Es erfolgt eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die einreichende Fraktion mit Frau Abg. Jähnigen, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. – Frau Abg. Jähnigen hat jetzt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor – auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion –, Sie säßen in der Opposition; es wird Ihnen ja auch einmal passieren, vielleicht schon bald, wer weiß,
und Sie würden in einer parlamentarischen Angelegenheit recherchieren. Sie würden versuchen, sich ein vollständiges Bild zu verschaffen, und Sie wollen sich nicht auf die Auskünfte der Regierung verlassen, sondern die Regierung kontrollieren. Zahlreiche Anfragen haben Sie schon gestellt – sie sind unvollständig beantwortet worden: Aufwand zu groß, wir wissen nicht, wir können Ihnen nichts sagen usw.
Sie kennen das ja selbst. Und jetzt wollen Sie selbst Informationen von der Regierung bekommen; vielleicht sogar Akteneinsicht nehmen – geht alles nicht. Das haben wir immer wieder erlebt. Die Informationsmöglichkeiten
des Landtags und damit auch der Öffentlichkeit – denn wir sind die Sachwalter der Öffentlichkeit, die Vertreter des Volkes – sind zu begrenzt. Es ist nicht nur verfassungsgemäß und zulässig; es ist dringend nötig, dass die Informationsmöglichkeiten des Landtags und damit der Öffentlichkeit erweitert werden. Staatliche Transparenz – das ist das zentrale Thema zur Stärkung der Demokratie von der Volksvertretung, vom Parlament aus – bundesweit, aber gerade auch hier in Sachsen –, und unser Gesetzentwurf möchte dafür einige Innovationen schaffen.
Ich fange noch einmal bei der viel bemühten Gewaltenteilung an. Die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Landtag und Exekutive, Regierung, ist ein Garant für die Stabilität unseres politischen Systems. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Besonderheit hier bei uns in Deutschland und auch im Föderalstaat Sachsen ist: Nur der Landtag, nur das Parlament wird direkt vom Volk gewählt, nicht aber der Ministerpräsident oder die Bundeskanzlerin. Die werden vom Parlament gewählt, nämlich von der tragenden Mehrheit.
Das führt dazu, dass die Regierung – direkt von der parlamentarischen Kraft bestimmt, von der ersten Gewalt – dieser auch verpflichtet bleibt, nämlich den Mehrheitsfraktionen. Umso stärker liegt die Kontrollaufgabe bei den Oppositionsfraktionen. Auch wenn ich mir wünschen
Die gegenseitige Kontrolle aber – das steht ja gerade in unserer Sächsischen Verfassung – ist besonders wichtig, um Machtmissbrauch zu vermeiden und gute Entscheidungen, gute Regierungsarbeit zu sichern. Ich sage noch einmal: Sie ist auch wichtig, unabdingbar für mehr staatliche Transparenz, für mehr öffentliche Information und für die Einbeziehung der Bürger.
Deshalb haben wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf etliche Vorschläge unterbreitet, wie wir aus dem internen Informationssystem der Regierung öffentliche Informationen bekommen, öffentliche Berichterstattung für mehr Transparenz, für eine gute parlamentarische Kontrolle, und wie wir als Parlament frühzeitig eingebunden werden können und sollen. Beispiele aus anderen Bundesländern zeigen, dass das gut funktioniert, dass das sowohl die parlamentarische Arbeit als auch die der Regierung und natürlich der Öffentlichkeit verstärkt und verbessert und so der Demokratie auf allen Seiten dient.
Ich glaube sogar, es erspart uns Aufwände; denn die Informationsbeschaffung mangels vielfältiger Kleiner Anfragen, Nachfragen, mündlicher Fragen ist für alle Seiten sehr aufwendig. – Wahrscheinlich stimmen mir insgeheim einige Minister zu, auch wenn sie es nicht so sagen dürfen.
Praktische Beispiele zeigen: Das Recht auf Akteneinsicht kann gerade von Parlamentsabgeordneten gut genutzt werden, um Skandale aufzudecken, wenn es diese denn gibt – was wir immer nicht hoffen.
In Brandenburg haben es Vertreter der GRÜNE-Fraktion und der CDU-Fraktion gemeinsam genutzt, als es um einen Skandal beim damaligen Wirtschaftsminister ging. Ich hoffe, Sie haben sich von Ihren Kollegen inzwischen berichten lassen, wie gut das mit einer Akteneinsicht funktioniert.
Uns ist in der Ausschussberatung vorgeworfen worden, wir würden die Gewaltenteilung nicht beachten. Dem ist nicht so; denn unser System kennt ja auch ganz bewusst die gewollten Verschränkungen, also dass die eine Gewalt mit der anderen Informationen austauscht und die Exekutive von der Legislative, vom Parlament, legitimiert wird. Diese Gewaltenverschränkung hat nichts mit Vermischung der Gewalten zu tun, sondern mit Balance und Kontrolle, wie sie eine moderne Demokratie in Europa kennt. Das wollen wir stärken. Wir wollen auch eine Antwort auf die Frage finden, die uns von Bürgern oft gestellt wird: Warum kann in meinem Stadt- oder Kreistag jeder Abgeordnete Akteneinsicht nehmen, aber du im Landtag nicht? Ich sage Ihnen ehrlich, ich kann es nicht beantworten, ich kann nur sagen: weil es nicht in unserer Verfassung steht.
Und wir wollen, dass gerade die komplizierten Angelegenheiten der Meinungsbildung in Europa und im Bundesrat auf Bundesebene transparenter werden. Denken Sie an die heutige 2. Aktuelle Debatte zur Föderalismusreform. Hier gab es ein allgemeines Informationsbedürfnis im Landtag. Es gab das Bedürfnis, öffentlich mitzureden, wie die Linie Sachsens, die Linie der ostdeutschen Länder, die Linie der CDU-geführten Länder ist – und dem ist bisher nicht nachgekommen worden. Mit unserem Gesetzentwurf würde das anders.
Ganz besonders wichtig ist uns das aber tatsächlich für die Europaangelegenheiten; denn wir glauben, gerade in Zeiten zunehmender staatlicher Kompliziertheit haben wir Länderparlamente im Föderalismus eine ganz wichtige zentrale Funktion, die Meinungsbildung in europäischen Angelegenheiten transparent zu gestalten. Gewiss, wir haben in Sachsen eine Vereinbarung mit der Regierung – das haben wir GRÜNE ja in der letzten Legislatur erkämpft –, die diese Dinge schon etwas transparenter gemacht hat. Das reicht aber nicht.
Die Vereinbarung zeigt: Was freiwillig in einer Vereinbarung zwischen Parlament und Regierung möglich ist, geht erst recht gesetzlich. Wir glauben, gesetzlich ist es auch effektiver.
Kurzum, wir möchten noch einmal den Appell an die Koalitionsfraktionen richten: Lassen Sie uns über diese Frage ernsthaft reden. Wie schaffen wir es als Landtag, unsere Informations- und Kontrollrechte so zu verbessern, dass alle Seiten, die Öffentlichkeit, wir als Parlament als gewählte Vertretung und die Regierung, davon profitieren? Gern stellen wir Teile unseres Gesetzentwurfes zur Diskussion, wenn Sie sich auf diese Diskussion einlassen. Gern könnten wir den Gesetzentwurf in diesem Fall zurück an den Ausschuss überweisen. Hören Sie aber bitte auf, es pauschal abzulehnen. Sie sind in der Regierungsarbeit ebenso wie wir auf Transparenz angewiesen. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Opposition, sondern auch eine gemeinsame Aufgabe. In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte.
Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Für die CDU-Fraktion spricht der Herr Abg. Modschiedler. Bitte sehr, Herr Modschiedler.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es der GRÜNE-Fraktion – kurz! – um die Stärkung der Informationsrechte und um neue Beteiligungsrechte des Parlaments. Dazu hat eine Anhörung stattgefunden, in der dieser Gesetzentwurf und der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE gemeinsam behandelt worden sind.
Die GRÜNE will wieder einmal die Sächsische Verfassung ändern. Um das zu erreichen, greift sie sehr tief in die Trickkiste und schränkt das für uns bis jetzt sehr bewährte System der Gewaltenteilung sehr stark ein. Das nenne ich übrigens Gewaltenverschränkung, Frau Jähnigen.
Ich bin und bleibe ein glühender Verfechter der Gewaltenteilung, und wenn ich von Gewaltenteilung rede, dann kann ich nicht so, wie Sie es tun, in andere Gewalten hineingreifen.
Die erste Gewalt sind wir, das Parlament, die Legislative. Sie betraut die Staatsregierung, die Exekutive, mit den Regierungsgeschäften. Dann haben wir noch die Judikative. Heute Morgen haben wir wieder Verfassungsrichter gewählt. Die Judikative überprüft das Handeln gegebenenfalls auf der Grundlage der Sächsischen Verfassung.
Wir, das Parlament, sind das politische Leitorgan. Wir dürfen aber nicht in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung so sehr eingreifen. Das Parlament mischt sich damit zu weit in die Arbeit der Regierung ein. Sinn und Zweck ist die Kooperation zwischen Legislative und Exekutive und nicht quasi die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch das Parlament.
Über alles, was die Regierung zu tun beabsichtigt, muss sie informieren, frühzeitig und vollständig. So ist Ihre Kernaussage im Gesetzentwurf. Stellungnahmen und Äußerungen des Parlaments müssen von der Staatsregierung berücksichtigt werden. Das ist, wie der Sachverständige Prof. Degenhart zu Recht sagt, ein politisches Kräftespiel und gehört nicht in eine Verfassung. Das geht unserer Ansicht nach zu weit und höhlt die exekutive Eigenverantwortung, die der Regierung aus unserer Verfassung heraus zusteht, komplett aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf enthält eine Vielzahl von Detailregelungen. Dies zieht sich auch über den gesamten neugefassten Artikel 50 der Sächsischen Verfassung hin. Dieser soll, so die Einbringer, konkreter gefasst werden. Insbesondere über die Beziehungen zwischen Regierung und Parlament soll die Kontrolle der Arbeit der Exekutive, also der Staatsregierung, formalisiert werden. Also feste Regeln für den Einzelfall. Das widerspricht aber genau dem Wesen einer Verfassung.
Wenn wir uns eine Verfassung geben, dann setzen wir uns einen Rahmen, den die jeweiligen Gewalten ausfüllen können: wir, das Parlament, beispielsweise mit Einzelgesetzen oder das Gericht, das Verfassungsgericht, mit der Rechtsprechung.
Eine Verfassung ist eine auf lange Zeit hin entwickelte Gesetzgebung und antwortet selbst nicht auf jedwede Modeerscheinung. Deshalb sind die Verfassungsnormen entwicklungsoffen zu gestalten. Das ist in der Anhörung von allen Sachverständigen eindeutig so benannt worden, nicht detailverliebt sein, wie in dem Entwurf.
Zum einen bleibt dann der judikativen Gewalt, dem Verfassungsgerichtshof, überhaupt kein Spielraum mehr,
zum anderen kann sich das Recht mit so eng gesetzten Verfassungsnormen überhaupt nicht weiterentwickeln. Genau das ist aber der Sinn unserer Rahmengesetzgebung, wie zum Beispiel in unserer Sächsischen Verfassung. Das Grundgesetz kennt solche speziellen Regelungen ebenfalls nicht, aus gutem Grund. Mithin hat sich Artikel 50 unserer Sächsischen Verfassung in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder bewährt. Die Rechte des Landtags als erste Gewalt hat das Verfassungsgericht immer hochgehalten und auch beachtet.
Solche Einschränkungen verfassungsrechtlich auch noch zu normieren, ist mit den Worten des Sachverständigen Kloos als nicht wirklicher Fortschritt zu erkennen, sondern birgt eher Risiken. Erforderlich ist eine solche Verfassungsänderung überhaupt nicht. Dies gilt übrigens auch für die nachfolgende einzelgesetzliche Ebene.
Unsere Sächsische Verfassung gestaltet sehr weitgehende Zugriffsmöglichkeiten für alle, auch für die Opposition, wenn sie damit umzugehen weiß und wenn sie die vorhandenen Rechte entsprechend nutzt.
Tun wir dies erst einmal, bevor wir ohne jede Not unsere Verfassung auf den Kopf stellen und unsere Gewaltenteilung gleich mit.
Wir vertrauen auf unsere bewährte Sächsische Verfassung und werden deswegen dem Votum des Ausschusses zustimmen und Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE als auch der unter dem nächsten Tagesordnungspunkt zur Behandlung anstehende Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Informationsbeziehungen zwischen dem Sächsischen Landtag und der Staatsregierung – insbesondere in Angelegenheiten der Europäischen Union – der Fraktion DIE LINKE richten sich auf ein Ansinnen, das zu den essenziellen, Herr Kollege Modschiedler, der parlamentarischen Demokratie zählt.
Beide Fraktionen wollen, dass dieser Sächsische Landtag der 6. Wahlperiode und die ihm folgenden Landtage als gewählte Vertretung des Volkes über noch bessere, wirksamere und effektivere Möglichkeiten verfügen, um die in Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung allen Abgeordneten zugewiesenen Aufgaben, die Gesetzgebung auszuüben, die vollziehende Gewalt, also die Regierung, nach Maßgabe der Verfassung zu überwachen und Stätte der politischen Willensbildung zu sein, noch besser erfüllen zu können. Das wollen wir.