstbehinderte Kinder nicht adäquat angehoben werden. Aber hier hat Herr Krasselt ja auf Ihre Aussage, Frau Staatsministerin, im Sozialausschuss Bezug genommen, als Sie zugesagt haben, bis zur Sommerpause einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren! Wir sind aber grundsätzlich der Auffassung, dass es hinsichtlich der Nachteilsausgleichsgelder für Blinde und Taube keine Unterschiede geben sollte. Der Nachteilsausgleich für Blinde muss nach unserer Auffassung genauso hoch sein wie für taube Menschen.
Die Bestimmung der Nachteilsausgleichsregelung erscheint uns insofern auch etwas antiquiert, weil bisher in dieser Regelung für Blinde auf den Bedarf für die Verrichtung der Dinge des täglichen Lebens Bezug genommen wurde. Der Bedarf ist ohnehin mit Eingliederungsleistungen oder mit Pflegegeldleistungen insoweit abgedeckt, sodass der Nachteilsausgleich vielleicht eine neue Definition erfahren sollte.
Der Blinde ist getrennt von den Dingen, das ist richtig. Der hörbehinderte Mensch aber, der Taube, ist getrennt von den Menschen und braucht für seine Kommunikation einen Gebärdensprachdolmetscher, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Der Gebärdensprachdolmetscher kostet eben Geld, und dafür ist auch ein Nachteilsausgleich in entsprechender Höhe – wie für Blinde – notwendig.
Schließlich möchten wir noch zu bedenken geben, dass die geplante Änderung zu einer Verschlechterung für derzeitig Leistungsberechtigte führen kann. Insoweit ist die Anregung aus den Reihen der AfD-Fraktion, eine Besitzstandsregelung einzuführen, nachvollziehbar und trifft auch unsere Intention. Nur können wir Ihrem Antrag keine Zustimmung geben, weil die Regelungen für die anderen Sachverhalte schon sehr konkret sind. Sie erscheinen uns aber nicht plausibel. Wir wollen einmal sehen, was der Vorschlag der Staatsregierung zur Sommerpause bringt.
Zur Besitzstandsregelung möchte ich noch begründen: Ein Empfänger von Landesblindengeld mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach dem § 45 a des XI. Sozialgesetzbuchs und einer Pflegestufe 1 erhielt nach dem bisherigen Recht unter Anrechnung des Pflegegeldes 211 Euro Landesblindengeld. Nach der geplanten Änderung des § 5 Abs. 2 würde der Betroffene nur noch 186,50 Euro erhalten, da er automatisch nach der Reform des XI. Sozialgesetzbuchs in einen Pflegegrad 3 übergeleitet würde. Gleiches gilt auch für den Personenkreis mit einer Pflegestufe 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz, der dann in einen Pflegegrad 4 übergeleitet wird. Hier beträgt die Reduzierung des Landesblindengeldes dann rund 7 Euro. Insofern wäre eine Besitzstandsregelung nur allzu gerechtfertigt.
Nach all den genannten Gründen können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, aber wir werden uns enthalten.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Namensvetter, lieber Oliver Wehner! „Wir können etwas für die Gesundheit tun“, waren Ihre Worte. Dabei fällt mir ein: Wir könnten auch etwas für unsere eigene Gesundheit tun, wenn wir beispielsweise Landtagssitzungen mit einer Mittagspause versehen würden,
denn das würde uns allen guttun.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist begrüßenswert, dass ein solcher Antrag auf die Tagesordnung kommt.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zum Punkt II Ihres Antrages möchte ich Ihnen herzlich gratulieren. Sie möchten eine umfassende Evaluierung über bisher erreichte Ziele und weiterhin notwendige Bedarfe veranlassen. Das ist gut so; denn bereits mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 5/7725, vom Januar 2012, welcher einen Bericht und eine Evaluation der Programme und Projekte der sächsischen Gesundheitsziele forderte, sollte eine derartige Evaluation vorangetrieben werden. Damals war das leider erfolglos beantragt worden, aber ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir natürlich nach wie vor von der Notwendigkeit überzeugt sind und deshalb dem Antrag zustimmen werden, liebe Frau Neukirch und lieber Herr Wehner.
Die Staatsregierung teilte in der damaligen Antwort mit: „Darüber hinaus befasst sich mit der Frage der Evaluation sächsischer Gesundheitsziele eine am 28.11.2011 vom Steuerungskreis Gesundheitsziele Sachsen eingesetzte Strategie-Arbeitsgruppe.“
Dies wirft nun wiederum eine Reihe von Fragen auf. Hat die genannte Gruppe getagt und, wenn ja, welche Ergebnisse wurden vorgelegt?
Welche Gründe gibt es dafür, weitere fünf Jahre später eine erneute Bewertung vorzulegen? Das kann nicht allein mit dem Präventionsgesetz in Zusammenhang gestellt sein.
Weiterhin können wir uns Ihrer im Punkt III geforderten kontinuierlichen Landesgesundheitsberichterstattung
hinsichtlich der in den Gesundheitszielen genannten Zielgruppen natürlich nicht verschließen. Auch wir wollen wissen: Geht es nun den Kindern und Jugendlichen, den Seniorinnen und Senioren und den Erwerbslosen gesundheitlich besser oder schlechter?
Dass die Arbeit mit Gesundheitszielen generell besser in die bestehenden Gesundheits- und Pflegestrukturen einbezogen werden soll, so wie im Punkt IV gefordert, ist für uns selbstredend und bedarf eigentlich keiner besonderen Beantragung. Aber wir müssen es im Blick haben, und insofern unterstützen wir das.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Gesundheitszustand der Bevölkerung anlässlich des 3. Oktober machen. Ich beziehe mich hier auf den „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016“. Wir können dort auf Seite 58 ff. nachlesen: Mit der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung ist auch die durchschnittliche Lebenserwartung in Ostdeutschland in den letzten 25 Jahren merklich gestiegen.
Die geschlechtsspezifische Lebenserwartung hat sich bei der Geburt in Ost- und Westdeutschland inzwischen angenähert. Frauen leben in beiden Regionen Deutschlands mittlerweile gleich lang: in den alten Ländern 83,12 Jahre und in den neuen Ländern 83,11 Jahre. Bei den Männern hat die Lebenserwartung mit 77,11 Jahren in
den neuen Ländern das Niveau in den alten Ländern mit 78,41 Jahren noch nicht ganz erreicht.
Auch die Sterblichkeit in Ost- und Westdeutschland hat sich bei den Frauen angeglichen und den Männern angenähert. Ein großer Teil der Verringerung der Ost-WestUnterschiede in Lebenserwartung und Sterblichkeit ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückgegangen ist: Anfang der Neunzigerjahre war die kardiovaskuläre Sterblichkeit bei Frauen und Männern in Ostdeutschland etwa 1,5-mal höher als in Westdeutschland. Für das Jahr 2014 sind die Unterschiede dagegen vergleichsweise gering.
Beim Robert-Koch-Institut des Bundesgesundheitsamtes können wir nachlesen: „25 Jahre nach dem Fall der Mauer: Regionale Unterschiede in der Gesundheit“, Zahlen und Trends aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Die Unterschiede betreffen neben der bereits aufgeführten mittleren Lebenserwartung Herz-KreislaufErkrankungen, die Krebserkrankungen und psychische Störungen.
Wir möchten für ganz Deutschland annähernd gleiche Lebensverhältnisse. Diese müssen sich auch im Gesundheitszustand der Bevölkerung im Osten widerspiegeln. So könnten die heute noch vorzufindenden Ost-WestUnterschiede in der Gesundheit zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass trotz der Annäherung der Lebensverhältnisse weiterhin sozioökonomische
Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen.
Neben der gesundheitlichen Lage und den Risiko- und Schutzfaktoren muss auch die Gesundheitsversorgung in den Blick genommen werden. Die geringe Bevölkerungsdichte und fortschreitende Alterung der Bevölkerung in vielen Regionen der neuen Bundesländer, die auch mit Veränderungen in der Infrastruktur einhergeht, stellt die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung vor neue Herausforderungen. Dies betrifft nicht nur die ambulante und stationäre Versorgung, sondern auch andere Versorgungsbereiche wie Rehabilitation und Pflege.
Die Arbeit mit den Gesundheitszielen kann einen Beitrag zur Verbesserung der Gesamtsituation leisten, zumal seit 2010 einige Zeit ins Land gegangen ist und es durchaus an der Zeit ist, ein Fazit über die Umsetzung der einzelnen Ziele – sie sind hier genannt worden: von „Gesund aufwachsen“ über „Aktives Altern“ bis hin zu „Altern in Gesundheit, Autonomie und Mitverantwortung“ – zu ziehen und gegebenenfalls auf neue Entwicklungen zu reagieren.
Notwendig ist ohne Zweifel, auch eine kontinuierliche Berichterstattung und Evaluierung der einzelnen Gesundheitsziele in ihrer Gesamtheit vorzunehmen. Gesundheitsziele sind strategische Steuerungsinstrumente zur Verbesserung der Gesundheit und sie führen die relevanten Akteure zusammen. Gesundheitsziele bilden Handlungsrahmen, die in definierten Bereichen und für bestimmte Gruppen gesundheitsfördernd wirken sollen und auf die Stärkung individueller Gesundheitspotenziale und die
Verbesserung der Strukturen in der Gesundheitsversorgung abstellen.
Die Ziele haben auch den Vorteil, dass sie in der Regel eine hohe politische Akzeptanz erfahren, allerdings ihre Umsetzung dagegen meist schleppend verläuft.
Meine Damen und Herren, gesundheitliche Chancengleichheit ist eine grundlegende Voraussetzung, um Gesundheitsziele effektiv und nachhaltig umsetzen zu können. Die Verteilung von Risikofaktoren und Erkrankungen über die Bevölkerung ist in vielen Fällen durch die Ungleichverteilung über verschiedene soziale Schichten und Bevölkerungsgruppen charakterisiert. Alter, Geschlecht, sozialökonomischer Status, Erwerbsstatus, Lebensform, Bildungsstand, Wohnregion und Migrationshintergrund – Frau Neukirch ist auf einige dieser Punkte bereits eingegangen – sind von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Umsetzung von Gesundheitszielen geht. Leider geraten solche Bedingungen bei der konkreten Diskussion von Gesundheitszielen oftmals viel zu sehr in den Hintergrund.
Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass es signifikante Zusammenhänge zwischen ungünstigen sozialökonomischen Bedingungen und schlechter Gesundheit bis ins hohe Alter gibt. Und es gibt sie, die sozialen Unterschiede im Gesundheitsverhalten – sowohl in der akuten Behandlungsphase als auch und noch viel mehr im Bereich der Vorsorge.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wer arm ist und eine schlechte Bildung hat, wird oftmals schneller krank und stirbt früher. Untere Schichten in der Gesellschaft profitieren bedeutend weniger von der Entwicklung im Gesundheitswesen und von höherer Lebenserwartung. Es bringt nichts zu verschweigen, dass Armut krank macht. Der Euro lässt sich nur einmal ausgeben. Arme Menschen stehen regelmäßig vor der Frage: Reicht das Geld für das Medikament oder das Obst oder den Haushalt? Alles geht bei vielen eben nicht gleichermaßen.
Auf der anderen Seite trägt gesellschaftliche Teilhabe zur Gesunderhaltung und zur Lebensqualität aller Generationen bei.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, es mit den Gesundheitszielen wirklich ernst meinen, dann sollten Sie die Einkommenssituation, den Berufsstatus und die Schulbildung, die Arbeitsbedingungen, Wohnumgebung, Zuzahlung, Gesundheitsverhalten, Migrationshintergrund, Chancengleichheit der Geschlechter, Unterschiede in der gesundheitlichen Lage von Frauen und Männern gleichermaßen erfassen und bewerten. Es ist nämlich zu hinterfragen, ob und inwieweit für welche sozialen Schichten besondere Handlungsbedarfe bestehen. Chancengleichheit ist in einer modernen Gesellschaft der Anspruch auf eine gerechte Verteilung der Zugangs- und Lebenschancen.
Gesundheitliche Chancengleichheit beginnt mit einem ausgebauten Gesundheits- und Versorgungssystem und schließt eine gesundheitsfördernde Gestaltung der Le
bens- und Arbeitsbedingungen genauso ein wie eine Verminderung von Gesundheitsrisiken – und das unabhängig vom sozialen Status, von der nationalen Zugehörigkeit, der Generation, dem Alter sowie dem Geschlecht.
Lange Wartezeiten auf Arzttermine, lange Anfahrtszeiten zu medizinischen Einrichtungen, ausgedünnte medizinische Versorgungsstrukturen vor allem im ländlichen Raum, Zunahme der Anzahl der Bezieher von Altersgrundsicherung, deutlich mehr arbeitende Rentnerinnen und Rentner, immer mehr Kinder in Sachsen, die von Grundsicherungsleistungen leben müssen – das alles sind denkbar ungünstige Voraussetzungen, um eine wirkliche gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen.
Gerade bei der Umsetzung des Gesundheitszieles „Gesund aufwachsen“ ist es wichtig, besonders diejenigen Kinder im Vorschulalter im Auge zu behalten, die in denkbar ungünstigen familiären Verhältnissen aufwachsen. 36 000 Kinder in Sachsen leben von Hartz IV. Genau diese Familien sind auch von Arbeitslosigkeit betroffen – ein Faktor, der auf der einen Seite den Zugang zur Chancengleichheit erschwert und auf der anderen Seite selbst ein Krankheitsauslöser sein kann.
Meine Damen und Herren, Sachsen ist mit einem Seniorenanteil von 26,01 % eines der Länder mit der ältesten Bevölkerung in Deutschland. Gesundheit der Menschen wird bei steigender Lebenserwartung weiter an Bedeutung gewinnen und die meisten von ihnen können das Alter selbstbestimmt und aktiv genießen. Dennoch, es sind in der heutigen Zeit besonders ältere Menschen, die von der fortschreitenden Entsolidarisierung und Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme betroffen sind. Aktives Altern und Selbstbestimmung sind leider keine Selbstverständlichkeit.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, Gesundheitsziele werden nur dann wirklich Erfolg haben, wenn die Ursachen angegangen werden und eine wirkliche gesundheitliche Chancengleichheit gegeben ist. Das gilt gleichermaßen für die Umsetzung des Präventionsgesetzes. Wir wünschen uns dazu viel Erfolg und werden den Prozess kritisch begleiten.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! „Behindern verhindern – der Freistaat Sachsen auf dem Weg in die inklusive Gesellschaft“, heute die erste Aktuelle Debatte am Plenartag. Und nicht weil es die Behinderten verdient haben, Herr Krasselt. Der Freistaat Sachsen sollte sich das leisten, die Menschen im Freistaat Sachsen haben es verdient, darüber nachzudenken, welches Menschenbild sie haben. Meinen Sie alle Menschen im Freistaat Sachsen? Die Einbeziehung von Menschen in die Gesellschaft, das ist eigentlich das, was der Begriff Inklusion meint, Herr Krasselt, und nicht schon wieder diese Abstufung mit dem defizitären Ansatz von Menschen mit Beeinträchtigung. Nein, wir haben es alle verdient. Darüber müssen wir immer wieder nachdenken. Insofern begrüße ich die Initiative.
Ich bin der Sächsischen Staatsregierung, insbesondere der Staatsministerin, dankbar, dass sie nach den gemeinsamen Gesprächen mit den Menschen mit Beeinträchtigungen in den Behinderten- und Sozialverbänden die Initiative gestärkt hat. Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, ein Botschafter dieser Kampagne zu sein, war das für mich gar keine Frage. Selbstverständlich möchte ich das sein. Ich lebe ein Leben lang als Mensch mit Beeinträchtigungen und seit 2000 eben als Mensch im Rollstuhl, der von heute auf morgen eine völlig andere Perspektive auf die Gesellschaft hatte. Für mich ist es schon immer wichtig, nicht nur Forderungen an andere zu artikulieren – das ist leicht –; viel schwieriger ist es, die Forderung an sich selbst zu haben. Aber das ist nicht nur der Blick für die Menschen mit Beeinträchtigungen, die Forderung an sich selbst muss jeder selbst stellen. Was will ich leisten in der Gesellschaft? Welche Ausbildung will ich absolvieren? Überhaupt, welchen Beitrag will ich leisten. Das unterscheidet uns gar nicht.
Hanka Kliese, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Beitrag, auch für den emotionalen Beitrag, den Sie hier gegeben haben. Das spiegelt das Problem in der Gesellschaft wider. Was erlauben wir uns über andere zu richten oder eben nicht? Wir sind Menschen und wir wollen als Menschen wahrgenommen werden. Das sage ich als einer, der im Rollstuhl sitzt. Nun weiß ich, dass die Kampagne allein noch längst nicht die inklusive Gesellschaft schafft. Hanka Kliese hat das angedeutet.
Herr Krasselt, es ist nicht nur die Opposition, die sauer darüber ist, dass der Freistaat Sachsen ganz hinten hängt, auch Sie müssten darüber sauer sein, damit Sie endlich mit Vorreiter und Pionier werden, wenn es um die Schaffung der inklusiven Gesellschaft geht. Wir sind jetzt auf einem guten Weg und das soll die Kampagne mit leisten. Wir brauchen also ganz konkrete Maßnahmen, die Barrieren, wo wir sie in der Gesellschaft noch finden, abbauen,
und zwar in allen Bereichen. Sind diese abgeschafft, ist es wirklich möglich, am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können. Nehmen wir die sprachlichen Barrieren. Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Gebärdensprachdolmetscher Landtagssitzungen und nicht nur zu einer Aktuellen Debatte und nicht nur zu einem besonderen Thema für die Menschen da draußen übersetzt, die uns nicht verstehen können.
Da haben wir noch eine Weile zu tun, meine Damen und Herren.
Ich möchte in dieser Runde auch sagen, dass wir einen erlauchten Kreis an Botschaftern haben. Einige sind hier im Saal im Publikum, der Beauftragte für die Belange der Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen, Stefan Köhler, Silke Hoekstra als die Geschäftsführerin der Lebenshilfe, Prof. Kahlisch als Chef der Deutschen Zentralbücherei für Blinde und mein Freund Uwe Adamczyk, der übrigens auch mal Landtagsabgeordneter war und der sich sehr für unsere Interessen stark gemacht hat.
Und, meine Damen und Herren, wir brauchen noch viele, viele Initiativen im Freistaat Sachsen, die wirklich die inklusive Gesellschaft ermöglichen. Es ist auch an der Zeit, dieses schwierige Gesetz – und jetzt sage ich das mal –, Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen, abzulösen durch ein sächsisches Inklusionsgesetz. Das ist auch an der Zeit, wenn wir es ernst meinen wollen mit der inklusiven Gesellschaft, meine Damen und Herren.
Der Rest kommt später; hier leuchtet ganz rot die Lampe.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Älteren haben die Entwicklung dieses Freistaates seit der friedlichen Revolution miterlebt und mitgestaltet, den Jüngeren ist der Freistaat politische Selbstverständlichkeit. Jedoch zwingen uns die Folgen des demografischen Wandels auf vielen Politikfeldern zum Um- und Neudenken sowie teilweise zu neuen Zielsetzungen. Dazu gehört auch die Schaffung der inklusiven Gesellschaft, also die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben und damit auch an der Politik in den Städten und Gemeinden, auf Kreis- und Landesebene.
Insoweit unterstütze ich ausdrücklich die Initiative der sächsischen Sozialministerin – also Ihre Initiative, Frau Klepsch –, damit sich alle Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – selbstbestimmt in allen öffentlichen Räumen ohne Hilfe und ohne Voranmeldung bewegen können und um noch mehr Barrieren abzubauen und bedarfsgerechte Unterstützungsangebote zur Verfügung zu stellen.