Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

Emotional sicherlich nicht. Aber ich sage es noch einmal: Der Freistaat wird auf die Pächter zugehen dort, wo es sinnvoll ist, und wird zuerst ihnen zu einem angemessenen Kaufpreis das Grundstück zum Kauf anbieten. Ich denke, nach 27 Jahren ist auch das möglich, darauf hätte man sich einstellen können. Ich lasse mir jetzt auch nicht erklären, dass es in 27 Jahren nicht möglich wäre, so viel Geld anzusparen, es zu kaufen. Es geht hier nicht um dramatische Summen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen irgendwo auch Rechtsverhältnisse noch richtig bestehen lassen.

Ich denke, das Schuldrechtsanpassungsgesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat ausreichend Fristen vorgesehen, um diese Sache für alle Beteiligten vernünftig zu regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der

Linksfraktion, nehmen Sie es mir nicht übel, aber Ihrem Antrag entnehme ich doch mehr Populismus als beabsichtigte Rechtssicherheit.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Nun die SPD-Fraktion; Herr Abg. Baumann-Hasske, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag führt uns tief in das Übergangsrecht der deutschen Einheit hinein. Wir diskutieren über Schuldrechtsanpassung und über das Auslaufen dieser Übergangsregelungen zur deutschen Einheit.

Als Gesetzgeber zuständig sind wir nicht. Herr Bartl, Sie haben es vorhin ausgeführt, wie der ganze Werdegang gewesen ist; es sind ja auch auf Bundesratsebene Versuche unternommen worden, die im Bundestag gescheitert sind. Man kann lange darüber streiten, ob hier tatsächlich noch Verletzungen bei den Betroffenen zu erwarten sind oder nicht. Es geht um diejenigen, die im Jahre 1990, zum Zeitpunkt der deutschen Einheit, so eine Datsche, so ein Wochenendgrundstück hatten und für die demnächst der Kündigungsschutz nach diesen langen Fristen ausläuft.

Nur noch einmal zur Klarstellung: Datschen sind eigentlich Wochenendgrundstücke, es geht hier nicht um Kleingärten. Kleingärten unterliegen dem Kleingartengesetz und sind weiterhin geschützt, und zwar im Grunde ähnlich wie zu DDR-Zeiten. Das Recht der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet sich nicht wesentlich vom damaligen Recht.

In diese Wochenendgrundstücke ist viel investiert worden, gar keine Frage. Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass alle Investitionen, die vorgenommen wurden, im Zweifel in den letzten 25 Jahren vorgenommen worden sind unter dem Eindruck, dass da ein Übergangsrecht stattfindet und dass diese Übergangsfristen ablaufen werden.

Es hat eine lange Zeit gedauert und ist bis heute noch nicht allen klar geworden, dass das Eigentum, das diese Grundstücksnutzer an den aufstehenden Bauten seinerzeit erworben haben, in dem Augenblick erlischt, wenn der Pachtvertrag erlischt. Bisher haben sie noch ein fiktionales Eigentum, wenn man so will; es ist nur kein Volleigentum, weil nicht mehr eigentumsgleich darüber verfügt werden kann. Man kann es halt nicht verkaufen. In dem Augenblick, da der Datscheneigentümer die Datsche verkauft, ist das Eigentum weg. Das ist einfach in der logischen Sekunde und ist furchtbar schwer zu vermitteln. Das sind die Schwierigkeiten, die wir im deutschdeutschen Übergangsrecht haben.

Ich hatte als Anwalt eine ganze Reihe solcher Klienten und versuche auch immer darauf hinzuwirken, dass solche Pachtverträge verlängert werden. Das geschieht in der Regel auch.

Wir können es gesetzgeberisch nicht lösen, wir können gesetzgeberisch kein weiteres Moratorium verhängen, weil wir schlicht nicht zuständig sind. Nun zielt dieser Antrag darauf, den Freistaat Sachsen und seine Kommunen selbst dazu zu bewegen, doch bitte jetzt die nächsten zehn Jahre nicht zu kündigen. Wie das konkret aussehen soll, ist auch nicht so richtig klar, denn wir können ja den Freistaat an der Stelle schlecht verpflichten, und die Kommunen können wir schon gar nicht verpflichten.

Ich denke aber – das hat Herr Krasselt eben schon vorgetragen –, dass die Datschengrundstücke, die sich in öffentlichem Eigentum befinden, ohnehin nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Wenn es einen Grund gibt, zum Beispiel ein Verwertungsinteresse, ein Bauprojekt oder etwas Ähnliches, dann können sie schon eine ganze Weile lang gekündigt werden. Das ändert sich nicht am 3. bzw. 4. Oktober, sondern aus besonderen Gründen, aus einem Anlass heraus, wegen eines Verwertungsinteresses, will ich einmal sagen, kann schon seit längerer Zeit, schon seit zehn Jahren gekündigt werden. Das müssen wir uns immer klarmachen. Also, was hier mitschwingt, ist: Die werden jetzt Freiwild. Werden sie nicht, weil sie schon seit zehn Jahren den gleichen Status haben, dass aus besonderen Gründen gekündigt werden kann.

Nun kommt die vorhin schon von Ihnen, Herr Bartl, und auch von Herrn Krasselt zitierte weitere Verlängerung der Frist für Entschädigungen. Wir haben bis zum Jahr 2022 weitere sieben Jahre, in denen die Kündigung des Eigentümers eine Ersatzpflicht des Eigentümers auslöst. Es wird also auch kaum eine Kommune auf die Idee verfallen, solche Verträge zu kündigen, wenn damit eine Entschädigungspflicht verbunden ist.

Im Jahr 2022 haben wir 32 Jahre Deutsche Einheit und 27 Jahre Schuldrechtsanpassungsgesetz. Dann stellt sich die Frage, ob das nicht ausreicht. Ich habe den starken Eindruck, dass das eher ausreicht. Man könnte hier ein Symbol beschließen. Eigentlich beantragen Sie eine symbolische Geste. Sie beantragen im Grunde genommen, all denen, auch gerade älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, ein Versprechen zu geben, ihr werdet nicht gekündigt,

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Richtig!)

obwohl die rechtlichen Grundlagen dafür da sind, es aber eigentlich überhaupt nicht zu befürchten ist. Vor dem Jahr 2022 braucht kaum jemand Angst zu haben.

Unter diesen Umständen eine Entschließung des Landtags herbeizuführen, würde ich für das falsche Signal halten. Selbst wenn wir das beschließen, würde es bedeuten: Wenn ein fiskalisches Interesse, sei es der Kommune oder des Freistaates, besteht, irgendwo ein Bauprojekt durchzuführen, dann würde im Zweifel trotzdem gekündigt werden. Wir können ja hier niemanden endgültig binden.

Herr Baumann-Hasske, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage, Herr Bartl.

Herr Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege. Geben Sie mir recht darin, dass es durchaus eine vernünftige Erwägung ist zu sagen, wir haben einen ähnlichen Fall bei den sogenannten Erbpachtgrundstücken? Für diese beträgt die regelmäßige Mindestfrist 33 Jahre. Niemand schließt in der Regel einen Erbpachtvertrag für weniger als 33 Jahre ab, meistens sind es 99 Jahre. Geben Sie mir darin recht, dass es recht und billig wäre, wenigstens auf diese Frist zu kommen, weil die damaligen Bauherrn, welche den Bungalow errichtet und Anpflanzungen vorgenommen haben etc., davon ausgegangen sind, dass sie zeitlebens alles, was sie dort verwendet haben, für sich nutzen können, weil sie rechtlich gar keine andere Chance hatten, als es zu tun? So wurde es ihnen versprochen, von der Rechtsordnung her. Wäre es nicht legitim, wenigstens die 33 Jahre anzusetzen?

Die Frage ist gestellt.

Also, auf 32 Jahre kam ich gerade schon, als ich alle Fristen bis zum Jahr 2022 zusammengerechnet habe.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, schüttelt den Kopf.)

Ja, natürlich. Bis zum Jahr 2022, inklusive der sieben Jahre Entschädigungspflicht, kommen Sie schon auf 32 Jahre. Damit sind Sie schon so gut wie bei den von Ihnen genannten Erbpachtverträgen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Minimum!)

Bitte? – Ein Jahr Unterschied. Herr Bartl, ich sage einmal, man kann das an vieles anlehnen. Erinnern wir uns: Die längste Verjährungsfrist, die wir im Zivilrecht kennen, beträgt 30 Jahre. Diese Frist ist inzwischen in vielen Fällen verringert worden. Die Regelverjährung tritt nach drei Jahren ein. 30 Jahre Verjährungsfrist haben wir im Zivilrecht normalerweise für die Geltendmachung von Ansprüchen. Das sind für uns als Juristen sehr langfristige Ansprüche.

Hier geht es darum, dass nach 32 Jahren die Möglichkeit bestehen soll, entschädigungslos zu kündigen. Ich kann eigentlich nicht erkennen, dass ein großes Rechtschutzbedürfnis für die Betroffenen besteht, zumal dieses Thema, so emotional belastet, wie es ist, auch in den letzten Jahren immer in der Diskussion war. Jeder weiß, worum es geht. Eigentlich muss auch dann noch niemand befürchten, gekündigt zu werden – Einzelfälle ausgenommen.

Wenn Sie sich die Liegenschaften anschauen, dann sehen Sie: Viele dieser Wochenendhäuser liegen außerhalb der geschlossenen Ortschaften. In den Großstädten gibt es durchaus auch innerhalb der geschlossenen Ortschaften Wochenendhäuser. Meistens liegen sie aber im Außenbe

reich. Im Außenbereich bedeutet: Eine Kündigung dieser Verträge wäre baurechtlich das Aus. Das heißt, der Eigentümer, der kündigt, bekommt für das Grundstück gar nichts mehr. Das wird also gar nicht erfolgen, weil diese Nutzung im Zweifel nicht unerwünscht ist und eine Kündigung Konflikte mit sich brächte, die sich keiner an den Hals holen will.

Ich sage Ihnen zu der ganzen Auseinandersetzung ganz offen: Wir sollten an dieser Stelle auf eine reine Symbolpolitik verzichten und es seinen Gang gehen lassen. Ich glaube, diese Übergangsfristen müssen irgendwann einmal zu einem Ergebnis führen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion der AfD. Herr Abg. Dr. Dreher. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht wieder einmal um eine DDR-Altlast. Was war die Ausgangslage? Ich zitiere aus Claus Duisberg „Das deutsche Jahr – Innenansichten der Wiedervereinigung 1989/1990“:

„Infolge der … Enteignungen sowie von sonstigen staatlichen Eingriffen jeglicher Art war in der DDR eine Lage entstanden, in der nicht nur die Eigentumsverhältnisse schwer durchschaubar waren, sondern auch die Eigentumsrechte selbst weitgehend ihre Bedeutung verloren hatten. Rechte am Grundstück und an dem darauf stehenden Gebäude fielen auseinander, ohne dass dies klar erkennbar war. … Soweit es noch privaten Haus- und Grundbesitz gab, war er überdies in vielen Fällen durch Zwangsmiete und extensiven Kündigungsschutz mehr Last als Vermögen. Insoweit zählte weniger das Eigentum als das Nutzungsrecht; dieses allein war von wirklichem Wert.“

Hier war und ist auch heute noch eine bedeutende Institution betroffen: der Kleingarten, auch „Schrebergarten“, „Laube“, „Heimgarten“ oder „Parzelle“ genannt. In der Schweiz sagt man auch „Familiengarten“ dazu. Es ist nicht einfach nur ein eingezäuntes Stück Land als Garten, eine bloße Anlage von Grundstücken. Diese Garten- oder Laubenkolonien sind etwas ganz Besonderes, ein Kleinod. Diese Gärten haben bedeutende soziale und ökologische Funktionen. Sie bieten eine bessere Lebensqualität in den Städten durch Lärmverringerung, Staubbindung, Grünung sowie Biotop- und Artenschutz.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das sind überraschende Neuheiten!)

Familien bieten sie eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung: gärtnerische Betätigung, das preiswerte Züchten von gesundem Gemüse, das persönliche Erleben von Säen, Wachsen und Gedeihen. Sie geben direkten Kontakt zur Natur, Kindern und Jugendlichen einen Ausgleich vielleicht für fehlende Spielplätze, bieten Erlebnisräume und

die Wahrnehmung natürlicher Zusammenhänge. Senioren bieten die Kleingärten einen Ort des Gesprächs, die Möglichkeit von Sozialkontakten und von individueller Selbstverwirklichung im dritten Lebensabschnitt im eigenen Garten.

Duisberg schreibt weiter: „Ein solches Refugium war der Traum vieler, und wer das Glück hatte, sich ihn zu erfüllen, scheute keine Mühe, seinen Besitz so schön und bequem wie möglich auszugestalten. Nur wer wusste, wie schwer in der DDR Baumaterial zu bekommen war, oft nur mit Beziehungen oder gegen Westgeld, konnte ermessen, welche Energie, Zeit und Arbeitskraft darauf verwendet worden war.“ Diese Welt war das Herz und ein Stück Lebensarbeit vieler kleiner Leute.

Sie sind es bis heute geblieben.

In dem Bewusstsein der besonderen Bedeutung dieser Gärten hat der Gesetzgeber sehr ausgewogen und schonend die Interessen von Grundeigentümern und Nutzern abgewogen und die Kündigungsmöglichkeiten der

Grundeigentümer insbesondere im Schuldrechtsanpassungsgesetz sehr behutsam geregelt.

Es gibt eines, das noch nicht genannt worden ist: das Erholungsnutzungsrechtsgesetz. Danach kann man, wenn § 276 ZGB ein Nutzungsrecht begründet, einen Anspruch auf ein Erbbaurecht für 30 Jahre ableiten. Das ist eine Schutzfunktion für beide, die der Gesetzgeber außerhalb des Schuldrechtsanpassungsgesetzes geschaffen hat. Aber auch nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz war eine Kündigung zu Lebzeiten des Nutzers und ist sie weiterhin ausgeschlossen, wenn er am 3. Oktober 1990 bereits 60 Jahre alt war, also heute 85 Jahre alt ist, getreu dem zutreffenden Motto: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.“

Auch Nutzungsverhältnisse innerhalb von Kleingartenanlagen – das wurde bereits angesprochen – bleiben von den Kündigungsmöglichkeiten des Schuldrechtsanpassungsgesetzes unberührt. Im Weiteren hat der Gesetzgeber sehr differenziert die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abgewogen.