Protokoll der Sitzung vom 10.06.2015

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE – Unruhe)

ganz ehrlich, wo man eigentlich angekommen ist. Deswegen ist es auch die Frage, wie man mit diesen Themen in bestimmten Altersjahrgängen umgeht.

Deshalb hat das Ganze für mich auch rein gar nichts mit Sexualerziehung oder damit zu tun, irgendjemanden dahin drängen zu müssen, sich zu bekennen oder sonst irgendetwas zu tun; vielmehr geht es für mich darum – damit komme ich auf viele meiner vergangenen Reden zurück –, wie wir auch Kindern erklären, wie Menschen in dieser Gesellschaft und im engsten Familienkreis Verantwortung

füreinander übernehmen, welche Formen es dafür gibt, was daran gut ist, was daran schlecht ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Von Frau Klepsch selbstverständlich.

Bitte, Frau Klepsch.

Vielen Dank, Patrick Schreiber. Ich möchte Sie fragen: Halten Sie es für besser, wenn Grundschüler, 3. oder 4. Klasse, sich gegenseitig als schwul beschimpfen, weil sie mit dem Begriff gar nichts anfangen können? Oder ist es vielleicht sinnvoller, auch schon in der Grundschule über diese Begriffe aufzuklären, damit es eben nicht zur Diskreditierung von Menschen mit anderen sexuellen Neigungen kommt?

Frau Klepsch, ich habe zwar keine Kinder, aber Sie werden mir sicherlich recht geben: Einem Kind wird nicht angeboren, jemand anderen als schwule Sau zu beschimpfen,

(Andrea Dombois, CDU: Genau so ist das!)

sondern unsere Gesellschaft, wie sie ist – so pluralistisch, wie sie ist, so einfältig, wie sie ist, so ignorant, wie sie teilweise ist –, lehrt die Kinder dies leider.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Dagegen müssen wir doch etwas tun!)

Ja, liebe Frau Falken, das ist doch unbestritten. Das negiere ich doch überhaupt nicht.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Ich frage mich nur, ob es dafür reicht, Kinder in der 4. Klasse damit zu konfrontieren, dass sie sich doch – ich übertreibe jetzt einmal – bitte schön entscheiden mögen, ob sie schwul oder lesbisch sind oder heterosexuell oder sonst irgendetwas,

(Beifall bei der CDU und der AfD)

oder ob es nicht vielmehr geraten ist, einmal in Gänze das zu hinterfragen, was wir in dieser Gesellschaft tun. Ich sage Ihnen, ich halte es für genauso schlimm, wenn ein Mädchen als blöde Sau oder dumme Kuh oder sonst irgendetwas beschimpft wird.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Aber das ist doch etwas ganz anderes!)

Ja, Frau Buddeberg, kein Kind der 3. Klasse sagt „Du blöde, schwule Sau“, weil es – –

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Doch!)

Lassen Sie mich doch ausreden. Ein solcher Junge sagt niemals „du blöde, schwule Sau“, weil er genau weiß, dass er den anderen Jungen deshalb trifft, weil er ihn als schwul benannt hat. Niemals! Vielmehr ist es leider ein Kraftausdruck,

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Ja!)

der kein Kraftausdruck sein darf, genauso wie „du blöde Kuh“ ein Kraftausdruck ist, der eigentlich kein Kraftausdruck sein darf.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Deswegen sage ich Ihnen: Akzeptanz und vor allem Toleranz fangen nicht damit an, dass wir in der Schule über Sexualbildung und Familienbildung reden, sondern sie fangen damit an, dass wir selber in dieser gesamten Gesellschaft den Kindern andere Dinge vorleben.

Dazu sage ich Ihnen Folgendes ganz konkret: Angesichts dessen, was ich besonders in den letzten Monaten gerade im Internet erlebe, noch gar nicht einmal zu diesem Thema, muss ich mich nicht wundern, dass auch Kinder mittlerweile anfangen – – Entschuldigung, auch „Nazi“ ist ja mittlerweile aus Ihren Ecken ein Schimpfwort; man wird ja sofort als Nazi beschimpft, wenn man irgendwie einmal anders gearteter Meinung ist, als einem linken Mainstream hinterherzurennen.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das ist doch kein Vergleich!)

Nein, das ist eine Tatsache. Auch das, Frau Buddeberg, ist unangemessen.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Deshalb appelliere ich noch einmal. Einmal ganz ehrlich: dass heterosexuelle Jugendliche unsichtbar bleiben – –

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Heterosexuelle nicht!)

Die Zeiten, in denen homosexuelle Jugendliche unsichtbar blieben, sind Gott sei Dank vorbei. Das letzte Wochenende hat auch gezeigt, dass sie vorbei sind. Sicherlich ist es nicht jedermanns Sache, sich in der Schule zu outen und zu sagen: Jawohl, ich bin schwul. Ich war in der 11. Klasse – –

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Hör doch einmal zu und rede über die Dinge, von denen Du etwas verstehst.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der AfD)

Auch ich war in der 11. Klasse in der Situation, und auch ich bin nicht durch die Schule gerannt und habe gesagt: Ach, wisst Ihr schon, ich stehe auf Männer.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Weißt Du auch, warum? Weil es mich genauso wenig interessiert hat, was die Maria, meine Banknachbarin, mit ihrem Freund im Bett getrieben hat. Das ist der entscheidende Punkt: Sexualität ist zuallererst Intimsphäre und Privatsphäre,

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

und ich bitte darum, dass wir den entsprechenden Respekt diesem Thema gegenüber auch so bewahren.

Mich interessiert es heute im Übrigen immer noch nicht, was meine Kollegen in der Fraktion oder die Kollegen in Ihrer Fraktion nachts so treiben und mit wem. Das interessiert mich überhaupt nicht. Genauso wenig hat es irgendwen zu interessieren, was ich tue. Das ist meine private Angelegenheit, und ich wiederhole es: Toleranz, aber vor allem Akzeptanz des anderen lässt sich nicht verordnen, auch nicht durch einen Antrag der LINKEN hier im Hohen Haus.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Das war Herr Kollege Schreiber, CDU-Fraktion. Jetzt erleben wir gleich eine Kurzintervention, vermute ich, von Frau Jähnigen, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Danke schön, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Schreiber! Ich habe mich sehr gefreut, dass unsere Anträge dazu gedient haben, in der letzten Wahlperiode eine fachliche Debatte um dieses Thema zu führen. Ich vermisse, wenn ich die Antworten lese, die die Regierung auf diesen Antrag und auf meine Anfragen gibt, dass die Regierung dies tut.

Das, was Sie gerade gemacht haben, war allerdings kein Beitrag zur fachlichen Debatte. Es geht doch mitnichten darum, dass sich Kinder in der 3. oder 4. Klasse entscheiden, wie sie sich sexuell orientieren. Bitte, ich sage Ihnen als Mutter von Kindern im Alter von neun und zwölf Jahren: Darum geht es nicht.

Aber ich möchte, dass dieser Orientierungsrahmen jetzt wirklich einmal überarbeitet wird, weil ich nicht möchte, dass die Kinder, da wir doch um ein Sachsen ringen müssen, das weltoffen ist, das Vielfalt will und auch in der sexuellen Orientierung akzeptiert und möglich macht, nach einem modernen Erziehungsbild erzogen werden, gemeinsam von Eltern und Schule, und nicht nach einem solch veralteten Ding. Darum geht es hier, und dafür sollten Sie sich engagieren, anstatt solche billigen Vorurteile zu bedienen. Das ist bedauerlich, und das hat diese Debatte nicht verdient, ebenso wenig wie unsere Schulen und Kinder.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Jetzt kommt die Reaktion von Herrn Schreiber.

Frau Jähnigen, ich kann Sie beruhigen. Ich nehme an, dass Sie die Antwort der Staatsregierung ebenfalls bekommen haben. Der Orientierungsplan zur Familien- und Sexualerziehung an sächsischen Schulen aus dem Jahr 2006 ist in der Überarbeitung. Nach meinem Kenntnisstand und Ihrem Kenntnisstand, sofern

Sie die Antwort auf die Anfrage lesen, soll der neue Orientierungsplan auch noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Ich bin sehr gespannt auf diesen Orientierungsrahmen und freue mich auch auf die Debatte im Schulausschuss über diesen Orientierungsrahmen. Vielleicht sind Sie bei dieser Debatte dabei; dann können wir gern diskutieren. Aber meines Erachtens ist das zuerst einmal eine Debatte, die wir intern im Schulausschuss und nicht hier im Plenarsaal führen sollten.