Protokoll der Sitzung vom 07.10.2015

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war für die einbringende Fraktion der CDU Herr Kollege Krauß. Als Nächste ergreift Frau Kollegin Lang für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie Billy? Billy ist ein Wohnelement eines schwedischen Möbelhauses mit vier Buchstaben. Jeder kennt es. Jeder kann es aufbauen, auch Männer.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Was hat Sucht damit zu tun? In eine meiner letzten Veranstaltungen zum Thema Crystal in meinem Wahlkreis Schwarzenberg waren 200 Teilnehmer gekommen, um genau dies zu erfahren. Teilnehmer waren Schüler, Vertreter der Landespolizei, des Wohnungsbaus, der Stadt und vieler Vereine.Thema waren Produzenten, Dealer, Ermittler und die Situation in Sachsen. Mit Drogen kann man Wochenenden durchfeiern, man ist leistungsfähiger und man kann Prüfungsstress vermeiden. Crystal ist billig und einfach zu haben. Es ist für viele Menschen aus unterschiedlichsten Feldern – vom Schüler bis zum Zahnarzt – Alltagsbegleiter, und das Verlangen wächst ständig. Crystal zerstört Menschen.

Und jetzt kommt Billy ins Spiel. Billy ist eine Darstellung dessen, wie Spätfolgen bei Konsumenten aussehen können. Entgegen allen gültigen Einstellungen ist der Aufbau dieses Regals eine hohe kognitive Leistung, da es sich um eine visuell-konstruktive, mit praktischen Handlungsansätzen verbundene Leistung handelt. Zwei Probanden, ein Cannabis-Konsument und ein Crystal

Konsument in drei Stufen dargestellt: Die erste Stufe ist die Intoxikation, das heißt unter Drogen. Der CannabisKonsument reißt das Paket auf, packt einige Bretter aus, winkt ab und geht. Der Crystal-Konsument braucht dafür circa eine halbe Stunde, benutzt keine legitime Technik; die Ähnlichkeit dessen, was da entsteht, ist sehr entfernt und auf Ansprache wird er aggressiv und hat kein Einsehen.

Nach der Entgiftung und nach drei Lernprozessen, also drei Probeabläufen, ist beim Cannabis-Konsumenten Folgendes zu verzeichnen: Er ist unsicher, hoch angespannt, die Fehlerquote wächst auf 15 beim dritten Regal. Er braucht eine stetige Bindung zum Bauplan, und die Verkürzung der Zeit verursacht eine Zunahme der Fehler. Der Crystal-Konsument hat auch eine zunehmende Zahl der Fehler bis zu 21. Er braucht länger, ist unsicher, angespannt und schwitzt.

Nach der Entwöhnungsbehandlung – und ich glaube, dort liegt die Wahrheit – hat der Cannabis-Konsument eine deutlich bessere Struktur, der Lerneffekt steigt zwar, aber er ist weiter eng an diesen Bauplan gebunden, obwohl er es schon mehrmals getan hat, und er hat eine verminderte Lernfähigkeit. Der Crystal-Konsument hat weiterhin eine hohe Fehlerzahl und mit Zunahme der Wiederholungen wird sichtbar, dass seine kognitiven Fähigkeiten weiter unter dem eines nicht Konsumierenden bleiben.

Die Fragestellung dieser Veranstaltung war: Wer sind die Konsumenten und wer profitiert davon? Wie soll man auf diese erschreckende Entwicklung reagieren?

Wichtig ist, wir brauchen gesicherte und umfassende Fakten. Das ist nur mit einer vernünftigen Drogenpolitik möglich, mit einer Drogenpolitik, die gesellschaftliche Realitäten anerkennt und die es ermöglicht, sich wirklich über Ursachen und Symptome zu unterhalten und sich darüber auseinanderzusetzen. Das ressortübergreifende Lagebild von SMS und SMI ist ein guter Beginn. Das bestätigen auch die Informationen in dieser Veranstaltung: Sieben von zehn Erstkonsumenten sind höchstens 18 Jahre alt. Bei der Veranstaltung wurde allerdings auch gesagt, dass es Erstkonsumenten in einem Alter von zwölf Jahren gibt. Mit knapp 27 Jahren suchen Konsumenten das erste Mal Hilfe in einer Suchthilfeeinrichtung.

Was muss unser Ziel sein? – Unser Ziel sollte sein, dass möglichst wenige Menschen Suchtmittel konsumieren, dass Menschen, die Probleme haben, möglichst schnell Hilfe bekommen, und dass Menschen, die aufhören wollen, uneingeschränkte Unterstützung erhalten. Das bedeutet, wir müssen uns von einigen Dingen verabschieden: Wir dürfen nicht davon reden, dass es eine Abstinenz oder eine Welt ohne Drogen gibt, weil dies unrealistisch wäre.

Eine gute Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention und Frühintervention, Beratung und Behandlung, Schadensminimierung und Angebotsreduktion. Der 10Punkte-Plan zum Kampf gegen Crystal greift diese Punkte durchaus auf.

Was brauchen wir noch dafür? – Ressourcen, vor allem in der Gesundheits- und Sozialpolitik.

Die Redezeit geht zu Ende.

Gut. Dann werde ich den Teil zwei nach hinten verlegen.

Das ist immer gut. – Das war Frau Kollegin Lang. Sie sprach für die einbringende SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wir kommen jetzt zu den weiteren Rednern. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Positiv ist tatsächlich zu erwähnen, dass im Vergleich zum Jahr 2014 in den Haushaltsplan rund 1,4 Millionen Euro mehr an Zuschüssen für laufende Zwecke für die Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe an soziale oder ähnliche Einrichtungen eingestellt wurden. Wenn man aber als Basis von den 500 000 Euro ausgeht, die für diesen Bereich viel zu wenig sind, dann ist die Euphorie schon wieder dahin. Die Zahlen in dem Bericht zur Suchtkrankenhilfe in Sachsen machen deutlich, dass die Staatsregierung gerade im Bereich der Prävention noch zu wenig investiert. Deshalb hören Sie doch bitte auf, sich hier an Ihrer selbst erklärten Großzügigkeit zu berauschen, und werfen Sie einen nüchternen Blick auf den Suchtbericht!

(Beifall bei den LINKEN)

Ich hatte auch gehofft, dass es heute nicht ausschließlich um Crystal geht. Der Titel lässt das ja nun nicht erahnen. Deswegen noch ein paar andere Zahlen. Im Jahr 2013 waren ungefähr 85 000 Menschen in Sachsen alkoholabhängig, 78 000 sogar von starkem Alkoholmissbrauch geprägt. 78 % der Fälle in der stationären Suchtmedizin sind somit alkoholverursacht. 1 105 Sterbefälle sind im Jahr 2013 auf alkoholbedingte Krankheitsfälle zurückzuführen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, wer die Treppe herunterfällt oder im Rausch sich oder andere totfährt.

Bier- und Alkoholkonsum werden zur Normalität im Alltag. Das beginnt schon beim Fußball, wenn in der Kreisliga Vereine auf ihren T-Shirts Brauereiwerbung tragen und Brauereien als Trikotsponsor und auf Werbebanden auftauchen. Das Biertrinken wird zum Erlebnis und wird mit sportlichen Großereignissen wie mit dem Fußball immer wieder gern verknüpft. Es ist erwiesen, dass diese Omnipräsenz der Alkoholwerbung Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen stark negativ beeinflusst. Wenn man also über Sucht und deren Prävention spricht, dann muss man besonders auch hieran anpacken und gegensteuern, anstatt den Fokus allein auf illegale Drogen zu legen.

Doch wie sieht es im Bereich der illegalen Drogen aus? – Es geht insbesondere um den Crystal-Konsum. Das haben Frau Lang und auch Herr Krauß schon gesagt. Im Jahr 2014 waren es allein 4 800 Klienten und die Tendenz ist weiter steigend. Die Zahlen haben sich in der Tat seit dem Jahr 2011 verdoppelt. Insofern ist es hoch erfreulich, dass sich die Staatsregierung jetzt dieses Problems annimmt. Besonders problematisch ist aber nach wie vor die Polytoxikomanie. Das heißt, Suchterkrankte, die mehrere Substanzen zu sich nehmen, lassen sich viel schwerer therapieren und verursachen dadurch viel mehr Aufwand.

Bei Müttern, die während der Schwangerschaft multiple Substanzen zu sich nehmen, besteht eine riesengroße Wahrscheinlichkeit, dass Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen geboren werden. In Deutschland sind drei von 1 000 geborenen Kindern Kinder von mehrfach abhängigen Frauen.

Beim Gebrauch multipler Substanzen während der Schwangerschaft werden folgende Störungen beobachtet: angeborene Fehlbildungen, Lernstörungen, Infektanfälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen, und, was viel schlimmer ist, auch die Zahlen für den plötzlichen Kindstod steigen in diesem Zusammenhang sowie die geburtshilflichen Komplikationen.

Ich finde es bemerkenswert, dass die Staatsregierung auch dazu auf meine Nachfrage nach Neugeborenen mit Abhängigkeitssymptomen keine Aussage macht bzw. dazu über keine Daten verfügt und sich nicht um selbige bemüht, wenn es doch in anderen Medien nachlesbar ist.

Neben den gesundheitlichen Folgen für die Süchtigen verursachen Drogenabhängigkeiten jeglicher Art immense Folgekosten. Allein in Sachsen verursacht die Alkoholabhängigkeit einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von 1 Milliarde Euro.

Allein die alkoholbezogenen Störungen wie die F-10Diagnosen, Herzinsuffizienz und interkranielle Erkrankungen führen am häufigsten zu Krankenhausaufenthalten und zu jährlichen Behandlungskosten in Höhe von rund 120 Millionen Euro.

Die Redezeit, Frau Kollegin!

Angesichts dieser Kosten ist der Betrag von 1,9 Millionen Euro relativ klein und beschwerlich. Insofern hoffen wir stark, dass auf eine gesunde Prävention gesetzt wird. Das bedeutet aber auch mehr Geld.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kollegin Schaper war das für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt kommt für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wendt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zitat:

„Nach dem geschilderten Einstieg in die Sucht Alkohol begann die Abwärtsfahrt nun rasend schnell. Unfähig, meiner beruflichen Tätigkeit auch nur halbwegs nachzugehen, reduzierte ich meinen täglichen Arbeitsablauf auf drei bis vier Stunden täglich. Der unumgängliche Zwang nach dem nunmehr erforderlichen Quantum Alkohol ließ mir nun schon fast alles unwesentlich erscheinen. Der Drang, meinen Pegel wieder aufzufüllen, ließ alles, meinen Beruf, meine eigene Familie, meine Freunde und einfach alles, was mir früher wichtig und erstrebenswert war, zur absoluten Nebensächlichkeit werden.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies war ein Zitat aus einem Bericht eines Alkoholkranken, der nur durch die Unterstützung von Selbsthilfegruppen gesunden konnte. Ich wollte es hier nur einmal darstellen, um auch einmal auf diejenigen einzugehen, die es betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schaper hat schon einige Zahlen genannt. Ich möchte diese Zahlen ergänzen. Die Sucht ist nicht nur in Deutschland eine Thematik, der wir uns annehmen sollten, sondern auch in Sachsen. Ich gehe hier speziell auf die Beratungsfälle ein, die es in Sachsen im vergangenen Jahr gegeben hat. Die Beratungsfälle zur Alkoholsucht beliefen sich im vergangenen Jahr auf 13 500. Das sind ca. 50 % der gesamten Beratungsfälle, die im Jahr 2014 angefallen sind.

An zweiter Stelle mit circa 8 200 Fällen rangierten sich diejenigen ein, die illegale psychoaktive Substanzen zu sich genommen haben und davon abhängig geworden sind.

Weitere Suchtfälle wie die Spiel- und Medikamentensucht sollten hierbei nicht außer Acht gelassen werden. Der Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf den beiden zuerst genannten Problemfeldern.

Alkoholsucht hat in Sachsen im vergangenen Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von circa 1 Milliarde Euro verursacht. Die Krankenkosten bezifferten sich auf circa 120 Millionen Euro. Die Beratungszahlen, das ist gut, blieben bei den Alkoholkranken konstant. Die Beratungsfälle bei den crystal- bzw. drogenbezogenen Beratungsfällen haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. Aufgrund dieser Zahlen kann wahrlich von keinem erfolgreichen Vorgehen der Staatsregierung gesprochen werden, auch wenn uns Herr Krauß die Sonne an die Wand malt.

Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Deshalb sind genaue Zahlenangaben nicht möglich. Erschreckend für mich ist, dass in Sachsen Jugendliche bereits im Alter von 15 Jahren auf Alkohol zurückgreifen. Mit 15 Jahren beginnt also schon der Alkoholkonsum, obwohl der Bundesdurchschnitt bei 16 Jahren liegt. Jetzt müssten wir uns folgende Fragen stellen: Wie nehmen wir uns der Herausforderungen an? Was können wir tun, um den Trend umzukehren?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir flächendeckende Beratungs- und Betreuungsmöglichkeiten benötigen, dürfte klar auf der Hand liegen. Geht man auf

die Internetseite der Suchthilfe Sachsen, so werden dem Nutzer etwa 70 Anlaufstellen genannt. Aufgrund der derzeitigen Problematik sollte man infrage stellen, ob diese Anlaufstellen wirklich flächendeckend und in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.

Der Fachkräfteschlüssel wurde ebenfalls angesprochen. Hierbei liegen wir bei circa 1 : 23 000, obwohl ein Fachkräfteschlüssel von 1 : 20 000 angedacht ist. Es gibt Diskrepanzen. Dieser Fachkräfteschlüssel ist nicht flächendeckend konstant. Er beträgt im Landkreis Leipzig beispielsweise 1 : 35 000. In Leipzig-Stadt liegt er bei 1 : 17 500. Diese Ungleichgewichte müssen ausgeglichen werden. Dies schließt logischerweise einen Aufwuchs beim Personal ein.

In Sachen Prävention gibt es einiges zu tun. In den Bereich Prävention tauche ich in der zweiten Runde etwas tiefer ein.

Ich bedanke mich zunächst einmal für den ersten Redebeitrag und für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Wendt sprach für die AfD-Fraktion. Für die Fraktion GRÜNE spricht jetzt Kollege Zschocke. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschlands größter legaler Rauschmittelexzess ist gerade in München zu Ende gegangen. Wenn der Präsident, Herr Rößler, am Freitag in der „Sächsischen Zeitung“ erklärt, dass es in der sächsischen CDU ein ähnliches Selbstverständnis wie in der CSU gebe, dann hoffe ich, dass Sie damit nicht die Trinkfestigkeit meinen und die Droge nicht verharmlosen, die mit Abstand nach wie vor das höchste Gefährdungspotenzial hat.