Unabhängig von alledem und der Frage, wie viele Menschen in diesem Jahr berechtigt oder unberechtigt zu uns gekommen sind und noch kommen werden, bleibt festzustellen, dass viele von ihnen bleiben werden, ob als anerkannter Asylberechtigter oder als Geduldete. Die Debatte zum Thema Integration muss deshalb dringend und unmittelbar in diesem Zusammenhang und mit derselben Leidenschaft geführt werden. Deshalb ist es richtig, dass wir das heute tun. Integration ist kein Selbstläufer. Es gibt weder einen Handlungsleitfaden noch einen Masterplan. Sie wird uns jedoch über Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte hinweg begleiten, in sämtlichen Bereichen unserer Gesellschaft, und das intensiv. Deshalb ist es wichtig, dass wir sie mutig und aktiv angehen, und es ist auch wichtig, dass wir bei den Potenzialen von Zugewanderten und Einheimischen ansetzen und nicht bei den Defiziten.
Nur wenn wir uns die Integration der Schutzbedürftigen auf die Fahne schreiben und diese gelingen lassen wollen, dann sind soziale Spannungen vermeidbar. Eine Integration der Beliebigkeit wird es nicht geben können. Sie muss eine Richtung haben. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen nicht neben oder gegen uns, sondern mit uns leben. Deshalb müssen im Mittelpunkt der Diskussion das Erlernen der deutschen Sprache, die Vermittlung und Einhaltung unserer Werte und Rechtsordnung, die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts und die gesellschaftliche Partizipation stehen. Integration muss als strukturierter kontinuierlicher Prozess des Forderns und Förderns ausgerichtet sein, und das auf Augenhöhe und im Dialog, weil sie sich eben nicht verordnen lässt, wohl aber steuern.
Gestatten Sie mir, dass ich mich in meinen weiteren Ausführungen ganz kurz auf das Thema Sprache beschränke und in der zweiten Runde auf den Bereich des Arbeitsmarktes eingehe. Es ist jedem klar, dass die elementare Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche
Integration das Erlernen der deutschen Sprache ist. Für diejenigen, die einen längerfristigen Aufenthalt und ein Bleiberecht in Deutschland erhalten, gibt es bereits das Angebot der Integrationskurse. Der Integrationskurs findet wie üblich in Deutsch statt und umfasst 660 Stunden, davon sind 600 Stunden Deutschunterricht. Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes diese Angebote für weitere Personengruppen geöffnet. Nunmehr können im Rahmen der verfügbaren Plätze auch Asylbewerber im laufenden Asylverfahren zugelassen werden, bei denen ein rechtmäßiger oder dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist.
Darüber hinaus stellt die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Interventionsreserve, die er zur Verfügung stellt, bis Ende 2015 4 000 Plätze zur Verfügung. Neu ist ebenfalls, dass die Integration in den Arbeitsmarkt durch Maßnahmen der berufsbezogenen Deutschförderung unterstützt werden kann. Diese Maßnahmen bauen im Regelfall auf dem Integrationskurs auf; nach den gesetzlichen Neuregelungen ist ein Ausländer zur Teilnahme an der Maßnahme zur berufsbezogenen Deutschförderung verpflichtet, wenn er Leistungen nach dem SGB II bezieht und dies so in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehen und abgestimmt ist.
Das zeigt – und das ist gut so –, dass Integration keine Einbahnstraße ist und es auch nicht sein darf. Bestehende Lücken im System des Spracherwerbs müssen durch ergänzende Angebote des Landes beschlossen werden. Hier kommen insbesondere Einstiegskurse für Menschen mit hoher Bleibeperspektive in Betracht. Das Ziel muss es sein, für den Zeitraum von der Einreise bis zum tatsächlichen Zugang zu den Angeboten des Bundes einen grundständigen und niederschwelligen Spracherwerb zu ermöglichen. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass die Sächsische Sprachförderrichtlinie bald erlassen wird, –
Herr Präsident, ich komme zum Ende. Es gilt, lieber jetzt die notwendigen und sinnvollen Grundinvestitionen in den Spracherwerb zu tätigen als später teuer zu reparieren.
Das war Kollege Kiesewetter für die CDU-Fraktion. Aber auch hier wiederhole ich meinen Appell von vorhin: Freie Rede ist die Grundlage unserer Aktuellen Debatte. Das gilt auch für Kollegen Kiesewetter. Bitte keine ausformulierten Texte in der Aktuellen Debatte vortragen. Ich bitte wirklich alle Kolleginnen und Kollegen, die sich zur Aktuellen Debatte bereitfinden und für ihre Fraktion antreten, sich noch einmal klarzumachen, wie eine Aktuelle Debatte aussieht: freie Rede, Stichworte, keine ausformulierten Texte.
(Henning Homann, SPD, geht mit einem Redemanuskript zum Rednerpult. – Heiterkeit – Zuruf von den LINKEN: Großer Zettel! – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Vorher einreichen!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn in dieser Woche der Internationale Vorlesetag ist, werde ich mir dennoch Mühe geben, meine Rede frei zu halten.
Gut. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Integration ist eine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre. Die Frage des Zusammenlebens und der Integration wird uns länger beschäftigen als die Frage der Unterbringung. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt schon über das Thema Integration intensiv diskutieren und das Thema nach vorn bringen.
Viele Tausend Menschen engagieren sich bereits in diesem Bereich. Sie organisieren Sprachkurse, geben Orientierung, vermitteln Wohnungen oder helfen bei der sozialen Betreuung. Allein aus den Reihen der Evangelischen Kirche engagieren sich in Deutschland mehr als 110 000 Menschen in der Flüchtlingsarbeit. Das ist eine Zahl, die mich überzeugt davon sein lässt, dass wir mehr mit denen sprechen sollten, die anpacken, und weniger mit denen, die nur meckern; denn sie leben das Gebot der Stunde: Handeln statt lamentieren! Dafür vielen Dank.
Sprache, Bildung und Arbeit sind zentrale Integrationsmittel; denn sie können die gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft gewährleisten.
Die Studie der IHK ist dabei ein wichtiges Signal. Wenn 63 % der Unternehmerinnen und Unternehmer in Sachsen sagen, dass sie bereit seien, Flüchtlinge einzustellen, dann stecken dahinter zwei Botschaften. Die erste ist, Sachsens Unternehmer sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, und die zweite ist, Asylsuchende und Flüchtlinge werden in Sachsen gebraucht.
Auf der einen Seite sind in Sachsen aktuell 30 000 Arbeitsplätze unbesetzt, davon übrigens 7 000 in Helferberufen. Auf der anderen Seite sind mehr als 50 % der Asylsuchenden jünger als 25 Jahre und viele von ihnen sind hoch motiviert.
Zuwanderung wird sicher nicht unsere Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei der Demografie lösen, aber Zuwanderung kann dabei helfen, um diese Probleme zu lösen. Wir sollten über jeden Mosaikstein glücklich sein.
Damit das gelingt, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir die Integration entschieden angehen. Dann steckt in der Zuwanderung eine Chance für Sachsen. Deswegen ist es wichtig, dass wir das Thema Integration im Koalitionsvertrag als einen Schwerpunkt verankert haben.
Entschiedenes Handeln darf man aber nicht mit Aktionismus verwechseln. Auch die IHKs haben keinen Aktionismus verlangt. Auch sie wissen, dass zum Beispiel der Spracherwerb Zeit braucht.
Gerade wenn der Spracherwerb ein Schlüssel für die Integration ist und auch für die Integration in den Arbeitsmarkt, dann müssen wir hierbei einen ersten Schwerpunkt setzen, indem wir die im Koalitionsvertrag verankerten Sprachkurse auf dem Niveau A 2 umsetzen und Aufbaukurse auf den Niveaus B 1 und B 2 anbieten.
Der zweite Schwerpunkt ist: Wir müssen dringend in die Erhebung der Qualifikationen und Fähigkeiten investieren. Das Programm Early Intervention ist deshalb aus meiner Sicht auszuweiten.
Wir müssen die Anerkennung der Berufs- und Studienabschlüsse vorantreiben. Wir haben in Sachsen ein gutes IQNetzwerk gebildet. Das müssen wir weiter stärken.
Wir müssen im nächsten Schritt Qualifizierungsprogramme initiieren, die es ermöglichen, dass Flüchtlinge, die noch nicht alle Qualifikationen für Sachsen mitbringen, diese nachholen, um hier in Sachsen Fuß zu fassen.
Ja, wir müssen auch unsere eigenen Strukturen dafür vorbereiten. Es kann nicht sein, dass eine Bundesagentur Probleme hat, Gespräche mit Flüchtlingen zu führen, weil ihnen Mitarbeiter mit Englischkenntnissen fehlen.
Das zeigt ganz klar, dass wir natürlich Integration einfordern können, aber wenn wir fordern wollen, dann müssen wir an dieser Stelle auch selbst unsere Strukturen dafür einrichten.
Um die Chancen der Integration zu nutzen, müssen wir also wichtige Voraussetzungen schaffen. Es ist noch lange nicht ausgemacht, dass wir die Chancen auch nutzen. In der Perspektive sind mir dafür zwei Sachen wichtig.
Das Erste ist: Wir können mit der Integration nicht warten. Wir brauchen eine Integration von Anfang an. Unsere Integrationspolitik in Deutschland ist so, als wenn man warten würde, bis ein Kind mit drei Jahren eine Prüfung macht, und wenn dieses Kind mit drei Jahren die Prüfung besteht, dann beginnen wir mit der Erziehung. Das ist viel zu spät. Wir brauchen eine andere Integrationspolitik, die von Anfang an ansetzt, die schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen Orientierungs- und Sprachkurse anbietet, um
Das Zweite ist – damit komme ich zum Schluss –: Wir brauchen eine wirkliche Integration. Es gibt keine halbe Integration. Wir brauchen nicht Sprache oder Arbeit oder Familie. Wir brauchen Sprache, Arbeit und Familie. In diesem Sinne wünsche ich mir eine Integrationspolitik, die auf wirkliche Integration von Anfang an abzielt.
Die SPD-Fraktion hatte gerade durch den Kollegen Homann das Wort. Jetzt ist die AfD am Zuge. Das Wort ergreift Kollege Beger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte diskutieren wir über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Ich persönlich bin der Meinung, diese Debatte ist wichtig und sollte ohne Frage geführt werden. Wir sollten jedoch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.
Bevor wir darüber diskutieren, wie Integration funktionieren könnte, sollten wir lieber darüber sprechen, wie wir zum einen die Spaltung in der Gesellschaft wieder in den Griff bekommen, wie wir dafür sorgen, dass Menschen nicht in Turnhallen oder Zelten untergebracht werden müssen, zum anderen sollten wir aber über die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit in unserem Land sprechen.
Unsere Bürger verlieren mehr und mehr das Vertrauen in Politik und Regierung. Die Menschen gehen wieder zu Tausenden auf die Straße und die Politik bietet statt ordentlicher Lösungen eine Mischung aus Meinungsdiktat und fehlender Toleranz der eigenen Bevölkerung gegenüber.
Heute führen wir in der Tat eine Diskussion, welche weder den Zusammenhalt fördert noch den Strom der Asylbewerber auch nur annähernd bremsen kann.
Die Aktuelle Debatte führt nicht wirklich dazu, den Unmut in der Bevölkerung zu schmälern; im Gegenteil.
Weiterhin fragen sich immer mehr Bürger unseres Landes, warum immer weniger für Bildung und für unsere Schulen vorhanden sein mag, es aber an anderer Stelle ohne große Diskussion da zu sein scheint.