Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Wer möchte sich noch zum Änderungsantrag äußern?

(Dr. Frauke Petry, AfD, steht am Mikrofon.)

Wollen Sie noch einmal zum Antrag sprechen?

Ist eine Kurzintervention dazu möglich?

Nein, zum Antrag sprechen, bitte!

Dann spreche ich in dem Fall zum Antrag. Diese Fragen sind sehr sinnvoll, weil sie darüber Auskunft geben, nicht nur, wie bekannt dieses Berufsbild ist, sondern auch, wie es ausgebaut werden sollte. Diese Fragen kann man eben nicht ergoogeln. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Notwendigkeit, dieses Berufsbild auszugestalten. Insofern bleiben wir dabei, dass diese Fragen immanent wichtig sind.

Meine Damen und Herren! Wenn es keinen weiteren Redebedarf gibt, lasse ich über den Änderungsantrag der AfD-Fraktion abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Ursprungsantrag. Wer gibt dem Antrag seine Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Es gibt Stimmenthaltungen, ansonsten eine große Mehrheit für diesen Antrag. Damit ist der Antrag beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe den

Tagesordnungspunkt 4

Betreuungsvereine fördern, ehrenamtliche Betreuung stärken!

Drucksache 6/2799, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen die SPD, DIE LINKE, die AfD, die GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Es beginnt Herr Martin Modschiedler für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines sei meinen Ausführungen zum Antrag der Regierungsfraktionen vorangestellt: Die Berufsbetreuer leisten sachsen- und bundesweit gute und verlässliche Arbeit. Dafür einen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Besonders rechtlich und sozial komplexere Fälle sind in den Händen der Berufsbetreuer gut aufgehoben und sollen dort aus unserer Sicht auch verbleiben. Auch die angemessene Vergütung wird nicht infrage gestellt. Aber dennoch müssen und werden die Betreuungsvereine und damit die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer mehr Unterstützung erfahren.

Der demografische Wandel und weitere gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, beispielsweise die stetig steigende Zahl der Suchtgeschädigten, führen dazu, dass sich die Anzahl der Betreuungsfälle in unserem Freistaat in den letzten Jahren auf einem konstant hohen Niveau befindet.

Betrachtet man die zurückliegenden Jahre, so wird deutlich, dass zwar die Betreuungszahlen leicht abgenommen haben, sich die Gesamtausgaben aber für die rechtliche Betreuung auf rund 51 Millionen Euro beliefen. Fast 51 Millionen Euro für den Zeitraum 2012 bis 2014! Den wesentlichen Teil dieser knapp 51 Millionen Euro bildet die Vergütung der Berufsbetreuer.

Diese Aufwendungen mussten betrieben werden, da es eben nicht genügend ehrenamtliche Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte gab und nach wie vor leider nicht gibt. Dabei ist für die Mehrzahl der Betreuungsverhältnisse eine ehrenamtlich geführte Betreuung nicht nur ausreichend, nein, sie ist schlicht besser. Ehrenamt geht vor Berufsbetreuung. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch auch vor. Denn in der Mehrzahl der Fälle genießt der ehrenamtliche Betreuer von Beginn an das Vertrauen des Betreuten. Ein Berufsbetreuer muss sich dies erst erarbeiten.

Die ehrenamtliche rechtliche Betreuung muss unterstützt und gestärkt werden. Es ist also sinnvoll und zielführend, durch Vermeidung der Minderung des Bedarfs zur rechtlichen Betreuung die ehrenamtlichen Betreuer erstens zu entlasten und zweitens Anreize zu schaffen, vorhandene ehrenamtliche Betreuer langfristig zu binden und neue ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen.

Weiterhin muss den derzeit tätigen Betreuern durch Beratung und Fortbildung geholfen werden, um ihr

Engagement mit hoher Qualität effizient gestalten zu können. Dies betrifft in der Praxis die Arbeit der Betreuungsvereine. Sie akquirieren, beraten, begleiten ehrenamtliche Betreuer und leisten diesbezüglich wertvolle Dienste, die den betreuten Menschen zugute kommen.

Mit einer adäquaten Förderung sowohl durch den Freistaat als auch durch die Kommunen kann die Arbeit der Betreuungsvereine unterstützt und intensiviert werden, sodass die ehrenamtliche Betreuung gestärkt wird. Genau darauf zielt unser Antrag ab.

Seit dem 1. Januar 2015 fällt die Betreuung nun in das Justizressort und nicht mehr in den Bereich Soziales. Mit dem Berichtsantrag wollen wir die Informationen über die ehrenamtliche Betreuung, Ausgaben, Förderung und die bisherige und zukünftige Entwicklung der Betreuungsvereine und speziell die ehrenamtliche Betreuung erhalten. Mithin wollen wir wissen, wie das Staatsministerium der Justiz mit der aktuellen Förderrichtlinie umgeht und ob es gegebenenfalls die Richtlinie auch anpassen will.

Heute Morgen haben wir darüber gesprochen – erste Gewalt, wir wollen das wissen. Nur so können wir als gesetzgebende Gewalt zeitnah auf die Bedürfnisse der Betreuer und der Betreuten reagieren. Unser Koalitionsantrag ist ein erster Schritt dazu.

Neben dem Berichtsantrag fordern wir die Staatsregierung auf, die kommunale Seite stärker an der Förderung der Betreuungsvereine zu beteiligen. Die Betreuungsvereine tragen zur Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung bei und übernehmen mit ihrer Arbeit wichtige, gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgaben, zu deren Erfüllung eine adäquate und funktionierende staatliche Förderung sowohl vonseiten des Freistaates als auch vonseiten der Kommunen unerlässlich ist.

Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPDFraktion Herr Baumann-Hasske; bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das gar nicht so weit ausdehnen. Wir wollen die ehrenamtliche Betreuung stärken, und dazu dient dieser Berichtsantrag. In neuer Zuständigkeit ist die Betreuung beim Justizministerium angesiedelt; Herr Modschiedler sagte es soeben.

Betreuung wird in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger. Aber es ist nicht nur das Alter, das zur Betreuung führt, sondern es gibt auch viele gesundheitliche Gründe, die immer mehr Betreuung erforderlich machen. In der Regel sollte es so aussehen, dass diejenigen, die eine Betreuungsfunktion übernehmen, aus dem Umfeld stammen und das Vertrauen des zu Betreuenden bereits genießen. Das können Familienmitglieder, Freunde, Bekannte sein. Sie machen es in der Regel ehrenamtlich,

und gerade das wollen wir unterstützen; denn damit bleibt natürlich die Nähe zu den zu Betreuenden gewahrt.

Gerade in diesem Bereich übernehmen die Betreuungsvereine eine zentrale Aufgabe, weil sie die ehrenamtlichen Betreuer beraten und begleiten und ihnen dabei Hilfestellung leisten können. Genau das soll gestärkt werden. Darüber hinaus übernehmen sie die Beratung von Vorsorgebevollmächtigten.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, dass jeder eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht für Personen seines Vertrauens erteilt. Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen. Vorsorgevollmachten sind ein in die gleiche Richtung weisendes Instrument wie die Betreuung, wenn auch nicht mit gleicher Wirkung.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Damit wird vieles erleichtert; denn wenn jemand tatsächlich nicht mehr handlungsfähig ist, ist sofort jemand da, der diese Handlungen übernehmen kann, bevor ein Gericht eingeschaltet werden muss.

Wir wollen die ehrenamtliche Betreuung stärken. Das ist kein Angriff auf die Berufsbetreuer, die eine ausgezeichnete Arbeit leisten. Aber Berufsbetreuer sind nicht die Lösung, die die Gesellschaft insgesamt anstreben sollte, sondern sie sind diejenigen, die es professionell und berufsmäßig immer dann machen sollen, wenn aus dem familiären Umfeld niemand da ist.

Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir die Betreuungsvereine weiter stärken können.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die Linksfraktion Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir begrüßen diesen Antrag und haben mit dem Antrag überhaupt keine Schwierigkeiten. Wir meinen, dass die Koalitionsfraktionen damit in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal ein Thema in den Landtag bringen, das erhebliche gesellschaftliche Bedeutung hat. Es führt, mitunter zu Unrecht, oftmals ein Schattendasein.

Es handelt sich um ein Gebiet, das noch nicht so lange als Rechtscharakter vorhanden ist. 1990 ist es eingeführt worden. Vieles ist noch im Fluss. Wir meinen, dass mit diesem Antrag zunächst dem Parlament geholfen werden kann, sich einen Überblick zu verschaffen, wie die Situation speziell im Bereich der Betreuungsvereine und der ehrenamtlichen Betreuung ist.

Die Prämisse zu setzen und zu sagen, wir beginnen bei den Betreuungsvereinen innerhalb des gesamten Komplexes Betreuung/Betreuungsrecht als rechtliches Institut, ist legitim. Letztendlich sieht das Gesetz – § 1896 BGB – im

Konkreten vor, dass die Betreuung grundsätzlich in den Händen von Ehrenamtlichen sein soll und die Berufsbetreuer subsidiär einzuschalten sind, wenn es aus der Spezifik des Falls – aus Anforderungen, Komplexität usw. heraus – sinngebender ist bzw. Betreuer aus dem persönlichen Umfeld oder aus dem sonstigen Bereich von Vereinen nicht infrage kommen.

Dennoch müssen wir uns einig sein – das hat Kollege Baumann-Hasske soeben betont –, dass dieser Antrag mit diesem Ansatz nicht gegen die Berufsbetreuer stehen kann. Wir müssen uns das genauso ansehen.

Seit geraumer Zeit bereiten wir eine Große Anfrage zum Betreuungswesen im Freistaat Sachsen mit einem etwas komplexeren Ansatz vor. Das Strukturelement Betreuungsvereine ist mit vorgesehen, aber wir haben darüber hinaus weitere umfängliche Fragen wie generell zur Funktionsweise. Auch die Besetzung der Betreuungsgerichte, die Wahl der Richterinnen und Richter, die auf diesem Feld tätig sind, sind nach unserer Auffassung der Analyse und Betrachtung wert.

Was die Problemlagen betrifft, so denke ich, dass schon allein das damalige Pressebudget der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine vom Mai 2014 in Reutlingen deutlich macht, welche Probleme die Betreuungsvereine derzeit haben. Das ist in Sachsen nicht anders als in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen. Das Konzept dieses Strukturelementes Betreuungsvereine, das 1990 etabliert worden ist, hat auch praktische Konsequenzen.

Die Vereine gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Existenz von Betreuungsvereinen zunehmend bedroht ist. Folge, die Sie auch in diesem Papier benennen, ist der Zwang zu vermehrten Übernahmen von Betreuungsfällen zur Einnahmenverbesserung. Also, durch Quantität will man gewissermaßen die Mittel halten, steigende Belastungen der Mitarbeiter bis hin zum Ausfall von Mehrarbeitszeiten, die nicht vergütet werden, steigende psychische Belastungen der Mitarbeiterinnen, fehlende Zeit für Fortbildung, Qualitätssicherung, steigende Gefahren für Fehler und damit auch Haftungsfälle, die dort zutreffen können – also eine ganze Reihe von Problemen, die ohne Weiteres, wie es der Antrag ja auch bezweckt, hier der Analyse und der eventuellen Problemsammlung zugänglich gemacht werden müssen.