Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Hierbei ist die Herausforderung – ich bin wieder bei den Punkten, die gestern und schon so manches Mal in diesem Hohen Hause diskutiert wurden –, dass Sorgen und Ängste in der Gesellschaft, ob Sie sie nun mögen oder nicht, bestehen. Es besteht die Erwartung an die Politik und Verantwortungsträger, Antworten darauf zu geben, was auf uns zukommt. Welche gesellschaftlichen Herausforderungen sind zu gestalten? Es stellt sich durchaus eine legitime Frage: Wie halten wir es in der partikularen Gesellschaft mit dem Islam und seiner Rolle? Wie ist eigentlich das Rollenverständnis in einer Gesellschaft, die eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat in der politischen Entscheidungsebene führt? Wie sehen das die Menschen, die es gewohnt sind, in einem Einklang zwischen religiösem und politischem Handeln zu stehen? Wie sollen die Leistungssysteme und Perspektiven unserer Gesellschaft sich in Zukunft darstellen?

Wir müssen vorsichtig damit sein, daraus eine Rassismusdebatte zu machen. Es ist entscheidend, dass wir diese Fragen beantworten. Wir müssen ein Bild zeichnen, wie wir uns die Entwicklung unseres Landes vorstellen. Ja, starke Schultern – auch deutsche starke Schultern – können einiges davon tragen, aber nicht alles. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir uns in den Kontext einbringen.

Dort draußen sind Menschen, die arbeiten und leben. Sie gestalten ihre Lebenswirklichkeit. Sie sind hilfsbereit. Ich erlebe die wenigsten, die infrage stellen, dass man Menschen, die in Not sind, hilft. Sie reagieren aber sehr unverständlich, wenn sie das Gefühl haben, dass Menschen hierher kommen, um eine bessere Perspektive haben zu wollen. Das ist in der Sache legitim. Es erzeugt aber Unruhe – vor allen Dingen dann, wenn man das Gefühl hat, dass die soziale Sicherungsstruktur beeinträchtigt wird. Sie haben Fragen zu der Entwicklung, zu den Zahlen und zur Solidargemeinschaft. Diese Fragen müssen wir beantworten. Das hat nach meinem Verständnis nichts mit Rassismus zu tun.

Wir müssen genau diese Debatte führen, um zu verhindern, dass rechte Bauernfänger mit platten Sprüchen Menschen an sich binden und ihnen vermeintliche Hoffnungen auf das machen, was besser sein könnte, ohne die Fragen tatsächlich zu beantworten. Das bedingt in sich aber auch, Dinge nicht zu pauschalisieren.

Schauen Sie sich einmal eine Studie an. Forscher der FU Berlin haben in einer Langzeitstudie festgestellt, dass 17 % der Deutschen linksextremistische Einstellungen haben. Davon befürworten 14 % linksextremistische Gewalt gegen den Staat. Das ist ebenfalls eine Herausforderung.

Es polarisiert in der Tat, ich bin bei Herrn Homann, in polarisierenden Zeiten. Es ist umso wichtiger, verantwortungsvoll den Diskurs zu führen. In diesem Punkt bin ich bei Frau Köditz. Ich finde es richtig, das Thema differenziert und gruppenspezifisch zu betrachten und nicht gegeneinander aufzurechnen. Dazu gehört ganz klar, dass von hier vorn auch gesagt wird, dass wir eine sachdienli

che Argumentation benötigen. Das gilt insbesondere bei der Frage, wie man Demonstrationsstrukturen zählt. Darüber hatten wir uns schon unterhalten. Nur dann haben wir eine veritable Basis. Das wird von der Staatsregierung entsprechend angepasst, wenn man solche unterschiedlichen statistischen Erhebungen feststellt.

Im Kern bleibt es bei Folgendem: Wir müssen uns mit den Herausforderungen der Gesellschaft in einer sich verändernden Gesellschaft beschäftigen. Wir müssen uns mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen, insbesondere wenn er nicht mehr parteigebunden ist und sich in freien Strukturen entwickelt. Wir müssen deutlich den Rechtsstaat aufmarschieren lassen und zeigen, dass es Grenzen gibt. Wir sind eine wehrhafte Demokratie.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Es gehört der Ehrlichkeit halber dazu: Auch am linken Rand und dem Linksextremismus gegenüber sind wir nicht blind. Nutzen wir diese Debatte als Impuls, uns gemeinsam den Herausforderungen zu stellen und Extremisten in diesem Land keine Perspektive zu geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Mir liegen aus den Reihen der Fraktionen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich frage nun die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Köpping, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde mich gern der differenzierten Analyse unserer Abgeordneten

Homann und Hartmann anschließen wollen und deswegen diesen Teil meiner Rede ein wenig verkürzen. Trotzdem muss ich noch einmal vorwegschicken, dass wir insgesamt eine Steigerung von fremdenfeindlichen Straftaten um 68 % im Jahr 2013 auf das Jahr 2014 hatten. Die Zahlen für das Jahr 2015 lassen mich nicht optimistisch in die Zukunft blicken, was dieses Thema betrifft. Deswegen glaube ich, dass wir als Staatsregierung klar gesagt haben – auch mit den letzten Reden des Ministerpräsidenten –, dass wir in Sachsen ein Rassismusproblem haben. Dieser Auseinandersetzung müssen wir uns hier stellen.

Unser Ansatz in der Zivilgesellschaft, sie zu stärken, bedeutet einfach, dass wir unser Programm „Weltoffenes Sachsen“ verstärkt haben. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir dieses Programm um 1,3 Millionen Euro für das Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2014 aufstocken wollen. Diese Aufstockung, das zeigt die Gegenwart, war richtig und wichtig. Wir wissen, dass

bereits jetzt die Projekte für dieses „Weltoffene Sachsen“ die Summe von circa 5 Millionen Euro ausgeschöpft haben. Das heißt, der Bedarf, dieses Programm tatsächlich zu nutzen, ist riesig. Wir haben über hundert kleine und größere ehrenamtliche und hauptamtliche Initiativen und Projekte, die sich um das Programm „Weltoffenes Sachsen“ gekümmert bzw. ihre Anträge gestellt haben.

Ich weiß, dass in der Vergangenheit immer wieder einmal das Programm „Weltoffenes Sachsen“ hinterfragt worden ist: Was macht denn das Programm, welche Inhalte hat es? Deswegen würde ich gern drei Beispiele nennen, wie dieses Programm arbeitet. Eines der Programme, das das „Weltoffene Sachsen“ unterstützt und fördert und für das wir die Fördermittel ebenfalls erhöht haben, ist das Projekt „Willkommenskitas“. Wir haben in Sachsen mittlerweile zehn Kitas, die sich aus diesem Programm zur Willkommenskita entwickelt und profiliert haben. Wir haben die Gelder dafür ausdrücklich erhöht.

Ein zweites Projekt, das wir im „Weltoffenen Sachsen“ bedienen, ist das breite Netz der Schulen. Die Schulen heißen „Schule ohne Rassismus“ und „Schule mit Courage“. Davon haben wir 64 Schulen in Sachsen, die momentan diesen Titel tragen dürfen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass jeder, der an Schulen im Rahmen eines Unterrichts oder im Rahmen von Projektwochen tätig war, weiß, dass das Interesse von Schülerinnen und Schülern gerade für die aktuellen Entwicklungen riesig ist. Ich kann Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, nur motivieren und bitten, genau diese Darstellung in Schulen zu erläutern und ihnen die Antworten, die Schüler auf Fragen haben, zu geben. Das ist eine wichtige Säule unseres „Weltoffenen Sachsen“. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir 64 Schulen haben, die sich gegen Rassismus und mit Courage engagieren wollen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den LINKEN)

Aber auch andere Foren finanzieren wir aus dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ wie zum Beispiel die Kammerspiele in Leipzig, wo Asylsuchende selbst beschreiben, wie ihr Weg der Flucht gewesen ist. Ich habe mir so ein Kammerspiel angeschaut, und zwar in Wurzen. Dort war ein Publikum, das sonst nicht zu politischen Veranstaltungen geht. Dieses Publikum war von den Geschichten, die dort Asylsuchende selbst vorgetragen haben, außerordentlich berührt. Es gab hinterher eine wirklich sehr intensive und gut geführte Diskussion mit vielen Fragen, die natürlich auch Menschen, die vielleicht gewisse Ängste wegen unserer gesellschaftlichen Veränderungen haben, dort beantwortet bekommen haben. Deshalb glaube ich, dass dies auch richtig in unserem „Weltoffenen Sachsen“ angesetzt ist.

Es kommt immer wieder die Frage, ob wir uns hier immer nur um Rechtsextremismus kümmern. Nein. Wir haben auch Gespräche in Leipzig mit dem Bund und dem SMI sowie dem Präventionsrat der Stadt Leipzig zu einem Antrag, in dem es darum geht, das Projekt zu politisch und gesellschaftlich motivierter urbaner Gewalt, Gewalt

in allen Formen von Extremismus zu berücksichtigen. Auch dort sind wir daran, wirklich, wie Herr Hartmann immer so sagt, die Ränder der Gesellschaft – man kann auch sagen, einen Teil der Gesellschaft – tatsächlich zu untersuchen, zu analysieren und natürlich dagegen vorzugehen bzw. Antworten auf Fragen zu finden, die dort gestellt werden, und uns ganz klar zu positionieren, dass Gewalt keine Lösung ist, egal in welchem Land.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ja, die Weiterentwicklung ist notwendig und richtig, deswegen werden wir auf der einen Seite die Evaluierung weiter betreiben, die wir momentan schon durchführen. Auf der anderen Seite wird es einen Auftakt-Workshop und Erfahrungsaustausch mit Projektträgern im Oktober dieses Jahres geben. Wir werden natürlich auch versuchen müssen, die Entbürokratisierung im Programm vorzunehmen. Das ist für mich eine wichtige Aufgabe, weil es ein sehr ausgeklügeltes Programmantragsverfahren gibt und oftmals gerade kleinere Initiativen, die im ländlichen Raum unterwegs sind, das Programm nicht nutzen wollen, weil die Programmantragstellung einfach zu kompliziert ist. Das heißt, wir wollen dort ein vereinfachtes Antragsverfahren durchführen.

Gleichzeitig wird natürlich auch der Sachsenmonitor weiter betrieben, die Frage ist ja gekommen. Er soll 2016 vorgelegt werden. Dort werden die Entwicklungen, die sich aktuell gerade in Sachsen vollziehen, Eingang finden und Antworten bzw. Lösungsvorschläge auf die unterschiedlichen Probleme vorgelegt. Wir wollen ebenfalls, dass wir den Beirat im Programm und der Projektentwicklung im „Weltoffenen Sachsen“ wieder einführen. Wir haben das im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich glaube, dass wir durch einen Beirat dieses Programm auch wieder auf breitere Füße stellen, gerade was den Inhalt des Programms betrifft. Dort haben wir im Zeitplan vor, dass die konstituierende Sitzung noch vor den Sommerferien im Jahr 2016 stattfindet.

Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen. Ja, wir haben in Sachsen ein Rassismusproblem. Und ja, der

Staat und die Zivilgesellschaft müssen gemeinsam dagegen vorgehen. Der Staat muss diejenigen stärken, die sich vor Ort engagieren, die sich gegen Rassismus auflehnen und eine vielfältige Gesellschaft leben wollen.

Deswegen möchte ich noch einmal Heidenau oder Freital erwähnen. Ich bin dort gewesen und habe mit der Zivilgesellschaft, mit den Bürgermeistern am Tisch gesessen und ihnen gesagt, welche Möglichkeiten wir in Sachsen gemeinsam mit dem Innenministerium und mit unseren anderen Ministerien aufgelegt haben, um die Zivilgesellschaft zu stärken. Es bedrückt jeden, der vor Ort mit diesen Menschen spricht, die sich engagieren, dass sie einem schon sagen, dass sie Angst haben, öffentlich zu sagen, dass sie sich für Flüchtlinge und für Asylbewerberheime engagieren. Diese Angst darf keine Zukunft in Sachsen haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Zivilgesellschaft muss sich auf uns als Staat tatsächlich verlassen können. Ich habe noch einmal überprüft, wie wir denn dastehen mit dem „WOS“, und festgestellt, dass es circa fünf Bundesländer in Deutschland gibt, die eigene Landesprogramme haben. Die meisten Bundesländer haben dort nur eine Art von Programm. Wir fördern gleichzeitig Projekte. Deswegen glaube ich, dass wir mit unserem Programm „Weltoffenes Sachsen“ sehr gut aufgestellt sind. Wenn wir das nächstes Jahr mit unserem Sachsenmonitor kompensieren, dann ist das ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Vielen Dank Frau Staatsministerin. Meine Damen und Herren! Die

2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Befragung der Staatsminister

Für die Staatsregierung berichtet zunächst der Staatsminister der Finanzen, Herr Prof. Dr. Unland, zu dem Thema „Fortschritt und Stabilitätsbericht – erfolgreicher Aufbau“. Hierfür stehen ihm nach § 54 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, dem Staatsminister Fragen zu seinem Bericht sowie einem weiteren Themenkomplex zu stellen.

Als weiteren Themenkomplex hat die Fraktion DIE LINKE das Thema „Organisation und Finanzierung der Unterbringung und Betreuung der in Sachsen ankommen

den Flüchtlinge in der Verantwortung des Staatsministers der Finanzen“ benannt.

Es gilt wieder die Festlegung, dass in der ersten Fragerunde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden. In der weiteren Runde können diese Fragen sowohl dieses Thema als auch den von der Fraktion DIE LINKE benannten Themenkomplex betreffen.

Ich denke, dass wir damit ausreichend informiert sind, wie die Befragung ablaufen wird. Ich erteile nun dem Staatsminister der Finanzen, Herrn Prof. Dr. Unland, das Wort. Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Danke schön. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Dienstag habe ich im Kabinett zwei Berichte vorgestellt – den Fortschrittsbericht und den Stabilitätsbericht. Im Dezember werden dann diese Berichte im Stabilitätsrat sowohl vom Bundesfinanzminister als auch von den Finanzministern der Länder beraten.

Ich möchte zunächst auf den Fortschrittsbericht eingehen. Seit dem Jahr 2002 werden diese Fortschrittsberichte verfasst und sie dienen dazu, den Einsatz der Solidarpaktmittel für den Ausbau Ost darzulegen. Der Solidarpakt II wurde im Jahr 2001 beschlossen und er umfasst zwei Körbe, den sogenannten Korb I und den Korb II. Aus dem Korb I erhalten die neuen Bundesländer und Berlin seit 2005 und noch bis zum Jahr 2019 sogenannte Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen oder, wie es im Fachjargon heißt, SoBEZ. Sie haben zwei Zielrichtungen, einmal den infrastrukturellen Nachholbedarf abzudecken und gleichzeitig die unterproportionale kommunale Finanzkraft auszugleichen. In diesem sogenannten Korb I sind 105 Milliarden Euro vorgesehen.

Der Fortschrittsbericht bezieht sich hauptsächlich auf den Korb I. Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch erläutern, dass es einen Korb II gibt. Das sind investive Zweckzuweisungen des Bundes und der Europäischen Union. Ich glaube, an dieser Stelle ist es angebracht, dass man nach 25 Jahren Wiedervereinigung einmal sagt, dass diese Zuweisungen eine sehr großzügige Unterstützung für unsere Bundesländer ist und wir auf der einen Seite dankbar sein sollten und auf der anderen Seite aber auch verantwortlich mit diesen Mitteln umgehen müssen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

In dem Fortschrittsbericht muss der Freistaat, müssen aber auch die sächsischen Kommunen nachweisen, dass die Solidarpaktmittel zweckgerecht verwendet worden sind. Im zurückliegenden Jahr hatten wir SoBEZ in Höhe von gut 1,5 Milliarden Euro erhalten. Der Freistaat und die sächsischen Kommunen haben in die Infrastruktur insgesamt 3,33 Milliarden Euro – das ist gerundet – investiert. Zum Teil flossen diese Gelder aus Programmen des Bundes und der EU. Dementsprechend müssen diese Zahlungen korrigiert werden, und für den Nachweis der SoBEZ bleiben rechnerisch 2,32 Milliarden Euro übrig. Außerdem hat der Freistaat 183 Millionen Euro zum Ausgleich der unterdurchschnittlichen kommunalen