Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich das anschauen, ist das in der Tat der Versuch, aus vielen Bausteinen heraus den Staat anzugreifen. Was wir dort erleben, ist ein Austesten: Wie weit kann man gehen? Wie geht die Zivilgesellschaft damit um, nicht nur in Leipzig, sondern im ganzen Freistaat und in ganz Deutschland?

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen – das ist der Vorteil, wenn man in der zweiten Runde spricht, man kann auch einmal die Reaktionen der einzelnen Kollegen sehen, der einzelnen Farbrichtungen, die wir hier im Parlament haben –: Es ist in der Tat so – – Herr Lippmann, wenn ich mir jetzt Zitate anschaue: In der letzten Debatte habe ich ja einen sehr emotionalen Beitrag geleistet und habe praktisch Ihren parlamentarischen Geschäftsführer angegriffen, der bei dieser Legida-Demonstration dabei war. Es ist in der Tat ein Mosaik des Mainstreams, auch in Leipzig, der über viele Jahre gewachsen ist. Auf diesem Nährboden – – Wenn Sie Prof. Jesse angreifen, muss ich Ihnen ganz klar sagen: Prof. Jesse hat recht.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Er hat komplett recht. Was ist jetzt berechtigt daran? Der Mann hat recht.

(Beifall bei der CDU)

Wenn die Deutungshoheit in Leipzig mittlerweile – – Zum Beispiel Ihr Vorturner in Leipzig, Kasek, da könnte ich jetzt Zitate bringen. Da wird ja alles bagatellisiert und

verharmlost. Die Deutungshoheit in Leipzig hat jetzt nicht nur ein pensionierter Professor, sondern haben teilweise ja auch pensionierte Ex-Pfarrer. Daran muss man sehen, welches Potenzial in Leipzig gewachsen ist. Das sind eben nicht nur alternative Lebensformen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern.

Herr Pohle, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihre Behauptung und damit auch Ihr Inschutznehmen von Herrn Jesse in diesem Punkt insoweit fehl läuft, dass sich die Leipziger GRÜNEN immer sehr, sehr deutlich von Gewalt distanziert haben,

(Uwe Wurlitzer, AfD: Was?)

auch von linker Gewalt, und dass die Leipziger GRÜNEN teilweise selbst Opfer linker Gewalt geworden sind, indem zum Beispiel die Parteizentrale angegriffen wurde?

Man hat sich deswegen richtigerweise von Herrn Jesse distanziert, der diese Differenzierung nicht gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nein, Herr Lippmann. Ich möchte das mit einem Zitat belegen, einem Zitat von Herrn Kasek nach der Landtagswahl. Die Wahlbeteiligung war in Leipzig insgesamt sehr schlecht, circa 42 %, und Leipzig wird in Dresden absehbar noch schlechter vertreten sein als bislang. Jetzt kommt es: „Die Rolle von Leipzig auf der Landesebene ist jedenfalls nicht gestärkt worden, wobei ich meiner Kollegin“ – jetzt wird es haarig – „Juliane Nagel ausdrücklich zum Gewinn des Direktmandats gratulieren möchte.“

(Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU – Unruhe bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Da habt ihr doch einen Schulterschluss gemacht. Das muss man sagen. Zwischen dem, was ihr erzählt, und eurem Handeln ist ein wesentlicher Unterschied, Herr Lippmann. Was macht denn zum Beispiel der parlamentarische Geschäftsführer Ihrer Fraktion aus Sachsen-Anhalt dort bei einer Demonstration – und wird des Feldes verwiesen?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Über die Ländergrenzen gehen!)

Herr Gebhardt, versuchen Sie das doch nicht kleinzureden. Das haben wir doch heute erlebt, bei dieser Aktuellen Debatte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist doch Ihr Konservativismus! Man darf nicht in ein anderes Land gehen!)

Nein. Schauen Sie – –

(Anhaltende Unruhe)

Bleiben wir bei den Wahlergebnissen, Herr Lippmann. Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass das nur eine Randnotiz ist. Die Bürger auch in Leipzig spüren, wes Geistes Kind Sie sind.

(Lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Nichts anderes.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn Sie immer nur die Karte mit dem Freistaat spielen: Da hat auch die Stadt Leipzig eine Mitverantwortung, die Mitverantwortung eines Oberbürgermeisters und eines Ordnungsbürgermeisters. Es ist fatal – das habe ich bei der letzten Debatte schon einmal gesagt –, dass während einer Demonstration mehrere genehmigte Gegendemonstrationen laufen – was alles noch okay ist. Aber wenn dann eine achte Gegendemonstration genehmigt wird, zehn Minuten nachdem die Veranstaltung läuft, dann kommt natürlich das komplette Polizeikonzept in die Schieflage. Das muss man wissen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie schon mal ins Versammlungsrecht geschaut?)

Insofern fordere ich ganz einfach von meinen Stadtvertretern, vom Oberbürgermeister – – Was haben wir denn für ein Problem?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Dass Sie keine Ahnung vom Versammlungsrecht haben! – Zuruf des Abg. Bartl, DIE LINKE)

Wieso habe ich denn keine Ahnung vom Versammlungsrecht? Noch einmal: Auch die Ordnungsbehörde hat eine Mitverantwortung an dem Gesamtsystem einer Veranstaltung. Bei einer Gegendemonstration, von der Gewalt ausgeht, Herr Gebhardt, das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, das habe ich beim letzten Mal schon gesagt – – Entschuldigen Sie, Ihre militanten Gruppen haben doch ganz normale Zivilisten – –

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: „Meine militanten Gruppen“! – Zurufe von den GRÜNEN – Beifall bei der AfD)

Ja, wer soll es denn sonst gewesen sein? Es gibt doch genügend Zeugenaussagen mittlerweile. Da kann man hier natürlich die Betroffenheitsrolle spielen. Aber noch einmal: Die Verantwortung liegt, wenn, dann gemeinsam in unserer Gesellschaft, und dann müssen wir auch die Verantwortung des Oberbürgermeisters und des Ordnungsbürgermeisters einfordern und auch einmal ganz genau hinschauen, was sie dann konkret machen. Wenn ich mir das anschaue, so fordern Sie auf der einen Seite zu zivilem Ungehorsam auf. Sie fordern auch, dass keine Daten erhoben werden. Natürlich brauchen wir die Daten. Wie wollen wir denn die Kriminellen verfolgen? Das sind doch Ihre Forderungen, Herr Lippmann!

(Starke Unruhe im Saal)

Herr Lippmann, mittlerweile sind so viele Spuren im Netz. Sie brauchen nur nachzuschauen. Insofern haben

Sie eine Mitverantwortung. Es genügt nicht, wenn Sie sich hier hinstellen – –

(Unruhe im Saal)

Heute in der „Leipziger Volkszeitung“ – – Hören Sie mir doch einmal zu! Gentrifizierungskritik im Leipziger Osten – das ist übrigens mein Wahlkreis, also nicht auf Rosen gebettet:

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Mit Teer haben Unbekannte ein nahezu fertig saniertes Gründerzeithaus in der Herrmann-Liebmann-Straße in Leipzig beschmiert. Die Kritik gegen steigende Mieten im Osten der Messestadt ging jedoch nach hinten los.

Die Redezeit geht zu Ende, Herr Kollege.

In dem Gebäude sollen günstige Wohnungen entstehen. Das ist das Gemisch, das in Leipzig dazu führt, dass der Nährboden für Extremismus immer wieder bereitet wird.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ein Unsinn! – Sebastian Scheel, DIE LINKE: In Ihrer Welt möchte ich nicht leben!)

Da haben Sie eine Mitverantwortung. Daher fordere ich Sie dazu auf, Ihrer Verantwortung nachzukommen, auch vor Ort mit uns mitzuwirken.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung – Valentin Lippmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Für die einbringende Fraktion CDU war das Herr Kollege Pohle. Jetzt wird Herr Lippmann eine Kurzintervention vortragen.

Herr Präsident, eine Kurzintervention. Noch einmal, Herr Pohle: Wir GRÜNE haben uns immer deutlich gegen Gewalt ausgesprochen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das stimmt doch gar nicht! – Unruhe im Saal)

Da gibt es nichts zu deuten, nichts zu interpretieren. Alles andere ist infamer Populismus, gegen den ich mich hier verwahre!