Für die Staatsregierung berichtet zunächst der Staatsminister der Justiz, Herr Gemkow, zu dem Thema „Erfolgreiche Strafverfolgung von Rauschgiftkriminalität – grenzüberschreitende justizielle Bekämpfung von Crystal Meth“. Zehn Minuten stehen Minister Gemkow zur Verfügung. Anschließend können die Fraktionen Fragen stellen. In einer zweiten Runde schließt sich das Thema der AfD-Fraktion „Personalsituation in der sächsischen Justiz – Herausforderung für zukünftiges Handeln“ an. Ich erteile Minister Gemkow das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das jetzige Thema beschäftigt sich mit einem außerordentlich ernsten Problem: dem Konsum und dem Handel von Designerdrogen im Freistaat Sachsen. Wenn man sich die besonderen Gefahren, die davon ausgehen, ansieht, dann besteht kein Zweifel, dass die Ausbreitung solcher Substanzen unbedingt gestoppt werden muss. Im Zentrum steht dabei – und das völlig zu Recht – das Methamphetamin, umgangssprachlich auch Crystal Meth oder auch Crystal genannt.
Wie Sie wissen, sind wir durch unsere Grenzlage vor allem zur Tschechischen Republik, aber auch zu Polen von der Crystal-Problematik überproportional betroffen. Denn die Herstellung von Crystal und der Handel mit Crystal spielen sich zu einem Großteil in Tschechien, nahe der Staatsgrenze zu Sachsen ab. Die Grundstoffe für die Herstellung der Droge stammen zum Teil aus Asien, zum Teil aber auch aus Polen, wo ephedrinhaltige Medikamente bis dato immer noch praktisch unbegrenzt
Das Problem Crystal ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, dass sich solche Probleme und solche Phänomene in Windeseile und vor allem über weite Landstriche ausbreiten. Drogen und Drogenkriminalität machen vor Staatsgrenzen nicht halt. Was heute noch als regionales Problem erscheinen mag, ist morgen bereits allgegenwärtig. Dem, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, gilt es grenzüberschreitend und möglichst sogar auf europäischer Ebene entgegenzuwirken. Über das Wie müssen wir einen Diskurs führen, denn Patentrezepte gibt es für ein so komplexes Thema nicht.
Ausgehend von diesem Befund möchte ich heute drei Teilaspekte ansprechen, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen und die sich gegenseitig überschneiden:
Zum ersten Punkt. Die konsequente strafrechtliche Verfolgung von Rauschgiftkriminalität ist eine wichtige Komponente beim Kampf gegen die weitere Ausbreitung von Crystal. Daran mag man auf den ersten Blick zweifeln; denn die Justiz kommt regelmäßig erst dann ins
Spiel, wenn Straftaten bereits begangen worden sind und das Kind in den Brunnen gefallen ist. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir den repressiven Ansatz als einen Teilaspekt zur Lösung des Problems auch weiterhin brauchen und verfolgen müssen. Dabei sind, wie in anderen Kriminalitätsfeldern auch, Bereiche von Angebot und Nachfrage zu trennen, also auf der einen Seite die Herstellung und der Vertrieb und auf der anderen Seite der Konsum der Droge.
Das Hauptaugenmerk der Strafverfolgung gilt der Verfolgung von Herstellern und Großdealern. Von rücksichtslosem Gewinnstreben getrieben, suchen diese Personenkreise nach immer neuen Absatzmöglichkeiten und Märkten für die Droge und nach Bezugsquellen für die Ausgangsstoffe.
In Deutschland werden nach den bisherigen Erkenntnissen keine Crystal-Küchen in größerem Umfang betrieben. Die Herstellung von Crystal für den sächsischen Drogenmarkt erfolgt nahezu ausnahmslos im Raum der Tschechischen Republik. Dazu werden in der Regel entweder ephedrinhaltige Medikamente verwendet – meist handelt es sich dabei um Erkältungsmittel –, oder aber man nutzt Chlorephedrin zur Herstellung dieser Droge.
Vor diesem Hintergrund ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der sächsischen Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften mit den Amtskollegen vor allem aus Tschechien, aber auch aus Polen von entscheidender Bedeutung. Diese Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Gefahren und Zusammenhänge kann man so früh erkennen, Wissen schnell und unkompliziert zusammenführen, und zwar über die Grenzen hinweg. Letzten Endes kann man dadurch die Strukturen besser enttarnen und entschlossen bekämpfen. Darum geht es in erster Linie.
Bereits seit vielen Jahren finden zu diesem Zweck regelmäßig verschiedene Arbeitstreffen und Dienstberatungen der Strafverfolgungsbehörden statt, und zwar auf allen Ebenen. Dazu gehören beispielsweise Treffen wie der sogenannte „Kurze Draht“ und gemeinsame Dienstberatungen der Grenzstaatsanwaltschaften zum Informations- und Erfahrungsaustausch. Zum Erfahrungsaustausch gehört aber auch auf der übergeordneten Ebene, also der Generalstaatsanwaltschaften, eine Trinationale Arbeitsgruppe, in der neben Tschechien, Polen und Sachsen zum Teil auch Bayern beteiligt ist. Dazu gehört aber auch die ganz praktische Kooperation auf der Arbeitsebene zwischen den Staatsanwaltschaften und den Polizeibehörden, sei es auf informellem Weg, sei es in Form gemeinsamer Ermittlungsgruppen, sogenannter Joint Investigation Teams, oder sei es unter Einbeziehung von Eurojust und Europol.
Diese Kooperationsformen sind speziell zur Bekämpfung der Crystal-Kriminalität nochmals konkretisiert worden, zum Beispiel durch den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen, aber auch in Form einer Arbeitsgruppe zur Fortentwicklung der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit mit Vertretern des Bundeskriminal
amtes, des Zollkriminalamtes, Beamten der Zollfahndungsämter und Polizeibeamten aus Bayern, Sachsen und Thüringen. Außerdem sind konkretisiert in Form gemeinsamer Besprechungen zum Thema Bekämpfung des grenzüberschreitenden Drogenschmuggels unter Beteiligung von Vertretern der Justiz und der Polizeibehörden Tschechiens, Polens, Bayerns und Sachsens, und zudem durch die jährliche Tagung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, regelmäßig Vertreter anderer Behörden – hier auch wieder Eurojust oder Zollfahndungsämter –, letztendlich aber auch Vertreter aus Tschechien und Polen, eingeladen worden.
Das gemeinsame Ziel all dieser Maßnahmen und Kooperationsformen ist es, illegal hergestellte und vertriebene Betäubungsmittel möglichst umfassend sicherzustellen; einerseits, um die davon ausgehenden Gefahren für die Konsumenten zu minimieren, andererseits, um zu verhindern, dass damit Kriminelle Profit machen.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Aufdeckung organisierter und damit besonders gefährlicher Strukturen auf der Anbieterseite. Zu einer konsequenten und nachhaltigen Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität gehört aber auch, dass Konsumenten und Kleindealer verfolgt werden müssen. Illegale Märkte kann man nicht austrocknen, indem man nur das Angebot bekämpft; denn letztlich ist es die ungebrochen hohe Nachfrage der Menschen nach immer neuen Suchtmitteln und psychoaktiven Substanzen, die überhaupt erst ein profitables, aber auch ein hoch gefährliches Geschäft damit ermöglicht.
Lässigkeit und Nachsicht auf dieser Ebene würden sich nach meiner Auffassung sehr schnell und ganz bitter rächen. Deshalb sind auch der Besitz und der Erwerb von Crystal vollkommen zu Recht verboten und strafrechtlich zu verfolgen. Die Gesellschaft muss ihre Missbilligung in Bezug auf den Crystal-Konsum klar zum Ausdruck bringen und weiterhin ein klares Bekenntnis gegen Drogen formulieren.
Strafverfolgung, Prävention und Sozialarbeit müssen sich dabei nicht gegenseitig ausschließen – im Gegenteil, sie müssen sich ergänzen und gegenseitig unterstützen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die interdisziplinären Ansätze der Sächsischen Staatsregierung im Kampf gegen Crystal hinweisen. Diese Ansätze beruhen im Schwerpunkt auf der Prävention, beinhalten aber, wo es notwendig ist, auch repressive Maßnahmen. In erster Linie geht es um die Aufklärung von Jugendlichen, um sie möglichst frühzeitig auf die Gefahren des Drogenkonsums aufmerksam zu machen, aber auch um die Information von Lehrern und Eltern, die eine Früherkennung einer sich entwickelnden Abhängigkeit erleichtern soll. Es geht darüber hinaus um die Ausgestaltung von Hilfsangeboten für Konsumenten und Abhängige und auch deren Angehörige.
Und schlussendlich geht es um die konsequente Strafverfolgung in der Rauschgiftkriminalität. Das deutsche Betäubungsmittelgesetz und vor allem auch das Jugend
gerichtsgesetz sehen ein ausgefeiltes Instrumentarium vor, sodass auf die Belange von Jugendlichen und Drogenabhängigen mit Nachdruck, aber auch mit Augenmaß reagiert werden kann. Bei den Konsumenten ist es natürlich mit Strafe allein nicht getan, denn die Drogensucht ist eine ernsthafte Erkrankung, an der sich mit der strafrechtlichen Sanktion per se zunächst nichts ändert. Deshalb haben wir besonderes Augenmerk auf die Einrichtung einer Therapiestation für suchtkranke Gefangene in Zeithain gelegt. Diese Therapiestation im Justizvollzug konzentriert sich im Schwerpunkt auf die Abhängigkeit von Crystal und vertritt den Anspruch, den Gefangenen eine vollwertige stationäre Drogentherapie zu ermöglichen. Die Suchttherapiestation wurde im Jahr 2014 zunächst mit zehn Plätzen eröffnet und hat mittlerweile 20 Plätze. Die bisherigen Erfahrungen sind ausgesprochen erfreulich. So ist es beispielsweise gelungen, Gefangene zu therapieren, die zuvor keine ausreichende Bereitschaft für einen Therapieversuch gezeigt hatten. Das Konzept einer vollwertigen Drogentherapie im geschlossenen Justizvollzug mit einem so umfassenden Angebot aus psychiatrischer, psychologischer, sozialpädagogischer, kunst- und gartentherapeutischer Versorgung ist deutschlandweit einmalig.
Solche Angebote, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sind gut und unbedingt notwendig. Trotzdem bin ich der Auffassung – und damit komme ich zum dritten Teilaspekt, den ich kurz ansprechen möchte –, dass wir noch viel früher und auf anderen Ebenen ansetzen müssen, um das Drogenproblem in den Griff zu bekommen. Wir brauchen die Kooperation mit unseren Nachbarstaaten. Wir müssen in europäischen Dimensionen denken.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Die Fraktionen können jetzt ihre Fragen stellen. Es beginnt die CDU, danach folgen DIE LINKE, SPD, AfD und die Fraktion GRÜNE.
Herr Staatsminister, gibt es gesetzgeberischen Handlungsbedarf in Sachen Crystal? Welche Schritte im Kampf gegen Chlorephedrin sind notwendig bzw. schon beschritten worden?
Ich hatte es in dem einführenden Statement schon kurz beschrieben, dass wir frühzeitig ansetzen wollen; nämlich dort, wo die Grundstoffe für die Herstellung von Crystal geliefert werden.
Momentan sieht die Kette folgendermaßen aus: Ein Großteil der Grundstoffe der Ephedrin enthaltenden Medikamente wird in Polen eingekauft, in die Tschechische Republik transportiert, dort in den sogenannten Crystal-Küchen verarbeitet und dann im Kleinsthandel nach Deutschland transportiert, insbesondere in die
Ein anderer Grundstoff, der zur Herstellung von Crystal verwendet wird, ist das sogenannte Chlorephedrin; ein Grundstoff, der nach Auskunft des Bundeskriminalamtes für nichts anderes einsetzbar ist als zur Herstellung von Crystal. Aus diesem Grund sehen wir die dringende Notwendigkeit, die Verkehrsfähigkeit dieses Stoffes innerhalb der Europäischen Union einzudämmen. Es gibt eine Verordnung des Rates der Europäischen Kommission zur Einschränkung der Verkehrsfähigkeit bestimmter Chemikalien und Grundstoffe. Im Anhang dieser Verordnung gibt es eine Liste, auf der dieser Stoff Chlorephedrin aufgeführt sein müsste. Wenn das der Fall wäre, dann könnte der Handel mit Chlorephedrin nicht mehr so einfach stattfinden.
Es gab im Frühjahr dieses Jahres einen relativ prominenten Fall, als eine erhebliche Menge dieses Grundstoffes Chlorephedrin über die Grenze von Tschechien nach Sachsen transportiert worden ist; 2,9 Tonnen dieses Grundstoffes sind es gewesen. Es war ein Erfolg, der aufgrund einer solchen grenzübergreifenden Zusammenarbeit zustande gekommen ist. Ein Joint Investigation Team hat den Erfolg herbeigeführt. Aber die Verurteilung gegen diesen Händler konnte nicht stattfinden, weil das Chlorephedrin nicht auf dieser Grundstoffliste geführt wird. Aus diesem Grund haben wir relativ zeitig, noch in diesem Jahr, Anstrengungen unternommen, um auf die europäische Ebene Druck auszuüben, damit dieses Chlorephedrin auf die Liste kommt. Das deutsche Grundstoffüberwachungsrecht verweist auf diese Liste, sodass eine Strafbarkeit des Handels und des Verkehrs hier in Deutschland nur infrage kommt, wenn das Chlorephedrin auf dieser Liste beim Rat der Europäischen Kommission enthalten ist.
Wir hatten seitens des Justizministeriums in Brüssel vor einigen Wochen eine Diskussionsrunde, zu der sich Vertreter der Kommission eingeladen hatten; sie hatten Interesse, zu diesem Thema etwas zu sagen. Diese Wünsche, die letzten Endes auch die Tschechische Republik aufgrund von Gesprächen geäußert hat, haben bei der Kommission dazu geführt, zu Beginn des kommenden Jahres diesen Grundstoff auf die Liste setzen zu wollen, sodass dann eine Strafbarkeit des Verkehrs, des Handeltreibens mit diesem Chlorephedrin gegeben sein könnte. Insofern ist das ein sehr guter Erfolg.
Das sind in meinen Augen die wesentlichen Ansatzpunkte, wenn wir zurzeit über gesetzgeberischen Bedarf nachdenken. Alle übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – gerade im Strafrecht oder Nebenstrafrecht, im Betäubungsmittelrecht – reichen aus, das Übrige zu gewährleisten.
Das war die Frage von Herrn Voigt, CDU-Fraktion. Jetzt folgt die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Abg. Schollbach.
Herr Staatsminister, ich habe folgende Frage: Ist es zutreffend, dass die Generalstaatsanwaltschaft Dresden angeordnet hat, dass Wirkstoffuntersuchungen bei Crystal-Proben nur noch bei Funden über 6 Gramm und bei Marihuana nur noch bei Funden über 50 Gramm erfolgen? Aus welchen Gründen ist diese Anordnung ergangen?
Es ist tatsächlich so, dass die Generalstaatsanwaltschaft erst ab bestimmten Mengen diese Wirkstoffuntersuchungen
vornimmt. Es gibt – darüber hatten wir schon im Ausschuss gesprochen – Schwierigkeiten bei der Auswertung dieser Stoffproben. Das hat mit der personellen Situation zu tun; deswegen wird auch in den kommenden Haushaltsverhandlungen ein ganz wesentliches Augenmerk auf der personellen Verstärkung liegen. Letztendlich ist aber im jetzt schon beschlossenen Haushalt seitens des Innenministeriums beschlossen worden, dort eine Verstärkung herbeizuführen, sodass ich davon ausgehe, dass in Zukunft solche Einschränkungen nicht mehr nötig sein werden.
Herr Minister, Sie erwähnten es schon in Ihrem Eingangsvortrag: Es gibt neben Crystal neue psychoaktive Substanzen, die sogenannten Legal Highs. Es gibt Designerdrogen. Haben Sie Erkenntnisse darüber, welche Auswirkungen diese haben und warum sie hergestellt werden? Sehen Sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf in diesem Bereich?
Vielen Dank. Legal Highs sind tatsächlich ein großes Problem. Die Gefahr bei den Legal Highs besteht für die Konsumenten insbesondere darin, dass kaum erforscht ist, welche Auswirkungen sie am Ende tatsächlich auf die Gesundheit eines Menschen haben. Es sind Fälle berichtet worden, in denen es zu Todesfällen aufgrund des Konsums von Legal Highs kam.
Das Problem bei der Verfolgbarkeit ist die Zusammensetzung dieser Stoffe. Es gibt momentan weit über 400 verschiedene chemikalische Konstellationen, in denen dieser Stoff aufgebaut sein kann, sodass sich die Verfolgbarkeit aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes unseres Rechts so schwer darstellt, weil man jeden einzelnen Stoff nicht festhalten kann. Deswegen gibt es Überlegungen, sogenannte Stoffgruppenstrafbarkeiten aufzustellen, das heißt, übergeordnete Stoffgruppen auf diese Listen, von denen ich schon gesprochen habe, zu setzen, damit man hier eine Verfolgbarkeit ermöglichen kann.
Prinzipiell wäre es sonst eine große Schwierigkeit, auf diese schnelle Entwicklung im Drogenmarkt zu reagieren; denn dort ist man unheimlich kreativ bei der Entwicklung neuer Zusammensetzungen, und die Justiz, letztlich die Strafverfolgungsbehörden, würden dem immer nur hinterherrennen. Deswegen glaube ich, dass es der richti
ge Ansatz ist, diese Stoffgruppen zu listen, um hier einen größeren Aufschlag im Kampf gegen diese Legal Highs zu haben.