über die Einhaltung von Recht reden und dafür sorgen, dass es auch in der Praxis angewandt wird. Genau das tun all diejenigen nicht, die die Rechtskomponente immer wieder ausblenden.
Deshalb müssen wir kurzfristig handeln. Wir müssen illegale Grenzübertritte verhindern. Das geht nur über eine permanente Kontrolle der Außengrenzen. Das heißt de facto, dass wir auf eine Aussetzung von Schengen zulaufen müssen, wenn sich unsere Vertragspartnerstaaten nicht an die Dublin-Verfahren halten. Wir müssen den Zustrom von Asylbewerbern in Europa begrenzen. Es ist nicht mit den 800 000 in diesem Jahr in Deutschland getan. Fragen Sie doch die Kollegen des EU-Parlamentes, wie viele Millionen Menschen, zum Beispiel in Libyen, auf gepackten Koffern sitzen. 20 Millionen!
Es wird auch mittelfristig Gesetzesänderungen geben müssen, ob das die Umwandlung von Geldleistungen in Sachleistungen oder ob es weitere Anpassungen sind oder ob wir auch über eine Modifizierung der Asylgesetze insgesamt nachdenken müssen. Parallel dazu haben wir selbstverständlich die Aufgabe, uns um die Menschen zu kümmern, die bereits in Deutschland sind. Aber das kann nicht die alleinige Aufgabe sein; denn das verklärt den Blick darauf, dass das Problem in Europa noch lange nicht gelöst ist.
Herr Tillich, dass Sie dieses Problem endlich anpacken, zusammen mit der Bundesregierung, zusammen mit der EU-Kommission, dazu fordere ich Sie auf. Denn das haben Sie in Ihrer Rede leider überhaupt nicht erklären können.
Frau Dr. Petry sprach für die AfD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Zschocke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Petry, ein Journalist hat diese Rhetorik, die Sie heute hier wieder gewählt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Menschen, die derzeit zu uns kommen und zu einem großen Prozentsatz auch hier bleiben werden, werden unser Land verändern. Sachsen steht jetzt am Scheideweg, Ja zu dieser großen Herausforderung zu sagen und diese gemeinsam offen und positiv zu gestalten, auch zu den Schwierigkeiten und Konflikten, die damit verbunden sind, oder mit Fremdenfeindlichkeit, Abwehr, „Nein- zum-Heim“-Initiativen und mit rassistischen Angriffen das Bundesland Sachsen so ins Abseits zu drängen, dass Migranten, Unternehmen, Fachkräfte oder Touristen am liebsten einen großen Bogen herum machen würden.
Herr Tillich, Ihr Appell an die Herzen der Sachsen, an das gemeinsame Helfen, an die Barmherzigkeit, an die gemeinsame Anstrengung für mehr Mitmenschlichkeit klingt richtig gut. Doch dieser Appell hat unmittelbare Konsequenzen für das Handeln der sächsischen Regierungskoalition in ihrer Gesamtheit.
Die erste Konsequenz, meine Damen und Herren, heißt Umschalten vom hektischen Reagieren, von Ad-hocUnterbringung ohne vorherige Ankündigung hin zu vorausschauendem, planvollem Handeln für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen.
Seit Jahren ist sichtbar, dass weltweite Fluchtbewegungen zunehmen. Jeder wusste, dass die BAMF-Prognosen durch die Realität immer weit übertroffen wurden. Seit über einem Jahr mahnen wir an, dass sich Sachsen endlich darauf einstellt.
Aber mal ehrlich, die Staatsregierung hat noch immer keinen wirklichen Plan. Die kürzlich vorgestellten Kapazitäten zur Erstaufnahme enthalten zwar endlich eine Kapazitätsreserve, doch sie greifen frühestens 2017. Momentan befinden sich 80 % der Flüchtlinge zur Erstaufnahme in provisorischen Notunterkünften, zum Teil unter unwürdigen Bedingungen, und der Winter steht bevor.
An dieser Planlosigkeit haben Ihre wohlklingenden, richtigen und klaren Worte, Herr Tillich, zunächst wenig geändert. Ich hoffe wirklich, dass mancher Bürgermeister diese Worte in dieser Situation nicht als Hohn empfindet, und ich wünsche Ihnen, dass Sie morgen, wenn Sie mit den Kommunen sprechen, auch zuhören. Vor allem zuhören, denn alle Bemühungen der Kommunen um sensible Standortauswahl, um rechtzeitige Bürgerinformation werden mit einem Schlag zerstört, wenn nach wie vor Massenunterkünfte angemietet werden, ohne den Kom
munen auch nur eine Chance zu geben, sich trotz des hohen Handlungsdruckes – das sehen wir alle ein – auf diese Situation vorzubereiten, wie erst jetzt wieder in Chemnitz und in Mittweida geschehen.
Wir alle können wirklich dankbar und heilfroh sein, dass die Bevölkerung in Sachsen die Folgen diese kontraproduktiven Managements mit so großer spontaner Hilfsbereitschaft zu kompensieren versucht. Nicht viele Flüchtlinge, sondern Intransparenz und unabgestimmtes Vorgehen sind derzeit die größten Belastungen für die Kommunen.
Die zweite Konsequenz heißt – das sage ich ganz deutlich –: Schluss mit Pegida-Verständnis und Schluss mit der Verharmlosung von Rechtsextremismus!
Das vorletzte Wochenende in Heidenau war der Höhepunkt einer Serie von rassistischer Gewalt gegen Menschen. Da ist ein Damm gebrochen, völlig entgrenzter Hass hat sich dort Bahn gebrochen – regelrechte Sturmangriffe mit Flaschen, Böllern und Steinen.
Ich gebe Ihnen recht, Herr Tillich: Wer dabei immer noch von besorgten Bürgern oder Asylkritikern spricht, der hat die große Gefahr nicht verstanden. Da sind Menschen unterwegs, die keine Institution mehr akzeptieren, die sich auf ein Selbstverteidigungsrecht gegen Staat und Politik berufen, die den Bürgerkrieg ausrufen und auch zur Selbstbewaffnung schreiten. Eine regelrechte Pogromstimmung zieht da auf, und wir müssen alles dafür tun, Pogrome zu verhindern.
Die Ursachen für diese Eskalation sind offensichtlich: zu lange Verständnis für Pegida, zu lange Schönreden relativieren oder ignorieren, zu lange Schweigen der Mehrheit. Wer rassistische Stimmung und entfesselten Hass nicht in seiner Stadt haben will, der muss sich jetzt laut und sichtbar dagegenstellen und Solidarität mit Flüchtlingen zeigen.
Herr Kupfer, ja, die vielen Fragen der Bürger müssen gestellt und beantwortet werden. Ja, die Kommunen sollten auch weiter darauf bestehen, eher und besser informiert zu werden. Aber niemand sollte Rassisten und Nazis in seiner Stadt gewähren lassen oder gar Beifall klatschen.
Alle, die 1989 mit auf der Straße waren, dürfen nicht länger hinnehmen, dass sich die rechten „Wir-sind-dasVolk!“-Schreihälse auf diesen zentralen Demoruf von
damals beziehen; denn mit jeder Grölparade vor einer Flüchtlingsunterkunft zerstören sie ein Stück der Gesellschaft, für die wir 1989 gekämpft haben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU, und vereinzelt bei der Staatsregierung)
Die dritte Konsequenz heißt, die Ausgrenzungs- und Abschottungsrhetorik beenden; denn Willkommenskultur beginnt bei der Sprache der politisch Verantwortlichen. Alle Aussagen zum Asyl haben derzeit eine enorme öffentliche Wirkung.
Herr Kupfer hat heute wieder ein sehr einseitiges, negatives Bild vom Islam gezeichnet. Vorschläge wie Taschengeldkürzungen, Abschiebelager, Grenzkontrollen, Gefängnisaufenthalte für Menschen ohne Dokumente oder Sondereinheiten gegen kriminelle Asylbewerber, auch die Aussage, der Islam gehöre nicht zu Sachsen, wirken unabhängig von ihrem inhaltlichen Gehalt ab- und ausgrenzend. Sie verstärken Ressentiments und sie treiben die Menschen in die Arme von Pegida.
Herr Tillich, Sie sprechen zwar inzwischen eine Willkommenssprache, aber die CDU-Fraktion hier im Landtag sendet nach wie vor Signale, Flüchtlinge von Sachsen fernzuhalten, sie nicht länger mit hohen Standards nach Sachsen zu locken.
Ich frage Sie ganz klar, Herr Kupfer: Welche hohen Standards meinen Sie denn, wenn Sie sich die Zeltstadt in Dresden anschauen? Sie schrecken nicht einmal vor der Idee zurück, zum Zwecke der konsequenten Abschiebung Flüchtlingsfamilien auseinanderzureißen. Herr Tillich, Sie haben ein Glaubwürdigkeitsproblem,
Wir brauchen eine Sprache aller Verantwortlichen, die die enormen Herausforderungen ernst nimmt, aber dabei keine Ängste und Ablehnung schürt.
Die vierte Konsequenz heißt: keine Kapitulation vor Gewalttätern! Es ist schlimm genug, wenn Menschen, die vor brutalem islamistischem Terror fliehen, hier als Erstes von gewaltbereiten Nazis begrüßt werden. Unerträglich, wenn dann der Rechtsstaat vor diesen Gewalttätern kapituliert. Auch hier sind Ihre klaren Worte deutlich, Herr Tillich. Nach den Ausschreitungen in Heidenau kündigte die Staatsregierung ein starkes Zeichen des Rechtsstaates an. Kurz darauf den polizeilichen Notstand